5 KR 542/13

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Detmold (NRW)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Detmold (NRW)
Aktenzeichen
5 KR 542/13
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Beklagte und Widerklägerin wird verurteilt, an die Klägerin und Widerbeklagte 45.777,63 Euro nebst Zinsen in Höhe von 2 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 17.10.2013 sowie 49.602,60 Euro nebst Zinsen in Höhe von 2 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 07.12.2017 zu zahlen. Die Widerklage wird abgewiesen. Die Beklagte und Widerklägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist im Rahmen der Klage und Widerklage die Vergütung für die stationäre Durchführung von insgesamt 38 Zyklen einer zellbasierten immunmodulierenden Therapie (Extrakorporalen Photopherese - ECP) umstritten.

Die Klägerin und Widerbeklagte (im Folgenden: Klägerin) betreibt ein zugelassenes Krankenhaus. Dort wurde der Versicherte der Beklagten und Widerklägerin (im Folgenden: Beklagte) Herr N T (geb. am 00.00.1981, verst. am 00.00.2014) in der Zeit von Februar 2012 bis Januar 2014 regelmäßig in Abständen von 2 - 3 Wochen zur Durchführung der ECP stationärer behandelt.

Bei dem Versicherten bestand bereits seit 1983 eine Mukoviszidose, wodurch es bereits im Kindesalter zu rezidivierenden Atemwegsinfektionen kam. Wegen einer kontinuierlichen Verschlechterung der Lungenfunktion wurde im Jahr 2006 eine Sauerstofflangzeittherapie eingeleitet. Am 27.10.2007 erfolgte eine Doppel-Lungen-Transplantation in der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH). Im weiteren Verlauf kam es allerdings zu einer Abstoßungsreaktion in Form eines Bronchiolitis obliterans Syndrom (BOS), in dessen Folge sich durch entzündungsbedingte, narbige Veränderungen im Bereich der Bronchiolen das Lungenvolumen erneut stark verminderte. Nach Hinzutritt weiterer Komplikationen wurde am 02.07.2009 eine erneute Doppel-Lungen-Transplantation in der MHH durchgeführt, woraufhin der Zustand des Versicherten zunächst stabil war. Ende 2011 entwickelte sich jedoch erneut ein BOS, das sich zu diesem Zeitpunkt noch im Stadium I befand. Der Versicherte hatte im Mai 2011 und im November 2011 bereits zwei Urbsaonstoßtherapien stationär erhalten. Auch die eingeleitete immunsupressive Therapie mit verschiedenen Präparaten konnte den progredienten Verlauf nicht beeinflussen.

Der Versicherte wurde daraufhin nach einer Empfehlung der MHH im Krankenhaus der Klägerin stationär zur Durchführung einer extrakorporalen Photopherese behandelt. Der Versicherte legte hierzu eine Verordnung für Krankenhausbehandlung vor. Die Therapie wurde am 16.02.2012 begonnen und alle 2-3 Wochen stationär durchgeführt, wobei der Versicherte an zwei aufeinander folgenden Tagen je eine ECP erhielt.

Bei dem Therapieverfahren der extrakorporalen Photopherese handelt es sich um eine besondere Art der Blutwäsche (Apherese), bei der bestimmte Blutzellen außerhalb des Körpers (extrakorporal) einer Behandlung mit ultraviolettem Licht (Phototherapie) unterzogen werden. Mit diesem Therapieverfahren können relativ schonend bösartige Immunzellen (Lymphozyten) abgetötet werden, da die eigentliche Behandlung außerhalb des Körpers in der ECP-Maschine stattfindet. Überschießende oder fehlgeleitete Immunfunktion weißer Blutkörperchen können ebenfalls durch diese direkt auf die verursachenden Zellen wirkende Lichttherapie abgemildert werden. Die primäre Indikation der extrakorporalen Photopherese sind kutane T-Zell-Lymphome (Hautkrebs der weißen Blutkörperchen). Hierfür kommen Patienten in Frage, deren gesamte Haut von dem Lymphom betroffen. Darüber hinaus werden Patienten mit Graft-versus-Host-Erkrankung nach Knochenmarkstransplantationen und Patienten mit Organtransplantatabstoßungsreaktionen mit der ECP behandelt.

Der Kläger wurde in dem empfohlenen Abstand regelmäßig stationär zur Durchführung der ECP aufgenommen. Im Verlauf dieser Therapie zeigte sich zunächst eine deutliche Besserung der Symptomatik der BOS. Erst im Februar 2014 kam es zu einer akuten Verschlechterung des Befundes. Der Versicherte verstarb am 00.00.2014 im Alter von 32 Jahren.

Die Klägerin rechnete die stationären Aufenthalte jeweils auf der Grundlage der DRG E65A (Chronisch-obstruktive Atemwegserkrankung mit äuß. schw. CC od. mit komplizierender Diagnose od. best. hochaufw. Behandlung od. Bronchitis u. Asthma bronchiale, mehr als ein Belegungstag, mit äuß. schw. od. schw. CC, Alter ( 1 J., mit RS-Virus-Infekt), wobei die jeweils durchgeführte Photopherese mit einem Zusatzentgelt (ZE3700) i.H.v. 1226,86 EUR in Ansatz gebracht wurde.

Die Beklagte legte den Vorgang bereits nach der ersten Behandlungseinheit dem MDK vor, der mit Gutachten vom 20.07.2012 die Notwendigkeit der stationären Behandlung verneinte. Zwar sei eine Photopherese formal durchgeführt worden, sie könne jedoch nicht als Zusatzentgelt abgebildet werden, da bei der extrakorporalen Photopherese ein zugelassenes Fertigarzneimittel mit einem zertifizierten Medizinprodukt eingesetzt werde. Der in dem Arzneimittel enthaltene Wirkstoff Methoxypsoralen (MOP) sei jedoch nur zur palliativen Behandlung der Hautmanifestationen der fortgeschrittenen Phase von kutanem T-Zell-Lymphom zugelassen, nicht jedoch zur Behandlung der BOS. Außerdem könne die ECP auch ambulant druchgeführt werden. Die Aufnahme zur stationären Behandlung sei nicht erforderlich gewesen.

Die Beklagte hat die weiteren stationären Aufenthalte gleichfalls im Hinblick auf eine primäre Fehlbelegung dem MDK vorgelegt. Auch in den weiteren Gutachten hat der MDK seine Einschätzung wiederholt, wobei die von der Klägerin zugrunde gelegte DRG im Wesentlichen bestätigt wurde.

Auf den Antrag des Versicherten vom 27.12.2012 hatte das Sozialgericht Hannover mit Beschluss vom 03.01.2013 die Beklagte im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes verpflichtet, beginnend zum 07.01.2013 sowie nachfolgend in etwa 14-tägiger Frequenz dem Versicherten die Behandlung mittels Extrakorporaler Photopherese längstens bis zum Abschluss der Behandlung oder für die Dauer von einem Jahr im Haus der Klägerin oder einer gleich geeigneten Einrichtungen zu gewähren. Der Beschluss wurde rechtskräftig. Mit Bescheid gegenüber dem Versicherten vom 20.12.2012 hatte die Beklagte zuvor einen Sachleistungsanspruch verneint, der hiergegen erhobene Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 06.11.2013 zurückgewiesen. Das beim Sozialgericht Hannover unter dem Aktenzeichen S 11 KR 783/13 wurde nach dem Tod des Versicherten nicht fortgeführt. Medizinische Ermittlungen fanden während der sozialgerichtlichen Verfahren nicht statt.

Folgende Behandlungen, deren Vergütung zwischen den Beteiligten umstritten ist, wurden durchgeführt und sind Gegenstand der Klage und Widerklage:

Behandlungs- zeitraum Rechnung v. / R.Nr.: Rechnungs-betrag Zahlung erfolgt? Verrechnung am:

14.02.2012 bis 17.02.2012 01.03.2012 4962,37 EUR nein
13.03.2012 bis 15.03.2012 14.08.2012 3403,66 EUR nein
26.04.2012 bis 27.04.2012;
15.05.2012 bis 17.05.2012 13.06.2012 7456,14 EUR Teilzahlung am 31.05.2012 in Höhe von 3403,66 EUR

27.06.2012 bis 28.06.2012;
11.07.2012 bis 12.07.2012 23.07.2012 6658,24 EUR
08.08.2012
26.03.2013
03.04.2013
26.06.2013
26.07.2012 bis 27.07.2012;
08.08.2012 bis 09.08.2012 14.08.2012 6658,24 EUR nein
23.08.2012 bis 24.08.2012;
10.09.2012 bis 11.09.2012 04.10.2012 6658,24 EUR nein
25.09.2012 bis 26.09.2012;
10.10.2012 bis 11.10.2012 17.10.2012 6658,24 EUR nein
24.10.2012 bis 25.10.2012;
12.11.2012 bis 13.11.2012 22.11.2012 6692,20 EUR nein
28.11.2012 bis 29.11.2012;
12.12.2012 bis 13.12.2012 08.01.2013 6692,20 EUR nein
07.01.2013 bis 08.01.2013;
22.01.2013 bis 23.01.2013 04.02.2013 6711,09 EUR ja
23.08.2013
05.02.2013 bis 06.02.2013; 12.02.2013 3441,57 EUR ja
26.07.2013
13.08.2013
04.03.2013 bis 06.03.2013;
19.03.2013 bis 20.03.2013 09.04.2013 7581,49 EUR ja
18.08.2013
08.04.2013 bis 26.04.2013 7010399685 6787,10 EUR ja

15.05.2013 bis 16.05.2013;
03.06.2013 bis 04.06.2013 10.06.2013 6787,10 EUR ja
28.11.2013
10.12.2013
13.03.2014
19.06.2015
19.06.2013 bis 20.06.2013;
08.07.2013 bis 09.07.2013 17.07.2013 6787,10 EUR ja
10.02.2015
01.08.2013 bis 02.08.2013;
15.08.2013 bis 16.08.2013 26.08.2013 6804,99 EUR ja
10.02.2015
29.08.2013 bis 13.09.2013 7010418545 7568,90 EUR ja
17.10.2013 bis 18.10.2013 7010421946 3575,05 EUR ja
7.11.2013 bis 08.11.2013 7010425217 3575,05 EUR ja
04.12.2013 bis 06.12.2013 13.12.2013 4449,72 EUR ja
16.09.2014
09.01.2014 bis 10.01.2014;
23.01.2014 bis 24.01.2014 31.01.2014 7.039,54 EUR nein

Mit der am 17.10.2013 erhobenen Klage hat die Klägerin zunächst die Zahlung der Vergütung für die im Jahr 2012 durchgeführten und unvergüteten stationären Behandlungsmaßnahmen verlangt. Ein Teil des Anspruchs sei bereits deshalb gegeben, da die Beklagte unzulässigerweise verrechnet habe. Dies betreffe den stationären Aufenthalt vom 27.06.2012 bis 28.06.2012 und vom 11.07.2012 bis 12.07.2012. Im Übrigen seien die stationären Aufenthalte notwendig gewesen. Dies ergebe sich bereits aus dem Beschluss des Sozialgerichts Hannover. Sie nimmt ferner Bezug auf eine Stellungnahme der MHH vom 21.12.2012. Daraus gehe hervor, dass es sich bei der Therapie um eine möglicherweise lebensrettende Maßnahme für den Versicherten handle. Diese dürfe ihm nicht vorenthalten werden. Aus transplantationsmedizinischer Sicht sei die Therapie zwingend notwendig. Eine andere Therapie habe nicht zur Verfügung gestanden. Dies habe Prof. Dr. H von der MHH in einer weiteren Stellungnahme vom 17.02.2014 ausgeführt. Andere Medikamente (Monteluklast, Azithromycin) seien bei dem Versicherten bereits zum Einsatz gekommen, ohne dass sich ein Erfolg gezeigt habe. Im Übrigen habe die gewählte Therapieform bereits Eingang gefunden in die Leitlinien. Die Behauptung der Beklagten, das Präparat, das bei der Photopherese verwendet werde, habe keine Zulassung für den Einsatz bei Transplantierten, sei falsch. Im Übrigen sei es unzulässig, die Übernahme von Behandlungskosten mit dem Argument zu verweigern, eine Verschlechterung des Befundes könne nicht verhindert werden. Die Klägerin verweist ferner darauf, dass die ECP national und international stets stationär durchgeführt werde. In der Regel erfolgten zwei Behandlungen an zwei aufeinanderfolgenden Tagen. Nach dem gemeinsam entwickelten Kriterienkatalog über die Notwendigkeit einer stationären Behandlung (G-AEP) würden allein aufgrund der Schwere der Erkrankung hinreichend Anhaltspunkte vorliegen, die die Notwendigkeit einer stationären Aufnahme begründen.

Mit Schriftsatz vom 07.12.2017 hat die Klägerin ihre Klage erweitert. Die Rechnungen für die Behandlungen im Jahr 2013 hatte die Beklagte zunächst vollständig bezahlt. Ab August 2013 hat sie die ihrer Auffassung nach – unter Zugrundelegung der Ausführungen des MDK – bestehenden Rückforderungsansprüche für die geleistete Vergütung für die Behandlungen im Januar, Februar, März, Mai, Juni, Juli, August und Dezember 2013 mit unstreitigen, später entstandenen Vergütungsansprüchen der Klägerin verrechnet. Die Klägerin vertritt hierzu die Auffassung, die Verrechnung sei nicht zulässig und verlangt die Vergütung für die Behandlungen, die Gegenstand der Verrechnung waren. Ferner fordert sie die Zahlung von 7.039,54 für die Behandlung im Januar 2014 (Rechnung vom 31.01.2014).

Am 28.08.2014 hat die Beklagte ein Teilanerkenntnis iHv. 6.658,24 EUR aufgrund des Aufrechnungsverbotes abgegeben (Behandlungen vom 27.06.2012 bis 28.06.2012 und vom11.07.2012 bis 12.07.2012). Die Klägerin hat das Teilanerkenntnis angenommen und ihren Antrag insoweit und im Hinblick auf eine Teilzahlung der Beklagten für die Behandlung im April/Mai 2012 korrigiert.

Mit Schriftsatz vom 09.12.2016 hat die Beklagte Widerklage erhoben und begehrt die Rückzahlung der Vergütung für Juni und Juli 2012 sowie den bereits gezahlten Teilbetrag für die stationäre Behandlung im April/Mai 2012 (10.061,90 EUR). Ihre Widerklage hat sie am 21.12.2017 erweitert und ebenso die Rückforderung für die bereits gezahlten und nicht verrechneten Vergütungen für stationäre Behandlungen im Jahr 2013 (April, September, Oktober und November 2013) geltend gemacht (21.506,10 EUR).

Die Bevollmächtigte der Klägerin beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 45.777,63 Euro nebst Zinsen in Höhe von zwei Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 17.10.2013 und einen Betrag in Höhe von 49.602,60 Euro nebst Zinsen in Höhe von zwei Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 07.12.2017 zu zahlen.

Die Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,

die Klage abzuweisen.

Ferner hat die Beklagte widerklagend beantragt,

die Widerbeklagte zu verurteilen, an die Widerklägerin einen Betrag in Höhe von 10.061,90 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz und in Höhe von 21.506,10 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu zahlen.

Die Bevollmächtigte der Widerbeklagten beantragt,

die Widerklage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Auffassung, entsprechend der Auffassung des Gutachters des MDK hätte eine weitere Anpassung der immunsupressiven Therapie erfolgen müssen. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass durch den Einsatz einer zugelassenen Arzneimitteltherapie eine Behandlungsalternative bestanden habe. Zu berücksichtigen sei auch, dass sich die Befundsituation des Versicherten kontinuierlich verschlechtert habe. Die Erkrankung habe bereits im Februar 2013 das Stadium III erreicht. Die umfangreiche Medikation blieb jedoch über Monate hinweg unverändert. Außerdem sei das im Rahmen der ECP eingesetzte Medikament nicht für die Behandlung eines BOS zugelassen. Unter Anwendung der allgemeinen Grundsätze entsprechend den Vorgaben von §§ 2 Abs. 1, 12 SGB V sei eine wirtschaftliche Behandlung nicht erfolgt. Insbesondere bestehe auch keine uneingeschränkte Erlaubnis für die Erbringung von nicht zugelassenen Methoden im Krankenhaus. Dies habe das BSG in seiner Entscheidung vom 28.07.2008 bereits festgestellt. Die Voraussetzungen für eine grundrechtsorientierte Auslegung hätten im Falle des Versicherten nicht vorgelegen. Alternativ hätten andere Medikamente eingesetzt werden können. Die Beklagte benennt dabei Sandimmun und Imurek. Zu berücksichtigen sei auch, dass die stationäre Aufnahme allein zur Durchführung der ECP erfolgt sei. Eine Verschiebung von ambulant nicht zugelassenen Methoden in den stationären Bereich sei jedoch nicht zulässig. Die Notwendigkeit der stationären Behandlung sei daher nicht gegeben. Die von ihr erhobene Widerklage begründet die Beklagte ebenfalls mit der fehlenden Berechtigung der Klägerin zur Abrechnung der Leistung. Die von ihr bereits geleistete Vergütung müsse – soweit sie nicht bereits mit anderen Vergütungsansprüchen verrechnet worden sei – daher erstattet werden.

Das Gericht hat mit den Beteiligten einen Erörterungstermin durchgeführt und im Anschluss daran ein Gutachten Prof. Dr. E, Direktor der Klinik für Herz- und Thoraxchirurgie des Universitäts-Herzzentrums Thürigen (Universitätsklinikum Jena) eingeholt. Auf Inhalt und Ergebnisse des am 13.12.2017 erstatteten Gutachtens wird verwiesen. Im Hinblick auf die Stellungnahme der Beklagten und die zwischenzeitliche Klageerweiterung und Widerklage hat das Gericht eine ergänzende Stellungnahme des Sachverständigen eingeholt, die am 17.09.2018 erstattet wurde und auf deren Inhalt ebenfalls verwiesen wird.

Wegen der weiteren Einzelheiten im Sach- und Streitstand nimmt die Kammer Bezug auf die Gerichtsakten, die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten und die Patientendokumentation der Klägerin. Der Inhalt war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe:

Die Kammer konnte den Rechtsstreit trotz Abwesenheit eines Vertreters der Beklagten im Verhandlungstermin vom 27.02.2019 entscheiden, da auf diese Möglichkeit mit der Ladung hingewiesen wurde (§ 110 Abs. 1 S. 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG).

Die Klage ist in vollem Umfang begründet. Die Widerklage unterliegt der Abweisung.

Die Klage ist zunächst zulässig. Sie ist als (echte) Leistungsklage nach § 54 Abs. 5 SGG statthaft, weil es sich bei dem mit der Klage verfolgten Anspruch der Klägerin auf Vergütung einer stationären Krankenhausbehandlung des Versicherten um einen Parteienstreit im Gleichordnungsverhältnis handelt, in dem eine Regelung durch Verwaltungsakt nicht in Betracht kommt (BSG SozR 4-5560 § 17b Nr. 2). Ein Vorverfahren war mithin nicht durchzuführen.

Die Fallpauschalenvergütung für Krankenhausbehandlung Versicherter in zugelassenen Einrichtungen ergibt sich aus § 109 Abs 4 S 3 SGB V (idF durch Art 1 Nr 3 Gesetz zur Einführung des diagnose-orientierten Fallpauschalensystems für Krankenhäuser (Fallpauschalengesetz - FPG) vom 23.4.2002, BGBl I 1412) iVm § 7 KHEntgG (BSG SozR 4-2500 § 109 Nr 14 RdNr 15; BSG SozR 4-2500 § 109 Nr 58 RdNr 12; BSG SozR 4-2500 § 109 Nr 61 RdNr 10). Der Anspruch wird auf Bundesebene durch Normsetzungsverträge (Normenverträge, Fallpauschalenvereinbarungen) konkretisiert. Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen und der Verband der privaten Krankenversicherung gemeinsam vereinbaren nach § 9 Abs 1 S 1 Nr 1 KHEntgG mit der Deutschen Krankenhausgesellschaft als "Vertragsparteien auf Bundesebene" mit Wirkung für die Vertragsparteien nach § 11 KHEntgG (idF durch Art 2 Nr 11 KHRG) einen Fallpauschalen-Katalog einschließlich der Bewertungsrelationen sowie Regelungen zur Grenzverweildauer und der in Abhängigkeit von diesen zusätzlich zu zahlenden Entgelte oder vorzunehmenden Abschläge. Soweit dies zur Ergänzung der Fallpauschalen in eng begrenzten Ausnahmefällen erforderlich ist, vereinbaren sie daneben auf der Grundlage des § 9 Abs 1 S 1 Nr 2 KHEntgG Zusatzentgelte für Leistungen, Leistungskomplexe oder Arzneimittel, insbesondere für die Behandlung von Blutern mit Blutgerinnungsfaktoren oder für eine Dialyse, wenn die Behandlung des Nierenversagens nicht die Hauptleistung ist (§ 17b Abs 1 S 12 KHG in der hier maßgeblichen Fassung). Ferner vereinbaren sie insoweit Abrechnungsbestimmungen in den FPV (§ 9 Abs 1 S 1 Nr 3 KHEntgG).

Die Klägerin berechnete für die jeweiligen Behandlungen rechtmäßig die Fallpauschale E65A (Chronisch-obstruktive Atemwegserkrankung mit äuß. schw. CC oder starrer Bronchoskopie oder mit komplizierender Diagnose oder Bronchitis und Asthma bronchiale, mehr als ein Belegungstag, mit äuß. schw. oder schw. CC, Alter ( 1 J., mit RS-Virus-Infektion). Zwischen den Beteiligten ist die Kodierung hinsichtlich der in Ansatz zu bringenden Haupt- und Nebendiagnose(n) nicht umstritten.

Aufgrund der Kodierung des OPS 8-824 (Extrakorporale Photopherese) entsteht darüber hinaus ein Anspruch auf Vergütung des Zusatzentgeltes 37, für das nach der Anlage 2 des Entgeltkatalogs 2012 ein Betrag von 1.226,86 EUR je durchgeführter Photopherese (2013: 1.229,56 EUR; 2014: 1256,10 EUR) anfällt.

Die Berechtigung zur Vergütungsabrechnung auf dieser Grundlage war nach Auffassung der Kammer für sämtliche Behandlungszyklen gegeben. Die Beklagte kann sich weder auf die fehlende Notwendigkeit stationärer Behandlung im Sinne einer primären Fehlbelegung, noch auf einen unzulässigen Einsatz des Medikamentes Methoxypsoralen berufen.

Die Notwendigkeit stationärer Behandlung war gegeben.

Dem Versicherten stand ein Anspruch auf Krankenhausbehandlung zu Lasten der Krankenkasse zu. Damit geht der Zahlungsanspruch des Krankenhauses einher, denn die Krankenhausbehandlungen des Versicherten waren während des gesamten Zeitraums von Februar 2012 bis Januar 2014 erforderlich (§ 12 Abs. 1 SGB V). Dies gilt auch dann, wenn es sich bei der durchgeführten ECP um eine neue Behandlungsmethode handelte, zu der der G-BA noch keine Empfehlung abgegeben hat.

Nach § 137c Abs. 1 SGB V in der Fassung vom 22.11.2011 überprüft der G-BA nach § 91 SGB V auf Antrag Untersuchungs- und Behandlungsmethoden, die zu Lasten der gesetzlichen Krankenkassen im Rahmen einer Krankenhausbehandlung angewandt werden oder angewandt werden sollen, darauf hin, ob sie für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten unter Berücksichtigung des allgemein anerkannten Standes der medizinischen Erkenntnisse erforderlich sind (Satz 1). Ergibt die Überprüfung, dass die Methode nicht den o.a. Kriterien entspricht, erlässt der G-BA eine entsprechende Richtlinie (Satz 2). Ab dem Tag des Inkrafttretens einer Richtlinie darf die ausgeschlossene Methode im Rahmen einer Krankenhausbehandlung nicht mehr zu Lasten der Krankenkassen erbracht werden; die Durchführung klinischer Studien bleibt unberührt (§ 137c Abs. 2 S. 2 SGB V).

Die von der Klägerin bei der Krankenhausbehandlung des Versicherten angewandte ECP hat noch keinen Eingang in die vertragsärztliche Versorgung gefunden. Ein Prüfverfahren hierzu hat weder für die ambulante Durchführung der Therapie noch für ihre Anwendbarkeit im Rahmen stationärer Behandlung stattgefunden. Eine Entscheidung des G-BA zu dieser Methode gem. § 137c Abs. 1 S. 2 SGB V (Ausschluss-Richtlinie) oder nach § 137c Abs. 1 S. 3 SGB V (Erprobung-Richtlinie) liegt nicht vor. Ausgehend von der Tatsache, dass die Vertragsparteien sich für die Durchführung einer ECP auf ein Zusatzentgelt auf der Grundlage des § 9 KHEntgG geeinigt haben und hierzu keine NUB-Vereinbarung vorliegt (§ 6 Abs. 2 KHEntgG), handelt es sich im Grundsatz um eine Methode, die im Rahmen stationärer Behandlung zum Einsatz kommen kann.

Es steht zur Überzeugung der Kammer nach den Ausführungen des Sachverständigen fest, dass diese Methode nicht ambulant erbracht werden kann und einer stationären Krankenhausbehandlung bedarf. Die entgegenstehende Auffassung der Beklagten überzeugt die Kammer nicht. Für die Durchführung der Photopherese sind zwei venöse Zugänge oder ein Sheldon-Katheter erforderlich. Aufgrund des zweitägigen Therapiezyklus wird daher nach den Ausführungen des Sachverständigen die Photopherese allgemein stationär durchgeführt. Im Falle des Versicherten war dies auch schon deshalb erforderlich, weil bei ihm eine eingeschränkte pulmonale Leistungsfähigkeit bestand. Eine stationäre Überwachung war daher indiziert. Auch wenn es sich bei der ECP um ein vergleichsweise nebenwirkungsarmes Verfahren handelt, kann es dennoch – so der Sachverständige – z.B. im Rahmen einer allergischen Reaktion zur akuten Verschlechterung der pulmonalen Situation kommen, so dass gerade bei Patienten mit einem BOS eine stationäre Überwachung notwendig ist. Der Sachverständige bestätigt insoweit auch, dass lediglich eine begrenzte Erfahrung mit der Durchführung der ECP im Jahr 2012 bestand. Auch deshalb war die stationäre Behandlung im Falle des Versicherten notwendig.

Die Photopherese wurde bei dem Versicherten - dies wird von der Beklagten auch nicht bestritten - nach den Regeln der ärztlichen Kunst durchgeführt. Die Beklagte kann sich nicht darauf berufen, dass die stationäre Aufnahme des Versicherten zur Durchführung der ECP unwirtschaftlich war.

Nach § 28 Abs 1 SGB V, auf den § 39 SGB V ausdrücklich Bezug nimmt, umfasst die ärztliche Behandlung die Tätigkeit des Arztes, die zur Verhütung, Früherkennung und Behandlung von Krankheiten nach den Regeln der ärztlichen Kunst ausreichend und zweckmäßig ist. § 2 Abs 1 S 3 SGB V bestimmt allgemein, dass die Leistungen der Krankenversicherung nach Qualität und Wirksamkeit dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse zu entsprechen und den medizinischen Fortschritt zu berücksichtigen haben. Den Qualitätskriterien des § 2 Abs 1 S 3 SGB V schließlich entspricht eine Behandlung, wenn die "große Mehrheit der einschlägigen Fachleute (Ärzte, Wissenschaftler)" die Behandlungsmethode befürwortet und von einzelnen, nicht ins Gewicht fallenden Gegenstimmen abgesehen, über die Zweckmäßigkeit der Therapie Konsens besteht. Dieses setzt im Regelfall voraus, dass über Qualität und Wirksamkeit der Methode zuverlässige, wissenschaftlich nachprüfbare Aussagen gemacht werden können. Der Erfolg muss sich aus wissenschaftlich einwandfrei durchgeführten Studien über die Zahl der behandelten Fälle und die Wirksamkeit der Methode ablesen lassen. Die Therapie muss in einer für die sichere Beurteilung ausreichenden Zahl von Behandlungsfällen erfolgreich gewesen sein (BSG SozR 4-2500 § 18 Nr 5 RdNr 22, 24 ff mwN; BSG SozR 3-2500 § 92 Nr 12 S 71; BSG SozR 3-2500 § 18 Nr 6 S 23; vgl auch BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 38 RdNr 21 für den Bereich Hilfsmittel). Als Basis für die Herausbildung eines Konsenses können alle international zugänglichen einschlägigen Studien dienen; in ihrer Gesamtheit kennzeichnen sie den Stand der medizinischen Erkenntnisse (BSG SozR 4-2500 § 18 Nr 5 RdNr 29; BSG, Urteil vom 21. März 2013 – B 3 KR 2/12 R –, BSGE 113, 167-177, SozR 4-2500 § 137c Nr 6, Rn. 12).

Dieser Qualitätsmaßstab wird auch im Bereich der stationären Behandlung durch die Anwendung des § 137 c SGB V in der hier maßgeblichen Fassung nicht beeinflusst. Insbesondere kann eine nicht ausgeschlossene Methode nicht ohne weitere Prüfung zu Lasten der Krankenkassen im Rahmen stationärer Behandlung erbracht werden. Dies widerspräche der Systematik des Gesetzes, die eine Leistungspflicht der GKV gerade nicht uneingeschränkt für jede Art von medizinischer Versorgung vorsieht. Vielmehr unterliegen alle Behandlungsformen, auch solche im Krankenhaus, den in § 2 Abs 1, § 12 Abs 1 und § 28 Abs 1 SGB V den für die gesamte GKV festgelegten Qualitäts- und Wirtschaftlichkeitsanforderungen (BSGE 93, 137; BSGE 90, 289, 291; BSGE 81, 182, 187).

Unabhängig von der Frage der Auslegung des § 137 c SGB V (a.F.) kommt allerdings ein Vergütungsanspruch der Klägerin auf der Grundlage der vom BVerfG im Beschluss vom 6. Dezember 2005 (1 BvR 347/98) entwickelten und zwischenzeitlich durch § 2 Abs. 1a SGB V gesetzlich normierten Voraussetzungen einer grundrechtsorientierten Auslegung der Regelungen des SGB V in Betracht.

Danach besteht Anspruch auf Übernahme einer neuartigen Behandlungsmethode zulasten der Gesetzlichen Krankenversicherung, wenn folgende drei Voraussetzungen kumulativ erfüllt sind: (1.) Es liegt eine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödlich verlaufende Erkrankung oder wertungsmäßig damit vergleichbare Erkrankung vor. (2.) Bezüglich dieser Krankheit steht eine allgemein anerkannte, medizinischem Standard entsprechende Behandlung nicht zur Verfügung. (3.) Bezüglich der beim Versicherten ärztlich angewandten (neuen, nicht allgemein anerkannten) Behandlungsmethode besteht eine auf Indizien gestützte, nicht ganz fernliegende Aussicht auf Heilung oder wenigstens auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf (vgl. hierzu: BVerfG, Beschluss vom 6. Dezember 2005 1 BvR 347/98; BSG, Urteile vom 7. Mai 2013 - B 1 KR 26/12 R - und 17. Dezember 2013 - B 1 KR 70/12 R - jeweils juris).

Die bei dem Versicherten bestehende Lungenerkrankung stellte sich als lebensbedrohlich dar. Dies zeigt sich bereits anhand des Umstandes, dass er bereits ein Lungen-Transplantat abgestoßen hatte und aufgrund des erneut eintretenden BOS wiederum die Gefahr bestand, dass sich eine Abstoßungsreaktion manifestierte. Vor diesem Hintergrund bestätigt auch der Sachverständige überzeugend das Vorliegen einer lebensbedrohlichen und potentiell tödlich verlaufenden Erkrankung.

Allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Methoden standen nicht mehr zur Verfügung. Das BOS stellt danach eines der schwierigsten Probleme im Langzeitverlauf nach einer Lungentransplantation dar und ist eine der häufigsten Todesursachen dieser Patienten. Die Therapie mit Azathioprin, die als einziger Therapieansatz für eine gewisse Verlangsamung des Fortschreitens der Erkrankung sorgt, wurde auch im Falle des Versicherten angewandt, brachte jedoch nicht den gewünschten Erfolg. Auch das weitere Medikament Sandimmun (Wirkstoff: Ciclosporin), das der MDK zur Prophylaxe einer Lungentransplantation-Abstoßung genannt hat, stellte keine Therapieoption bei dem Versicherten dar. Der Sachverständige führt hierzu aus, dass gerade eine Umstellung der Immunsuppression die Entwicklung eines BOS nicht beeinflussen könne. Auch hierzu existieren keine Studien, die den Erfolg einer medikamentösen Umstellung belegen.

Nach Überzeugung der Kammer bestand für die durchgeführte ECP eine ausreichende, auf Indizien gestützte, nicht ganz fernliegende Aussicht auf Heilung oder wenigstens auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf des Versicherten.

Der Sachverständige legt in seinen Stellungnahmen überzeugend dar, dass im Zeitpunkt der Behandlung bereits größere Fallserien für den Einsatz der ECP bei Bestehen eines BOS vorgelegen haben, so dass die Evidenz deutlich über wissenschaftlich anerkannte Indizien hinausging. Der Sachverständige betont dabei die insgesamt begrenzte Evidenz bezüglich der Behandlung lungentransplantierter Patienten. Diesbezüglich muss die Studienlage bezüglich der ECP beim BOS als relativ gut eingeschätzt werden. Auch wenn die Daten zu Beginn der Therapie im Februar 2012 noch nicht in dem Umfang vorlagen, wie sich dies im weiteren Verlauf entwickelt hat, folgt die Kammer der Einschätzung des Sachverständigen, dass aufgrund fehlender alternativer Therapieoptionen und der ungünstigen Prognose die ECP im Sinne einer notstandsähnlichen Fallkonstellation gerechtfertigt war.

Der Sachverständige benennt in diesem Zusammenhang zunächst vier Publikationen, die bereits in der Zeit von 1995-1997 veröffentlicht worden sind und die sich mit der Photopherese nach Lungentransplantationen befassen. Diese Publikationen stellen die ersten Fallbeschreibungen von ECP als Therapie eines BOS dar. In der Zeit von 1999-2011 wurden nach den Ausführungen des Sachverständigen verschiedene Arbeiten veröffentlicht, die Studien anhand kleiner Fallserien zum Gegenstand hatten. Eine erste größere Studie wurde im Jahr 2010 veröffentlicht (Morell et al.; The efficacy of photpheresis for bronchiolitis obliterans sycdrom after lung transplantation. J Heart Lung Trans 2010; 29: 424 – 431). Dabei wurde eine erste größere retrospektive Untersuchung an 60 Patienten nach Lungentransplantation durchgeführt, die aufgrund eines BOS mit der ECP behandelt wurden. 25 % der Patienten zeigten eine Verbesserung der Lungenfunktion. Insgesamt wurde bei dem gesamten Patientenkollektiv eine Verlangsamung des FEV1-Abfalls beschrieben. Die erste und einzige prospektiven Studie, welche mit einer Vergleichsgruppe arbeitete, wurde erst im September 2012 veröffentlicht. Dabei zeigte sich, dass aus der Kohorte von 1012 lungentransplantierten Patienten 194 ein BOS entwickelt hatten. 51 Patienten erhielten gleichfalls eine ECP. Von diesen Patienten sprachen 31 (61 %) auf die Therapie an und zeigten eine anhaltende Stabilisierung der Lungenfunktion über sechs Monate. Der Sachverständige führt hierzu aus, dass zwar der Unterschied zur Kontrollgruppe bei der begrenzten Fallzahl nicht eindeutig statistisch signifikant war, der Unterschied dennoch gut erkennbar gewesen ist. Weitere Veröffentlichungen erfolgten im Jahr 2013 und 2014 und damit erst nach Beginn der Behandlung des Versicherten. Der Sachverständige fasste insoweit zusammen, dass zur Qualität und Wirksamkeit der ECP beim BOS auch bis heute keine prospektiven randomisierten Studien mit entsprechend großen Patientenzahlen existieren. Vielmehr beruht die wissenschaftliche Evidenz auf retrospektiven Fallserien. Angesichts der weltweit begrenzten Zahl an Lungentransplantationen sieht der Sachverständige jedoch die Studienlage bezüglich der ECP beim BOS für den Bereich der Lungentransplantation als relativ gut an. Er betont, dass die Abwägung des Einzelfalls durch den behandelnden Arzt erfolgen muss, da kein Einzelfall mit allen Begleitumständen einem Studienkollektiv entsprechen kann. Die Therapieentscheidung muss vor diesem Hintergrund auf der Grundlage der wenigen zur Verfügung stehenden Studien erfolgen und die Gesamtsituation des Patienten im Auge haben. Diesen Anforderungen genügt die Entscheidung der den Versicherten behandelnden Ärzte. Die Kammer berücksichtigt in diesem Zusammenhang insbesondere den Umstand, dass der Versicherte bereits ein Transplantat abgestoßen hatte und bei der individuellen Therapieentscheidung gerade die ausweglose Situation bei dem Versicherten in den Blick genommen worden ist. Dies kommt nicht zuletzt in der Stellungnahme von Doktor Gottlieb vom 17.02.2014 zum Ausdruck, in der die maßgeblichen Studien aufgeführt und die fehlende medikamentöse alternative Behandlungsmöglichkeit erläutert werden.

Dem steht auch nicht entgegen, dass das für die ECP verwandte Medikament Methoxypsoralen lediglich für die palliative Behandlung eines kutanen T-Zell-Lymphoms zugelassen ist. Der MDK verkennt insoweit, dass das Medikament essentieller Bestandteil jeder Photopherese ist, so dass auch der Wirksamkeitsnachweis allein in Verbindung mit dieser zu sehen ist. Unabhängig davon, welche Indikation der Durchführung einer ECP zugrunde liegt, erfolgt diese mit dem Medikament Methoxypsoralen.

Ein Vergütungsanspruch für die noch nicht bezahlten stationären Aufenthalte im Jahr 2012 und für den letzten Aufenthalt des Versicherten im Haus der Klägerin im Jahr 2014 ist daher gegeben.

Gegenstand der geltend gemachten Vergütungsansprüche für das Kalenderjahr 2013 sind hingegen nicht die Behandlungen des Versicherten N T, sondern die unstreitigen Behandlungsfälle, mit denen die Beklagte aufgerechnet hat.

Ein Vergütungsanspruch besteht zunächst nicht unmittelbar aufgrund des Umstandes, dass das SG Hannover im einstweiligen Rechtsschutzverfahren eine Entscheidung zugunsten des Versicherten getroffen hatte. Der Beschluss entfaltet lediglich Bindungswirkung im Verhältnis zum Versicherten, nicht aber zu der Klägerin.

Allerdings ist ein Vergütungsanspruch der Klägerin bereits deshalb gegeben, weil die Beklagte nicht berechtigt war, die unstrittigen Ansprüche mit Rückforderungsansprüchen für die bereits gezahlte Vergütung für die stationäre Behandlung des Versicherten T im Januar, Februar, März, Mai, Juni, Juli, August und Dezember 2013 zu verrechnen.

Ein Verrechnungsverbot bestand aufgrund der Vereinbarung in § 15 Abs. 4 Satz 2 des Vertrages nach § 112 Abs. 2 Nr. 1 SGB V vom 06.12.1996 (Sicherstellungsvertrag NRW). Der gekündigte aber weiterhin bis zu einer Neuregelung anzuwendende und auch für Krankenkassen außerhalb Nordrhein-Westfalens geltende Landesvertrag lässt in § 15 Abs. 4 Satz 2 eine Aufrechnung nur in bestimmten Fällen zu.

§ 15 Abs. 4 des Vertrages hat folgenden Inhalt: "Beanstandungen rechnerischer oder sachlicher Art können auch nach Bezahlung der Rechnung geltend gemacht werden. Bei Beanstandungen rechnerischer Art sowie nach Rücknahme der Kostenzusage und, falls eine Abrechnung auf vom Krankenhaus zu vertretenden unzutreffenden Angaben beruht, können überzahlte Beträge verrechnet werden."

Die Verrechnungsmöglichkeit besteht daher nach der ständigen obergerichtlichen Rechtsprechung nicht, wenn Beanstandungen sachlicher Art geltend gemacht werden (Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 11. Juli 2018 – L 11 KR 492/17 –, Rn. 21, juris; Urteil vom 06. Dezember 2016 – L 1 KR 358/15 –, Rn. 47, juris). Vorliegend moniert die Beklagte eine primäre Fehlbelegung und verdeutlicht mit ihrem Vortrag, dass ein Vergütungsanspruch in materieller Hinsicht nicht besteht/bestand. Damit hat sie die Abrechnung in sachlicher Hinsicht, nämlich in Bezug auf die Einhaltung des Wirtschaftlichkeitsgebots, beanstandet. Ein Fall des § 15 Abs. 4 Satz 2 des Landesvertrages lag demgegenüber nicht vor.

Damit war die Klage insgesamt erfolgreich. Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch auf Prozesszinsen – 2 Prozentpunkte über dem Basiszinssatz (§ 247 BGB) - ergibt sich aus §§ 291, 288 Abs. 1 S. 2 BGB i.V.m. dem Sicherstellungsvertrag nach § 112 SGB V.

Die Widerklage ist zulässig aber nicht begründet.

Rückforderungsansprüche der Beklagten bestehen weder für die bereits gezahlte Vergütung für Behandlungen im Jahr 2012 noch für die gezahlte (und nicht verrechnete) Vergütung für Behandlungen in 2013.

Rechtsgrundlage für die Forderung der Beklagten kann allein der allgemeine öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch sein. Danach sind Leistungen, die auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts ohne Rechtsgrund erbracht worden sind, zu erstatten. Bei den öffentlich-rechtlichen Abrechnungsbeziehungen zwischen Krankenkassen und Krankenhäusern kommt ein solcher Anspruch in Betracht, wenn Zahlungen zur Erfüllung einer tatsächlich nicht bestehenden Verbindlichkeit erbracht worden sind (BSG, Urteil vom 22.07.2004, B 3 KR 21/03, juris). Wie dargelegt, bestand allerdings für sämtliche Behandlungen des Versicherten T zur Durchführung der ECP ein Vergütungsanspruch der Klägerin. Die Zahlungen der Beklagten erfolgten daher mit Rechtsgrund.

Die Widerklage unterlag daher der Abweisung.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a SGG iVm § 154 VwGO.
Rechtskraft
Aus
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