Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Magdeburg (SAN)
Aktenzeichen
S 8 U 147/14
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 6 U 32/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 8. März 2016 und der Bescheid der Beklagten vom 22. Februar 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1. Juli 2014 werden aufgehoben.
Die Beklagte wird verurteilt, den Bescheid vom 26. April 2005 teilweise zurückzunehmen und eine posttraumatische Belastungsstörung und eine Agoraphobie mit Panikstörung als Folge des Arbeitsunfalls vom 28. Dezember 2000 anzuerkennen.
Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob weitere Folgen eines anerkannten Arbeitsunfalles vom 28. Dezember 2000 zu berücksichtigen sind.
Die Klägerin ist 1952 geboren. Ein beigezogenes Vorerkrankungsverzeichnis der Krankenkasse ergab Arbeitsunfähigkeitszeiten wegen psychischen Erkrankungen und eine Krankschreibung vom 7. bis 17. Februar 1996 wegen einer reaktiven Depression.
In der Unfallmeldung des Arbeitgebers vom 2. Januar 2001 heißt es, die Klägerin sei am 28. Dezember 2000 gegen 18:20 Uhr von einer männlichen Person in das Gebäude zurück gedrängt worden, als sie die Postfiliale habe verlassen wollen. Danach habe sie den Tresor öffnen müssen. Dabei habe sie den Alarm auslösen können. Sie sei von dem Täter in den Tresorraum eingeschlossen worden, habe sich aber selbst wieder befreien können. Die Klägerin sei zurzeit arbeitsunfähig.
Die Allgemeinmedizinerin Dr. B. verordnete am 2. Januar 2001 Diazepam und Radedorm. Bei einer Vorstellung bei der Chirurgin Dr. B. am 3. Januar 2001 gab die Klägerin an, am 28. Dezember 2000 auf ihrem Arbeitsplatz auf der Poststelle überfallen worden zu sein. Körperliche Beschwerden gab sie nicht an. Eine Tätlichkeit sei bei dem Überfall nicht erfolgt. Die Klägerin erschien der Chirurgin psychisch sehr auffällig; sie sei ausgesprochen ängstlich und weinerlich. Eine Verarbeitung des Geschehens sei nicht erfolgt. Als Diagnose wurde eine psychische Alteration nach Überfall festgestellt. Der Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dipl. med. K. verordnete der Klägerin am 15. Januar 2001 Cassadan, Stangyl sowie Radedorm und am 23. Januar 2001 erneut 50 Tabletten Cassedan.
Der Facharzt für Nerven- und Gemütskrankheiten Dipl. med. E. diagnostizierte am 15. Januar 2001 eine reaktive depressive Überforderung nach seelischem Trauma (Überfall). Er ging von noch weiter bestehender Arbeitsunfähigkeit für sieben bis zehn Tage aus. Im Weiteren war die Klägerin bis zum 14. Februar 2001 arbeitsunfähig. Die Beklagte zahlte Verletztengeld und übernahm die Behandlungskosten. Damit schloss sie den Vorgang ab.
Vom 22. Oktober bis 3. Dezember 2002 nahm die Klägerin an einer stationären Rehabilitationsmaßnahme in der B.-Klinik in L. teil, deren Kosten ein anderer Träger der Sozialversicherung trug. Die dortigen Diagnosen lauteten auf eine Angststörung mit Paniksyndrom sowie eine rezidivierende Cervicalgie und Lumbalgie. Die Klägerin gab u.a. an, sie sei schon immer ein "Sensibelchen" gewesen. Die Kur habe der behandelnde Neurologe angeregt. Dort sei sie seit einigen Jahren in Behandlung und habe Bromazanil verordnet bekommen. Damals habe sie Unruhestände beim Autofahren nach einem von ihr beobachteten Unfall entwickelt. Sie habe Angst gehabt, zu spät zur Arbeit zu kommen. Die Symptomatik habe sich verschlechtert, nachdem sie vor Jahren in der Filiale überfallen worden sei. Danach sei sie zusammengebrochen und habe nicht schlafen können. Seit diesen Vorfällen sei sie stark nervös und angespannt. Auf der Arbeit sei sie nach wie vor alleine, wobei sie jetzt in kleineren Filialen arbeite und einen besseren Überblick habe. Sie gehe auch zur Psychotherapie und erhalte Stangyl sowie Radedorm. Der Zustand habe sich aber nicht viel gebessert.
Weiter heißt es in dem Bericht, im Mittelpunkt habe die Angstproblematik gestanden. Auslöser sei der Überfall auf die Postfiliale gewesen. Angstzustände träten auf dem Arbeitsplatz bei Abweichung von der Routine auf (zum Beispiel zu viele Kunden, dunkel gekleidete Kunden, herumstehende Kunden, Verlassen des Arbeitsplatzes). Auf der kognitiven Ebene werde ein hohes Maß an Verantwortungsübernahme deutlich und die Tendenz zum Katastrophisieren (sie habe den Schlüssel, sie habe die Verantwortung, sie müsse alles kontrollieren, es dürfe kein Überfall entstehen).
Im Weiteren befand sich die Klägerin vom 29. Juli bis 14. November 2003 in einer tagesklinischen Behandlung im Klinikum Q ... Die Klägerin gab einen Antriebsmangel, morgendliche Anlaufschwierigkeiten, Einschlafstörungen und anhaltende Unruhe und Gereiztheit an. Sie habe sich von vielem zurückgezogen. Sie sei noch zwangsweise durchgehend schreckhaft und ängstlich, was sie von früher her nicht kenne. Zum Unfallhergang führte sie aus, dass sie von einer dunkel gekleideten maskierten Person mit spitzem Gegenstand bedroht worden sei, als sie die Poststelle habe verlassen wollen. Der Täter habe sie gezwungen, den Tresor zu öffnen. Es sei ihr gelungen, unauffällig den Alarm auszulösen. Anschließend sei sie vom Täter im Tresorraum eingeschlossen worden. Sie sei durchs Fenster ins Freie gelangt und habe dort gewartet. Während des Überfalls habe sie mehrfach den Gedanken gehabt, den Täter zu überwältigen, habe sich aber an die Anweisung der Post für solche Situationen gehalten. Sie habe auch befürchtet, sich sonst Vorwürfe für ihr Verhalten zuzuziehen. In den ersten Tagen nach dem Überfall habe sie apathisch reagiert. Seither leide sie an Konzentrationsschwierigkeiten. Nach einer Rehabilitationsmaßnahme sei sie wieder arbeiten gegangen.
Die behandelnden Ärzte führten weiter aus, in allen Therapiebereichen sei ein hoher Anspruch der Klägerin an die eigene Arbeitsleistung und eine geringe Fehlertoleranz deutlich gewesen. Sie habe dazu geneigt, das schlechte Befinden als Folge eigenen Versagens insbesondere bei der Bewältigung der Überfallsituation anzusehen.
In einem Aktenvermerk am 28. Oktober 2003 wurde von der "Sozialbetreuung" der Beklagten festgehalten, der Klägerin würde es nicht gut gehen. Sie führe ihre Beschwerden auf den Arbeitsunfall zurück und wolle wissen, ob eine Therapie durchgeführt werden könne.
Am 4. November 2003 stellte sich die Klägerin bei dem D-Arzt Dr. B. vor und berichtete über Angstzustände, Kopfschmerzen und Schwindel. Seine Diagnosen lauteten auf eine posttraumatische Depression sowie Angst- und Panikattacken. Der kurzzeitige Eindruck zeige keinerlei Belastbarkeit der Klägerin. Offensichtlich bestehe eine eindeutige posttraumatische psychische Alteration im Sinne einer Depression mit Angst- und Panikattacken. Ab dem 22. November 2004 war die Klägerin erneut wegen psychischer Beschwerden arbeitsunfähig.
In der beratungsärztlichen Stellungnahme vertrat der Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. M. die Ansicht, eine posttraumatische Belastungsstörung liege nicht vor. Zudem beeinträchtige die Angstsymptomatik die Leistungsfähigkeit der Klägerin im Erwerbsleben nicht nennenswert.
Mit Bescheid vom 26. April 2005 erkannte der Rentenausschuss der Beklagten das Ereignis vom 28. Dezember 2000 als Arbeitsunfall an. Die ab dem 15. Februar 2001 geltend gemachten psychischen Beschwerden würden nicht als Folge des Arbeitsunfalls anerkannt und Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung insoweit nicht gewährt. Insoweit stützte sie sich auf die Argumentation von Dr. M., ging jedoch anders als dieser korrekt von einer Arbeitsunfähigkeit bis zum 14. Februar 2001 aus.
Hiergegen legte die Klägerin Widerspruch ein und wies daraufhin, dass sie seit dem Überfall anhaltende Depressionen sowie Angst- und Panikattacken habe. Solche posttraumatischen Belastungsstörungen seien seit dem Überfall situationsbedingt immer wieder aufgetreten.
In einem von der Beklagten eingeholten Befundbericht vom 27. Juli 2005 gab Dr. B. an, die Klägerin sei vom 2. Januar 2001 bis zum 24. Juli 2005 in ihrer Behandlung und seit Jahren in psychiatrischer Behandlung. Eine Reha und eine tagesklinische Behandlung hätten keine Besserung gebracht.
Nach einem später beigezogenen Bericht der Nervenärztin Dr. R. vom 3. November 2005 hatte sie die Dosierung von Stangyl erhöht und zu einer Reduzierung von Schlaftabletten und Tavor geraten. Es bestehe eine Überempfindlichkeit auf Reiz und Lautstärke. Als Ursache des Traumas wurden Erwartungs- und Versagensängste angesehen. Die Diagnose lautete auf eine chronische posttraumatische Belastungsstörung.
Mit Widerspruchsbescheid vom 5. Dezember 2005 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Hiergegen legte die Klägerin kein Rechtsmittel ein.
Im Januar 2007 wurde der Beklagten telefonisch von der Schwerbehindertenvertretung des Arbeitgebers der Klägerin mitgeteilt, dass diese nicht mehr in der Lage sei, ihre Arbeit auszuüben. Der Betriebsarzt habe festgestellt, dass die Klägerin Angst vor Publikumsverkehr habe. Man beantrage die Überprüfung des Sachverhaltes. Die Schwerbehindertenvertretung sei der Auffassung, dass ein Zusammenhang bestehe. Beigefügt war eine Vollmacht der Klägerin.
Am 24. Februar 2007 bestätigte die Diplom-Psychologin Dr. A., dass die Klägerin seit dem 11. Juli 2006 in ihrer ambulanten verhaltenstherapeutischen Behandlung sei. Es sei eine Langzeittherapie für die Behandlung einer posttraumatischen Belastungsstörung bewilligt worden. Die aktuellen psychischen Beschwerden seien Folge des Überfalles in der Postfiliale am 28. Dezember 2000. Aus ihrer Sicht sei es der Klägerin durch die erfolgte Traumatisierung unmöglich gewesen, selbstständig rechtliche Forderungen geltend zu machen. Daher halte sie eine erneute Überprüfung des Sachverhaltes für angezeigt. Mit Schreiben vom 13. März 2007 beantragte die nun anwaltlich vertretene Klägerin eine Überprüfung gemäß § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X).
In einer nunmehr beigezogenen Epikrise berichtete die Klinik und Poliklinik für Psychotherapie und Psychosomatik der M. Universität H. am 4. Juli 2006, die Klägerin sei vom 19. April bis 27. Juni 2006 in stationärer Behandlung gewesen. Die Diagnosen lauteten auf eine posttraumatische Belastungsstörung sowie eine Panikstörung.
Zum 1. Dezember 2009 schied die Klägerin aus dem Erwerbsleben aus und bezog Arbeitslosengeld bzw. Überbrückungsgeld von ihrem ehemaligen Arbeitgeber. Seit 2010 bezieht sie eine Altersrente für langjährig Versicherte.
In den weiter beigezogenen Unterlagen befand sich ein Gutachten von Dr. B. vom 28. Mai 2011 für das Sozialgericht Magdeburg. Ihm gegenüber berichtete die Klägerin, sie sei nach dem Überfall am 29. Dezember 2000 beim Bereitschaftsarzt gewesen und habe Tabletten bekommen. Auf einen Termin beim Psychiater habe sie ein halbes bis ein dreiviertel Jahr gewartet. Sie sei so "vor sich hingedümpelt", sei ein paar Wochen krankgeschrieben gewesen und habe schließlich wieder arbeiten gehen und eine starke Frau sein wollen. Am Schalter habe sie aber nicht mehr arbeiten können, weil sie es nicht mehr geschafft habe, mit den Leuten zu reden. Sie sei beim Dipl.-Med. K. und anschließend bei dem Psychotherapeuten Dr. R. gewesen. Schließlich habe man sie zur Kur geschickt; danach seien beide Psychologen weggezogen. Sie habe u.a. Tavor verschrieben bekommen, welches sie fast täglich gebraucht habe. Anschließend sei sie zu einem Neurologen nach H. gefahren. Später sei sie in Q. in der Tagesklinik und danach in H. zunächst stationär und von 2006 bis 2008 ambulant behandelt worden. Dort habe sie 14tägig eine Doppelstunde gehabt, weil der Weg so schwierig gewesen sei. Aktuell habe sie noch vierteljährig Termine bei einer Psychologin. Als sie noch gearbeitet habe, sei es ihr am Arbeitsplatz besonders schlecht gegangen. Bis zum 31. November 2009 habe sie gearbeitet. Die letzten drei bis fünf Jahren aber nur noch "innen" (ohne Publikumsverkehr). Ganz zum Schluss habe ihr Mann sie abends von der Arbeit abgeholt.
1997 sei sie ein- oder zweimal beim Psychologen gewesen, nachdem sie in einen Unfall verwickelt gewesen sei und danach eine kleine Panik bekommen habe, zu spät zur Arbeit zu kommen. Eine regelrechte Therapie habe sie nicht gemacht und auch keine Medikamente erhalten. Angst sei etwas Anderes. Aktuell nahm die Klägerin nach ihren Angaben Zopiclon und Tavor ein. Eine Laboruntersuchung des Urins auf Benzodiazepine war negativ.
Die Diagnosen des Gutachters lauteten auf eine posttraumatische Störung sowie eine Agoraphobie mit Panikstörung. Aktuell seien alle Elemente einer posttraumatischen Störung vorhanden. Es beständen alle typischen Symptome sowie Nachhallerinnerungen, Hypervigilanz, vegetative Übererregbarkeit, Schreckhaftigkeit, Vermeiden von erinnernden Gegebenheiten und Schlafstörungen. Auch das ausgesprochen szenenhafte Erzählen des Ereignisses ohne affektive Beteiligung könne als typisch betrachtet werden. Das gesamte Dasein der Klägerin werde von den pathologischen Mustern beherrscht. Allerdings lasse sich nicht die gesamte Symptomatik mit der Annahme einer posttraumatischen Störung begründen. Das weit um sich greifende Vermeidungsverhalten lasse sich nur durch die Annahme einer zusätzlichen Angsterkrankung erklären.
Aus den Vorbefunden ergebe sich, dass das Vorliegen einer posttraumatischen Belastungsstörung damals teilweise nicht gesehen worden sei. Dass dies übersehen worden sei, sei angesichts des nunmehr klassischen Bildes unwahrscheinlich. Ein solches ausgeprägtes Bild sei auch tatsächlich nicht in den Unterlagen der B. Klinik dokumentiert. Insgesamt zeige sich eine Verschlechterung der Symptomatik. Es sei eine vorbestehende, aber mindestens drei Jahre nur sehr gering ausgeprägte Angsterkrankung bei einer wohl eher zu Überkompensation neigenden Klägerin mit Verschlechterung durch den Unfall festzustellen. Bei der Behandlung in der B. Klinik sei die Klägerin trotz sichtbaren Leidensdruckes bemüht gewesen, nach außen stark zu wirken. Es überrasche, dass die Symptome erst mit so hoher Latenz nach dem Überfall aufgetreten sein sollten. Üblich sei nach dem ICD-10 eine Latenz von Wochen bis Monaten, selten ein halbes Jahr. Denkbar sei, dass dies differentialdiagnostisch damals nicht weiter aufgeklärt worden sei oder die Klägerin entsprechende Symptome aus Scham verschwiegen habe. Aller Wahrscheinlichkeit seien daher die Symptome in der B. Klinik übersehen worden. Jedoch zeige ihre nachfolgende Berufstätigkeit, dass das Gesamtbild des psychischen Leidens seinerzeit bei Weitem noch nicht so ausgeprägt gewesen sei wie heute. Nunmehr erscheine angesichts des aktuell erhobenen Befundes eine Erwerbstätigkeit völlig undenkbar. Anzunehmen sei eine Verschlechterung durch die ständig wiederholte Konfrontation mit dem auslösenden Trauma als auch durch den natürlichen Verlauf einer nicht erfolgreich behandelten Angsterkrankung mit zunehmendem Vermeidungsverhalten.
Insgesamt sei die posttraumatische Belastungsstörung im ursächlichen Zusammenhang mit dem Überfall zu sehen. Auch eine erhebliche Verschlechterung der Angsterkrankung stehe im ursächlichen Zusammenhang mit dem Überfall, wenn man davon ausgehe, dass die gesamte Symptomatik allein der Angsterkrankung zuzuordnen sei und keine posttraumatische Belastungsstörung vorliege. Es sei aber davon auszugehen, dass die Klägerin wegen ihrer bis zum Überfall nur sehr diskret ausgeprägten Angsterkrankung eine besondere Vulnerabilität für den Unfall besessen habe. Es sei von einer langsamen Zunahme der Schwere der Erkrankung auszugehen. Aktuell liege der Grad der Schädigung bei 70 v. H.
Nach Ansicht des erneut konsultierten Dr. M. überzeugte das Gutachten nicht, da es die grundlegende Definition der wissenschaftlichen Literatur bezüglich der Zeitzusammenhänge missachte.
Mit Bescheid vom 22. Februar 2012 lehnte die Beklagte eine Abänderung ihres Bescheides gemäß § 44 SGB X ab und stützte sich erneut auf die Einschätzung von Dr. M ... Auf den Widerspruch der Klägerin ließ die Beklagte den Facharzt für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie Dr. F. am 20. September 2013 ein nervenärztliches Gutachten erstatten. Ihm gegenüber gab die Klägerin an, nach der Beendigung der Arbeitsunfähigkeit im Jahre 2001 noch drei Monate auf einem anderen Arbeitsplatz bei der Post zur Probe gearbeitet zu haben und dann im Sommer 2001 in die Filiale zurückgegangen zu sein, in der sie überfallen worden sei. Sie habe noch in einer Zeit anfangen wollen, in der es noch hell war. Sie habe insbesondere bei Dunkelheit Angst gehabt, in der Filiale allein zu sein.
Nach Ansicht von Dr. F. bestanden verschiedene Widersprüche in der Darlegung der Klägerin. So gebe sie einerseits an, sie habe Angst im Keller ihres Hauses, erkläre aber anschließend, sie sei mit ihrem Mann in den Keller des Hauses gezogen, um Platz zu machen für ihre Tochter. Sie gebe an, dass ihr Mann nach der Begutachtung unten warte; dort auf dem Platz sei nicht viel los. Hierbei handele es sich aber um den A.platz in B., der einer der turbulentesten Orte in der ganzen Stadt sei. Nach Ansicht von Dr. F. zeige die Klägerin auch bei Schilderung des Ereignisses keinen Eindruck von Hilfs- oder Hoffnungslosigkeit, sondern schildere mehrere Verhaltensweisen, die erkennen ließen, dass sie jedenfalls in ihrem rückblickenden Erleben die Situation damals durchaus in der Hand behalten und selbst beherrscht habe. Sie bleibe in der Untersuchungssituation urteilsfähig und abgewogen in der Darlegung. Zu einem dissoziativen Erleben oder einem Flash-back komme es nicht. Auch ein Vermeidungsverhalten sei in der Folgezeit nicht feststellbar gewesen. Die Klägerin sei bis 2009 in anderen Postfilialen tätig gewesen.
Auch das Merkmal einer Schreckhaftigkeit als Diagnosekriterium einer posttraumatischen Belastungsstörung finde sich nicht. Insgesamt liege seiner Ansicht nach daher keine solche Erkrankung vor. Eine Laboruntersuchung zeigte einen Medikamentenspiegel durch die Einnahme von Lorazepam unterhalb des therapeutischen Bereichs. Die regelmäßige Medikation mit Tavor sei nicht zu bestätigen. Das testpsychologische Gutachten ergebe ein unplausibles Testprofil und sei im überwiegenden Teil der Beschwerdevalidierung durchgefallen.
Insgesamt kam der Gutachter zu dem Ergebnis, dass bei der Klägerin eine Traumafolgestörung festzustellen sei. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit schätzte er auf 20 v. H. Unklar sei allerdings, inwieweit ein Vorschaden vorgelegen habe. Hier seien gegebenenfalls weitere Ermittlungen angezeigt. Zu berücksichtigen sei auch, dass hier weitere Faktoren auf die Klägerin eingewirkt hätten (z.B. die kränkende Umsetzung, Tätigkeit als Springer, fehlende Verwendbarkeit und die Aussonderung aus dem Arbeitsprozess im Jahre 2009). Neben der Traumafolgestörung sei auch eine Angst und Depression gemischt (ICD-10 F 41.2) sowie eine episodisch paroxysmale Angst mit Agoraphobie (ICD-10 F 40.01) als Unfallfolge festzustellen. In der Vergangenheit habe zeitweilig auch eine posttraumatische Belastungsstörung als Unfallfolge vorgelegen. Dr. F. schätzte aktuell die MdE 20 v.H. ein. Wahrscheinlich habe sie mit Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit bei 30 v.H. gelegen. Gegebenenfalls müsse hier ein Vorschaden berücksichtigt werden, sofern dieser nachzuweisen sei. Beigefügt war ein psychologisches Zusatzgutachten mit der Auswertung diverser Tests. Dabei zeigten sich unter anderem sehr starke Verdeutlichungstendenzen für kognitive und emotionale Symptome.
In einem weiter beigezogenen Befundbericht für das Sozialgericht Magdeburg aus einem Verfahren zum Opferentschädigungsgesetz (OEG) gab Dr. B. an, die Klägerin das erste Mal am 2. Januar 2001 behandelt zu haben. Die letzte Vorstellung sei am 1. Oktober 2010 erfolgt. Die Klägerin gebe Schlaf- und Konzentrationsstörungen, eine verminderte Ausdauerbelastung, Angst vor Personenansammlungen und bei plötzlichem Auftreten von Personen an. Ihrer Auffassung nach lag eine posttraumatische Belastungsstörung vor. Seit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses sei eine leichte psychische Besserung zu verzeichnen.
Dr. A. berichtete von einer weiteren ambulanten verhaltenstherapeutischen Behandlung der Klägerin vom 11. Juli 2006 bis 22. September 2009. Ihre Diagnose lautete auf eine posttraumatische Belastungsstörung mit mittelgradiger depressiver Episode mit somatischem Syndrom. Die Werte für phobische Angst, Ängstlichkeit und Zwanghaftigkeit seien stark erhöht. Es bestehe eine Energielosigkeit bei Schlafstörungen und eine Abneigung vor Menschenmengen. Aufgrund mehrerer beruflicher Versetzungen sei die Klägerin immer wieder labilisiert und die traumabezogene Symptomatik reaktiviert worden, so dass die Vermittlung von Stabilität und Sicherheit bis zum Therapieende eine immer wieder zu erarbeitende Grundlage der Behandlung gebildet habe. Damit sei wenig Raum für die eigentliche Traumabearbeitung und nachfolgende Reintegration geblieben. Zum Abschluss der Therapie habe die Klägerin gemeint, ihre beruflichen Anforderungen zu beherrschen, worüber sie Freude und auch Stolz empfinde. Nachforschungen bei Dipl.-Med. K. verliefen ergebnislos.
Mit Urteil vom 27. Oktober 2011 verurteilte das Sozialgericht Magdeburg das Landesverwaltungsamt Sachsen-Anhalt, bei der Klägerin eine schwere psychische Störung mit mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten als Schädigungsfolge anzuerkennen und der Klägerin ab dem 1. August 2006 eine Beschädigtenrente nach dem OEG nach einer MdE/GdS von 50 v.H. in gesetzlicher Höhe zu zahlen.
Am 4. Dezember 2013 bestätigte Dr. B., dass ihr keine neurologischen oder psychiatrischen Vorerkrankungen der Klägerin bekannt seien. Die Klägerin habe verschiedene internistische und orthopädische Befunde mitgebracht, aber keine aus dem neurologischen oder psychiatrischen Bereich. Aus ihren beigefügten Unterlagen gehen unter anderem Vorstellungen für den Zeitraum vom 15. Februar 2001 bis 5. November 2001 hervor. Bei der letztgenannten Wiedervorstellung wurde eine Erkältung festgestellt. Die nächste Vorstellung erfolgte am 22. Juli 2003, wobei anschließend eine Einweisung in eine psychiatrische Tagesklinik wegen einer Angststörung erfolgte.
Im Weiteren vertrat Dr. M. erneut die Auffassung, dass ein Vorschaden zu belegen sei. Dies ergebe sich aus dem Krankenkassenauszug sowie aus den Angaben des Gutachters, seit 1997 habe sich der Schaden verschlechtert. Mit Bescheid vom 1. Juli 2014 wies die Beklagte daraufhin den Widerspruch der Klägerin zurück.
Hiergegen hat die Klägerin am 1. August 2014 Klage erhoben und auf die Feststellungen in dem OEG-Verfahren und insbesondere das Gutachten von Dr. B. hingewiesen.
In einem beigezogenen Befundbericht der Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie Dipl.-Med. S. vom 29. September 2014 wird von einer Erstvorstellung der Klägerin am 8. Februar 2010 und von einer nachfolgenden ambulanten Behandlung berichtet. Ihre Diagnosen lauteten auf eine schwere posttraumatische Belastungsstörung, Agoraphobie mit Panikstörung sowie generalisierte Angststörung. Es hätte keine ausreichende Stabilisierung und Besserung erzielt werden können. Die Symptome stellten sich nach einer schweren anhaltenden Traumatisierung als stark chronifiziert dar. Die Klägerin habe Angst vor Dunkelheit und vor dunkel gekleideten Menschen. Ihre Ängste knüpften damit - unter anderem - deutlich an das Trauma an. Darüber hinaus bestanden die von der Klägerin angegebenen Probleme in Bezug auf den Einsatz mit Publikumsverkehr.
Mit Urteil vom 8. März 2016 hat das Sozialgericht Magdeburg die Klage abgewiesen und auf einen fehlenden zeitlichen Zusammenhang zwischen dem Unfallereignis und der erstmaligen fachärztlichen Behandlung rund zweieinhalb Jahr später hingewiesen. Eine posttraumatische Belastungsstörung sei damit nicht feststellbar. Als Unfallfolge sei allenfalls eine akute Belastungsreaktion festzustellen.
Gegen das ihr am 17. März 2016 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 13. April 2016 Berufung eingelegt und ihren bisherigen Vortrag vertieft. Die Behandlung im Februar 1996 sei mit dem Tod ihrer Mutter zu erklären. Daher sei kein Vorschaden festzustellen. Die Klägerin hat ergänzend einen Befundbericht von Dr. R. vorgelegt. Danach war sie dort vom 13. März 2002 bis 6. März 2003 in Behandlung. Seine Diagnose hat posttraumatische Belastungsstörung im chronifizierten Stadium gelautet. Er hat auf den bekannten Überfall bei der Post im Dezember 2001 hingewiesen.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 8. März 2016 und den Bescheid der Beklagten vom 22. Februar 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1. Juli 2014 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, den Bescheid vom 26. April 2005 teilweise zurückzunehmen und eine posttraumatische Belastungsstörung und eine Agoraphobie mit Panikstörung als Folgen des Arbeitsunfalls vom 28. Dezember 2000 anzuerkennen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend und stützt sich ergänzend auf ein vom Senat eingeholtes Gutachten von Dr. B. sowie eine Stellungnahme von Dr. M. vom 7. März 2019.
Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung eines Gutachtens des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. B ... Ihm gegenüber hat die Klägerin ausgeführt, dass sie von 2001 bis etwa 2004 bei Dipl.-Med. K. in Behandlung gewesen sei. Dann sei dieser Arzt weggezogen; daraufhin habe sie den Psychotherapeuten Dr. R. aufgesucht. Seit dem Unfallereignis habe sie Schlafstörungen, die sie zuvor nicht gehabt habe und außerdem Albträume. Die Frage nach Sorgen, Problemen, Konflikten oder Stress verneinte die Klägerin.
Ihre Umsetzung etwa im Jahr 2006 bis 2008 habe sie als Abwertung empfunden. Man habe sie in eine "Abstellkammer" versetzt. 1995 bzw. 1996 habe sie einen Verkehrsunfall gesehen und anschließend eine Phase der Verstimmung gehabt. Sie sei damals einmal bei Dipl.-Med. K. gewesen. Im Übrigen habe sie keine derartigen Verstimmungen gehabt. Die Testung zeigte eine (bewusste oder unbewusste) tendenzielle Selbstdarstellung.
Dr. B. hat eine mehrdimensionale psychosomatische Störung festgestellt. Diese könne aber nicht mit Wahrscheinlichkeit auf den Überfall zurückgeführt werden, sondern auch auf davon unabhängige lebensgeschichtliche Belastungen und Veränderungen. Es liege eine Mischung aus Störungen wie einer dissoziativen Störung (F 44), somatischer Belastungsstörung (F 45.1) und Dysthymie (F 34.1) mit einer nicht näher bezeichneten Angststörung (F 41.9) vor. Dabei sei eine sogenannte Symptomausweitung zu berücksichtigen. Hierunter verstehe man ein unter dem Einfluss sozialer Faktoren erlerntes und aufrecht erhaltenes Verhaltensmuster, bei welchem Beklagen und Zeigen der Symptome dem Betroffenen dazu diene, seine Lebensumstände oder/und sein psychisches Gleichgewicht unter Kontrolle zu halten. Hier sei dies der Klägerin teilweise nicht direkt zugänglich, so dass eine krankheitswertige seelische Störung vorliege. Die Klägerin stelle ihre Beschwerden erheblich akzentuiert dar. Insoweit liege eine Aggravation vor. Dies sei bei der Beurteilung des Schweregrades zu berücksichtigen.
Es lasse sich seit dem Überfall keine allmähliche Rückbildung der Beschwerden respektive Symptome feststellen, sondern eine eindeutige Progredienz. Zumindest ein Teil dieser Beschwerden habe erst im Laufe der Zeit nach der Schädigung begonnen. Seiner Auffassung nach habe es sich bei dem Überfall nicht um ein belastendes Ereignis oder eine Situation außergewöhnlicher Bedrohung oder katastrophenartigen Ausmaßes gehandelt. Insoweit fehle die Eingangsvoraussetzung für die Annahme einer posttraumatischen Belastungsstörung. Zudem entsprächen die von ihm festgestellten Beschwerden in der Gesamtheit nicht der Symptomatik, die bei einer posttraumatischen Belastungsstörung zu erwarten gewesen wäre.
Der Berichterstatter hat am 9. Januar 2019 informativ die Tochter der Klägerin zum Krankheitsverlauf befragt. Insoweit wird auf das Protokoll des Erörterungstermins verwiesen.
Die Gerichtsakte, die Verwaltungsakte der Beklagten, die Gerichtsakte aus dem Verfahren L 4 VE 18/11 nebst der Verwaltungsakte des dort beklagten Landes sowie die Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft haben vorgelegen und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Sachvortrages der Beteiligten wird auf den Inhalt dieser Unterlagen ergänzend verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die statthafte (§§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz - SGG) und auch im Übrigen zulässige, insbesondere form- und fristgerecht (§ 151 SGG) eingelegte Berufung ist begründet.
Die Anfechtungs- und Verpflichtungsklage ist zulässig und begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 22. Februar 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1. Juli 2014 beschwert die Klägerin im Sinne der §§ 157, 54 Abs. 2 Satz 1 SGG, weil die Beklagte hierin eine Aufhebung des Bescheides vom 26. April 2005 rechtswidrig abgelehnt hat. Hierauf hat die Klägerin nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X deshalb einen Anspruch, weil der Bescheid unrichtig ist. Die Klägerin hat einen Anspruch auf die gewünschte Feststellung. Eine posttraumatische Belastungsstörung und eine Agoraphobie mit Panikstörung sind als Folge des Arbeitsunfalles festzustellen.
Voraussetzung für die Feststellung jeder Erkrankung als Folge eines Arbeitsunfalles ist, dass die Erkrankung im Sinne des Vollbeweises nachgewiesen ist (vgl. BSG, 27.6.2006, B 2 U 5/05 B, SozR 4- 5671 § 6 Nr. 2). Eine absolute Sicherheit ist insoweit nicht notwendig. Erforderlich ist aber eine an Gewissheit grenzende Wahrscheinlichkeit, wonach kein vernünftiger Mensch mehr zweifelt (siehe bereits BSG, 28.11.1957, 4 RJ 186/56, BSGE 6, 142, 144; Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Auflage, § 118 Rn. 5 m. w. N.). Es muss ein so hoher Grad von Wahrscheinlichkeit vorliegen, dass alle Umstände des Einzelfalles nach vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens und nach der allgemeinen Lebenserfahrung geeignet sind, die volle richterliche Überzeugung zu begründen (siehe hierzu BSG, 27.6.2006, B 2 U 5/05 B, SozR 4- 5671 § 6 Nr. 2).
Nach dem ICD-10 F 43.1 gilt für eine posttraumatische Belastungsstörung:
"Diese entsteht als eine verzögerte oder protrahierte Reaktion auf ein belastendes Ereignis oder eine Situation kürzerer oder längerer Dauer, mit außergewöhnlicher Bedrohung oder katastrophenartigem Ausmaß, die bei fast jedem eine tiefe Verzweiflung hervorrufen würde. Prädisponierende Faktoren wie bestimmte, z.B. zwanghafte oder asthenische Persönlichkeitszüge oder neurotische Krankheiten in der Vorgeschichte können die Schwelle für die Entwicklung dieses Syndroms senken und seinen Verlauf erschweren, aber die letztgenannten Faktoren sind weder notwendig noch ausreichend, um das Auftreten der Störung zu erklären. Typische Merkmale sind das wiederholte Erleben des Traumas in sich aufdrängenden Erinnerungen (Nachhallerinnerungen, Flashbacks), Träumen oder Albträumen, die vor dem Hintergrund eines andauernden Gefühls von Betäubtsein und emotionaler Stumpfheit auftreten. Ferner finden sich Gleichgültigkeit gegenüber anderen Menschen, Teilnahmslosigkeit der Umgebung gegenüber, Freudlosigkeit sowie Vermeidung von Aktivitäten und Situationen, die Erinnerungen an das Trauma wachrufen könnten. Meist tritt ein Zustand von vegetativer Übererregtheit mit Vigilanzsteigerung, einer übermäßigen Schreckhaftigkeit und Schlafstörung auf. Angst und Depression sind häufig mit den genannten Symptomen und Merkmalen assoziiert und Suizidgedanken sind nicht selten. Der Beginn folgt dem Trauma mit einer Latenz, die wenige Wochen bis Monate dauern kann. Der Verlauf ist wechselhaft, in der Mehrzahl der Fälle kann jedoch eine Heilung erwartet werden. In wenigen Fällen nimmt die Störung über viele Jahre einen chronischen Verlauf und geht dann in eine andauernde Persönlichkeitsänderung (F62.0) über."
Hier liegt eine Situation mit außergewöhnlicher Bedrohung oder katastrophenartigem Ausmaß vor, die bei fast jedem eine tiefe Verzweiflung hervorrufen würde (A-Kriterium).
Objektiv ist eine solche Bedrohungssituation bei einem Überfall durch einen mutmaßlich bewaffneten Täter gegeben. Auch subjektiv ist die Klägerin durch diesen psychisch stark beeindruckt worden. Zwar hat die Klägerin zuerst bei dem Überfall kontrolliert gehandelt und sogar einen Alarm auslösen können. Auch ihre Überlegung, den Täter zu überwältigen, geht in eine ähnliche Richtung und spricht gegen eine Hilflosigkeit. Aber auf der anderen Seite ist die anschließende Angst der Klägerin, als sie während des Überfalls mit dem Räuber zurückgehen musste, um den Schlüssel zu holen, ebenfalls aktenkundig. Hier schildert sie nachvollziehbar ihre Angst, getötet zu werden.
Aus den beigezogenen Akten der Staatsanwaltschaft ergibt sich ebenfalls, dass die Klägerin Angst hatte, als sie anschließend eingeschlossen wurde und es einige Zeit dauerte, bis sie sich so weit gefasst hatte, um weiter zu handeln. Dies deutet auf eine große Angst hin. Der Senat hat keinen Anlass, an diesen zeitlich ersten und plausiblen Angaben zu zweifeln. Diesen Erstangaben kommt eine besondere Bedeutung zu, da sie noch nicht von irgendwelchen späteren Wunschvorstellungen beeinflusst sind (so schon BSG, 22.5.1959, 5 RKn 51/58, HV-Info 1986, 802; ähnlich BSG, 11.11.2003, B 2 U 41/02 R, SozR 4-2700 § 4 Nr. 1).
Auch bei der Erstvorstellung bei Dr. B. am 3. Januar 2001 heißt es, die Klägerin sei psychisch sehr auffällig, eine Verarbeitung des Geschehens erfolge nicht. Sie sei ausgesprochen ängstlich und weinerlich. Darüber hinaus belegt auch die anschließende Arbeitsunfähigkeit nach dem Arbeitsunfall von mehreren Wochen, dass die Klägerin durch den Vorfall nachhaltig psychisch beeindruckt war. Dies bestreitet letztlich die Beklagte ebenfalls nicht, die eine solche vorübergehende Arbeitsunfähigkeit als Arbeitsunfallfolge anerkannt hat.
Die nachhaltige Betroffenheit der Klägerin unmittelbar nach dem Ereignis wird auch in dem Reha-Entlassungsbericht geschildert, in dem es heißt, dass sie nach dem Vorfall zusammengebrochen sei, sie nicht mehr habe schlafen können und seither stark nervös und angespannt gewesen sei. In dem Bericht von Dr. B. vom 4. November 2003 wird ebenfalls dargestellt, dass die Klägerin sehr unruhig sei und Stresssituationen nicht verarbeiten könne. Auf das Stellen von Fragen über den Krankheitsverlauf habe sie fluchtartig den Raum verlassen wollen. Durchaus schlüssig ist die Schlussfolgerung dieses Arztes, dass keinerlei Belastbarkeit der Klägerin und offensichtlich eine eindeutige posttraumatische psychische Alteration vorliege.
Neben dem A-Kriterium eines geeigneten Stressors erfordert die Diagnose einer posttraumatischen Belastungsstörung den Nachweis von Symptomen aus den 3 "Clustern" (B-, C und D-Kriterien):
Intrusionen (z.B. Alpträume, sich aufdrängende Erinnerung mit Wiedererleben des Traumas, Flash backs),
Vermeidungsverhalten (z.B. Vermeidung bewusster Erinnerungen an das Trauma, Vermeiden traumabezogener Orte und Situationen), und
Hyperarousal (z.B. übermäßige Erregtheit und Schreckreaktionen, Schlaf- und Konzentrationsstörungen), wobei das letzte Kriterium am unspezifischsten ist und gleichermaßen bei zahlreichen anderen psychischen Störungen auftritt (Leitlinie Sk2 – Leitlinie zur Begutachtung psychischer und psychosomatischer Erkrankungen AWMF S. 105).
Auch diese Kriterien sind zu bejahen. Die beratende Stellungnahme von Dr. M. vom 2. Dezember 2004 leidet bereits daran, dass er unrichtig von einer Arbeitsunfähigkeit bis zum 14. Januar 2001 ausgeht; nach dem Akteninhalt ist Verletztengeld bis zum 14. Februar 2001 gezahlt worden. Er ignoriert insbesondere den Reha-Entlassungsbericht vom 17. Februar 2003, der eine kontinuierliche Behandlung der Klägerin auflistet und von einem Auftreten der Symptome im Laufe des folgenden Jahres ausgeht. Dort wird zudem deutlich über Angstreaktionen in vergleichbaren Situationen (Personen in dunkler Kleidung, zu viele Kunden, herumstehende Kunden, das Verlassen des Arbeitsplatzes) berichtet (d.h. aufdrängende Erinnerung mit Wiedererleben des Traumas). In dem gleichen Reha-Entlassungsbericht wird über eine Angst in geschlossenen Räumen und Tunneln berichtet. Dies knüpft ersichtlich an die Situation der Klägerin an, als sie im Tresorraum eingeschlossen war. Auch Dipl.-Med. S. berichtet ähnlich über Ängste der Klägerin vor Dunkelheit und vor dunkel gekleideten Menschen.
Soweit Dr. M. am 5. Januar 2012 die Ansicht vertritt, ein zeitlicher Zusammenhang bestehe nicht, so analysiert er nicht gründlich genug den zugrundeliegenden Sachverhalt, was sich nicht zuletzt darin äußert, dass er erneut trotz mehrfacher Korrektur in der Akte von einer Arbeitsunfähigkeit bis zum 14. Januar 2001 ausgeht.
In dem Bericht über die tagesklinische Behandlung im Klinikum Q. vom 14. November 2003 wird ebenfalls über Einschlafstörungen, anhaltende Unruhe und Gereiztheit berichtet. Die Klägerin sei zwangsweise durchgehend schreckhaft und ängstlich.
Das Argument, die Klägerin habe in anderen Postfilialen gearbeitet und es fehle an einem Vermeidungsverhalten, wertet den Sachverhalt nur oberflächlich aus. Zuerst hat die Klägerin im Jahre 2001 drei Monate auf einem anderen Arbeitsplatz bei der Post gearbeitet. Dies geschah - soweit ersichtlich -, weil sie Angst hatte, an ihre alte Arbeitsstelle zurückzukehren, so dass ein Vermeidungsverhalten erkennbar ist. Sodann ist sie zwar vorübergehend an ihren alten Arbeitsplatz zurückgekehrt. Jedoch geschah dies auch deshalb so schnell, da sie noch in einer Zeit anfangen wollte, in der es noch hell war. Damit sind weiterhin zeitnah Angst am Arbeitsplatz und auch ein Vermeidungsverhalten bezüglich der Situation des Überfalls im Dunkeln erkennbar. Doch zunächst war der auch sonst erkennbare Durchhaltewille der Klägerin stark genug. Gleichwohl sind die Angstzustände auf dem Arbeitsplatz bei Abweichung von der Routine nachweisbar (zum Beispiel zu viele Kunden, dunkel gekleidete Kunden, herumstehende Kunden, Verlassen des Arbeitsplatzes; vgl. Bericht der Berolina-Klinik in Löhne Ende 2002). Die Klägerin konnte (und wollte) diesen Situationen jedoch arbeitsbedingt nicht ausweichen. Diese ständig wiederholte Konfrontation mit dem auslösenden Trauma führte aber nach der überzeugenden Darstellung von Dr. B. zu einer Verschlechterung des Gesundheitszustandes der Klägerin. Daher war die Klägerin schließlich gezwungen, die letzten drei bis fünf Jahre nur noch "innen" (ohne Publikumsverkehr) zu arbeiten, obgleich sie dies als Kränkung empfand. Insoweit lassen sich Tätigkeiten vor und nach dem Unfall nicht vergleichen. Ganz zum Schluss hat sich die Klägerin von ihrem Ehemann sogar abends von der Arbeit abholen lassen, was ebenfalls deutlich an den Überfall auf dem Heimweg anknüpft. Ein Vermeidungsverhalten ist damit deutlich erkennbar.
Hinweise auf Konzentrationsschwierigkeiten finden sich spätestens in dem Reha-Bericht von Dezember 2002.
Die Diagnose posttraumatische Belastungsstörung steht schließlich auch in Übereinstimmung mit Dr. B., der durchgehend behandelnden Dr. B. und den behandelnden Nervenärzten Dr. R. und Dr. R ...
Für die haftungsbegründende Kausalität zwischen Unfallereignis und Gesundheitsschaden (hier der posttraumatischen Belastungsstörung) gilt die Theorie der wesentlichen Bedingung. Diese setzt zunächst einen naturwissenschaftlichen Ursachenzusammenhang zwischen dem Unfallereignis und dem Gesundheitsschaden voraus und in einem zweiten wertenden Schritt, dass das versicherte Unfallereignis für den Gesundheitsschaden wesentlich war. Denn als im Sinne des Sozialrechts ursächlich und rechtserheblich werden nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben. Gab es neben der versicherten Ursache noch konkurrierende Ursachen, z.B. Krankheitsanlagen, so ist die versicherte Ursache wesentlich, solange die unversicherte Ursache nicht von überragender Bedeutung ist. Eine Krankheitsanlage ist von überragender Bedeutung, wenn sie so stark oder so leicht ansprechbar war, dass die (naturwissenschaftliche) Verursachung akuter Erscheinungen nicht besonderer, in ihrer Art unersetzlicher äußerer Einwirkungen bedurfte, sondern jedes alltäglich vorkommende Ereignis zu derselben Zeit die Erscheinungen verursacht hätte. Ist die Krankheitsanlage von überragender Bedeutung, so ist die versicherte naturwissenschaftliche Ursache nicht als wesentlich anzusehen und scheidet als Ursache nach der Theorie der wesentlichen Bedingung und im Sinne des Sozialrechts aus; sie ist dann bloß eine so genannte Gelegenheitsursache (zu allem BSG, 12.4.2005, B 2 U 27/04 R, SozR 4-2700 § 8 Nr. 15, Rn. 16).
Für den Nachweis der naturphilosophischen Ursachenzusammenhänge genügt der Grad der (hinreichenden) Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die Glaubhaftmachung und erst recht nicht die bloße Möglichkeit (BSG, 31.1.2012, B 2 U 2/11 R, juris, Rn. 17; vgl. BSG, 2.4.2009, B 2 U 30/07 R, juris, Rn. 16 m.w.N.). Hinreichende Wahrscheinlichkeit bedeutet, dass bei vernünftiger Abwägung aller Umstände den für den Zusammenhang sprechenden Umständen ein deutliches Übergewicht zukommt, so dass darauf die richterliche Überzeugung gegründet werden kann (BSG, 27.6.2000, B 2 U 29/99 R, juris, Rn. 24; BSG, 1.2.1996, 2 RU 10/95, juris, Rn. 21).
Eine relevante Vorerkrankung der Klägerin ist nicht erkennbar. Wie die Klägerin und ihre Tochter in dem Erörterungstermin am 29. August 2014 in dem Verfahren L 7 VE 18/11 dargelegt haben, handelt es sich bei der Vorerkrankung im Jahre 1996 um eine Reaktion auf den Tod der Mutter. Dies erachtet der Senat als eine noch normale Reaktion. Insbesondere gibt es nachfolgend keinen Anhaltspunkt für eine weiter bestehende Erkrankung. Insoweit genügt es auch nicht, dass die Klägerin nach einem Verkehrsunfall nicht näher konkretisierte Auffälligkeiten zeigte (vgl. das Protokoll des genannten Erörterungstermins). Insbesondere lassen sich hierzu keine medizinischen Behandlungen finden, so dass eine nachhaltige Betroffenheit im Sinne einer Vorerkrankung ausgeschlossen werden kann. Angesichts des langen Zeitraumes bis zu dem hier streitigen Überfall und der Beschwerdefreiheit ist keine relevante Vorerkrankung mehr nachweisbar. Diese hat Dr. B. ausdrücklich verneint. Die Beweislast trägt insoweit die Beklagte.
Allerdings ist keine Feststellung solcher Vorschäden oder einer entsprechenden Krankheitsanlage zwingend (BSG, 17.12.2015, B 2 U 8/14 R, Rn. 21); dies ändert nichts daran, dass ein wahrscheinlicher ursächlicher Zusammenhang zwischen dem Arbeitsunfall und der Erkrankung der Klägerin zur Überzeugung des Senats feststehen muss. Immerhin finden sich zweifellos Hinweise auf eine besondere Vulnerabilität der Klägerin. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass jeder in dem Zustand geschützt ist, in dem er sich befindet (vgl. BSG, 9.5.2006, B 2 U 1/05 R, Rn. 17; BSG, 30.1.2007, B 2 U 8/06 R, Rn. 37; eingehend Becker, SGb 2012, 696).
Maßgeblich ist, ob die von der Beklagten behauptete Krankheitsanlage so stark oder so leicht ansprechbar war, dass die "Auslösung" akuter Erscheinungen aus ihr nicht besonderer, in ihrer Art unersetzlicher äußerer Einwirkungen bedurfte, sondern dass jedes andere alltäglich vorkommende Ereignis zu derselben Zeit die Erscheinung ausgelöst hätte (BSG, 30.1.2007, B 2 U 8/06 R, juris, Rn. 20). Der Überfall mit dem anschließenden Einsperren ist kein alltägliches Ereignis, sondern unterscheidet sich deutlich von anderen Stressoren, denen die Klägerin oder andere Bürger im Alltag ausgesetzt sind. Die anschließende Arbeitsunfähigkeit nach dem Arbeitsunfall von mehreren Wochen belegt die Schwere dieses Traumas als nicht alltägliches Ereignis für die Psyche der Klägerin. Warum es hier angesichts einer fehlenden Vorerkrankung gleichwohl zu einem ähnlichen Krankheitsverlauf gekommen sein sollte, ist nicht erkennbar.
Soweit Dr. F. zusätzlich weitere Faktoren für den Krankheitsverlauf der Klägerin ausmacht, so ist dies allerdings schlüssig. Für den Senat ist nachvollziehbar, dass eine psychische Erkrankung, die nachfolgend aus strukturellen (Therapeutenmangel) und persönlichen Gründen (fehlende Krankheitseinsicht, Scham und Durchhaltewillen der Klägerin) nicht therapiert wird, sich weiter verschlechtert. Mit Dr. B. geht der Senat von dem "natürlichen Verlauf einer nicht erfolgreich behandelten Angsterkrankung mit zunehmenden Vermeidungsverhalten" aus. Dies liegt aber innerhalb des Risikobereichs der gesetzlichen Unfallversicherung; die Wesentlichkeit des Arbeitsunfalles wird so nicht unterbrochen (vgl. zu Behandlungsfehlern BSG, 5.8.1993, 2 RU 34/92, juris, Rn. 18; Sandbiller/Ulrich, SGb 2012, 339, 352).
Der Senat erachtet die Behauptung, eine psychische Behandlung sei teilweise an der schlechten medizinischen Versorgung gescheitert, für glaubhaft. Ähnliches hatte die Klägerin bereits gegenüber Dr. B. angegeben (vgl. sein Gutachten vom 28. Mai 2011 für das Sozialgericht Magdeburg). Die Odyssee der Klägerin wird in seinem Gutachten detailreich dargestellt und wurde von der Tochter der Klägerin in dem Erörterungstermin am Landessozialgericht sehr ähnlich wiedergegeben. Sie wird - soweit möglich - durch verschiedene ärztliche Berichte bestätigt.
Dies gilt auch für die für die Klägerin kränkende Umsetzung, ihre Tätigkeit als Springer, fehlende Verwendbarkeit und die Aussonderung aus dem Arbeitsprozess im Jahre 2009, die Dr. F. als weitere Ursachenfaktoren nennt. Alles dies geht auf die eingeschränkte Einsatzfähigkeit der Klägerin aufgrund ihrer posttraumatischen Belastungsstörung mit Angst vor Publikumsverkehr zurück und führte zu einer weiteren Verschlechterung ihres Zustandes. Die rechtliche Ursächlichkeit der Verschlechterung der Erkrankung der Klägerin wird dadurch aber nicht unterbrochen. Letztlich räumt Dr. B. auch selbst auf Seite 61/62 seines Gutachtens ein, dass seiner anderslautenden Wertung Rechtsfragen zugrunde liegen (vgl. auch Blatt 67 unten seines Gutachtens).
Die M.-Universität H. führt hierzu überzeugend aus, die Erkrankung der Klägerin sei durch die über viele Monate aufrechterhaltende Bedrohungssituation verstärkt worden, so dass sich eine schwere posttraumatische Belastungsstörung ausgebildet habe, die sich im Laufe der Jahre chronifiziert habe. Schlüssig und nachvollziehbar wird dargelegt, dass der Überfall und die strukturellen Veränderungen beim Arbeitgeber dazu geführt hätten, dass die Klägerin keinen ihr gemäßen Arbeitsplatz habe erhalten können. Großfilialen seien von der Klägerin als bedrohlich erlebt worden. Gleichzeitig werde der Einsatz als Springer ohne eigenes Arbeitsfeld als Kränkung erlebt. Dies habe im Sinne einer Affektbrücke dann intrusive Erinnerung an den Überfall ausgelöst.
Dies stimmt mit der Darstellung von Dr. A. überein, nach der die Klägerin durch mehrerer berufliche Versetzungen immer wieder labilisiert und die traumabezogene Symptomatik reaktiviert worden seien, so dass die Vermittlung von Stabilität und Sicherheit bis zum Therapieende eine immer wieder zu erarbeitende Grundlage der Behandlung gebildet habe. Damit sei wenig Raum für die eigentliche Traumabearbeitung und nachfolgende Reintegration geblieben.
Vor diesem Hintergrund erklärt sich auch, dass die Klägerin zuvor bereits als Springer arbeiten konnte, ohne dass sie psychisch erkrankte.
Die von Dr. B. angedeutete "Flucht in die Krankheit" ist angesichts der Krankheitsentwicklung nicht nachvollziehbar (dazu allgemein BSG, 9.5.2006, B 2 U 26/04 R, juris, Rn. 40). Denn die Klägerin hat lange Zeit (mit den genannten Einschränkungen) weitergearbeitet und ist schließlich in den Vorruhestand gegangen. Es ist nicht erkennbar, dass für diesen Vorruhestand ihre Erkrankung eine Vorrausetzung war. Auch ein Rentenbegehren ist angesichts des Krankheitsverlaufes und insbesondere des stark verzögerten Antrags der Klägerin selbst fernliegend, weshalb das Gutachten von Dr. B. hier ersichtlich von falschen Tatsachen ausgeht. Im Gegenteil ist in dem Umstand, dass die Klägerin auf Beschwerden nach einem beobachteten Verkehrsunfall hinweist, ihr Bemühen um Wahrheitsfindung zu erkennen. Aktenkundig sind dieser Vorfall und die Reaktion der Klägerin nur aufgrund ihrer eigenen Angaben.
Aus der Akte ergibt sich zudem deutlich, dass die Klägerin nicht in der Lage war, ihre Interessen eigenständig durchzusetzen. Vielmehr haben andere Personen Anträge für die Klägerin gestellt, was ungewöhnlich ist. Gegen eine relevante Aggravation oder gar Simulation spricht bereits der Reha-Entlassungsbericht vom 17. Februar 2003, nach dem die Klägerin stark angespannt, sehr ängstlich und unruhig wirkte. Da die Klägerin im Weiteren nicht an die Beklagte herangetreten ist, liegt ein "Rentenbegehren" fern. Überzeugend geht Dr. B. davon aus, dass die Klägerin entsprechende Symptome sogar aus Scham lange verschwiegen habe. Soweit bei der Untersuchung durch diesen Arzt eine Laboruntersuchung des Urins auf Benzodiazepine negativ war, erklärt sich dies anhand der von der Klägerin angegebenen geringen Einnahmefrequenz (nur zweimal Tavor pro Monat nach Bedarf).
Dieser "Durchhaltewillen" erklärt auch die anfangs geringe Behandlungsdichte bei der Klägerin. Hierzu passt der Umstand, dass die Klägerin auch einen Antrag auf Gewährung von Beschädigtenversorgung nach dem OEG erst im August 2006 eingereicht hat. Der (finanziell weniger bedeutsame) Antrag auf Feststellung eines Grades der Behinderung ist auffälligerweise bereits am 28. Juni 2005 eingereicht worden. Zu dem Befund der Verschlechterung passt auch, dass bei der Klägerin 2005 und 2006 längere Arbeitsunfähigkeitszeiten auftraten.
In dem Erörterungstermin am Landessozialgericht am 9. Januar 2019 war die Klägerin selbst nicht in der Lage, ihr Anliegen zu bekräftigen. Dies bestätigt die von mehreren Medizinern festgestellte Verdrängungstendenz der Klägerin.
Die von Dr. B. am 4. Dezember 2013 vorgelegten Behandlungsunterlagen bestätigen ebenfalls die schlechte medizinische Versorgung und auch den Durchhaltewillen der Klägerin. Danach kam es nach einer Vorstellung wegen einer Erkältung am 5. November 2001 sowie einer Vorstellung im April 2003 wegen einer Verletzung am Finger im Januar 2003 bis zu einer Wiedervorstellung am 22. Juli 2003 zu keinem Arztkontakt mehr. Wie stark die Beschwerden zu diesem Zeitpunkt schon ausgeprägt waren, zeigt der Umstand, dass sofort eine Einweisung in eine psychiatrische Tagesklinik wegen einer Angststörung erfolgte.
Weiter ist eine Agoraphobie ursächlich auf den Arbeitsunfall zurückzuführen, wie Dr. F. auch insoweit überzeugend ausführt. Bereits in dem Reha-Entlassungsbericht vom 17. Februar 2003 wird über eine Angst in geschlossenen Räumen und Tunneln berichtet. Dies knüpft ersichtlich an die Situation der Klägerin an, als sie im Tresorraum eingeschlossen war. Auch die daraus folgende und begleitende Panikstörung ist mit Wahrscheinlichkeit auf den Überfall zurückzuführen, wie Dr. B. überzeugend darlegt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Gründe für eine Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.
Die Beklagte wird verurteilt, den Bescheid vom 26. April 2005 teilweise zurückzunehmen und eine posttraumatische Belastungsstörung und eine Agoraphobie mit Panikstörung als Folge des Arbeitsunfalls vom 28. Dezember 2000 anzuerkennen.
Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob weitere Folgen eines anerkannten Arbeitsunfalles vom 28. Dezember 2000 zu berücksichtigen sind.
Die Klägerin ist 1952 geboren. Ein beigezogenes Vorerkrankungsverzeichnis der Krankenkasse ergab Arbeitsunfähigkeitszeiten wegen psychischen Erkrankungen und eine Krankschreibung vom 7. bis 17. Februar 1996 wegen einer reaktiven Depression.
In der Unfallmeldung des Arbeitgebers vom 2. Januar 2001 heißt es, die Klägerin sei am 28. Dezember 2000 gegen 18:20 Uhr von einer männlichen Person in das Gebäude zurück gedrängt worden, als sie die Postfiliale habe verlassen wollen. Danach habe sie den Tresor öffnen müssen. Dabei habe sie den Alarm auslösen können. Sie sei von dem Täter in den Tresorraum eingeschlossen worden, habe sich aber selbst wieder befreien können. Die Klägerin sei zurzeit arbeitsunfähig.
Die Allgemeinmedizinerin Dr. B. verordnete am 2. Januar 2001 Diazepam und Radedorm. Bei einer Vorstellung bei der Chirurgin Dr. B. am 3. Januar 2001 gab die Klägerin an, am 28. Dezember 2000 auf ihrem Arbeitsplatz auf der Poststelle überfallen worden zu sein. Körperliche Beschwerden gab sie nicht an. Eine Tätlichkeit sei bei dem Überfall nicht erfolgt. Die Klägerin erschien der Chirurgin psychisch sehr auffällig; sie sei ausgesprochen ängstlich und weinerlich. Eine Verarbeitung des Geschehens sei nicht erfolgt. Als Diagnose wurde eine psychische Alteration nach Überfall festgestellt. Der Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dipl. med. K. verordnete der Klägerin am 15. Januar 2001 Cassadan, Stangyl sowie Radedorm und am 23. Januar 2001 erneut 50 Tabletten Cassedan.
Der Facharzt für Nerven- und Gemütskrankheiten Dipl. med. E. diagnostizierte am 15. Januar 2001 eine reaktive depressive Überforderung nach seelischem Trauma (Überfall). Er ging von noch weiter bestehender Arbeitsunfähigkeit für sieben bis zehn Tage aus. Im Weiteren war die Klägerin bis zum 14. Februar 2001 arbeitsunfähig. Die Beklagte zahlte Verletztengeld und übernahm die Behandlungskosten. Damit schloss sie den Vorgang ab.
Vom 22. Oktober bis 3. Dezember 2002 nahm die Klägerin an einer stationären Rehabilitationsmaßnahme in der B.-Klinik in L. teil, deren Kosten ein anderer Träger der Sozialversicherung trug. Die dortigen Diagnosen lauteten auf eine Angststörung mit Paniksyndrom sowie eine rezidivierende Cervicalgie und Lumbalgie. Die Klägerin gab u.a. an, sie sei schon immer ein "Sensibelchen" gewesen. Die Kur habe der behandelnde Neurologe angeregt. Dort sei sie seit einigen Jahren in Behandlung und habe Bromazanil verordnet bekommen. Damals habe sie Unruhestände beim Autofahren nach einem von ihr beobachteten Unfall entwickelt. Sie habe Angst gehabt, zu spät zur Arbeit zu kommen. Die Symptomatik habe sich verschlechtert, nachdem sie vor Jahren in der Filiale überfallen worden sei. Danach sei sie zusammengebrochen und habe nicht schlafen können. Seit diesen Vorfällen sei sie stark nervös und angespannt. Auf der Arbeit sei sie nach wie vor alleine, wobei sie jetzt in kleineren Filialen arbeite und einen besseren Überblick habe. Sie gehe auch zur Psychotherapie und erhalte Stangyl sowie Radedorm. Der Zustand habe sich aber nicht viel gebessert.
Weiter heißt es in dem Bericht, im Mittelpunkt habe die Angstproblematik gestanden. Auslöser sei der Überfall auf die Postfiliale gewesen. Angstzustände träten auf dem Arbeitsplatz bei Abweichung von der Routine auf (zum Beispiel zu viele Kunden, dunkel gekleidete Kunden, herumstehende Kunden, Verlassen des Arbeitsplatzes). Auf der kognitiven Ebene werde ein hohes Maß an Verantwortungsübernahme deutlich und die Tendenz zum Katastrophisieren (sie habe den Schlüssel, sie habe die Verantwortung, sie müsse alles kontrollieren, es dürfe kein Überfall entstehen).
Im Weiteren befand sich die Klägerin vom 29. Juli bis 14. November 2003 in einer tagesklinischen Behandlung im Klinikum Q ... Die Klägerin gab einen Antriebsmangel, morgendliche Anlaufschwierigkeiten, Einschlafstörungen und anhaltende Unruhe und Gereiztheit an. Sie habe sich von vielem zurückgezogen. Sie sei noch zwangsweise durchgehend schreckhaft und ängstlich, was sie von früher her nicht kenne. Zum Unfallhergang führte sie aus, dass sie von einer dunkel gekleideten maskierten Person mit spitzem Gegenstand bedroht worden sei, als sie die Poststelle habe verlassen wollen. Der Täter habe sie gezwungen, den Tresor zu öffnen. Es sei ihr gelungen, unauffällig den Alarm auszulösen. Anschließend sei sie vom Täter im Tresorraum eingeschlossen worden. Sie sei durchs Fenster ins Freie gelangt und habe dort gewartet. Während des Überfalls habe sie mehrfach den Gedanken gehabt, den Täter zu überwältigen, habe sich aber an die Anweisung der Post für solche Situationen gehalten. Sie habe auch befürchtet, sich sonst Vorwürfe für ihr Verhalten zuzuziehen. In den ersten Tagen nach dem Überfall habe sie apathisch reagiert. Seither leide sie an Konzentrationsschwierigkeiten. Nach einer Rehabilitationsmaßnahme sei sie wieder arbeiten gegangen.
Die behandelnden Ärzte führten weiter aus, in allen Therapiebereichen sei ein hoher Anspruch der Klägerin an die eigene Arbeitsleistung und eine geringe Fehlertoleranz deutlich gewesen. Sie habe dazu geneigt, das schlechte Befinden als Folge eigenen Versagens insbesondere bei der Bewältigung der Überfallsituation anzusehen.
In einem Aktenvermerk am 28. Oktober 2003 wurde von der "Sozialbetreuung" der Beklagten festgehalten, der Klägerin würde es nicht gut gehen. Sie führe ihre Beschwerden auf den Arbeitsunfall zurück und wolle wissen, ob eine Therapie durchgeführt werden könne.
Am 4. November 2003 stellte sich die Klägerin bei dem D-Arzt Dr. B. vor und berichtete über Angstzustände, Kopfschmerzen und Schwindel. Seine Diagnosen lauteten auf eine posttraumatische Depression sowie Angst- und Panikattacken. Der kurzzeitige Eindruck zeige keinerlei Belastbarkeit der Klägerin. Offensichtlich bestehe eine eindeutige posttraumatische psychische Alteration im Sinne einer Depression mit Angst- und Panikattacken. Ab dem 22. November 2004 war die Klägerin erneut wegen psychischer Beschwerden arbeitsunfähig.
In der beratungsärztlichen Stellungnahme vertrat der Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. M. die Ansicht, eine posttraumatische Belastungsstörung liege nicht vor. Zudem beeinträchtige die Angstsymptomatik die Leistungsfähigkeit der Klägerin im Erwerbsleben nicht nennenswert.
Mit Bescheid vom 26. April 2005 erkannte der Rentenausschuss der Beklagten das Ereignis vom 28. Dezember 2000 als Arbeitsunfall an. Die ab dem 15. Februar 2001 geltend gemachten psychischen Beschwerden würden nicht als Folge des Arbeitsunfalls anerkannt und Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung insoweit nicht gewährt. Insoweit stützte sie sich auf die Argumentation von Dr. M., ging jedoch anders als dieser korrekt von einer Arbeitsunfähigkeit bis zum 14. Februar 2001 aus.
Hiergegen legte die Klägerin Widerspruch ein und wies daraufhin, dass sie seit dem Überfall anhaltende Depressionen sowie Angst- und Panikattacken habe. Solche posttraumatischen Belastungsstörungen seien seit dem Überfall situationsbedingt immer wieder aufgetreten.
In einem von der Beklagten eingeholten Befundbericht vom 27. Juli 2005 gab Dr. B. an, die Klägerin sei vom 2. Januar 2001 bis zum 24. Juli 2005 in ihrer Behandlung und seit Jahren in psychiatrischer Behandlung. Eine Reha und eine tagesklinische Behandlung hätten keine Besserung gebracht.
Nach einem später beigezogenen Bericht der Nervenärztin Dr. R. vom 3. November 2005 hatte sie die Dosierung von Stangyl erhöht und zu einer Reduzierung von Schlaftabletten und Tavor geraten. Es bestehe eine Überempfindlichkeit auf Reiz und Lautstärke. Als Ursache des Traumas wurden Erwartungs- und Versagensängste angesehen. Die Diagnose lautete auf eine chronische posttraumatische Belastungsstörung.
Mit Widerspruchsbescheid vom 5. Dezember 2005 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Hiergegen legte die Klägerin kein Rechtsmittel ein.
Im Januar 2007 wurde der Beklagten telefonisch von der Schwerbehindertenvertretung des Arbeitgebers der Klägerin mitgeteilt, dass diese nicht mehr in der Lage sei, ihre Arbeit auszuüben. Der Betriebsarzt habe festgestellt, dass die Klägerin Angst vor Publikumsverkehr habe. Man beantrage die Überprüfung des Sachverhaltes. Die Schwerbehindertenvertretung sei der Auffassung, dass ein Zusammenhang bestehe. Beigefügt war eine Vollmacht der Klägerin.
Am 24. Februar 2007 bestätigte die Diplom-Psychologin Dr. A., dass die Klägerin seit dem 11. Juli 2006 in ihrer ambulanten verhaltenstherapeutischen Behandlung sei. Es sei eine Langzeittherapie für die Behandlung einer posttraumatischen Belastungsstörung bewilligt worden. Die aktuellen psychischen Beschwerden seien Folge des Überfalles in der Postfiliale am 28. Dezember 2000. Aus ihrer Sicht sei es der Klägerin durch die erfolgte Traumatisierung unmöglich gewesen, selbstständig rechtliche Forderungen geltend zu machen. Daher halte sie eine erneute Überprüfung des Sachverhaltes für angezeigt. Mit Schreiben vom 13. März 2007 beantragte die nun anwaltlich vertretene Klägerin eine Überprüfung gemäß § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X).
In einer nunmehr beigezogenen Epikrise berichtete die Klinik und Poliklinik für Psychotherapie und Psychosomatik der M. Universität H. am 4. Juli 2006, die Klägerin sei vom 19. April bis 27. Juni 2006 in stationärer Behandlung gewesen. Die Diagnosen lauteten auf eine posttraumatische Belastungsstörung sowie eine Panikstörung.
Zum 1. Dezember 2009 schied die Klägerin aus dem Erwerbsleben aus und bezog Arbeitslosengeld bzw. Überbrückungsgeld von ihrem ehemaligen Arbeitgeber. Seit 2010 bezieht sie eine Altersrente für langjährig Versicherte.
In den weiter beigezogenen Unterlagen befand sich ein Gutachten von Dr. B. vom 28. Mai 2011 für das Sozialgericht Magdeburg. Ihm gegenüber berichtete die Klägerin, sie sei nach dem Überfall am 29. Dezember 2000 beim Bereitschaftsarzt gewesen und habe Tabletten bekommen. Auf einen Termin beim Psychiater habe sie ein halbes bis ein dreiviertel Jahr gewartet. Sie sei so "vor sich hingedümpelt", sei ein paar Wochen krankgeschrieben gewesen und habe schließlich wieder arbeiten gehen und eine starke Frau sein wollen. Am Schalter habe sie aber nicht mehr arbeiten können, weil sie es nicht mehr geschafft habe, mit den Leuten zu reden. Sie sei beim Dipl.-Med. K. und anschließend bei dem Psychotherapeuten Dr. R. gewesen. Schließlich habe man sie zur Kur geschickt; danach seien beide Psychologen weggezogen. Sie habe u.a. Tavor verschrieben bekommen, welches sie fast täglich gebraucht habe. Anschließend sei sie zu einem Neurologen nach H. gefahren. Später sei sie in Q. in der Tagesklinik und danach in H. zunächst stationär und von 2006 bis 2008 ambulant behandelt worden. Dort habe sie 14tägig eine Doppelstunde gehabt, weil der Weg so schwierig gewesen sei. Aktuell habe sie noch vierteljährig Termine bei einer Psychologin. Als sie noch gearbeitet habe, sei es ihr am Arbeitsplatz besonders schlecht gegangen. Bis zum 31. November 2009 habe sie gearbeitet. Die letzten drei bis fünf Jahren aber nur noch "innen" (ohne Publikumsverkehr). Ganz zum Schluss habe ihr Mann sie abends von der Arbeit abgeholt.
1997 sei sie ein- oder zweimal beim Psychologen gewesen, nachdem sie in einen Unfall verwickelt gewesen sei und danach eine kleine Panik bekommen habe, zu spät zur Arbeit zu kommen. Eine regelrechte Therapie habe sie nicht gemacht und auch keine Medikamente erhalten. Angst sei etwas Anderes. Aktuell nahm die Klägerin nach ihren Angaben Zopiclon und Tavor ein. Eine Laboruntersuchung des Urins auf Benzodiazepine war negativ.
Die Diagnosen des Gutachters lauteten auf eine posttraumatische Störung sowie eine Agoraphobie mit Panikstörung. Aktuell seien alle Elemente einer posttraumatischen Störung vorhanden. Es beständen alle typischen Symptome sowie Nachhallerinnerungen, Hypervigilanz, vegetative Übererregbarkeit, Schreckhaftigkeit, Vermeiden von erinnernden Gegebenheiten und Schlafstörungen. Auch das ausgesprochen szenenhafte Erzählen des Ereignisses ohne affektive Beteiligung könne als typisch betrachtet werden. Das gesamte Dasein der Klägerin werde von den pathologischen Mustern beherrscht. Allerdings lasse sich nicht die gesamte Symptomatik mit der Annahme einer posttraumatischen Störung begründen. Das weit um sich greifende Vermeidungsverhalten lasse sich nur durch die Annahme einer zusätzlichen Angsterkrankung erklären.
Aus den Vorbefunden ergebe sich, dass das Vorliegen einer posttraumatischen Belastungsstörung damals teilweise nicht gesehen worden sei. Dass dies übersehen worden sei, sei angesichts des nunmehr klassischen Bildes unwahrscheinlich. Ein solches ausgeprägtes Bild sei auch tatsächlich nicht in den Unterlagen der B. Klinik dokumentiert. Insgesamt zeige sich eine Verschlechterung der Symptomatik. Es sei eine vorbestehende, aber mindestens drei Jahre nur sehr gering ausgeprägte Angsterkrankung bei einer wohl eher zu Überkompensation neigenden Klägerin mit Verschlechterung durch den Unfall festzustellen. Bei der Behandlung in der B. Klinik sei die Klägerin trotz sichtbaren Leidensdruckes bemüht gewesen, nach außen stark zu wirken. Es überrasche, dass die Symptome erst mit so hoher Latenz nach dem Überfall aufgetreten sein sollten. Üblich sei nach dem ICD-10 eine Latenz von Wochen bis Monaten, selten ein halbes Jahr. Denkbar sei, dass dies differentialdiagnostisch damals nicht weiter aufgeklärt worden sei oder die Klägerin entsprechende Symptome aus Scham verschwiegen habe. Aller Wahrscheinlichkeit seien daher die Symptome in der B. Klinik übersehen worden. Jedoch zeige ihre nachfolgende Berufstätigkeit, dass das Gesamtbild des psychischen Leidens seinerzeit bei Weitem noch nicht so ausgeprägt gewesen sei wie heute. Nunmehr erscheine angesichts des aktuell erhobenen Befundes eine Erwerbstätigkeit völlig undenkbar. Anzunehmen sei eine Verschlechterung durch die ständig wiederholte Konfrontation mit dem auslösenden Trauma als auch durch den natürlichen Verlauf einer nicht erfolgreich behandelten Angsterkrankung mit zunehmendem Vermeidungsverhalten.
Insgesamt sei die posttraumatische Belastungsstörung im ursächlichen Zusammenhang mit dem Überfall zu sehen. Auch eine erhebliche Verschlechterung der Angsterkrankung stehe im ursächlichen Zusammenhang mit dem Überfall, wenn man davon ausgehe, dass die gesamte Symptomatik allein der Angsterkrankung zuzuordnen sei und keine posttraumatische Belastungsstörung vorliege. Es sei aber davon auszugehen, dass die Klägerin wegen ihrer bis zum Überfall nur sehr diskret ausgeprägten Angsterkrankung eine besondere Vulnerabilität für den Unfall besessen habe. Es sei von einer langsamen Zunahme der Schwere der Erkrankung auszugehen. Aktuell liege der Grad der Schädigung bei 70 v. H.
Nach Ansicht des erneut konsultierten Dr. M. überzeugte das Gutachten nicht, da es die grundlegende Definition der wissenschaftlichen Literatur bezüglich der Zeitzusammenhänge missachte.
Mit Bescheid vom 22. Februar 2012 lehnte die Beklagte eine Abänderung ihres Bescheides gemäß § 44 SGB X ab und stützte sich erneut auf die Einschätzung von Dr. M ... Auf den Widerspruch der Klägerin ließ die Beklagte den Facharzt für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie Dr. F. am 20. September 2013 ein nervenärztliches Gutachten erstatten. Ihm gegenüber gab die Klägerin an, nach der Beendigung der Arbeitsunfähigkeit im Jahre 2001 noch drei Monate auf einem anderen Arbeitsplatz bei der Post zur Probe gearbeitet zu haben und dann im Sommer 2001 in die Filiale zurückgegangen zu sein, in der sie überfallen worden sei. Sie habe noch in einer Zeit anfangen wollen, in der es noch hell war. Sie habe insbesondere bei Dunkelheit Angst gehabt, in der Filiale allein zu sein.
Nach Ansicht von Dr. F. bestanden verschiedene Widersprüche in der Darlegung der Klägerin. So gebe sie einerseits an, sie habe Angst im Keller ihres Hauses, erkläre aber anschließend, sie sei mit ihrem Mann in den Keller des Hauses gezogen, um Platz zu machen für ihre Tochter. Sie gebe an, dass ihr Mann nach der Begutachtung unten warte; dort auf dem Platz sei nicht viel los. Hierbei handele es sich aber um den A.platz in B., der einer der turbulentesten Orte in der ganzen Stadt sei. Nach Ansicht von Dr. F. zeige die Klägerin auch bei Schilderung des Ereignisses keinen Eindruck von Hilfs- oder Hoffnungslosigkeit, sondern schildere mehrere Verhaltensweisen, die erkennen ließen, dass sie jedenfalls in ihrem rückblickenden Erleben die Situation damals durchaus in der Hand behalten und selbst beherrscht habe. Sie bleibe in der Untersuchungssituation urteilsfähig und abgewogen in der Darlegung. Zu einem dissoziativen Erleben oder einem Flash-back komme es nicht. Auch ein Vermeidungsverhalten sei in der Folgezeit nicht feststellbar gewesen. Die Klägerin sei bis 2009 in anderen Postfilialen tätig gewesen.
Auch das Merkmal einer Schreckhaftigkeit als Diagnosekriterium einer posttraumatischen Belastungsstörung finde sich nicht. Insgesamt liege seiner Ansicht nach daher keine solche Erkrankung vor. Eine Laboruntersuchung zeigte einen Medikamentenspiegel durch die Einnahme von Lorazepam unterhalb des therapeutischen Bereichs. Die regelmäßige Medikation mit Tavor sei nicht zu bestätigen. Das testpsychologische Gutachten ergebe ein unplausibles Testprofil und sei im überwiegenden Teil der Beschwerdevalidierung durchgefallen.
Insgesamt kam der Gutachter zu dem Ergebnis, dass bei der Klägerin eine Traumafolgestörung festzustellen sei. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit schätzte er auf 20 v. H. Unklar sei allerdings, inwieweit ein Vorschaden vorgelegen habe. Hier seien gegebenenfalls weitere Ermittlungen angezeigt. Zu berücksichtigen sei auch, dass hier weitere Faktoren auf die Klägerin eingewirkt hätten (z.B. die kränkende Umsetzung, Tätigkeit als Springer, fehlende Verwendbarkeit und die Aussonderung aus dem Arbeitsprozess im Jahre 2009). Neben der Traumafolgestörung sei auch eine Angst und Depression gemischt (ICD-10 F 41.2) sowie eine episodisch paroxysmale Angst mit Agoraphobie (ICD-10 F 40.01) als Unfallfolge festzustellen. In der Vergangenheit habe zeitweilig auch eine posttraumatische Belastungsstörung als Unfallfolge vorgelegen. Dr. F. schätzte aktuell die MdE 20 v.H. ein. Wahrscheinlich habe sie mit Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit bei 30 v.H. gelegen. Gegebenenfalls müsse hier ein Vorschaden berücksichtigt werden, sofern dieser nachzuweisen sei. Beigefügt war ein psychologisches Zusatzgutachten mit der Auswertung diverser Tests. Dabei zeigten sich unter anderem sehr starke Verdeutlichungstendenzen für kognitive und emotionale Symptome.
In einem weiter beigezogenen Befundbericht für das Sozialgericht Magdeburg aus einem Verfahren zum Opferentschädigungsgesetz (OEG) gab Dr. B. an, die Klägerin das erste Mal am 2. Januar 2001 behandelt zu haben. Die letzte Vorstellung sei am 1. Oktober 2010 erfolgt. Die Klägerin gebe Schlaf- und Konzentrationsstörungen, eine verminderte Ausdauerbelastung, Angst vor Personenansammlungen und bei plötzlichem Auftreten von Personen an. Ihrer Auffassung nach lag eine posttraumatische Belastungsstörung vor. Seit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses sei eine leichte psychische Besserung zu verzeichnen.
Dr. A. berichtete von einer weiteren ambulanten verhaltenstherapeutischen Behandlung der Klägerin vom 11. Juli 2006 bis 22. September 2009. Ihre Diagnose lautete auf eine posttraumatische Belastungsstörung mit mittelgradiger depressiver Episode mit somatischem Syndrom. Die Werte für phobische Angst, Ängstlichkeit und Zwanghaftigkeit seien stark erhöht. Es bestehe eine Energielosigkeit bei Schlafstörungen und eine Abneigung vor Menschenmengen. Aufgrund mehrerer beruflicher Versetzungen sei die Klägerin immer wieder labilisiert und die traumabezogene Symptomatik reaktiviert worden, so dass die Vermittlung von Stabilität und Sicherheit bis zum Therapieende eine immer wieder zu erarbeitende Grundlage der Behandlung gebildet habe. Damit sei wenig Raum für die eigentliche Traumabearbeitung und nachfolgende Reintegration geblieben. Zum Abschluss der Therapie habe die Klägerin gemeint, ihre beruflichen Anforderungen zu beherrschen, worüber sie Freude und auch Stolz empfinde. Nachforschungen bei Dipl.-Med. K. verliefen ergebnislos.
Mit Urteil vom 27. Oktober 2011 verurteilte das Sozialgericht Magdeburg das Landesverwaltungsamt Sachsen-Anhalt, bei der Klägerin eine schwere psychische Störung mit mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten als Schädigungsfolge anzuerkennen und der Klägerin ab dem 1. August 2006 eine Beschädigtenrente nach dem OEG nach einer MdE/GdS von 50 v.H. in gesetzlicher Höhe zu zahlen.
Am 4. Dezember 2013 bestätigte Dr. B., dass ihr keine neurologischen oder psychiatrischen Vorerkrankungen der Klägerin bekannt seien. Die Klägerin habe verschiedene internistische und orthopädische Befunde mitgebracht, aber keine aus dem neurologischen oder psychiatrischen Bereich. Aus ihren beigefügten Unterlagen gehen unter anderem Vorstellungen für den Zeitraum vom 15. Februar 2001 bis 5. November 2001 hervor. Bei der letztgenannten Wiedervorstellung wurde eine Erkältung festgestellt. Die nächste Vorstellung erfolgte am 22. Juli 2003, wobei anschließend eine Einweisung in eine psychiatrische Tagesklinik wegen einer Angststörung erfolgte.
Im Weiteren vertrat Dr. M. erneut die Auffassung, dass ein Vorschaden zu belegen sei. Dies ergebe sich aus dem Krankenkassenauszug sowie aus den Angaben des Gutachters, seit 1997 habe sich der Schaden verschlechtert. Mit Bescheid vom 1. Juli 2014 wies die Beklagte daraufhin den Widerspruch der Klägerin zurück.
Hiergegen hat die Klägerin am 1. August 2014 Klage erhoben und auf die Feststellungen in dem OEG-Verfahren und insbesondere das Gutachten von Dr. B. hingewiesen.
In einem beigezogenen Befundbericht der Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie Dipl.-Med. S. vom 29. September 2014 wird von einer Erstvorstellung der Klägerin am 8. Februar 2010 und von einer nachfolgenden ambulanten Behandlung berichtet. Ihre Diagnosen lauteten auf eine schwere posttraumatische Belastungsstörung, Agoraphobie mit Panikstörung sowie generalisierte Angststörung. Es hätte keine ausreichende Stabilisierung und Besserung erzielt werden können. Die Symptome stellten sich nach einer schweren anhaltenden Traumatisierung als stark chronifiziert dar. Die Klägerin habe Angst vor Dunkelheit und vor dunkel gekleideten Menschen. Ihre Ängste knüpften damit - unter anderem - deutlich an das Trauma an. Darüber hinaus bestanden die von der Klägerin angegebenen Probleme in Bezug auf den Einsatz mit Publikumsverkehr.
Mit Urteil vom 8. März 2016 hat das Sozialgericht Magdeburg die Klage abgewiesen und auf einen fehlenden zeitlichen Zusammenhang zwischen dem Unfallereignis und der erstmaligen fachärztlichen Behandlung rund zweieinhalb Jahr später hingewiesen. Eine posttraumatische Belastungsstörung sei damit nicht feststellbar. Als Unfallfolge sei allenfalls eine akute Belastungsreaktion festzustellen.
Gegen das ihr am 17. März 2016 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 13. April 2016 Berufung eingelegt und ihren bisherigen Vortrag vertieft. Die Behandlung im Februar 1996 sei mit dem Tod ihrer Mutter zu erklären. Daher sei kein Vorschaden festzustellen. Die Klägerin hat ergänzend einen Befundbericht von Dr. R. vorgelegt. Danach war sie dort vom 13. März 2002 bis 6. März 2003 in Behandlung. Seine Diagnose hat posttraumatische Belastungsstörung im chronifizierten Stadium gelautet. Er hat auf den bekannten Überfall bei der Post im Dezember 2001 hingewiesen.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 8. März 2016 und den Bescheid der Beklagten vom 22. Februar 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1. Juli 2014 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, den Bescheid vom 26. April 2005 teilweise zurückzunehmen und eine posttraumatische Belastungsstörung und eine Agoraphobie mit Panikstörung als Folgen des Arbeitsunfalls vom 28. Dezember 2000 anzuerkennen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend und stützt sich ergänzend auf ein vom Senat eingeholtes Gutachten von Dr. B. sowie eine Stellungnahme von Dr. M. vom 7. März 2019.
Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung eines Gutachtens des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. B ... Ihm gegenüber hat die Klägerin ausgeführt, dass sie von 2001 bis etwa 2004 bei Dipl.-Med. K. in Behandlung gewesen sei. Dann sei dieser Arzt weggezogen; daraufhin habe sie den Psychotherapeuten Dr. R. aufgesucht. Seit dem Unfallereignis habe sie Schlafstörungen, die sie zuvor nicht gehabt habe und außerdem Albträume. Die Frage nach Sorgen, Problemen, Konflikten oder Stress verneinte die Klägerin.
Ihre Umsetzung etwa im Jahr 2006 bis 2008 habe sie als Abwertung empfunden. Man habe sie in eine "Abstellkammer" versetzt. 1995 bzw. 1996 habe sie einen Verkehrsunfall gesehen und anschließend eine Phase der Verstimmung gehabt. Sie sei damals einmal bei Dipl.-Med. K. gewesen. Im Übrigen habe sie keine derartigen Verstimmungen gehabt. Die Testung zeigte eine (bewusste oder unbewusste) tendenzielle Selbstdarstellung.
Dr. B. hat eine mehrdimensionale psychosomatische Störung festgestellt. Diese könne aber nicht mit Wahrscheinlichkeit auf den Überfall zurückgeführt werden, sondern auch auf davon unabhängige lebensgeschichtliche Belastungen und Veränderungen. Es liege eine Mischung aus Störungen wie einer dissoziativen Störung (F 44), somatischer Belastungsstörung (F 45.1) und Dysthymie (F 34.1) mit einer nicht näher bezeichneten Angststörung (F 41.9) vor. Dabei sei eine sogenannte Symptomausweitung zu berücksichtigen. Hierunter verstehe man ein unter dem Einfluss sozialer Faktoren erlerntes und aufrecht erhaltenes Verhaltensmuster, bei welchem Beklagen und Zeigen der Symptome dem Betroffenen dazu diene, seine Lebensumstände oder/und sein psychisches Gleichgewicht unter Kontrolle zu halten. Hier sei dies der Klägerin teilweise nicht direkt zugänglich, so dass eine krankheitswertige seelische Störung vorliege. Die Klägerin stelle ihre Beschwerden erheblich akzentuiert dar. Insoweit liege eine Aggravation vor. Dies sei bei der Beurteilung des Schweregrades zu berücksichtigen.
Es lasse sich seit dem Überfall keine allmähliche Rückbildung der Beschwerden respektive Symptome feststellen, sondern eine eindeutige Progredienz. Zumindest ein Teil dieser Beschwerden habe erst im Laufe der Zeit nach der Schädigung begonnen. Seiner Auffassung nach habe es sich bei dem Überfall nicht um ein belastendes Ereignis oder eine Situation außergewöhnlicher Bedrohung oder katastrophenartigen Ausmaßes gehandelt. Insoweit fehle die Eingangsvoraussetzung für die Annahme einer posttraumatischen Belastungsstörung. Zudem entsprächen die von ihm festgestellten Beschwerden in der Gesamtheit nicht der Symptomatik, die bei einer posttraumatischen Belastungsstörung zu erwarten gewesen wäre.
Der Berichterstatter hat am 9. Januar 2019 informativ die Tochter der Klägerin zum Krankheitsverlauf befragt. Insoweit wird auf das Protokoll des Erörterungstermins verwiesen.
Die Gerichtsakte, die Verwaltungsakte der Beklagten, die Gerichtsakte aus dem Verfahren L 4 VE 18/11 nebst der Verwaltungsakte des dort beklagten Landes sowie die Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft haben vorgelegen und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Sachvortrages der Beteiligten wird auf den Inhalt dieser Unterlagen ergänzend verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die statthafte (§§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz - SGG) und auch im Übrigen zulässige, insbesondere form- und fristgerecht (§ 151 SGG) eingelegte Berufung ist begründet.
Die Anfechtungs- und Verpflichtungsklage ist zulässig und begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 22. Februar 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1. Juli 2014 beschwert die Klägerin im Sinne der §§ 157, 54 Abs. 2 Satz 1 SGG, weil die Beklagte hierin eine Aufhebung des Bescheides vom 26. April 2005 rechtswidrig abgelehnt hat. Hierauf hat die Klägerin nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X deshalb einen Anspruch, weil der Bescheid unrichtig ist. Die Klägerin hat einen Anspruch auf die gewünschte Feststellung. Eine posttraumatische Belastungsstörung und eine Agoraphobie mit Panikstörung sind als Folge des Arbeitsunfalles festzustellen.
Voraussetzung für die Feststellung jeder Erkrankung als Folge eines Arbeitsunfalles ist, dass die Erkrankung im Sinne des Vollbeweises nachgewiesen ist (vgl. BSG, 27.6.2006, B 2 U 5/05 B, SozR 4- 5671 § 6 Nr. 2). Eine absolute Sicherheit ist insoweit nicht notwendig. Erforderlich ist aber eine an Gewissheit grenzende Wahrscheinlichkeit, wonach kein vernünftiger Mensch mehr zweifelt (siehe bereits BSG, 28.11.1957, 4 RJ 186/56, BSGE 6, 142, 144; Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Auflage, § 118 Rn. 5 m. w. N.). Es muss ein so hoher Grad von Wahrscheinlichkeit vorliegen, dass alle Umstände des Einzelfalles nach vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens und nach der allgemeinen Lebenserfahrung geeignet sind, die volle richterliche Überzeugung zu begründen (siehe hierzu BSG, 27.6.2006, B 2 U 5/05 B, SozR 4- 5671 § 6 Nr. 2).
Nach dem ICD-10 F 43.1 gilt für eine posttraumatische Belastungsstörung:
"Diese entsteht als eine verzögerte oder protrahierte Reaktion auf ein belastendes Ereignis oder eine Situation kürzerer oder längerer Dauer, mit außergewöhnlicher Bedrohung oder katastrophenartigem Ausmaß, die bei fast jedem eine tiefe Verzweiflung hervorrufen würde. Prädisponierende Faktoren wie bestimmte, z.B. zwanghafte oder asthenische Persönlichkeitszüge oder neurotische Krankheiten in der Vorgeschichte können die Schwelle für die Entwicklung dieses Syndroms senken und seinen Verlauf erschweren, aber die letztgenannten Faktoren sind weder notwendig noch ausreichend, um das Auftreten der Störung zu erklären. Typische Merkmale sind das wiederholte Erleben des Traumas in sich aufdrängenden Erinnerungen (Nachhallerinnerungen, Flashbacks), Träumen oder Albträumen, die vor dem Hintergrund eines andauernden Gefühls von Betäubtsein und emotionaler Stumpfheit auftreten. Ferner finden sich Gleichgültigkeit gegenüber anderen Menschen, Teilnahmslosigkeit der Umgebung gegenüber, Freudlosigkeit sowie Vermeidung von Aktivitäten und Situationen, die Erinnerungen an das Trauma wachrufen könnten. Meist tritt ein Zustand von vegetativer Übererregtheit mit Vigilanzsteigerung, einer übermäßigen Schreckhaftigkeit und Schlafstörung auf. Angst und Depression sind häufig mit den genannten Symptomen und Merkmalen assoziiert und Suizidgedanken sind nicht selten. Der Beginn folgt dem Trauma mit einer Latenz, die wenige Wochen bis Monate dauern kann. Der Verlauf ist wechselhaft, in der Mehrzahl der Fälle kann jedoch eine Heilung erwartet werden. In wenigen Fällen nimmt die Störung über viele Jahre einen chronischen Verlauf und geht dann in eine andauernde Persönlichkeitsänderung (F62.0) über."
Hier liegt eine Situation mit außergewöhnlicher Bedrohung oder katastrophenartigem Ausmaß vor, die bei fast jedem eine tiefe Verzweiflung hervorrufen würde (A-Kriterium).
Objektiv ist eine solche Bedrohungssituation bei einem Überfall durch einen mutmaßlich bewaffneten Täter gegeben. Auch subjektiv ist die Klägerin durch diesen psychisch stark beeindruckt worden. Zwar hat die Klägerin zuerst bei dem Überfall kontrolliert gehandelt und sogar einen Alarm auslösen können. Auch ihre Überlegung, den Täter zu überwältigen, geht in eine ähnliche Richtung und spricht gegen eine Hilflosigkeit. Aber auf der anderen Seite ist die anschließende Angst der Klägerin, als sie während des Überfalls mit dem Räuber zurückgehen musste, um den Schlüssel zu holen, ebenfalls aktenkundig. Hier schildert sie nachvollziehbar ihre Angst, getötet zu werden.
Aus den beigezogenen Akten der Staatsanwaltschaft ergibt sich ebenfalls, dass die Klägerin Angst hatte, als sie anschließend eingeschlossen wurde und es einige Zeit dauerte, bis sie sich so weit gefasst hatte, um weiter zu handeln. Dies deutet auf eine große Angst hin. Der Senat hat keinen Anlass, an diesen zeitlich ersten und plausiblen Angaben zu zweifeln. Diesen Erstangaben kommt eine besondere Bedeutung zu, da sie noch nicht von irgendwelchen späteren Wunschvorstellungen beeinflusst sind (so schon BSG, 22.5.1959, 5 RKn 51/58, HV-Info 1986, 802; ähnlich BSG, 11.11.2003, B 2 U 41/02 R, SozR 4-2700 § 4 Nr. 1).
Auch bei der Erstvorstellung bei Dr. B. am 3. Januar 2001 heißt es, die Klägerin sei psychisch sehr auffällig, eine Verarbeitung des Geschehens erfolge nicht. Sie sei ausgesprochen ängstlich und weinerlich. Darüber hinaus belegt auch die anschließende Arbeitsunfähigkeit nach dem Arbeitsunfall von mehreren Wochen, dass die Klägerin durch den Vorfall nachhaltig psychisch beeindruckt war. Dies bestreitet letztlich die Beklagte ebenfalls nicht, die eine solche vorübergehende Arbeitsunfähigkeit als Arbeitsunfallfolge anerkannt hat.
Die nachhaltige Betroffenheit der Klägerin unmittelbar nach dem Ereignis wird auch in dem Reha-Entlassungsbericht geschildert, in dem es heißt, dass sie nach dem Vorfall zusammengebrochen sei, sie nicht mehr habe schlafen können und seither stark nervös und angespannt gewesen sei. In dem Bericht von Dr. B. vom 4. November 2003 wird ebenfalls dargestellt, dass die Klägerin sehr unruhig sei und Stresssituationen nicht verarbeiten könne. Auf das Stellen von Fragen über den Krankheitsverlauf habe sie fluchtartig den Raum verlassen wollen. Durchaus schlüssig ist die Schlussfolgerung dieses Arztes, dass keinerlei Belastbarkeit der Klägerin und offensichtlich eine eindeutige posttraumatische psychische Alteration vorliege.
Neben dem A-Kriterium eines geeigneten Stressors erfordert die Diagnose einer posttraumatischen Belastungsstörung den Nachweis von Symptomen aus den 3 "Clustern" (B-, C und D-Kriterien):
Intrusionen (z.B. Alpträume, sich aufdrängende Erinnerung mit Wiedererleben des Traumas, Flash backs),
Vermeidungsverhalten (z.B. Vermeidung bewusster Erinnerungen an das Trauma, Vermeiden traumabezogener Orte und Situationen), und
Hyperarousal (z.B. übermäßige Erregtheit und Schreckreaktionen, Schlaf- und Konzentrationsstörungen), wobei das letzte Kriterium am unspezifischsten ist und gleichermaßen bei zahlreichen anderen psychischen Störungen auftritt (Leitlinie Sk2 – Leitlinie zur Begutachtung psychischer und psychosomatischer Erkrankungen AWMF S. 105).
Auch diese Kriterien sind zu bejahen. Die beratende Stellungnahme von Dr. M. vom 2. Dezember 2004 leidet bereits daran, dass er unrichtig von einer Arbeitsunfähigkeit bis zum 14. Januar 2001 ausgeht; nach dem Akteninhalt ist Verletztengeld bis zum 14. Februar 2001 gezahlt worden. Er ignoriert insbesondere den Reha-Entlassungsbericht vom 17. Februar 2003, der eine kontinuierliche Behandlung der Klägerin auflistet und von einem Auftreten der Symptome im Laufe des folgenden Jahres ausgeht. Dort wird zudem deutlich über Angstreaktionen in vergleichbaren Situationen (Personen in dunkler Kleidung, zu viele Kunden, herumstehende Kunden, das Verlassen des Arbeitsplatzes) berichtet (d.h. aufdrängende Erinnerung mit Wiedererleben des Traumas). In dem gleichen Reha-Entlassungsbericht wird über eine Angst in geschlossenen Räumen und Tunneln berichtet. Dies knüpft ersichtlich an die Situation der Klägerin an, als sie im Tresorraum eingeschlossen war. Auch Dipl.-Med. S. berichtet ähnlich über Ängste der Klägerin vor Dunkelheit und vor dunkel gekleideten Menschen.
Soweit Dr. M. am 5. Januar 2012 die Ansicht vertritt, ein zeitlicher Zusammenhang bestehe nicht, so analysiert er nicht gründlich genug den zugrundeliegenden Sachverhalt, was sich nicht zuletzt darin äußert, dass er erneut trotz mehrfacher Korrektur in der Akte von einer Arbeitsunfähigkeit bis zum 14. Januar 2001 ausgeht.
In dem Bericht über die tagesklinische Behandlung im Klinikum Q. vom 14. November 2003 wird ebenfalls über Einschlafstörungen, anhaltende Unruhe und Gereiztheit berichtet. Die Klägerin sei zwangsweise durchgehend schreckhaft und ängstlich.
Das Argument, die Klägerin habe in anderen Postfilialen gearbeitet und es fehle an einem Vermeidungsverhalten, wertet den Sachverhalt nur oberflächlich aus. Zuerst hat die Klägerin im Jahre 2001 drei Monate auf einem anderen Arbeitsplatz bei der Post gearbeitet. Dies geschah - soweit ersichtlich -, weil sie Angst hatte, an ihre alte Arbeitsstelle zurückzukehren, so dass ein Vermeidungsverhalten erkennbar ist. Sodann ist sie zwar vorübergehend an ihren alten Arbeitsplatz zurückgekehrt. Jedoch geschah dies auch deshalb so schnell, da sie noch in einer Zeit anfangen wollte, in der es noch hell war. Damit sind weiterhin zeitnah Angst am Arbeitsplatz und auch ein Vermeidungsverhalten bezüglich der Situation des Überfalls im Dunkeln erkennbar. Doch zunächst war der auch sonst erkennbare Durchhaltewille der Klägerin stark genug. Gleichwohl sind die Angstzustände auf dem Arbeitsplatz bei Abweichung von der Routine nachweisbar (zum Beispiel zu viele Kunden, dunkel gekleidete Kunden, herumstehende Kunden, Verlassen des Arbeitsplatzes; vgl. Bericht der Berolina-Klinik in Löhne Ende 2002). Die Klägerin konnte (und wollte) diesen Situationen jedoch arbeitsbedingt nicht ausweichen. Diese ständig wiederholte Konfrontation mit dem auslösenden Trauma führte aber nach der überzeugenden Darstellung von Dr. B. zu einer Verschlechterung des Gesundheitszustandes der Klägerin. Daher war die Klägerin schließlich gezwungen, die letzten drei bis fünf Jahre nur noch "innen" (ohne Publikumsverkehr) zu arbeiten, obgleich sie dies als Kränkung empfand. Insoweit lassen sich Tätigkeiten vor und nach dem Unfall nicht vergleichen. Ganz zum Schluss hat sich die Klägerin von ihrem Ehemann sogar abends von der Arbeit abholen lassen, was ebenfalls deutlich an den Überfall auf dem Heimweg anknüpft. Ein Vermeidungsverhalten ist damit deutlich erkennbar.
Hinweise auf Konzentrationsschwierigkeiten finden sich spätestens in dem Reha-Bericht von Dezember 2002.
Die Diagnose posttraumatische Belastungsstörung steht schließlich auch in Übereinstimmung mit Dr. B., der durchgehend behandelnden Dr. B. und den behandelnden Nervenärzten Dr. R. und Dr. R ...
Für die haftungsbegründende Kausalität zwischen Unfallereignis und Gesundheitsschaden (hier der posttraumatischen Belastungsstörung) gilt die Theorie der wesentlichen Bedingung. Diese setzt zunächst einen naturwissenschaftlichen Ursachenzusammenhang zwischen dem Unfallereignis und dem Gesundheitsschaden voraus und in einem zweiten wertenden Schritt, dass das versicherte Unfallereignis für den Gesundheitsschaden wesentlich war. Denn als im Sinne des Sozialrechts ursächlich und rechtserheblich werden nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben. Gab es neben der versicherten Ursache noch konkurrierende Ursachen, z.B. Krankheitsanlagen, so ist die versicherte Ursache wesentlich, solange die unversicherte Ursache nicht von überragender Bedeutung ist. Eine Krankheitsanlage ist von überragender Bedeutung, wenn sie so stark oder so leicht ansprechbar war, dass die (naturwissenschaftliche) Verursachung akuter Erscheinungen nicht besonderer, in ihrer Art unersetzlicher äußerer Einwirkungen bedurfte, sondern jedes alltäglich vorkommende Ereignis zu derselben Zeit die Erscheinungen verursacht hätte. Ist die Krankheitsanlage von überragender Bedeutung, so ist die versicherte naturwissenschaftliche Ursache nicht als wesentlich anzusehen und scheidet als Ursache nach der Theorie der wesentlichen Bedingung und im Sinne des Sozialrechts aus; sie ist dann bloß eine so genannte Gelegenheitsursache (zu allem BSG, 12.4.2005, B 2 U 27/04 R, SozR 4-2700 § 8 Nr. 15, Rn. 16).
Für den Nachweis der naturphilosophischen Ursachenzusammenhänge genügt der Grad der (hinreichenden) Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die Glaubhaftmachung und erst recht nicht die bloße Möglichkeit (BSG, 31.1.2012, B 2 U 2/11 R, juris, Rn. 17; vgl. BSG, 2.4.2009, B 2 U 30/07 R, juris, Rn. 16 m.w.N.). Hinreichende Wahrscheinlichkeit bedeutet, dass bei vernünftiger Abwägung aller Umstände den für den Zusammenhang sprechenden Umständen ein deutliches Übergewicht zukommt, so dass darauf die richterliche Überzeugung gegründet werden kann (BSG, 27.6.2000, B 2 U 29/99 R, juris, Rn. 24; BSG, 1.2.1996, 2 RU 10/95, juris, Rn. 21).
Eine relevante Vorerkrankung der Klägerin ist nicht erkennbar. Wie die Klägerin und ihre Tochter in dem Erörterungstermin am 29. August 2014 in dem Verfahren L 7 VE 18/11 dargelegt haben, handelt es sich bei der Vorerkrankung im Jahre 1996 um eine Reaktion auf den Tod der Mutter. Dies erachtet der Senat als eine noch normale Reaktion. Insbesondere gibt es nachfolgend keinen Anhaltspunkt für eine weiter bestehende Erkrankung. Insoweit genügt es auch nicht, dass die Klägerin nach einem Verkehrsunfall nicht näher konkretisierte Auffälligkeiten zeigte (vgl. das Protokoll des genannten Erörterungstermins). Insbesondere lassen sich hierzu keine medizinischen Behandlungen finden, so dass eine nachhaltige Betroffenheit im Sinne einer Vorerkrankung ausgeschlossen werden kann. Angesichts des langen Zeitraumes bis zu dem hier streitigen Überfall und der Beschwerdefreiheit ist keine relevante Vorerkrankung mehr nachweisbar. Diese hat Dr. B. ausdrücklich verneint. Die Beweislast trägt insoweit die Beklagte.
Allerdings ist keine Feststellung solcher Vorschäden oder einer entsprechenden Krankheitsanlage zwingend (BSG, 17.12.2015, B 2 U 8/14 R, Rn. 21); dies ändert nichts daran, dass ein wahrscheinlicher ursächlicher Zusammenhang zwischen dem Arbeitsunfall und der Erkrankung der Klägerin zur Überzeugung des Senats feststehen muss. Immerhin finden sich zweifellos Hinweise auf eine besondere Vulnerabilität der Klägerin. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass jeder in dem Zustand geschützt ist, in dem er sich befindet (vgl. BSG, 9.5.2006, B 2 U 1/05 R, Rn. 17; BSG, 30.1.2007, B 2 U 8/06 R, Rn. 37; eingehend Becker, SGb 2012, 696).
Maßgeblich ist, ob die von der Beklagten behauptete Krankheitsanlage so stark oder so leicht ansprechbar war, dass die "Auslösung" akuter Erscheinungen aus ihr nicht besonderer, in ihrer Art unersetzlicher äußerer Einwirkungen bedurfte, sondern dass jedes andere alltäglich vorkommende Ereignis zu derselben Zeit die Erscheinung ausgelöst hätte (BSG, 30.1.2007, B 2 U 8/06 R, juris, Rn. 20). Der Überfall mit dem anschließenden Einsperren ist kein alltägliches Ereignis, sondern unterscheidet sich deutlich von anderen Stressoren, denen die Klägerin oder andere Bürger im Alltag ausgesetzt sind. Die anschließende Arbeitsunfähigkeit nach dem Arbeitsunfall von mehreren Wochen belegt die Schwere dieses Traumas als nicht alltägliches Ereignis für die Psyche der Klägerin. Warum es hier angesichts einer fehlenden Vorerkrankung gleichwohl zu einem ähnlichen Krankheitsverlauf gekommen sein sollte, ist nicht erkennbar.
Soweit Dr. F. zusätzlich weitere Faktoren für den Krankheitsverlauf der Klägerin ausmacht, so ist dies allerdings schlüssig. Für den Senat ist nachvollziehbar, dass eine psychische Erkrankung, die nachfolgend aus strukturellen (Therapeutenmangel) und persönlichen Gründen (fehlende Krankheitseinsicht, Scham und Durchhaltewillen der Klägerin) nicht therapiert wird, sich weiter verschlechtert. Mit Dr. B. geht der Senat von dem "natürlichen Verlauf einer nicht erfolgreich behandelten Angsterkrankung mit zunehmenden Vermeidungsverhalten" aus. Dies liegt aber innerhalb des Risikobereichs der gesetzlichen Unfallversicherung; die Wesentlichkeit des Arbeitsunfalles wird so nicht unterbrochen (vgl. zu Behandlungsfehlern BSG, 5.8.1993, 2 RU 34/92, juris, Rn. 18; Sandbiller/Ulrich, SGb 2012, 339, 352).
Der Senat erachtet die Behauptung, eine psychische Behandlung sei teilweise an der schlechten medizinischen Versorgung gescheitert, für glaubhaft. Ähnliches hatte die Klägerin bereits gegenüber Dr. B. angegeben (vgl. sein Gutachten vom 28. Mai 2011 für das Sozialgericht Magdeburg). Die Odyssee der Klägerin wird in seinem Gutachten detailreich dargestellt und wurde von der Tochter der Klägerin in dem Erörterungstermin am Landessozialgericht sehr ähnlich wiedergegeben. Sie wird - soweit möglich - durch verschiedene ärztliche Berichte bestätigt.
Dies gilt auch für die für die Klägerin kränkende Umsetzung, ihre Tätigkeit als Springer, fehlende Verwendbarkeit und die Aussonderung aus dem Arbeitsprozess im Jahre 2009, die Dr. F. als weitere Ursachenfaktoren nennt. Alles dies geht auf die eingeschränkte Einsatzfähigkeit der Klägerin aufgrund ihrer posttraumatischen Belastungsstörung mit Angst vor Publikumsverkehr zurück und führte zu einer weiteren Verschlechterung ihres Zustandes. Die rechtliche Ursächlichkeit der Verschlechterung der Erkrankung der Klägerin wird dadurch aber nicht unterbrochen. Letztlich räumt Dr. B. auch selbst auf Seite 61/62 seines Gutachtens ein, dass seiner anderslautenden Wertung Rechtsfragen zugrunde liegen (vgl. auch Blatt 67 unten seines Gutachtens).
Die M.-Universität H. führt hierzu überzeugend aus, die Erkrankung der Klägerin sei durch die über viele Monate aufrechterhaltende Bedrohungssituation verstärkt worden, so dass sich eine schwere posttraumatische Belastungsstörung ausgebildet habe, die sich im Laufe der Jahre chronifiziert habe. Schlüssig und nachvollziehbar wird dargelegt, dass der Überfall und die strukturellen Veränderungen beim Arbeitgeber dazu geführt hätten, dass die Klägerin keinen ihr gemäßen Arbeitsplatz habe erhalten können. Großfilialen seien von der Klägerin als bedrohlich erlebt worden. Gleichzeitig werde der Einsatz als Springer ohne eigenes Arbeitsfeld als Kränkung erlebt. Dies habe im Sinne einer Affektbrücke dann intrusive Erinnerung an den Überfall ausgelöst.
Dies stimmt mit der Darstellung von Dr. A. überein, nach der die Klägerin durch mehrerer berufliche Versetzungen immer wieder labilisiert und die traumabezogene Symptomatik reaktiviert worden seien, so dass die Vermittlung von Stabilität und Sicherheit bis zum Therapieende eine immer wieder zu erarbeitende Grundlage der Behandlung gebildet habe. Damit sei wenig Raum für die eigentliche Traumabearbeitung und nachfolgende Reintegration geblieben.
Vor diesem Hintergrund erklärt sich auch, dass die Klägerin zuvor bereits als Springer arbeiten konnte, ohne dass sie psychisch erkrankte.
Die von Dr. B. angedeutete "Flucht in die Krankheit" ist angesichts der Krankheitsentwicklung nicht nachvollziehbar (dazu allgemein BSG, 9.5.2006, B 2 U 26/04 R, juris, Rn. 40). Denn die Klägerin hat lange Zeit (mit den genannten Einschränkungen) weitergearbeitet und ist schließlich in den Vorruhestand gegangen. Es ist nicht erkennbar, dass für diesen Vorruhestand ihre Erkrankung eine Vorrausetzung war. Auch ein Rentenbegehren ist angesichts des Krankheitsverlaufes und insbesondere des stark verzögerten Antrags der Klägerin selbst fernliegend, weshalb das Gutachten von Dr. B. hier ersichtlich von falschen Tatsachen ausgeht. Im Gegenteil ist in dem Umstand, dass die Klägerin auf Beschwerden nach einem beobachteten Verkehrsunfall hinweist, ihr Bemühen um Wahrheitsfindung zu erkennen. Aktenkundig sind dieser Vorfall und die Reaktion der Klägerin nur aufgrund ihrer eigenen Angaben.
Aus der Akte ergibt sich zudem deutlich, dass die Klägerin nicht in der Lage war, ihre Interessen eigenständig durchzusetzen. Vielmehr haben andere Personen Anträge für die Klägerin gestellt, was ungewöhnlich ist. Gegen eine relevante Aggravation oder gar Simulation spricht bereits der Reha-Entlassungsbericht vom 17. Februar 2003, nach dem die Klägerin stark angespannt, sehr ängstlich und unruhig wirkte. Da die Klägerin im Weiteren nicht an die Beklagte herangetreten ist, liegt ein "Rentenbegehren" fern. Überzeugend geht Dr. B. davon aus, dass die Klägerin entsprechende Symptome sogar aus Scham lange verschwiegen habe. Soweit bei der Untersuchung durch diesen Arzt eine Laboruntersuchung des Urins auf Benzodiazepine negativ war, erklärt sich dies anhand der von der Klägerin angegebenen geringen Einnahmefrequenz (nur zweimal Tavor pro Monat nach Bedarf).
Dieser "Durchhaltewillen" erklärt auch die anfangs geringe Behandlungsdichte bei der Klägerin. Hierzu passt der Umstand, dass die Klägerin auch einen Antrag auf Gewährung von Beschädigtenversorgung nach dem OEG erst im August 2006 eingereicht hat. Der (finanziell weniger bedeutsame) Antrag auf Feststellung eines Grades der Behinderung ist auffälligerweise bereits am 28. Juni 2005 eingereicht worden. Zu dem Befund der Verschlechterung passt auch, dass bei der Klägerin 2005 und 2006 längere Arbeitsunfähigkeitszeiten auftraten.
In dem Erörterungstermin am Landessozialgericht am 9. Januar 2019 war die Klägerin selbst nicht in der Lage, ihr Anliegen zu bekräftigen. Dies bestätigt die von mehreren Medizinern festgestellte Verdrängungstendenz der Klägerin.
Die von Dr. B. am 4. Dezember 2013 vorgelegten Behandlungsunterlagen bestätigen ebenfalls die schlechte medizinische Versorgung und auch den Durchhaltewillen der Klägerin. Danach kam es nach einer Vorstellung wegen einer Erkältung am 5. November 2001 sowie einer Vorstellung im April 2003 wegen einer Verletzung am Finger im Januar 2003 bis zu einer Wiedervorstellung am 22. Juli 2003 zu keinem Arztkontakt mehr. Wie stark die Beschwerden zu diesem Zeitpunkt schon ausgeprägt waren, zeigt der Umstand, dass sofort eine Einweisung in eine psychiatrische Tagesklinik wegen einer Angststörung erfolgte.
Weiter ist eine Agoraphobie ursächlich auf den Arbeitsunfall zurückzuführen, wie Dr. F. auch insoweit überzeugend ausführt. Bereits in dem Reha-Entlassungsbericht vom 17. Februar 2003 wird über eine Angst in geschlossenen Räumen und Tunneln berichtet. Dies knüpft ersichtlich an die Situation der Klägerin an, als sie im Tresorraum eingeschlossen war. Auch die daraus folgende und begleitende Panikstörung ist mit Wahrscheinlichkeit auf den Überfall zurückzuführen, wie Dr. B. überzeugend darlegt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Gründe für eine Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.
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