L 10 AS 2103/19 NZB

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
10
1. Instanz
SG Cottbus (BRB)
Aktenzeichen
S 24 AS 1905/17
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 10 AS 2103/19 NZB
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Die Berufungsbeschränkung des § 144 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGG findet bei einem Streit über eine Zusicherung nach § 22 Abs 4 SGB II keine Anwendung (entgegen LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 18. April 2017 - L 4 AS 160/17 B - juris RdNr 16 f
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Berufung im Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 24. September 2019 wird als unzulässig verworfen. Außergerichtliche Kosten sind für das Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

Die Beschwerde (§ 145 Abs 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG)) der Klägerin, die sie entgegen der Rechtsmittelbelehrung eingelegt hat, die dem im Tenor bezeichneten Urteil des Sozialgerichts (SG) beigefügt war, ist bereits unstatthaft und damit unzulässig; sie war deshalb als unzulässig zu verwerfen war (§ 202 Satz 1 SGG iVm § 572 Abs 2 Satz 2 Zivilprozessordnung).

Die Berufung, die die Klägerin im Übrigen auch eingelegt hat und die beim beschließenden Senat unter dem Aktenzeichen L 10 AS /19 geführt wird, bedarf nicht der Zulassung, weil sie bereits kraft Gesetzes zulässig ist (§ 143 SGG). Nach der genannten Norm findet gegen Urteile des SG die Berufung an das Landessozialgericht (LSG) statt, sofern sich aus den folgenden Vorschriften nichts anderes ergibt. Die Berufung bedarf der Zulassung im Urteil des SG oder auf Beschwerde durch Beschluss des LSG, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750,00 EUR nicht übersteigt (§ 144 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGG), wobei rechtliche oder wirtschaftliche Folgen bei der Berechnung grds außer Ansatz bleiben (Leitherer in Meyer-Ladewig /Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12 Aufl 2017, RdNr 15 zu § 144 mwN), und nicht wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betroffen sind (§ 144 Abs 1 Satz 2 SGG). Eine solche, die grundsätzlich gegebene Zulassungsfreiheit beschränkende Ausnahme liegt hier nicht vor

Die Berufungsbeschränkung des § 144 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGG findet auf die von der der Klägerin vor dem SG zuletzt allein begehrte gerichtliche Feststellung (Schriftsatz vom 24. September 2019), dass der Bescheid vom 03. Mai 2017 (genauer gesagt: der darin verlautbarte Verwaltungsakt iS von § 31 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch) rechtswidrig war, keine Anwendung. Mit diesem Bescheid hatte, der Beklagte den Antrag der Klägerin vom 02. Mai 2017 abgelehnt, ihr die Berücksichtigung der Aufwendung für eine Wohnung in der Geschwister-Scholl-Straße 18 in Lübbenau (im Folgenden: Zielwohnung) zuzusichern (§ 22 Abs 4 Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II)), schon keine Anwendung.

Dieses Ergebnis folgt allerdings nicht bereits aus der gewählten Klageart, hier einer Fortsetzungsfeststellungsklage (in entsprechender Anwendung des § 131 Abs 1 Satz 3 SGG). Denn die Klageart ist für die Anwendung des § 144 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGG bedeutungslos (so ausdrücklich Bundessozialgericht (BSG), Beschluss vom 06. Oktober 2011 – B 9 SB 45/11 B, juris RdNr 11; Leitherer, aaO, RdNr 8 mwN). Entscheidend ist vielmehr der Gegenstand des Verwaltungsaktes, dessen Rechtswidrigkeit gerichtlich festgestellt werden sollte. Nur wenn dieser (erledigte) Verwaltungsakt auf eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung gerichtet ist, ist § 144 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGG anwendbar. Dies ist hier indes nicht der Fall. Denn der Bescheid vom 03. Mai 2017 betraf keine Geldleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt, weil die begehrte Zusicherung nicht auf eine konkrete Zahlung gerichtet war, sondern auf deren grundsätzliche Voraussetzungen.

Der Senat folgt nicht der Auffassung des LSG Sachsen-Anhalt (Beschluss vom 18. April 2017 – L 4 AS 160/17 B, juris RdNr 16f), wonach die begehrte Zusicherung im Falle eines Umzugs in die Zielwohnung mit der späteren Leistungsbewilligung so eng wirtschaftlich verknüpft ist, dass bereits die Zusicherung als auf eine Geldleistung "gerichtet" angesehen werden muss und wonach im Weiteren zur Bestimmung des Beschwerdewertes die Mieten der alten, noch bewohnte Wohnung und der Zielwohnung bezogen auf die Dauer eines Bewilligungsabschnitts (nach § 41 Abs 3 Satz 1 SGB II in der seit dem 01. August 2016 geltenden Fassung regelhaft ein Jahr) zu vergleichen sind. Diese Bestimmung des zeitlichen Rahmens hat keine dem Gesetz unmittelbar zu entnehmende Grundlage; auch werden soweit ersichtlich keine Fallgruppen diskutiert, in denen ein ansonsten nicht berechnungsfähiger Beschwerdewert unter Rückgriff auf einen freihändig geschätzten Zeitraum fixiert wird. Zudem wird die Festlegung auf die Dauer eines Bewilligungsabschnitts nicht von Sachgründen getragen. Sie berücksichtigt weder, dass der um eine Zusicherung (iS von § 22 Abs 4 SGB II) Nachsuchende regelmäßig deutlich länger als ein Jahr in der Zielwohnung verbleiben wird (was die (Rück-)Ausnahme nach § 144 Abs 1 Satz 2 SGG begründet) noch eine Beendigung des Leistungsbezuges zeitnah zum Umzug. Eine Bestimmung des Beschwerdewertes, die nicht von einem abstrakt angenommenen Zeitmoment und damit letztlich von einem "gegriffenen" Wert ausgeht und dennoch mit dem Grundsatz der Rechtsmittelklarheit zu vereinbaren, ist nicht ersichtlich.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist nicht mit einer Beschwerde an das BSG anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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