Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
34
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 37 AS 10338/17
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 34 AS 801/19
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Bei kostenlos durch den Arbeitgeber während der Arbeitszeit zur Verfügung gestellter Verpflegung handelt es sich um Einkommen i. S. d. § 11 Abs. 1 Satz 2 SGB II.
Für den Zufluss dieses Einkommens und die Berechnung nach § 2 Abs. 5 Alg-II-V ist es unbeachtlich, ob die vom Arbeitgeber bereitgestellte Verpflegung tatsächlich in Anspruch genommen wird.
§ 2 Abs. 5 Alg II-V ist rechtmäßig.
Für den Zufluss dieses Einkommens und die Berechnung nach § 2 Abs. 5 Alg-II-V ist es unbeachtlich, ob die vom Arbeitgeber bereitgestellte Verpflegung tatsächlich in Anspruch genommen wird.
§ 2 Abs. 5 Alg II-V ist rechtmäßig.
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 29. März 2019 aufgehoben und die Klage abgewiesen. Der Beklagte trägt 1/3 der notwendigen außergerichtlichen Kosten der Kläger. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) im Zeitraum vom 01. Juni bis zum 30. November 2017 ohne Abzug eines Betrages für Sachbezüge vom Einkommen des Klägers zu 1.
Der 1962 geborene Kläger war seit dem 01. April 2008 bis zum 30. November 2018 bei der L GmbH als Kellner in Vollzeit abhängig erwerbstätig. Er arbeitete im Schichtdienst (grundsätzlich jeweils 8 bis 9 Stunden am Stück) und bezog monatlich schwankendes Einkommen. Die Auszahlung des Lohns war jeweils zum 10. des Fol-gemonats fällig. Neben den Bezügen in Geld stellte der Arbeitgeber seinen Mitarbei-tern während der Arbeitszeit Getränke und Verpflegung zur Verfügung, ohne dass diese hierfür ein weiteres Entgelt entrichten mussten. Ergänzend beziehen der Klä-ger, seine Ehefrau – die Klägerin zu 2 - sowie die im Juli 2008, Februar 2010 und Juli 2012 geborenen gemeinsamen Kinder - die Kläger zu 3 bis 5 - Leistungen nach dem SGB II. Für die Kläger zu 3 bis 5 wurde im streitigen Zeitraum Kindergeld in Höhe von insgesamt 582,00 EUR (Kläger zu 3 und 4 jeweils 192,00 EUR, Kläger zu 5, 198,00 EUR) gezahlt. Sie bewohnen die unter der im Rubrum bezeichneten Adresse gelegene rund 86 m² große Dreizimmerwohnung, für welche sie im streitigen Zeitraum eine monatliche Gesamtmiete i.H.v. 969,14 EUR schuldeten (539,14 EUR Grundmiete zzgl. Vo-rauszahlungen für Betriebskosten i.H.v. 208,00 EUR sowie für Heizkosten i.H.v. 222,00 EUR).
Auf den Weiterbewilligungsantrag vom April 2017 bewilligte ihnen der Beklagte mit Bescheid vom 02. Mai 2017 für die Zeit vom 01. Juni bis zum 30. November 2017 vorläufige Leistungen i.H.v. monatlich insgesamt 958,05 EUR. Dabei ging der Beklagte von einem Gesamtbedarf i.H.v. 2.524,15 EUR für die Kläger aus (Regelbedarf 1.555,00 EUR, Kosten der Unterkunft und Heizung 969,15 EUR). Außerdem berücksichtigte er ein vorläufiges Durchschnittseinkommen des Klägers zu 1 i.H.v. 1.642,94/1.314,09 EUR brutto/netto sowie Kindergeld i.H.v. insgesamt 582,00 EUR.
Mit ihrem hiergegen gerichteten Widerspruch machten die Kläger geltend, das Ein-kommen des Klägers zu 1 betrage durchweg knapp 1.254,00 oder 1.255,00 EUR netto. Nach Abzug des Freibetrags seien demnach 924,00 EUR als bereinigtes Einkommen anzusetzen.
Der Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 27. Juli 2017 als unbegründet zurück. Aufgrund der eingereichten Einkommensnachweise sei das Einkommen prognostisch für den Zeitraum Juni bis November 2017 i.H.v. 1.642,94 EUR brutto/1.314,09 EUR netto monatlich festgesetzt worden. Hiervon seien Freibeträge i.H.v. 330,00 EUR abgezogen worden, sodass ein anzurechnendes Einkommen i.H.v. 984,00 EUR verbleibe.
Hiergegen richtet sich die am 08. August 2017 bei dem Sozialgericht Berlin (SG) er-hobene Klage, mit welcher die Kläger die Bewilligung vorläufiger Leistungen für die Zeit von Juni bis November 2017 i.H.v. monatlich insgesamt 1.019,89 EUR begehrt ha-ben. Zu Unrecht ziehe der Beklagte vom Nettoeinkommen des Klägers zu 1 einen Betrag für Sachbezüge (Essen) ab. Der Kläger zu 1 nehme auf der Arbeit kein Essen zu sich, sondern esse lieber mit seiner Familie. Seine Tochter sei behindert, er wolle so viel Zeit wie möglich mit ihr verbringen. Ein tatsächlicher Zufluss des Sachbezugs sei mithin nicht gegeben. Andererseits sei es in der Gastronomie üblich, dass vom Verdienst das theoretisch zur Verfügung stehende Essen abgezogen werde, unab-hängig davon, ob die Gelegenheit genutzt werde oder nicht. Der Arbeitgeber habe unter dem 19. April 2017 bescheinigt, dass keine freie Verpflegung gewährt werde. Ferner bleibe bei Anrechnung einer regelmäßigen Verpflegung auf der Arbeitsstelle gemäß der vom Bundesministerium der Finanzen festgelegten Sachbezugswerte kein ausreichender Betrag des Regelbedarfsanteils für Nahrungsmittel und Getränke für die Verpflegung zu Hause übrig. Es bestünden grundsätzliche Bedenken gegen die Anrechnung von angebotenem "kostenfreiem" Essen. § 20 Abs. 1 S. 4 SGB II sehe vor, dass der Berechtigte über den pauschalen Regelbedarf selbst entscheiden könne und dabei unregelmäßig anfallende Bedarfe berücksichtigen müsse. Dabei gehe der Gesetzgeber davon aus, dass die Pauschalierung einen internen Ausgleich zwischen den einzelnen Bedarfspositionen ermögliche. Das Bundesverfassungsge-richt (BVerfG) habe dazu ausgeführt, dass die Regelung nicht zu beanstanden sei, wenn die Höhe der pauschalierten Leistungsbeträge es zulasse, dass ein Anteil für den unregelmäßig auftretenden oder kostenträchtigeren Bedarf zurückgehalten wer-den könne. Die Regelbedarfe müssten einen ausreichenden Spielraum für den Aus-gleich zulassen. Dies sei eben nicht mehr der Fall, wenn anhand einer rein theore-tisch oder auch tatsächlich praktisch möglichen Inanspruchnahme bestimmte Bedar-fe – hier Verpflegung – aus der Regelleistung taggenau herausgerechnet werden sollten, weil dadurch der Ausgleichsspielraum verkürzt werde.
Der Beklagte hat unter Bezugnahme auf schriftliche und telefonische Auskünfte des Arbeitgebers des Klägers zu 1 die Auffassung vertreten, es komme für die Anrech-nung des Sachbezugs nur auf die Verfügbarkeit der Mahlzeiten für den Kläger zu 1 an und nicht darauf, ob der Kläger zu 1 diese tatsächlich zu sich nehme. Die fakti-sche Möglichkeit der Verwendung reiche insoweit aus. Die vom Arbeitgeber zur Ver-fügung gestellten Mahlzeiten seien zwar nicht mit dem steuerlichen Sachbezugswert, aber mit den Werten des § 2 Abs. 5 der Arbeitslosengeld II-Verordnung (Alg II-V) zu berücksichtigen. Daraus ergebe sich ein anzurechnender Betrag i.H.v. 1,472 EUR pro Mahlzeit (Mittag- oder Abendessen). Der Arbeitgeber des Klägers zu 1 habe auf tele-fonische Nachfrage bestätigt, dass allen Mitarbeitern während ihrer Arbeitszeit Mahl-zeiten und Getränke zur Verfügung gestellt würden. Der Arbeitgeber habe außerdem mitgeteilt, dass er die Essenseinnahme nicht kontrolliere, die Mehrheit der Mitarbeiter diese allein aufgrund der langen Arbeitszeit in Anspruch nehmen würde. Für die Verpflegung werde der entsprechende Wert (laut steuerlicher Sachbezugsverordnung) zum Bruttolohn hinzugerechnet, versteuert und vom Nettolohn wieder abgezogen.
Mit Bescheid vom 27. Januar 2018 hat der Beklagte den Klägern für die Zeit vom 01. Juni bis zum 30. November 2017 endgültige Leistungen i.H.v. monatlich insgesamt 989,28 EUR bewilligt. Bei ansonsten unveränderter Bedarfs- und Einkommensberech-nung hat er nunmehr ein endgültiges Einkommen des Klägers zu 1 i.H.v. 1.614,18/1.282,89 EUR brutto/netto berücksichtigt. Dabei hat er die vom Arbeitgeber berechneten Sachbezüge für Essen zunächst abgezogen und sodann die sich aus der Alg II-V ergebenden Werte (Partnerregelsatz i.H.v. 368,00 EUR x 1% × 40% für Mit-tag- und Abendessen pro Arbeitstag) für die entsprechenden Sachbezüge hinzu ge-rechnet (insgesamt für den streitigen Zeitraum 181,05 EUR, mithin monatlich durch-schnittlich 30,18 EUR). Letztlich ist ein monatliches bereinigtes Durchschnittseinkommen des Klägers zu 1 i.H.v. 952,89 EUR angerechnet worden.
Die Kläger haben das Teilanerkenntnis angenommen, jedoch weiterhin die Bewilli-gung von Leistungen ohne jegliche Anrechnung von Sachbezügen erstrebt.
Das SG hat den Beklagten durch Urteil vom 29. März 2019 unter Änderung des Be-scheides vom 02. Mai 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Juli 2017 in der Fassung des Bescheides vom 27. Februar 2018 verurteilt, den Klägern für den Zeitraum vom 01. Juni bis zum 30. November 2017 Leistungen nach dem SGB II ohne Berücksichtigung von Sachbezügen zur Verpflegung beim Einkommen des Klägers zu 1 zu gewähren. Streitgegenstand sei nur noch der endgültige Bescheid vom 27. Februar 2018. Die-ser habe den ursprünglich angegriffenen Bescheid vom 02. Mai 2017 erledigt und ersetzt. Der Bescheid vom 27. Februar 2018 sei rechtswidrig und verletze die Kläger in ihren Rechten. Die Kläger hätten Anspruch auf Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II im Streitzeitraum ohne Berücksichtigung von Sachbezügen des Klägers zu 1 nach § 2 Abs. 5 Alg II-V. Die Kammer halte diese Vorschrift aufgrund eines Verstoßes ge-gen höherrangiges Recht für unanwendbar und schließe sich insoweit den Gründen der zu einem vergleichbaren Sachverhalt ergangenen Entscheidung des SG vom 23. März 2015 (– S 175 AS 15482/14 –) an. Unter Bezugnahme auf die Ausführungen des Bundessozialgerichts (BSG) in seinen Urteilen vom 18. Juni 2008 – B 14 AS 22/07 – sowie 16. Dezember 2008 – B 4 AS 9/08 R - solle der Regelbedarf die in § 20 Abs. 2 SGB II genannten Bedarfe pauschal und ohne die Möglichkeit einer indi-viduellen Bedarfsbestimmung sichern. Die pauschalierte Regelleistung solle die Selbstverantwortung und Eigenständigkeit der Hilfeempfänger fördern. Diese seien darauf angewiesen, mit dem in der Regelleistung pauschaliert enthaltenen Betrag ihre grundlegenden Bedürfnisse zu decken. Außerhalb der gemäß § 21 SGB II ge-währten Mehrbedarfe und der gemäß § 23 Abs. 3 SGB II gewährten einmaligen Leis-tungen seien monetäre Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II nicht denkbar. Im Umkehrschluss sei es dann aber auch nicht möglich, einem bedürfnislosen oder einem geschickt oder wirtschaftlich handelnden Grundsiche-rungsempfänger Teile der Regelleistung wieder zu entziehen. Jedenfalls im Rahmen der durch § 20 Abs. 1 SGB II genannten Grundbedürfnisse erscheine es mit dem Sinn und Zweck der Pauschalierung kaum vereinbar, in einem verwaltungsaufwändi-gen Einzelfallverfahren doch eine individuelle Bedarfsprüfung vorzunehmen. Dies hätte zur Konsequenz, dass etwa regelmäßig zur Verfügung gestellte Kinderkleidung, die Nahrungsbeschaffung bei einer "Tafel", ein Freiabonnement einer Tageszeitung oder ggf. sogar die Tatsache des Nichtrauchens oder Nichtalkoholkonsums jeweils bedarfsmindernd bei der Regelleistung zu berücksichtigen wäre. Eine solche Individualisierung des Bedarfs sehe allenfalls § 9 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) i.V.m. § 28 Abs. 1 Satz 2 SGB XII vor. Entsprechende Regelungen fehlten hingegen im SGB II. Diese Bedenken teile die Kammer und halte sie für derart durchgreifend, dass § 2 Abs. 5 Alg II-V wegen eines Verstoßes gegen höherrangiges Recht unanwendbar sei. Dabei verkenne sie nicht, dass das SGB II seit den genannten Entscheidungen des BSG wiederholt in vielfacher Hinsicht geändert worden sei. Jedoch habe sich an der zentralen Problematik, welche das BSG in Hinblick auf § 2 Abs. 5 Alg II-V identi-fiziert habe, nichts geändert. Die Wirksamkeit des § 2 Abs. 5 Alg II-V begegne jedoch auch aus einem anderen Grunde erheblichen Bedenken. Ausgehend von Art. 80 Abs. 1 Satz 1 Grundgesetz (GG) halte sich die Vorschrift des § 2 Abs. 5 Alg II-V möglicherweise nicht mehr im Rahmen ihrer Ermächtigungsgrundlage. Denn auch wenn § 2 Abs. 5 Alg II-V nach seinem bloßen Wortlaut eine Vorschrift zur Berechnung des Einkommens darstelle, sei höchst fraglich, ob sie nicht vielmehr eine Vorschrift zur inhaltlichen Ausfüllung des Einkommensbegriffs selbst sei, zumal sie jedenfalls in den Fällen, in denen der Arbeitgeber – wie hier – im Rahmen seiner Lohnabrechnung den Wert der bereitge-stellten Verpflegung summenmäßig ausdrücke, durch ihre Pauschalanrechnung eine Durchbrechung des zwingenden Zuflussprinzips des § 11 Abs. 2 SGB II darstelle. Hiernach habe es keiner weiteren Aufklärung bedurft, ob die bereitgestellte Verpfle-gung in den streitigen Monaten tatsächlich beansprucht worden sei oder nicht. Un-terstellt, das Essen sei nicht eingenommen worden, spräche dies gleichfalls dafür, die Vorschrift des § 2 Abs. 5 Alg II-V nicht anzuwenden. Zwar streite der Wortlaut der Vorschrift ("bereitgestellten") für das Normverständnis des Beklagten, dass es allein auf die Zurverfügungstellung, nicht aber auf den tatsächlichen Verzehr ankommen müsse, jedoch dürfte die Norm aus den Gründen des Selbstbestimmungsrechts der Leistungsberechtigten einschränkend dahin auszulegen sein, dass ein tatsächlicher Verzehr erfolgen müsse. Letztlich führe § 2 Abs. 5 Alg II-V anderenfalls dazu, den einzelnen Leistungsberechtigten zu einer bestimmten Ernährung anzuhalten, da er durch die mit der Einkommensanrechnung verbundene Leistungskürzung eine eigene Entscheidung über seine Verpflegung während der Arbeitszeit nur unter Einsatz zusätzlicher finanzieller Aufwendungen treffen und umsetzen könne, obgleich ihm der Verordnungsgeber diese Mittel über die Einkommensanrechnung "vorenthalten" habe. Dies greife jedenfalls in die allgemeine Handlungsfreiheit des Leistungsberechtigten ein und laufe zudem dem Konzept zuwider, dem Leistungsberechtigten eine eigenständige Entscheidung über die "Bewirtschaftung" der gewährten Leistungen zu ermöglichen (§ 20 Abs. 1 S. 4 SGB II).
Gegen dieses, ihm am 15. April 2019 zugestellte, Urteil richtet sich die vom SG zugelassene Berufung des Beklagten vom 03. Mai 2019. Der Beklagte hält § 2 Abs. 5 Alg II-V für rechtmäßig und nimmt zur Begründung auf die Entscheidung des SG Stuttgart vom 28. März 2019 (– S 12 AS 4117/18 – juris) Bezug.
Der Beklagte beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 29. März 2019 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kläger beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie halten die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend und das Urteil des SG Stuttgart für nicht überzeugend.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Ver-handlung durch Urteil nach §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz SGG einverstanden erklärt (Schreiben des Beklagten vom 04. Juni 2019, der Kläger vom 08. Juli 2019).
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der Verwaltungsakte (Band V) Bezug genommen, die dem Senat vorgelegen haben und Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht erhobene Berufung ist zulässig. Zwar beträgt der Wert des Beschwerdegegenstandes lediglich 181,08 EUR (6 x 30,18 EUR) und übersteigt damit nicht den Betrag des § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG. Das LSG ist jedoch an die Zulassung der Berufung im angefochtenen Urteil gebunden (§ 144 Abs. 3 SGG).
Die Berufung des Beklagten ist auch begründet. Der - endgültige – Bescheid vom 27. Februar 2018, welcher den vorläufigen Bescheid vom 02. Mai 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Juli 2017 ersetzt hat (vgl. z.B. BSG, Urteil vom 30.03.2017 - B 14 AS 18/16 R - SozR 4-4200 § 11 Nr. 81 Rn. 10), ist rechtmä-ßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten. Die Entscheidung des SG, den Bescheid betreffend die Anrechnung von Sachbezügen ganz aufzuheben und damit weitere Leistungen zu bewilligen, erweist sich als rechtswidrig und war daher aufzu-heben.
Die in Bedarfsgemeinschaft (§ 7 Abs. 3 Nrn. 1, 3a, 4 SGB II) mit ihren minderjährigen Kindern – den Klägern zu 3 bis 5 - lebenden 1962 bzw. 1978 geborenen Kläger zu 1 und 2 waren bezogen auf den streitigen Zeitraum erwerbsfähig und hatten ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 2 und 4 SGB II). Sie waren auch hilfebedürftig i.S.d. §§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, 9 Abs. 1 und Abs. 2 SGB II, denn sie waren ausweislich der vorliegenden Unterlagen nicht in der Lage, ihren Gesamtbedarf (Regelbedarf (RB) gemäß § 20 SGB II sowie Bedarfe für Unterkunft und Heizung (BUH) gemäß § 22 SGB II) aus eigenem zu berücksichtigenden Einkommen vollständig zu decken. Die minderjährigen Kläger zu 3 bis 5 waren gleichfalls hilfebedürftig (§ 9 Abs. 2 Satz 2 SGB II). Der Gesamtbedarf der Kläger – ohne Berücksichtigung von Kindergeld – belief sich im streitigen Zeitraum auf 2.542,14 EUR (2 x 368,00 EUR RB der Stufe 2 gemäß § 20 Abs. 4 SGB II + 2 x 291,00 EUR Sozialgeld (SoG) Regelbedarfsstufe 5 + 1 x 237,00 EUR SoG Regelbedarfsstufe 6 zzgl. 969,14 EUR BUH).
Das darauf anzurechnende Einkommen i.S.d. § 11 Abs. 1 SGB II des Klägers zu 1 aus abhängiger Beschäftigung und der Kläger zu 3 bis 5 aus Kindergeld i.H.v. insge-samt 582,00 EUR war nach Bereinigung nicht ausreichend, diesen Bedarf zu decken.
Rechtsgrundlage für den endgültigen Festsetzungsbescheid vom 27. Januar 2018 ist § 41a Abs. 3 SGB II. Mit Bescheid vom 02. Mai 2017 hatte der Beklagte den Klägern für die Zeit vom 01. Juni bis zum 30. November 2017 im Hinblick auf das monatlich schwankende Erwerbseinkommen des Klägers zu 1 (unter Einschluss der vom Ar-beitgeber für Verpflegung als geldwerter Vorteil veranschlagten Sachbezugswerte i.H.v. 3,17 EUR je Mittag-/Abendessen gemäß der Neunten Verordnung zur Änderung der Sozialversicherungsentgeltverordnung vom 21. November 2016, BGBl 2016 I Seite 2637) vorläufig Leistungen nach dem SGB II i.H.v. monatlich insgesamt 958,05 EUR bewilligt (§ 41a Abs. 1 SGB II).
Bei der abschließenden Feststellung des Leistungsanspruchs ist nach § 41a Abs. 4 SGB II als Einkommen ein monatliches Durchschnittseinkommen zugrunde zu legen. Die Bildung eines monatlichen Durchschnittseinkommens bei der abschließenden Entscheidung erfolgt unabhängig vom Grund der Vorläufigkeit, erfasst alle Einkom-mensarten und alle Monate des Bewilligungszeitraums.
Die Vorgabe des § 41a Abs. 4 Satz 1 SGB II, bei der abschließenden Feststellung des Leistungsanspruchs nach § 41a Abs. 3 SGB II als Einkommen ein monatliches Durchschnittseinkommen zugrunde zu legen, ist vorliegend anzuwenden, weil keiner der Ausnahmetatbestände nach § 41a Abs. 4 Satz 2 SGB II gegeben ist. Als monat-liches Durchschnittseinkommen ist nach § 41a Abs. 4 Satz 3 SGB II für jeden Kalen-dermonat im Bewilligungszeitraum der Teil des Einkommens zu berücksichtigen, der sich bei der Teilung des Gesamteinkommens im Bewilligungszeitraum durch die An-zahl der Monate im Bewilligungszeitraum ergibt. Dabei erfasst § 41a Abs. 4 SGB II alle Arten von Einkommen im Bewilligungszeitraum, bezieht alle Monate des Bewilli-gungszeitraums in die Bildung des Durchschnittseinkommens ein und setzt nicht vo-raus, dass der (schwankende) Bezug von Einkommen Grund der Vorläufigkeit war (hierzu BSG, Urteil vom 11. Juli 2019 – B 14 AS 44/18 R – Rn. 18ff).
Zutreffend hat der Beklagte hier nicht nur das vom Arbeitgeber des Klägers zu 1 un-bar ausgezahlte Entgelt, sondern darüber hinaus auch die diesem von seinem Ar-beitgeber zur Verfügung gestellte kostenlose Verpflegung als Einkommen i.S.d. § 11 Abs. 1 SGB II berücksichtigt. Nach § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II in der Fassung vom 26. Juli 2016 (BGBl. I 1824) sind als Einkommen zu berücksichtigen Einnahmen in Geld abzüglich der nach § 11b abzusetzenden Beträge mit Ausnahme der in § 11a genannten Einnahmen. Dies gilt nach § 11 Abs. 1 Satz 2 SGB II in der genannten Fassung auch für Einnahmen in Geldeswert, die im Rahmen einer Erwerbstätigkeit, des Bundesfreiwilligendienstes oder eines Jugendfreiwilligendienstes zufließen. Damit sind geldwerte Einnahmen im Grundsatz nicht mehr als Einkommen zu berücksichti-gen (s. auch § 1 Abs. 1 Alg II-V), sondern nur noch dann, wenn die entsprechenden Einnahmen aus Erwerbstätigkeit oder aus Freiwilligendiensten erzielt werden.
Einkommen in diesem Sinne ist nach der ständigen Rechtsprechung des BSG im Gegensatz zu Vermögen grundsätzlich alles das, was jemand nach der Antragstel-lung beim Grundsicherungsträger wertmäßig dazu erhält. Dabei ist vom tatsächlichen Zufluss auszugehen, sofern nicht rechtlich ein anderer Zufluss als maßgeblich be-stimmt wird (vgl. Schmidt in Eicher/Luik, SGB II, 4. A. 2017, Rn. 15 zu § 11 m.w.N.).
Einnahmen "in Geldeswert" sind solche, die nicht unmittelbar in Bar- oder Buchgeld bestehen, aber einen in Geld zu bemessenden wirtschaftlichen Wert haben (u.a. Knickrehm/Kreikebohm/Waltermann, Kommentar zum Sozialrecht, 6. A. 2019, Rn.4). Hierzu gehören u.a. Sacheinnahmen einschließlich Gutscheine, Sammelmünzen, Dienst- oder Naturalleistungen, insbesondere freie Wohnung oder Verpflegung, De-putate und Mitarbeiterrabatte (Hengelhaupt in: Hauck/Noftz, SGB, 01/15, § 11 SGB II Rn. 171; Söhngen in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, 4. A. 2015, Rn. 39 zu § 11; angedeutet auch: BSG, Urteil vom 18. Juni 2008 – B 14 AS 22/07 R – juris Rn. 15f).
Seit dem 01. Januar 2009 richtet sich der als Einnahme i.S.d. § 11 Abs. 1 SGB II zu berücksichtigende Geldeswert der vom Arbeitgeber bereitgestellten Verpflegung nach § 2 Abs. 5 Alg II-V. Danach ist bei der Berechnung des Einkommens der Wert der vom Arbeitgeber bereitgestellten Vollverpflegung mit täglich 1% des nach § 20 SGB II maßgebenden monatlichen Regelbedarfs anzusetzen. Wird Teilverpflegung bereitgestellt, entfallen auf das Frühstück ein Anteil von 20% und auf das Mittag- und Abendessen Anteile von je 40% des sich nach Satz 1 ergebenden Betrages.
In der nichtamtlichen Begründung des Referentenentwurfs zur 1. Alg II-V 2008 Ände-rungsverordnung (vgl. S. 8 zu B. Besonderer Teil Art. 1 Nr. 2) wird ausgeführt: "Der neue Absatz 5 regelt die Berechnung des Einkommens, wenn durch ei-nen Arbeitgeber Verpflegung als Bezügebestandteil gewährt wird. Dabei darf - insbesondere unter Berücksichtigung des Urteils des Bundessozialgerichts vom 18. Juni 2008 (B 14 AS 22/07 R) - bei der Berechnung des Einkommens aus einem Sachbezug, der auch in der Regelleistung berücksichtigt ist, maxi-mal der Wert als Einkommen angesetzt werden, der dem jeweiligen Teil der Regelleistung entspricht. Bei der Bemessung der Regelleistung ist für Nahrungsmittel, Getränke und Tabakwaren sowie Verpflegungsdienstleistungen insgesamt ein Wert von zur-zeit 135,55 Euro, also rund 39 Prozent, berücksichtigt. Für Verpflegung wird daher pauschal ein Wert von gerundet 1 Prozent der Regelleistung je Tag als Wert angesetzt, an dem der Arbeitgeber Vollverpflegung gewährt. Dieser Wert wird den Bruttoeinnahmen hinzugerechnet. Berücksichtigt ist dabei, dass auch an den Tagen, an denen Verpflegung vom Arbeitgeber bereitgestellt wird, er-gänzend Aufwendungen für Verpflegung entstehen können. Das Gesamteinkommen ist um die Absetzbeträge, gegebenenfalls auch um einen Freibetrag bei Erwerbstätigkeit (§ 11 Absatz 2 Satz 1 Nummer 6 in Ver-bindung mit § 30 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch) zu bereinigen."
Entsprechend der telefonischen Mitteilung des Arbeitgebers des Klägers zu 1 vom November 2017 wurden diesem im streitigen Zeitraum tatsächlich kostenfrei Verpfle-gung und Getränke gewährt, denn ein Entgelt für die zur Verfügung gestellte Mitar-beiterverpflegung war weder vor Ort zu entrichten noch wurde ein solches vom Ge-halt abgezogen. Soweit die Gehaltsabrechnungen unter "Lohnart" neben dem Stun-denlohn und Nachtzuschlägen einen "Sachbezug Essen" aufführen, erfolgt dies zur Versteuerung der als geldwerter Vorteil gewährten Verpflegung. Dem geldwerten Vorteil wurde gemäß der Neunten Verordnung zur Änderung der Sozialversiche-rungsentgeltverordnung vom 21. November 2016 ein Geldwert zugeordnet, versteu-ert und sodann wieder vom Nettoentgelt abzogen. Dementsprechend ist vorliegend § 2 Abs. 5 Alg II-V auch anwendbar (anders als z.B. in dem vom LSG Berlin-Brandenburg entschiedenen Fall, welcher der Entscheidung vom 30. November 2017 – L 31 AS 2400/16 -, veröffentlicht in juris, zugrunde lag).
Soweit der Kläger hier geltend macht, er habe die angebotene Verpflegung nicht wahrgenommen, hält der Senat dies angesichts der langen Schichten (8 bis 9 Stun-den) für wenig glaubhaft. Auch stellt die Einlassung des Klägers, er habe möglichst viel Zeit mit seiner Familie, insbesondere der behinderten Tochter, verbringen wollen, keine plausible Erklärung für den Verzicht auf die angebotene Verpflegung dar. Denn durch den Verzicht auf angebotene Verpflegung ändert sich nichts an den Arbeitszei-ten, sodass er dadurch auch nicht mehr Zeit mit seiner Familie verbringen kann. Au-ßerhalb der Arbeitszeiten verbleibt im Übrigen jeweils Zeit, die sonstigen Mahlzeiten mit der Familie einzunehmen.
Ob der Kläger zu 1 tatsächlich die Verpflegung in Anspruch genommen hat, ist für die Bewertung der Mitarbeiterverpflegung als Einnahme in Geldeswert (§ 11 Abs. 1 Satz 2 SGB II) und die Berechnung nach § 2 Abs. 5 Alg II-V jedoch letztlich unbeachtlich (so auch: Hengelhaupt in Hauck/Noftz, SGB II, 04/17, Rn. 257 zu § 13; Lange in Eicher/Luik, SGB II, 4. A. 2017, Rn. 42 zu § 13). Denn für den "Zufluss" des Einkommens ist nicht der tatsächliche Verbrauch desselben entscheidend, sondern das Eingehen in den tatsächlichen Verfügungsbereich des Leistungsberechtigten. Dies ist bereits dann der Fall, wenn dieser – hier der Kläger zu 1 – die Möglichkeit hatte, den Vorteil in Anspruch zu nehmen, d.h. das Essen zu verzehren. Auch bei Einnahmen in Geld ist nicht entscheidend, ob diese tatsächlich verbraucht werden, ausreichend ist, dass sich die Mittel auf dem Konto des Leistungsberechtigten oder in dessen Verfügungsgewalt befinden. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass der Vorteil bzw. die Einnahme wieder "entfällt", wenn der Kläger das Essen nicht verzehrt. Auch hierdurch hat der Kläger letztlich über die Einnahme (das Essen) verfügt. Dementsprechend spricht auch § 2 Abs. 5 Alg II-V von "bereitgestellt" und stellt nicht auf den tatsächlichen Verzehr der Verpflegung ab. Dies entspricht auch dem Sinn und Zweck, den der Gesetzgeber mit einer Pauschalierung der Regelleistung im SGB II verband, da ansonsten der Beklagte jeweils ermitteln müsste, ob und ggf. wie oft ein Leistungsberechtigter die unentgeltliche Verpflegung tatsächlich in Anspruch genommen hat. Es wäre dann auch zu berücksichtigen, wenn ein Leistungsberechtigter nach Belieben die angebotenen Speisen manchmal verzehren würde, manchmal – aufgrund individueller Vorlieben oder einfach mangels Hungers – aber auch nicht. Da der Arbeitgeber des Klägers zu 1 nach seinen Angaben bezüglich des tatsächlichen Verzehrs der zur Verfügung gestellten Verpflegung /Getränke nicht Buch führt, ist es im Übrigen vorliegend unmöglich zu ermitteln, ob und wann der Kläger zu 1 tatsächlich die angebotene Verpflegung in Anspruch genommen hat.
Soweit das SG in seinem Urteil vom 29. März 2019 unter Bezugnahme auf die Ent-scheidung des SG vom 23. März 2015 – S 175 AS 15482/14 - § 2 Abs. 5 Alg II-V für mit höherrangigem Recht unvereinbar hält, folgt der Senat dem nicht. Das SG stützt sich zur Begründung letztlich auf die vom BSG in seinen Entscheidungen vom 18. Juni 2008 – B 14 AS 22/07 R – und vom 16. Dezember 2008 – B 4 AS 9/08 R – zu § 2 Abs. 5 Alg II-V in der ab dem 01. Januar 2008 geltenden Fassung geäußerten Be-denken. In diesen Entscheidungen hat sich das BSG jedoch mit einer gänzlich ande-ren Konstellation, nämlich der Frage, ob im Rahmen eines Krankenhausaufenthaltes bzw. Gefängnisaufenthaltes gewährte Vollverpflegung als Einkommen des Leis-tungsberechtigten zu berücksichtigen ist, befasst. Im System des SGB II gebe es anders als im SGB XII keinen Raum für eine individuelle Bedarfsermittlung bzw. ab-weichende Bestimmung der Höhe der Regelleistung. Eine Anrechnung einer "ander-weitigen Bedarfsdeckung" und damit eine anderweitige Bestimmung der Bedarfe – sei es erhöhend, sei es vermindernd - sei nicht möglich. Es kann hier dahinstehen, ob diese Argumentation vor dem Hintergrund der Einführung des § 21 Abs. 6 SGB II noch durchgreift. Das BSG hat nämlich ausdrücklich offen gelassen, ob bei einem Grundsicherungsempfänger, der abhängig beschäftigt sei und als sog. "Aufstocker" ergänzende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts beziehe, in natura ge-leistete Lohnbestandteile nach § 2 Alg II-V bewertet werden können (BSG, Urteil vom 18. Juni 2008 – a.a.O. Rn. 15). Gleichzeitig hat es ausgeführt, im Kontext der Berücksichtigung von Erwerbseinkommen gemäß § 11 SGB II sei es systemgerecht, vom jeweiligen Arbeitgeber zur Verfügung gestellte Sachleistungen zu bewerten, um dem Grundsicherungsempfänger als Sachleistung verkappt gewährten Lohn sachge-recht bewerten zu können (BSG a.a.O.). Anders als in den vom BSG 2008 entschie-denen Fällen geht es vorliegend gerade nicht um eine anderweitige Bedarfsbestim-mung, sondern um die Bestimmung des Einkommens aus abhängiger Beschäftigung.
Auf die vom BSG im Jahre 2008 geäußerten Bedenken zur Bewertung von Vollver-pflegung im Rahmen von Krankenhaus- oder Gefängnisaufenthalten hat der Verord-nungsgeber in § 1 Abs. 1 Nr. 11 Alg II-V i.d.F. der Verordnung vom 18. Dezember 2008 (BGBl. I 2008, S. 2780) die Verpflegung außerhalb des Arbeitsverhältnisses, also etwa in Krankenhäusern und Reha-Einrichtungen, Schulen und Kindergärten sowie solche, die durch Verwandte und Bekannte bereitgestellt wird, entgegen der vorherigen Fassung der Alg-II-V ausdrücklich nicht mehr als Einkommen berücksich-tigt (Krauß in Hauck/Noftz, SGB II, 11/16, § 20 SGB II, Rn. 88). Dass Verpflegung, die in einem Arbeitsverhältnis gewährt wird, weiterhin als Einkommen zu berücksich-tigen ist, rechtfertigt sich durch die verfassungsrechtlich gebotene Gleichbehandlung mit Arbeitseinkommen, das in Geld erzielt wird. Die Gesetzesbegründung zur Neu-fassung des § 11 Abs. 1 Satz 2 SGB II durch das 9. Gesetz zur Änderung des SGB II führt dazu aus: "Die in dem neuen Satz 2 vorgenommene Einschränkung der An-rechnungsfreiheit von Einnahmen in Geldeswert, wenn diese im Rahmen von Er-werbstätigkeit, Bundesfreiwilligendienst oder Jugendfreiwilligendienst zufließen, be-rücksichtigt die Praxis, Arbeitsentgelte ganz oder teilweise durch Sachleistungen zu erbringen. Eine Rechtfertigung für eine ungleiche Behandlung von Arbeitsentgelten je nach der Erbringungsform (als Geldbetrag oder als Sachleistung) ist nicht ersichtlich. Deshalb sind Einnahmen in Geldeswert im Rahmen von Erwerbstätigkeiten weiterhin anzurechnen. Gleichzeitig wird erreicht, dass die Berücksichtigung von Einnahmen nicht dadurch umgangen werden kann, dass Erwerbseinkommen in Form von Sachleistungen erbracht wird" (BT-Drs. 18/8041, S. 31). Auch § 2 Abs. 5 ALG-II-V selbst wurde im Hinblick auf das genannte Urteil des BSG geändert, um zu errei-chen, dass, wie vom BSG gefordert, bei der Berechnung des Einkommens aus ei-nem Sachbezug, der auch in der Regelleistung berücksichtigt ist, maximal der Wert als Einkommen angesetzt wird, der dem jeweiligen Teil der Regelleistung entspricht (Hengelhaupt in Hauck/Noftz, SGB II, 04/17, § 13 SGB II, Rn. 255). Soweit die Kläger – wie das BSG in seinen Entscheidungen von 2008 – die Frage stellen, ob dann nicht auch Leistungen von Tafeln etc. als Einkommen zu bewerten sein müssten, geht dies an der nunmehr geltenden Gesetzeslage vorbei. Zumal der Gesetzgeber in § 11a Abs. 4 SGB II in der ab dem 01. April 2011 geltenden Fassung Zuwendungen der freien Wohlfahrtspflege (wie also z.B. der Tafeln) grundsätzlich privilegiert.
§ 2 Abs. 5 Alg II-V ist auch von der Ermächtigungsgrundlage des § 13 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II gedeckt. Diese ermächtigt den Verordnungsgeber zu bestimmen, wel-che weiteren Einnahmen nicht als Einkommen zu berücksichtigen sind und wie das Einkommen im Einzelnen zu berechnen ist. Da – wie bereits ausgeführt - die Bereit-stellung unentgeltlicher Verpflegung eine Einnahme in Geldeswert nach § 11 Abs. 1 Satz 2 SGB II darstellt, regelt § 2 Abs. 5 Alg II-V ermächtigungskonform, wie diese Einnahme zu berechnen ist.
§ 2 Abs. 5 ALG-II-VO greift auch nicht in rechtswidriger Weise in das Selbstbestim-mungsrecht der Leistungsberechtigten ein. Soweit ein Leistungsberechtigter sich durch die vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellte Verpflegung in seiner Entschei-dung für eine bestimmte Ernährungsweise beeinträchtigt sieht, obliegt es ihm, seinen entsprechenden Anspruch arbeitsvertraglich abzubedingen oder gegenüber dem Ar-beitgeber darauf zu verzichten (so auch SG Stuttgart, Urteil vom 28. März 2019 – S 12 AS 4117/18 – juris Rn. 31).
Schließlich hat der Senat nach eigener Prüfung keine Bedenken hinsichtlich der rechnerischen Ermittlung der individuellen Leistungsansprüche der Kläger durch den Beklagten in dessen endgültigem Bescheid vom 27. Februar 2018. Letztlich haben auch die Kläger – abgesehen von der Frage der Berücksichtigung der kostenlos zur Verfügung gestellten Verpflegung - keine Einwände gegen die weitere Berechnung ihrer Leistungsansprüche geltend gemacht.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG und berücksichtigt, dass die Kläger im Zuge der endgültigen Leistungsfestsetzung erstinstanzlich einen Teilerfolg erzielt haben.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Tatbestand:
Streitig ist die Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) im Zeitraum vom 01. Juni bis zum 30. November 2017 ohne Abzug eines Betrages für Sachbezüge vom Einkommen des Klägers zu 1.
Der 1962 geborene Kläger war seit dem 01. April 2008 bis zum 30. November 2018 bei der L GmbH als Kellner in Vollzeit abhängig erwerbstätig. Er arbeitete im Schichtdienst (grundsätzlich jeweils 8 bis 9 Stunden am Stück) und bezog monatlich schwankendes Einkommen. Die Auszahlung des Lohns war jeweils zum 10. des Fol-gemonats fällig. Neben den Bezügen in Geld stellte der Arbeitgeber seinen Mitarbei-tern während der Arbeitszeit Getränke und Verpflegung zur Verfügung, ohne dass diese hierfür ein weiteres Entgelt entrichten mussten. Ergänzend beziehen der Klä-ger, seine Ehefrau – die Klägerin zu 2 - sowie die im Juli 2008, Februar 2010 und Juli 2012 geborenen gemeinsamen Kinder - die Kläger zu 3 bis 5 - Leistungen nach dem SGB II. Für die Kläger zu 3 bis 5 wurde im streitigen Zeitraum Kindergeld in Höhe von insgesamt 582,00 EUR (Kläger zu 3 und 4 jeweils 192,00 EUR, Kläger zu 5, 198,00 EUR) gezahlt. Sie bewohnen die unter der im Rubrum bezeichneten Adresse gelegene rund 86 m² große Dreizimmerwohnung, für welche sie im streitigen Zeitraum eine monatliche Gesamtmiete i.H.v. 969,14 EUR schuldeten (539,14 EUR Grundmiete zzgl. Vo-rauszahlungen für Betriebskosten i.H.v. 208,00 EUR sowie für Heizkosten i.H.v. 222,00 EUR).
Auf den Weiterbewilligungsantrag vom April 2017 bewilligte ihnen der Beklagte mit Bescheid vom 02. Mai 2017 für die Zeit vom 01. Juni bis zum 30. November 2017 vorläufige Leistungen i.H.v. monatlich insgesamt 958,05 EUR. Dabei ging der Beklagte von einem Gesamtbedarf i.H.v. 2.524,15 EUR für die Kläger aus (Regelbedarf 1.555,00 EUR, Kosten der Unterkunft und Heizung 969,15 EUR). Außerdem berücksichtigte er ein vorläufiges Durchschnittseinkommen des Klägers zu 1 i.H.v. 1.642,94/1.314,09 EUR brutto/netto sowie Kindergeld i.H.v. insgesamt 582,00 EUR.
Mit ihrem hiergegen gerichteten Widerspruch machten die Kläger geltend, das Ein-kommen des Klägers zu 1 betrage durchweg knapp 1.254,00 oder 1.255,00 EUR netto. Nach Abzug des Freibetrags seien demnach 924,00 EUR als bereinigtes Einkommen anzusetzen.
Der Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 27. Juli 2017 als unbegründet zurück. Aufgrund der eingereichten Einkommensnachweise sei das Einkommen prognostisch für den Zeitraum Juni bis November 2017 i.H.v. 1.642,94 EUR brutto/1.314,09 EUR netto monatlich festgesetzt worden. Hiervon seien Freibeträge i.H.v. 330,00 EUR abgezogen worden, sodass ein anzurechnendes Einkommen i.H.v. 984,00 EUR verbleibe.
Hiergegen richtet sich die am 08. August 2017 bei dem Sozialgericht Berlin (SG) er-hobene Klage, mit welcher die Kläger die Bewilligung vorläufiger Leistungen für die Zeit von Juni bis November 2017 i.H.v. monatlich insgesamt 1.019,89 EUR begehrt ha-ben. Zu Unrecht ziehe der Beklagte vom Nettoeinkommen des Klägers zu 1 einen Betrag für Sachbezüge (Essen) ab. Der Kläger zu 1 nehme auf der Arbeit kein Essen zu sich, sondern esse lieber mit seiner Familie. Seine Tochter sei behindert, er wolle so viel Zeit wie möglich mit ihr verbringen. Ein tatsächlicher Zufluss des Sachbezugs sei mithin nicht gegeben. Andererseits sei es in der Gastronomie üblich, dass vom Verdienst das theoretisch zur Verfügung stehende Essen abgezogen werde, unab-hängig davon, ob die Gelegenheit genutzt werde oder nicht. Der Arbeitgeber habe unter dem 19. April 2017 bescheinigt, dass keine freie Verpflegung gewährt werde. Ferner bleibe bei Anrechnung einer regelmäßigen Verpflegung auf der Arbeitsstelle gemäß der vom Bundesministerium der Finanzen festgelegten Sachbezugswerte kein ausreichender Betrag des Regelbedarfsanteils für Nahrungsmittel und Getränke für die Verpflegung zu Hause übrig. Es bestünden grundsätzliche Bedenken gegen die Anrechnung von angebotenem "kostenfreiem" Essen. § 20 Abs. 1 S. 4 SGB II sehe vor, dass der Berechtigte über den pauschalen Regelbedarf selbst entscheiden könne und dabei unregelmäßig anfallende Bedarfe berücksichtigen müsse. Dabei gehe der Gesetzgeber davon aus, dass die Pauschalierung einen internen Ausgleich zwischen den einzelnen Bedarfspositionen ermögliche. Das Bundesverfassungsge-richt (BVerfG) habe dazu ausgeführt, dass die Regelung nicht zu beanstanden sei, wenn die Höhe der pauschalierten Leistungsbeträge es zulasse, dass ein Anteil für den unregelmäßig auftretenden oder kostenträchtigeren Bedarf zurückgehalten wer-den könne. Die Regelbedarfe müssten einen ausreichenden Spielraum für den Aus-gleich zulassen. Dies sei eben nicht mehr der Fall, wenn anhand einer rein theore-tisch oder auch tatsächlich praktisch möglichen Inanspruchnahme bestimmte Bedar-fe – hier Verpflegung – aus der Regelleistung taggenau herausgerechnet werden sollten, weil dadurch der Ausgleichsspielraum verkürzt werde.
Der Beklagte hat unter Bezugnahme auf schriftliche und telefonische Auskünfte des Arbeitgebers des Klägers zu 1 die Auffassung vertreten, es komme für die Anrech-nung des Sachbezugs nur auf die Verfügbarkeit der Mahlzeiten für den Kläger zu 1 an und nicht darauf, ob der Kläger zu 1 diese tatsächlich zu sich nehme. Die fakti-sche Möglichkeit der Verwendung reiche insoweit aus. Die vom Arbeitgeber zur Ver-fügung gestellten Mahlzeiten seien zwar nicht mit dem steuerlichen Sachbezugswert, aber mit den Werten des § 2 Abs. 5 der Arbeitslosengeld II-Verordnung (Alg II-V) zu berücksichtigen. Daraus ergebe sich ein anzurechnender Betrag i.H.v. 1,472 EUR pro Mahlzeit (Mittag- oder Abendessen). Der Arbeitgeber des Klägers zu 1 habe auf tele-fonische Nachfrage bestätigt, dass allen Mitarbeitern während ihrer Arbeitszeit Mahl-zeiten und Getränke zur Verfügung gestellt würden. Der Arbeitgeber habe außerdem mitgeteilt, dass er die Essenseinnahme nicht kontrolliere, die Mehrheit der Mitarbeiter diese allein aufgrund der langen Arbeitszeit in Anspruch nehmen würde. Für die Verpflegung werde der entsprechende Wert (laut steuerlicher Sachbezugsverordnung) zum Bruttolohn hinzugerechnet, versteuert und vom Nettolohn wieder abgezogen.
Mit Bescheid vom 27. Januar 2018 hat der Beklagte den Klägern für die Zeit vom 01. Juni bis zum 30. November 2017 endgültige Leistungen i.H.v. monatlich insgesamt 989,28 EUR bewilligt. Bei ansonsten unveränderter Bedarfs- und Einkommensberech-nung hat er nunmehr ein endgültiges Einkommen des Klägers zu 1 i.H.v. 1.614,18/1.282,89 EUR brutto/netto berücksichtigt. Dabei hat er die vom Arbeitgeber berechneten Sachbezüge für Essen zunächst abgezogen und sodann die sich aus der Alg II-V ergebenden Werte (Partnerregelsatz i.H.v. 368,00 EUR x 1% × 40% für Mit-tag- und Abendessen pro Arbeitstag) für die entsprechenden Sachbezüge hinzu ge-rechnet (insgesamt für den streitigen Zeitraum 181,05 EUR, mithin monatlich durch-schnittlich 30,18 EUR). Letztlich ist ein monatliches bereinigtes Durchschnittseinkommen des Klägers zu 1 i.H.v. 952,89 EUR angerechnet worden.
Die Kläger haben das Teilanerkenntnis angenommen, jedoch weiterhin die Bewilli-gung von Leistungen ohne jegliche Anrechnung von Sachbezügen erstrebt.
Das SG hat den Beklagten durch Urteil vom 29. März 2019 unter Änderung des Be-scheides vom 02. Mai 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Juli 2017 in der Fassung des Bescheides vom 27. Februar 2018 verurteilt, den Klägern für den Zeitraum vom 01. Juni bis zum 30. November 2017 Leistungen nach dem SGB II ohne Berücksichtigung von Sachbezügen zur Verpflegung beim Einkommen des Klägers zu 1 zu gewähren. Streitgegenstand sei nur noch der endgültige Bescheid vom 27. Februar 2018. Die-ser habe den ursprünglich angegriffenen Bescheid vom 02. Mai 2017 erledigt und ersetzt. Der Bescheid vom 27. Februar 2018 sei rechtswidrig und verletze die Kläger in ihren Rechten. Die Kläger hätten Anspruch auf Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II im Streitzeitraum ohne Berücksichtigung von Sachbezügen des Klägers zu 1 nach § 2 Abs. 5 Alg II-V. Die Kammer halte diese Vorschrift aufgrund eines Verstoßes ge-gen höherrangiges Recht für unanwendbar und schließe sich insoweit den Gründen der zu einem vergleichbaren Sachverhalt ergangenen Entscheidung des SG vom 23. März 2015 (– S 175 AS 15482/14 –) an. Unter Bezugnahme auf die Ausführungen des Bundessozialgerichts (BSG) in seinen Urteilen vom 18. Juni 2008 – B 14 AS 22/07 – sowie 16. Dezember 2008 – B 4 AS 9/08 R - solle der Regelbedarf die in § 20 Abs. 2 SGB II genannten Bedarfe pauschal und ohne die Möglichkeit einer indi-viduellen Bedarfsbestimmung sichern. Die pauschalierte Regelleistung solle die Selbstverantwortung und Eigenständigkeit der Hilfeempfänger fördern. Diese seien darauf angewiesen, mit dem in der Regelleistung pauschaliert enthaltenen Betrag ihre grundlegenden Bedürfnisse zu decken. Außerhalb der gemäß § 21 SGB II ge-währten Mehrbedarfe und der gemäß § 23 Abs. 3 SGB II gewährten einmaligen Leis-tungen seien monetäre Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II nicht denkbar. Im Umkehrschluss sei es dann aber auch nicht möglich, einem bedürfnislosen oder einem geschickt oder wirtschaftlich handelnden Grundsiche-rungsempfänger Teile der Regelleistung wieder zu entziehen. Jedenfalls im Rahmen der durch § 20 Abs. 1 SGB II genannten Grundbedürfnisse erscheine es mit dem Sinn und Zweck der Pauschalierung kaum vereinbar, in einem verwaltungsaufwändi-gen Einzelfallverfahren doch eine individuelle Bedarfsprüfung vorzunehmen. Dies hätte zur Konsequenz, dass etwa regelmäßig zur Verfügung gestellte Kinderkleidung, die Nahrungsbeschaffung bei einer "Tafel", ein Freiabonnement einer Tageszeitung oder ggf. sogar die Tatsache des Nichtrauchens oder Nichtalkoholkonsums jeweils bedarfsmindernd bei der Regelleistung zu berücksichtigen wäre. Eine solche Individualisierung des Bedarfs sehe allenfalls § 9 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) i.V.m. § 28 Abs. 1 Satz 2 SGB XII vor. Entsprechende Regelungen fehlten hingegen im SGB II. Diese Bedenken teile die Kammer und halte sie für derart durchgreifend, dass § 2 Abs. 5 Alg II-V wegen eines Verstoßes gegen höherrangiges Recht unanwendbar sei. Dabei verkenne sie nicht, dass das SGB II seit den genannten Entscheidungen des BSG wiederholt in vielfacher Hinsicht geändert worden sei. Jedoch habe sich an der zentralen Problematik, welche das BSG in Hinblick auf § 2 Abs. 5 Alg II-V identi-fiziert habe, nichts geändert. Die Wirksamkeit des § 2 Abs. 5 Alg II-V begegne jedoch auch aus einem anderen Grunde erheblichen Bedenken. Ausgehend von Art. 80 Abs. 1 Satz 1 Grundgesetz (GG) halte sich die Vorschrift des § 2 Abs. 5 Alg II-V möglicherweise nicht mehr im Rahmen ihrer Ermächtigungsgrundlage. Denn auch wenn § 2 Abs. 5 Alg II-V nach seinem bloßen Wortlaut eine Vorschrift zur Berechnung des Einkommens darstelle, sei höchst fraglich, ob sie nicht vielmehr eine Vorschrift zur inhaltlichen Ausfüllung des Einkommensbegriffs selbst sei, zumal sie jedenfalls in den Fällen, in denen der Arbeitgeber – wie hier – im Rahmen seiner Lohnabrechnung den Wert der bereitge-stellten Verpflegung summenmäßig ausdrücke, durch ihre Pauschalanrechnung eine Durchbrechung des zwingenden Zuflussprinzips des § 11 Abs. 2 SGB II darstelle. Hiernach habe es keiner weiteren Aufklärung bedurft, ob die bereitgestellte Verpfle-gung in den streitigen Monaten tatsächlich beansprucht worden sei oder nicht. Un-terstellt, das Essen sei nicht eingenommen worden, spräche dies gleichfalls dafür, die Vorschrift des § 2 Abs. 5 Alg II-V nicht anzuwenden. Zwar streite der Wortlaut der Vorschrift ("bereitgestellten") für das Normverständnis des Beklagten, dass es allein auf die Zurverfügungstellung, nicht aber auf den tatsächlichen Verzehr ankommen müsse, jedoch dürfte die Norm aus den Gründen des Selbstbestimmungsrechts der Leistungsberechtigten einschränkend dahin auszulegen sein, dass ein tatsächlicher Verzehr erfolgen müsse. Letztlich führe § 2 Abs. 5 Alg II-V anderenfalls dazu, den einzelnen Leistungsberechtigten zu einer bestimmten Ernährung anzuhalten, da er durch die mit der Einkommensanrechnung verbundene Leistungskürzung eine eigene Entscheidung über seine Verpflegung während der Arbeitszeit nur unter Einsatz zusätzlicher finanzieller Aufwendungen treffen und umsetzen könne, obgleich ihm der Verordnungsgeber diese Mittel über die Einkommensanrechnung "vorenthalten" habe. Dies greife jedenfalls in die allgemeine Handlungsfreiheit des Leistungsberechtigten ein und laufe zudem dem Konzept zuwider, dem Leistungsberechtigten eine eigenständige Entscheidung über die "Bewirtschaftung" der gewährten Leistungen zu ermöglichen (§ 20 Abs. 1 S. 4 SGB II).
Gegen dieses, ihm am 15. April 2019 zugestellte, Urteil richtet sich die vom SG zugelassene Berufung des Beklagten vom 03. Mai 2019. Der Beklagte hält § 2 Abs. 5 Alg II-V für rechtmäßig und nimmt zur Begründung auf die Entscheidung des SG Stuttgart vom 28. März 2019 (– S 12 AS 4117/18 – juris) Bezug.
Der Beklagte beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 29. März 2019 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kläger beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie halten die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend und das Urteil des SG Stuttgart für nicht überzeugend.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Ver-handlung durch Urteil nach §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz SGG einverstanden erklärt (Schreiben des Beklagten vom 04. Juni 2019, der Kläger vom 08. Juli 2019).
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der Verwaltungsakte (Band V) Bezug genommen, die dem Senat vorgelegen haben und Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht erhobene Berufung ist zulässig. Zwar beträgt der Wert des Beschwerdegegenstandes lediglich 181,08 EUR (6 x 30,18 EUR) und übersteigt damit nicht den Betrag des § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG. Das LSG ist jedoch an die Zulassung der Berufung im angefochtenen Urteil gebunden (§ 144 Abs. 3 SGG).
Die Berufung des Beklagten ist auch begründet. Der - endgültige – Bescheid vom 27. Februar 2018, welcher den vorläufigen Bescheid vom 02. Mai 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Juli 2017 ersetzt hat (vgl. z.B. BSG, Urteil vom 30.03.2017 - B 14 AS 18/16 R - SozR 4-4200 § 11 Nr. 81 Rn. 10), ist rechtmä-ßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten. Die Entscheidung des SG, den Bescheid betreffend die Anrechnung von Sachbezügen ganz aufzuheben und damit weitere Leistungen zu bewilligen, erweist sich als rechtswidrig und war daher aufzu-heben.
Die in Bedarfsgemeinschaft (§ 7 Abs. 3 Nrn. 1, 3a, 4 SGB II) mit ihren minderjährigen Kindern – den Klägern zu 3 bis 5 - lebenden 1962 bzw. 1978 geborenen Kläger zu 1 und 2 waren bezogen auf den streitigen Zeitraum erwerbsfähig und hatten ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 2 und 4 SGB II). Sie waren auch hilfebedürftig i.S.d. §§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, 9 Abs. 1 und Abs. 2 SGB II, denn sie waren ausweislich der vorliegenden Unterlagen nicht in der Lage, ihren Gesamtbedarf (Regelbedarf (RB) gemäß § 20 SGB II sowie Bedarfe für Unterkunft und Heizung (BUH) gemäß § 22 SGB II) aus eigenem zu berücksichtigenden Einkommen vollständig zu decken. Die minderjährigen Kläger zu 3 bis 5 waren gleichfalls hilfebedürftig (§ 9 Abs. 2 Satz 2 SGB II). Der Gesamtbedarf der Kläger – ohne Berücksichtigung von Kindergeld – belief sich im streitigen Zeitraum auf 2.542,14 EUR (2 x 368,00 EUR RB der Stufe 2 gemäß § 20 Abs. 4 SGB II + 2 x 291,00 EUR Sozialgeld (SoG) Regelbedarfsstufe 5 + 1 x 237,00 EUR SoG Regelbedarfsstufe 6 zzgl. 969,14 EUR BUH).
Das darauf anzurechnende Einkommen i.S.d. § 11 Abs. 1 SGB II des Klägers zu 1 aus abhängiger Beschäftigung und der Kläger zu 3 bis 5 aus Kindergeld i.H.v. insge-samt 582,00 EUR war nach Bereinigung nicht ausreichend, diesen Bedarf zu decken.
Rechtsgrundlage für den endgültigen Festsetzungsbescheid vom 27. Januar 2018 ist § 41a Abs. 3 SGB II. Mit Bescheid vom 02. Mai 2017 hatte der Beklagte den Klägern für die Zeit vom 01. Juni bis zum 30. November 2017 im Hinblick auf das monatlich schwankende Erwerbseinkommen des Klägers zu 1 (unter Einschluss der vom Ar-beitgeber für Verpflegung als geldwerter Vorteil veranschlagten Sachbezugswerte i.H.v. 3,17 EUR je Mittag-/Abendessen gemäß der Neunten Verordnung zur Änderung der Sozialversicherungsentgeltverordnung vom 21. November 2016, BGBl 2016 I Seite 2637) vorläufig Leistungen nach dem SGB II i.H.v. monatlich insgesamt 958,05 EUR bewilligt (§ 41a Abs. 1 SGB II).
Bei der abschließenden Feststellung des Leistungsanspruchs ist nach § 41a Abs. 4 SGB II als Einkommen ein monatliches Durchschnittseinkommen zugrunde zu legen. Die Bildung eines monatlichen Durchschnittseinkommens bei der abschließenden Entscheidung erfolgt unabhängig vom Grund der Vorläufigkeit, erfasst alle Einkom-mensarten und alle Monate des Bewilligungszeitraums.
Die Vorgabe des § 41a Abs. 4 Satz 1 SGB II, bei der abschließenden Feststellung des Leistungsanspruchs nach § 41a Abs. 3 SGB II als Einkommen ein monatliches Durchschnittseinkommen zugrunde zu legen, ist vorliegend anzuwenden, weil keiner der Ausnahmetatbestände nach § 41a Abs. 4 Satz 2 SGB II gegeben ist. Als monat-liches Durchschnittseinkommen ist nach § 41a Abs. 4 Satz 3 SGB II für jeden Kalen-dermonat im Bewilligungszeitraum der Teil des Einkommens zu berücksichtigen, der sich bei der Teilung des Gesamteinkommens im Bewilligungszeitraum durch die An-zahl der Monate im Bewilligungszeitraum ergibt. Dabei erfasst § 41a Abs. 4 SGB II alle Arten von Einkommen im Bewilligungszeitraum, bezieht alle Monate des Bewilli-gungszeitraums in die Bildung des Durchschnittseinkommens ein und setzt nicht vo-raus, dass der (schwankende) Bezug von Einkommen Grund der Vorläufigkeit war (hierzu BSG, Urteil vom 11. Juli 2019 – B 14 AS 44/18 R – Rn. 18ff).
Zutreffend hat der Beklagte hier nicht nur das vom Arbeitgeber des Klägers zu 1 un-bar ausgezahlte Entgelt, sondern darüber hinaus auch die diesem von seinem Ar-beitgeber zur Verfügung gestellte kostenlose Verpflegung als Einkommen i.S.d. § 11 Abs. 1 SGB II berücksichtigt. Nach § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II in der Fassung vom 26. Juli 2016 (BGBl. I 1824) sind als Einkommen zu berücksichtigen Einnahmen in Geld abzüglich der nach § 11b abzusetzenden Beträge mit Ausnahme der in § 11a genannten Einnahmen. Dies gilt nach § 11 Abs. 1 Satz 2 SGB II in der genannten Fassung auch für Einnahmen in Geldeswert, die im Rahmen einer Erwerbstätigkeit, des Bundesfreiwilligendienstes oder eines Jugendfreiwilligendienstes zufließen. Damit sind geldwerte Einnahmen im Grundsatz nicht mehr als Einkommen zu berücksichti-gen (s. auch § 1 Abs. 1 Alg II-V), sondern nur noch dann, wenn die entsprechenden Einnahmen aus Erwerbstätigkeit oder aus Freiwilligendiensten erzielt werden.
Einkommen in diesem Sinne ist nach der ständigen Rechtsprechung des BSG im Gegensatz zu Vermögen grundsätzlich alles das, was jemand nach der Antragstel-lung beim Grundsicherungsträger wertmäßig dazu erhält. Dabei ist vom tatsächlichen Zufluss auszugehen, sofern nicht rechtlich ein anderer Zufluss als maßgeblich be-stimmt wird (vgl. Schmidt in Eicher/Luik, SGB II, 4. A. 2017, Rn. 15 zu § 11 m.w.N.).
Einnahmen "in Geldeswert" sind solche, die nicht unmittelbar in Bar- oder Buchgeld bestehen, aber einen in Geld zu bemessenden wirtschaftlichen Wert haben (u.a. Knickrehm/Kreikebohm/Waltermann, Kommentar zum Sozialrecht, 6. A. 2019, Rn.4). Hierzu gehören u.a. Sacheinnahmen einschließlich Gutscheine, Sammelmünzen, Dienst- oder Naturalleistungen, insbesondere freie Wohnung oder Verpflegung, De-putate und Mitarbeiterrabatte (Hengelhaupt in: Hauck/Noftz, SGB, 01/15, § 11 SGB II Rn. 171; Söhngen in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, 4. A. 2015, Rn. 39 zu § 11; angedeutet auch: BSG, Urteil vom 18. Juni 2008 – B 14 AS 22/07 R – juris Rn. 15f).
Seit dem 01. Januar 2009 richtet sich der als Einnahme i.S.d. § 11 Abs. 1 SGB II zu berücksichtigende Geldeswert der vom Arbeitgeber bereitgestellten Verpflegung nach § 2 Abs. 5 Alg II-V. Danach ist bei der Berechnung des Einkommens der Wert der vom Arbeitgeber bereitgestellten Vollverpflegung mit täglich 1% des nach § 20 SGB II maßgebenden monatlichen Regelbedarfs anzusetzen. Wird Teilverpflegung bereitgestellt, entfallen auf das Frühstück ein Anteil von 20% und auf das Mittag- und Abendessen Anteile von je 40% des sich nach Satz 1 ergebenden Betrages.
In der nichtamtlichen Begründung des Referentenentwurfs zur 1. Alg II-V 2008 Ände-rungsverordnung (vgl. S. 8 zu B. Besonderer Teil Art. 1 Nr. 2) wird ausgeführt: "Der neue Absatz 5 regelt die Berechnung des Einkommens, wenn durch ei-nen Arbeitgeber Verpflegung als Bezügebestandteil gewährt wird. Dabei darf - insbesondere unter Berücksichtigung des Urteils des Bundessozialgerichts vom 18. Juni 2008 (B 14 AS 22/07 R) - bei der Berechnung des Einkommens aus einem Sachbezug, der auch in der Regelleistung berücksichtigt ist, maxi-mal der Wert als Einkommen angesetzt werden, der dem jeweiligen Teil der Regelleistung entspricht. Bei der Bemessung der Regelleistung ist für Nahrungsmittel, Getränke und Tabakwaren sowie Verpflegungsdienstleistungen insgesamt ein Wert von zur-zeit 135,55 Euro, also rund 39 Prozent, berücksichtigt. Für Verpflegung wird daher pauschal ein Wert von gerundet 1 Prozent der Regelleistung je Tag als Wert angesetzt, an dem der Arbeitgeber Vollverpflegung gewährt. Dieser Wert wird den Bruttoeinnahmen hinzugerechnet. Berücksichtigt ist dabei, dass auch an den Tagen, an denen Verpflegung vom Arbeitgeber bereitgestellt wird, er-gänzend Aufwendungen für Verpflegung entstehen können. Das Gesamteinkommen ist um die Absetzbeträge, gegebenenfalls auch um einen Freibetrag bei Erwerbstätigkeit (§ 11 Absatz 2 Satz 1 Nummer 6 in Ver-bindung mit § 30 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch) zu bereinigen."
Entsprechend der telefonischen Mitteilung des Arbeitgebers des Klägers zu 1 vom November 2017 wurden diesem im streitigen Zeitraum tatsächlich kostenfrei Verpfle-gung und Getränke gewährt, denn ein Entgelt für die zur Verfügung gestellte Mitar-beiterverpflegung war weder vor Ort zu entrichten noch wurde ein solches vom Ge-halt abgezogen. Soweit die Gehaltsabrechnungen unter "Lohnart" neben dem Stun-denlohn und Nachtzuschlägen einen "Sachbezug Essen" aufführen, erfolgt dies zur Versteuerung der als geldwerter Vorteil gewährten Verpflegung. Dem geldwerten Vorteil wurde gemäß der Neunten Verordnung zur Änderung der Sozialversiche-rungsentgeltverordnung vom 21. November 2016 ein Geldwert zugeordnet, versteu-ert und sodann wieder vom Nettoentgelt abzogen. Dementsprechend ist vorliegend § 2 Abs. 5 Alg II-V auch anwendbar (anders als z.B. in dem vom LSG Berlin-Brandenburg entschiedenen Fall, welcher der Entscheidung vom 30. November 2017 – L 31 AS 2400/16 -, veröffentlicht in juris, zugrunde lag).
Soweit der Kläger hier geltend macht, er habe die angebotene Verpflegung nicht wahrgenommen, hält der Senat dies angesichts der langen Schichten (8 bis 9 Stun-den) für wenig glaubhaft. Auch stellt die Einlassung des Klägers, er habe möglichst viel Zeit mit seiner Familie, insbesondere der behinderten Tochter, verbringen wollen, keine plausible Erklärung für den Verzicht auf die angebotene Verpflegung dar. Denn durch den Verzicht auf angebotene Verpflegung ändert sich nichts an den Arbeitszei-ten, sodass er dadurch auch nicht mehr Zeit mit seiner Familie verbringen kann. Au-ßerhalb der Arbeitszeiten verbleibt im Übrigen jeweils Zeit, die sonstigen Mahlzeiten mit der Familie einzunehmen.
Ob der Kläger zu 1 tatsächlich die Verpflegung in Anspruch genommen hat, ist für die Bewertung der Mitarbeiterverpflegung als Einnahme in Geldeswert (§ 11 Abs. 1 Satz 2 SGB II) und die Berechnung nach § 2 Abs. 5 Alg II-V jedoch letztlich unbeachtlich (so auch: Hengelhaupt in Hauck/Noftz, SGB II, 04/17, Rn. 257 zu § 13; Lange in Eicher/Luik, SGB II, 4. A. 2017, Rn. 42 zu § 13). Denn für den "Zufluss" des Einkommens ist nicht der tatsächliche Verbrauch desselben entscheidend, sondern das Eingehen in den tatsächlichen Verfügungsbereich des Leistungsberechtigten. Dies ist bereits dann der Fall, wenn dieser – hier der Kläger zu 1 – die Möglichkeit hatte, den Vorteil in Anspruch zu nehmen, d.h. das Essen zu verzehren. Auch bei Einnahmen in Geld ist nicht entscheidend, ob diese tatsächlich verbraucht werden, ausreichend ist, dass sich die Mittel auf dem Konto des Leistungsberechtigten oder in dessen Verfügungsgewalt befinden. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass der Vorteil bzw. die Einnahme wieder "entfällt", wenn der Kläger das Essen nicht verzehrt. Auch hierdurch hat der Kläger letztlich über die Einnahme (das Essen) verfügt. Dementsprechend spricht auch § 2 Abs. 5 Alg II-V von "bereitgestellt" und stellt nicht auf den tatsächlichen Verzehr der Verpflegung ab. Dies entspricht auch dem Sinn und Zweck, den der Gesetzgeber mit einer Pauschalierung der Regelleistung im SGB II verband, da ansonsten der Beklagte jeweils ermitteln müsste, ob und ggf. wie oft ein Leistungsberechtigter die unentgeltliche Verpflegung tatsächlich in Anspruch genommen hat. Es wäre dann auch zu berücksichtigen, wenn ein Leistungsberechtigter nach Belieben die angebotenen Speisen manchmal verzehren würde, manchmal – aufgrund individueller Vorlieben oder einfach mangels Hungers – aber auch nicht. Da der Arbeitgeber des Klägers zu 1 nach seinen Angaben bezüglich des tatsächlichen Verzehrs der zur Verfügung gestellten Verpflegung /Getränke nicht Buch führt, ist es im Übrigen vorliegend unmöglich zu ermitteln, ob und wann der Kläger zu 1 tatsächlich die angebotene Verpflegung in Anspruch genommen hat.
Soweit das SG in seinem Urteil vom 29. März 2019 unter Bezugnahme auf die Ent-scheidung des SG vom 23. März 2015 – S 175 AS 15482/14 - § 2 Abs. 5 Alg II-V für mit höherrangigem Recht unvereinbar hält, folgt der Senat dem nicht. Das SG stützt sich zur Begründung letztlich auf die vom BSG in seinen Entscheidungen vom 18. Juni 2008 – B 14 AS 22/07 R – und vom 16. Dezember 2008 – B 4 AS 9/08 R – zu § 2 Abs. 5 Alg II-V in der ab dem 01. Januar 2008 geltenden Fassung geäußerten Be-denken. In diesen Entscheidungen hat sich das BSG jedoch mit einer gänzlich ande-ren Konstellation, nämlich der Frage, ob im Rahmen eines Krankenhausaufenthaltes bzw. Gefängnisaufenthaltes gewährte Vollverpflegung als Einkommen des Leis-tungsberechtigten zu berücksichtigen ist, befasst. Im System des SGB II gebe es anders als im SGB XII keinen Raum für eine individuelle Bedarfsermittlung bzw. ab-weichende Bestimmung der Höhe der Regelleistung. Eine Anrechnung einer "ander-weitigen Bedarfsdeckung" und damit eine anderweitige Bestimmung der Bedarfe – sei es erhöhend, sei es vermindernd - sei nicht möglich. Es kann hier dahinstehen, ob diese Argumentation vor dem Hintergrund der Einführung des § 21 Abs. 6 SGB II noch durchgreift. Das BSG hat nämlich ausdrücklich offen gelassen, ob bei einem Grundsicherungsempfänger, der abhängig beschäftigt sei und als sog. "Aufstocker" ergänzende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts beziehe, in natura ge-leistete Lohnbestandteile nach § 2 Alg II-V bewertet werden können (BSG, Urteil vom 18. Juni 2008 – a.a.O. Rn. 15). Gleichzeitig hat es ausgeführt, im Kontext der Berücksichtigung von Erwerbseinkommen gemäß § 11 SGB II sei es systemgerecht, vom jeweiligen Arbeitgeber zur Verfügung gestellte Sachleistungen zu bewerten, um dem Grundsicherungsempfänger als Sachleistung verkappt gewährten Lohn sachge-recht bewerten zu können (BSG a.a.O.). Anders als in den vom BSG 2008 entschie-denen Fällen geht es vorliegend gerade nicht um eine anderweitige Bedarfsbestim-mung, sondern um die Bestimmung des Einkommens aus abhängiger Beschäftigung.
Auf die vom BSG im Jahre 2008 geäußerten Bedenken zur Bewertung von Vollver-pflegung im Rahmen von Krankenhaus- oder Gefängnisaufenthalten hat der Verord-nungsgeber in § 1 Abs. 1 Nr. 11 Alg II-V i.d.F. der Verordnung vom 18. Dezember 2008 (BGBl. I 2008, S. 2780) die Verpflegung außerhalb des Arbeitsverhältnisses, also etwa in Krankenhäusern und Reha-Einrichtungen, Schulen und Kindergärten sowie solche, die durch Verwandte und Bekannte bereitgestellt wird, entgegen der vorherigen Fassung der Alg-II-V ausdrücklich nicht mehr als Einkommen berücksich-tigt (Krauß in Hauck/Noftz, SGB II, 11/16, § 20 SGB II, Rn. 88). Dass Verpflegung, die in einem Arbeitsverhältnis gewährt wird, weiterhin als Einkommen zu berücksich-tigen ist, rechtfertigt sich durch die verfassungsrechtlich gebotene Gleichbehandlung mit Arbeitseinkommen, das in Geld erzielt wird. Die Gesetzesbegründung zur Neu-fassung des § 11 Abs. 1 Satz 2 SGB II durch das 9. Gesetz zur Änderung des SGB II führt dazu aus: "Die in dem neuen Satz 2 vorgenommene Einschränkung der An-rechnungsfreiheit von Einnahmen in Geldeswert, wenn diese im Rahmen von Er-werbstätigkeit, Bundesfreiwilligendienst oder Jugendfreiwilligendienst zufließen, be-rücksichtigt die Praxis, Arbeitsentgelte ganz oder teilweise durch Sachleistungen zu erbringen. Eine Rechtfertigung für eine ungleiche Behandlung von Arbeitsentgelten je nach der Erbringungsform (als Geldbetrag oder als Sachleistung) ist nicht ersichtlich. Deshalb sind Einnahmen in Geldeswert im Rahmen von Erwerbstätigkeiten weiterhin anzurechnen. Gleichzeitig wird erreicht, dass die Berücksichtigung von Einnahmen nicht dadurch umgangen werden kann, dass Erwerbseinkommen in Form von Sachleistungen erbracht wird" (BT-Drs. 18/8041, S. 31). Auch § 2 Abs. 5 ALG-II-V selbst wurde im Hinblick auf das genannte Urteil des BSG geändert, um zu errei-chen, dass, wie vom BSG gefordert, bei der Berechnung des Einkommens aus ei-nem Sachbezug, der auch in der Regelleistung berücksichtigt ist, maximal der Wert als Einkommen angesetzt wird, der dem jeweiligen Teil der Regelleistung entspricht (Hengelhaupt in Hauck/Noftz, SGB II, 04/17, § 13 SGB II, Rn. 255). Soweit die Kläger – wie das BSG in seinen Entscheidungen von 2008 – die Frage stellen, ob dann nicht auch Leistungen von Tafeln etc. als Einkommen zu bewerten sein müssten, geht dies an der nunmehr geltenden Gesetzeslage vorbei. Zumal der Gesetzgeber in § 11a Abs. 4 SGB II in der ab dem 01. April 2011 geltenden Fassung Zuwendungen der freien Wohlfahrtspflege (wie also z.B. der Tafeln) grundsätzlich privilegiert.
§ 2 Abs. 5 Alg II-V ist auch von der Ermächtigungsgrundlage des § 13 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II gedeckt. Diese ermächtigt den Verordnungsgeber zu bestimmen, wel-che weiteren Einnahmen nicht als Einkommen zu berücksichtigen sind und wie das Einkommen im Einzelnen zu berechnen ist. Da – wie bereits ausgeführt - die Bereit-stellung unentgeltlicher Verpflegung eine Einnahme in Geldeswert nach § 11 Abs. 1 Satz 2 SGB II darstellt, regelt § 2 Abs. 5 Alg II-V ermächtigungskonform, wie diese Einnahme zu berechnen ist.
§ 2 Abs. 5 ALG-II-VO greift auch nicht in rechtswidriger Weise in das Selbstbestim-mungsrecht der Leistungsberechtigten ein. Soweit ein Leistungsberechtigter sich durch die vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellte Verpflegung in seiner Entschei-dung für eine bestimmte Ernährungsweise beeinträchtigt sieht, obliegt es ihm, seinen entsprechenden Anspruch arbeitsvertraglich abzubedingen oder gegenüber dem Ar-beitgeber darauf zu verzichten (so auch SG Stuttgart, Urteil vom 28. März 2019 – S 12 AS 4117/18 – juris Rn. 31).
Schließlich hat der Senat nach eigener Prüfung keine Bedenken hinsichtlich der rechnerischen Ermittlung der individuellen Leistungsansprüche der Kläger durch den Beklagten in dessen endgültigem Bescheid vom 27. Februar 2018. Letztlich haben auch die Kläger – abgesehen von der Frage der Berücksichtigung der kostenlos zur Verfügung gestellten Verpflegung - keine Einwände gegen die weitere Berechnung ihrer Leistungsansprüche geltend gemacht.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG und berücksichtigt, dass die Kläger im Zuge der endgültigen Leistungsfestsetzung erstinstanzlich einen Teilerfolg erzielt haben.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
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