Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
18
1. Instanz
SG Frankfurt (Oder) (BRB)
Aktenzeichen
S 33 AS 491/17
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 18 AS 1421/19
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Klägerin wird der Gerichtsbescheid des Sozialge-richts Frankfurt (Oder) vom 13. Juni 2019 aufgehoben. Es wird festgestellt, dass der Bescheid des Beklagten vom 31. Januar 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Februar 2017 rechtswidrig gewesen ist. Der Bescheid des Beklagten vom 12. September 2017 wird aufgehoben. Der Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Klägerin in beiden Instanzen. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Rechtmäßigkeit von eine Eingliederungsvereinbarung (EV) ersetzen-den Verwaltungsakten.
Die 1965 geborene Klägerin steht seit Jahren im Leistungsbezug des beklagten Job-centers. Nachdem es nicht zum Abschluss einer EV gekommen war, erließ der Be-klagte einen diese ersetzenden Verwaltungsakt (Bescheid vom 31. Januar 2017; Wi-derspruchsbescheid vom 16. Februar 2017). Dieser sollte "bis auf weiteres" gültig sein und enthielt Regelungen ua zur Teilnahme der Klägerin an einer Integrations-maßnahme, zu deren Bewerbungsbemühungen und der Übernahme von Bewer-bungskosten sowie (unter Nr 7) zur Fortschreibung des Verwaltungsaktes.
Im Laufe des sich anschließenden Klageverfahrens erließ der Beklagte am 12. Sep-tember 2017 einen neuen eine EV ersetzenden, ab 19. September 2017 gültigen Verwaltungsakt. Auch dieser sollte "bis auf weiteres" gültig sein und die EV vom 3. Februar 2017 fortschreiben (vgl Nr 8 des Bescheides). Das Sozialgericht (SG) Frank-furt (Oder) hat die Klage gegen den Bescheid vom 31. Januar 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Februar 2017 abgewiesen, weil dieser sich durch Zeitablauf und Ersetzung durch den Bescheid vom 12. September 2017 erle-digt habe (Gerichtsbescheid vom 13. Juni 2019).
Mit der Berufung wendet sich die Klägerin gegen dieses Urteil und rügt, dass das SG entgegen § 96 Sozialgerichtsgesetz (SGG) nicht über den Ersetzungsbescheid vom 12. September 2017 entschieden habe.
Sie beantragt nach ihrem Vorbringen,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Frankfurt (Oder) vom 13. Juni 2019 und den Bescheid des Beklagten vom 31. Januar 2017 in der Gestalt des Wi-derspruchsbescheides vom 16. Februar 2017 sowie den Bescheid vom 12. September 2017 aufzuheben. Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch den Berichterstatter ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (vgl §§ 124 Abs. 2, 155 Abs. 3 und 4 SGG).
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Klägerin ist ebenso begründet wie die Klage gegen den Bescheid vom 12. September 2017, der den Bescheid vom 31. Januar 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Februar 2017 für die Zukunft ersetzt hat, wodurch dieser seine Erledigung fand (§ 39 Abs. 2 SGB X; vgl Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 21. März 2019 – B 14 AS 28/18 R = SozR 4-4200 § 15 Nr 7 – Rn 9). Über den letztgenannten Bescheid war vom Berufungsgericht erstinstanzlich kraft Klage zu befinden, weil das SG hierüber entgegen § 96 Abs. 1 SGG keine Entscheidung getroffen hat.
Der Zulässigkeit der Berufung steht nicht die Wertgrenze des § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG entgegen, denn diese greift nicht im Streit um den eine EV ersetzenden Verwaltungsakt. Dieser ist - anders als beim Rechtsschutz gegen eine Meldeaufforderung (vgl dazu BSG vom 26. Juni 2018 - B 14 AS 431/17 B – Rn 4; BSG vom 18. Februar 2019 - B 14 AS 11/18 B – Rn 4: Höhe einer Leistungsminderung bei einem Meldeversäumnis- beide juris) - nicht iS des § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG auf eine betragsmäßig konkret berechenbare Geldleistung gerichtet, sondern konkretisiert das Sozialrechtsverhältnis zwischen erwerbsfähigen Leistungsberechtigten und Jobcentern mit wechselseitigen Rechten und Pflichten und dem Ziel der Eingliederung in Arbeit, ohne bloße Anknüpfungsgrundlage für mögliche Sanktionsentscheidungen zu sein (vgl BSG, Urteil vom 21. März 2019 – B 14 AS 28/18 R – Rn 10).
Über den Bescheid vom 31. Januar 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Februar 2017 ist indes – anders als über den Bescheid vom 12. September 2017 - nicht mehr auf die isolierte Anfechtungsklage nach § 54 Abs. 1 Satz 1 SGG, sondern nach dessen Ersetzung und Erledigung auf – von der Klägerin sinngemäß umgestellte - Fortsetzungsfeststellungsklage nach § 131 Abs. 1 Satz 3 SGG zu ent-scheiden. Deren Zulässigkeit ergibt sich aus einer Wiederholungsgefahr, die sich durch den EV-Bescheid vom 12. September 2017 ergibt (vgl hierzu BSG aaO Rn 11 mwN aus der Rspr).
Der Bescheid vom 31. Januar 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Februar 2017 ist rechtswidrig gewesen. Der Bescheid vom 12. September 2017 ist ebenfalls rechtswidrig und war daher aufzuheben.
Rechtsgrundlage für beide eine EV ersetzenden Verwaltungsakte ist § 15 Abs. 3 Satz 3 SGB II. In seiner seit 1. August 2016 geltenden und hier anwendbaren Fas-sung regelt § 15 SGB II ("Eingliederungsvereinbarung") die einer EV grundsätzlich vorangehende Potenzialanalyse (Abs. 1) und die Soll-Vorgaben einer EV sowie ihrer Inhalte (Abs. 2) Nach § 15 Abs. 3 Satz 1 SGB II soll die EV regelmäßig, spätestens jedoch nach Ablauf von sechs Monaten, gemeinsam überprüft und fortgeschrieben werden; nach § 15 Abs. 3 Satz 2 SGB II sind bei jeder folgenden EV die bisher ge-wonnenen Erfahrungen zu berücksichtigen. Hieran knüpft § 15 Abs. 3 Satz 3 SGB II an: "Soweit eine Vereinbarung nach Absatz 2 nicht zustande kommt, sollen die Re-gelungen durch Verwaltungsakt getroffen werden.
Eine EV ist ihrer Rechtsqualität nach ein öffentlich-rechtlicher Vertrag in der Form des subordinationsrechtlichen Austauschvertrags nach § 53 Abs. 1 Satz 2, § 55 SGB X (BSG, Urteil vom 23. Juni 2016 - B 14 AS 30/15 R = BSGE 121, 261 = SozR 4-4200 § 15 Nr 5 – Rn 16). Neben den sich hieraus ergebenden rechtlichen Anforde-rungen sind die Vorgaben des § 15 SGB II zu beachten. Zu diesen gehört nicht die Vorgabe eines festen Geltungszeitraums. Durch die Änderungen des § 15 SGB II zum 1. August 2016 soll eine EV – anders als nach der bis dahin geltenden Rechts-lage - nicht mehr regelhaft für sechs Monate geschlossen werden Vielmehr kann der Geltungszeitraum im Rahmen des § 15 Abs. 3 Satz 1 SGB II flexibel vereinbart wer-den. Dies schließt die Möglichkeit einer unbefristeten Geltung ein. Diese kann aus-drücklich vereinbart sein ("bis auf weiteres") oder sich stillschweigend aus dem Feh-len einer vereinbarten Regelung zur Laufzeit ergeben. Hiermit korrespondiert, dass nach § 15 Abs. 3 Satz 1 SGB II die EV spätestens jedoch nach Ablauf von sechs Monaten gemeinsam überprüft und fortgeschrieben werden soll. Ausdruck des vom Gesetzgeber verfolgten Interesses an einem kontinuierlichen Eingliederungsprozess ist zudem, dass nach § 15 Abs. 3 Satz 2 SGB II bei jeder folgenden EV die bisher gewonnenen Erfahrungen zu berücksichtigen sind.
Die Einzelheiten dieses gesetzlich vorgesehenen Überprüfungsmechanismus sind in der EV konkret zu regeln. Dies erfordert in Abhängigkeit vom vereinbarten, gesetzlich nicht mehr vorgegebenen Geltungszeitraum jedenfalls Regelungen zu den Anlässen oder Zeitpunkten für die gemeinsame Überprüfung während der Laufzeit der Vereinbarung. Ermöglicht sind durch § 15 Abs. 3 SGB II auch spezielle Regelungen, die Änderungen der Vereinbarung unter weniger strengen Voraussetzungen zulassen, als sie für eine Anpassung und Kündigung durch § 59 SGB X für öffentlich-rechtliche Verträge vorgegeben sind (vgl BSG, Urteil vom 21. März 2019 – B 14 AS 28/18 R – Rn 14-17).
Wird eine EV – wie hier - durch Verwaltungsakt ersetzt, sind dessen Regelungen im Rahmen pflichtgemäßen Ermessens nach denselben Maßstäben zu einem ange-messenen Ausgleich zu bringen wie bei einer konsensualen EV (vgl BSG, Urteil vom 23. Juni 2016 - B 14 AS 42/15 R - BSGE 121, 268 = SozR 4-4200 § 15 Nr 6). Dies gilt auch für die seit 1. August 2016 geltende Fassung des § 15 SGB II (vgl BSG, Urteil vom 21. März 2019 – B 14 AS 28/18 R – Rn 19) und neben der Bestimmung der für eine Eingliederung erforderlichen Leistungen und Bemühungen nach § 15 Abs. 2 SGB II auch für die rechtlichen Anforderungen, die sich aus § 15 Abs. 3 SGB II ergeben. Nach Maßgabe des seit 1. August 2016 geltenden § 15 Abs. 3 SGB II ist es daher zwar rechtlich nicht zu beanstanden, wenn der Geltungszeitraum in Anpassung an die jeweilige Eingliederungssituation und Integrationsstrategie oder Lebenslage flexibel geregelt wird (zB Dauer einer Maßnahme zur Eingliederung in Arbeit oder absehbares Ende des Leistungsbezugs). In einem eine EV ersetzenden Verwaltungsakt kann – wie vorliegend - auch dessen Geltung "bis auf weiteres" geregelt und damit ein unbefristeter Geltungszeitraum bestimmt werden (vgl BSG aaO Rn 21). Nach § 15 Abs. 3 Satz 1 und 3 SGB II soll aber auch der eine EV ersetzende Verwaltungsakt regelmäßig, spätestens jedoch nach Ablauf von sechs Monaten gemeinsam überprüft und fortgeschrieben werden. Die Einzelheiten hierzu sind im Verwaltungsakt konkret zu regeln. Ein eine EV ersetzender Verwaltungsakt ist rechtswidrig, wenn er keine konkrete Regelung eines Überprüfungs- und Fortschreibungsmechanismus enthält, der auf den Geltungszeitraum abgestimmt ist. Dies erfordert in Abhängigkeit vom geregelten, gesetzlich nicht mehr vorgegebenen Geltungszeitraum jedenfalls konkrete Regelungen zu den Anlässen oder Zeitpunkten für die gemeinsame Überprüfung während der Geltung des Verwaltungsakts (BSG aaO Rn 22-24).
Die hier streitbefangenen Verwaltungsakte genügen den dargelegten Voraussetzun-gen nicht. Zwar ist es rechtlich nicht zu beanstanden, dass sich beide Verwaltungs-akte eine Geltungsdauer "bis auf weiteres" beimessen. Hiermit ist ein unbefristeter Geltungszeitraum hinreichend bestimmt geregelt. Beide Verwaltungsakte sind aber deshalb rechtswidrig, weil sie keine konkreten Regelungen hinsichtlich der Überprü-fung und Fortschreibung ihrer Inhalte treffen, insbesondere keinen spätesten Zeit-punkt dafür benennen. Sie regeln lediglich pauschal, dass ihre Inhalte regelmäßig überprüft und ggf mit neuem ersetzenden Verwaltungsakt fortgeschrieben werden, ohne dass eine konkrete Frist für die Überprüfung festgelegt wird. Dies genügt den oben aufgezeigten rechtlichen Anforderungen nicht, die für eine auf den Geltungs-zeitraum abgestimmte Konkretisierung des gesetzlich vorgesehenen Überprüfungs-mechanismus durch EV wie durch diese ersetzenden Verwaltungsakt gelten (vgl BSG aaO Rn 28,29). Schon allein aus diesem Grund sind beide Verwaltungsakte rechtswidrig, ohne dass deren Inhalt weitergehend zu prüfen war.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG liegen angesichts der zitierten höchstrichterlichen Rspr nicht vor.
Tatbestand:
Streitig ist die Rechtmäßigkeit von eine Eingliederungsvereinbarung (EV) ersetzen-den Verwaltungsakten.
Die 1965 geborene Klägerin steht seit Jahren im Leistungsbezug des beklagten Job-centers. Nachdem es nicht zum Abschluss einer EV gekommen war, erließ der Be-klagte einen diese ersetzenden Verwaltungsakt (Bescheid vom 31. Januar 2017; Wi-derspruchsbescheid vom 16. Februar 2017). Dieser sollte "bis auf weiteres" gültig sein und enthielt Regelungen ua zur Teilnahme der Klägerin an einer Integrations-maßnahme, zu deren Bewerbungsbemühungen und der Übernahme von Bewer-bungskosten sowie (unter Nr 7) zur Fortschreibung des Verwaltungsaktes.
Im Laufe des sich anschließenden Klageverfahrens erließ der Beklagte am 12. Sep-tember 2017 einen neuen eine EV ersetzenden, ab 19. September 2017 gültigen Verwaltungsakt. Auch dieser sollte "bis auf weiteres" gültig sein und die EV vom 3. Februar 2017 fortschreiben (vgl Nr 8 des Bescheides). Das Sozialgericht (SG) Frank-furt (Oder) hat die Klage gegen den Bescheid vom 31. Januar 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Februar 2017 abgewiesen, weil dieser sich durch Zeitablauf und Ersetzung durch den Bescheid vom 12. September 2017 erle-digt habe (Gerichtsbescheid vom 13. Juni 2019).
Mit der Berufung wendet sich die Klägerin gegen dieses Urteil und rügt, dass das SG entgegen § 96 Sozialgerichtsgesetz (SGG) nicht über den Ersetzungsbescheid vom 12. September 2017 entschieden habe.
Sie beantragt nach ihrem Vorbringen,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Frankfurt (Oder) vom 13. Juni 2019 und den Bescheid des Beklagten vom 31. Januar 2017 in der Gestalt des Wi-derspruchsbescheides vom 16. Februar 2017 sowie den Bescheid vom 12. September 2017 aufzuheben. Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch den Berichterstatter ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (vgl §§ 124 Abs. 2, 155 Abs. 3 und 4 SGG).
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Klägerin ist ebenso begründet wie die Klage gegen den Bescheid vom 12. September 2017, der den Bescheid vom 31. Januar 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Februar 2017 für die Zukunft ersetzt hat, wodurch dieser seine Erledigung fand (§ 39 Abs. 2 SGB X; vgl Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 21. März 2019 – B 14 AS 28/18 R = SozR 4-4200 § 15 Nr 7 – Rn 9). Über den letztgenannten Bescheid war vom Berufungsgericht erstinstanzlich kraft Klage zu befinden, weil das SG hierüber entgegen § 96 Abs. 1 SGG keine Entscheidung getroffen hat.
Der Zulässigkeit der Berufung steht nicht die Wertgrenze des § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG entgegen, denn diese greift nicht im Streit um den eine EV ersetzenden Verwaltungsakt. Dieser ist - anders als beim Rechtsschutz gegen eine Meldeaufforderung (vgl dazu BSG vom 26. Juni 2018 - B 14 AS 431/17 B – Rn 4; BSG vom 18. Februar 2019 - B 14 AS 11/18 B – Rn 4: Höhe einer Leistungsminderung bei einem Meldeversäumnis- beide juris) - nicht iS des § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG auf eine betragsmäßig konkret berechenbare Geldleistung gerichtet, sondern konkretisiert das Sozialrechtsverhältnis zwischen erwerbsfähigen Leistungsberechtigten und Jobcentern mit wechselseitigen Rechten und Pflichten und dem Ziel der Eingliederung in Arbeit, ohne bloße Anknüpfungsgrundlage für mögliche Sanktionsentscheidungen zu sein (vgl BSG, Urteil vom 21. März 2019 – B 14 AS 28/18 R – Rn 10).
Über den Bescheid vom 31. Januar 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Februar 2017 ist indes – anders als über den Bescheid vom 12. September 2017 - nicht mehr auf die isolierte Anfechtungsklage nach § 54 Abs. 1 Satz 1 SGG, sondern nach dessen Ersetzung und Erledigung auf – von der Klägerin sinngemäß umgestellte - Fortsetzungsfeststellungsklage nach § 131 Abs. 1 Satz 3 SGG zu ent-scheiden. Deren Zulässigkeit ergibt sich aus einer Wiederholungsgefahr, die sich durch den EV-Bescheid vom 12. September 2017 ergibt (vgl hierzu BSG aaO Rn 11 mwN aus der Rspr).
Der Bescheid vom 31. Januar 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Februar 2017 ist rechtswidrig gewesen. Der Bescheid vom 12. September 2017 ist ebenfalls rechtswidrig und war daher aufzuheben.
Rechtsgrundlage für beide eine EV ersetzenden Verwaltungsakte ist § 15 Abs. 3 Satz 3 SGB II. In seiner seit 1. August 2016 geltenden und hier anwendbaren Fas-sung regelt § 15 SGB II ("Eingliederungsvereinbarung") die einer EV grundsätzlich vorangehende Potenzialanalyse (Abs. 1) und die Soll-Vorgaben einer EV sowie ihrer Inhalte (Abs. 2) Nach § 15 Abs. 3 Satz 1 SGB II soll die EV regelmäßig, spätestens jedoch nach Ablauf von sechs Monaten, gemeinsam überprüft und fortgeschrieben werden; nach § 15 Abs. 3 Satz 2 SGB II sind bei jeder folgenden EV die bisher ge-wonnenen Erfahrungen zu berücksichtigen. Hieran knüpft § 15 Abs. 3 Satz 3 SGB II an: "Soweit eine Vereinbarung nach Absatz 2 nicht zustande kommt, sollen die Re-gelungen durch Verwaltungsakt getroffen werden.
Eine EV ist ihrer Rechtsqualität nach ein öffentlich-rechtlicher Vertrag in der Form des subordinationsrechtlichen Austauschvertrags nach § 53 Abs. 1 Satz 2, § 55 SGB X (BSG, Urteil vom 23. Juni 2016 - B 14 AS 30/15 R = BSGE 121, 261 = SozR 4-4200 § 15 Nr 5 – Rn 16). Neben den sich hieraus ergebenden rechtlichen Anforde-rungen sind die Vorgaben des § 15 SGB II zu beachten. Zu diesen gehört nicht die Vorgabe eines festen Geltungszeitraums. Durch die Änderungen des § 15 SGB II zum 1. August 2016 soll eine EV – anders als nach der bis dahin geltenden Rechts-lage - nicht mehr regelhaft für sechs Monate geschlossen werden Vielmehr kann der Geltungszeitraum im Rahmen des § 15 Abs. 3 Satz 1 SGB II flexibel vereinbart wer-den. Dies schließt die Möglichkeit einer unbefristeten Geltung ein. Diese kann aus-drücklich vereinbart sein ("bis auf weiteres") oder sich stillschweigend aus dem Feh-len einer vereinbarten Regelung zur Laufzeit ergeben. Hiermit korrespondiert, dass nach § 15 Abs. 3 Satz 1 SGB II die EV spätestens jedoch nach Ablauf von sechs Monaten gemeinsam überprüft und fortgeschrieben werden soll. Ausdruck des vom Gesetzgeber verfolgten Interesses an einem kontinuierlichen Eingliederungsprozess ist zudem, dass nach § 15 Abs. 3 Satz 2 SGB II bei jeder folgenden EV die bisher gewonnenen Erfahrungen zu berücksichtigen sind.
Die Einzelheiten dieses gesetzlich vorgesehenen Überprüfungsmechanismus sind in der EV konkret zu regeln. Dies erfordert in Abhängigkeit vom vereinbarten, gesetzlich nicht mehr vorgegebenen Geltungszeitraum jedenfalls Regelungen zu den Anlässen oder Zeitpunkten für die gemeinsame Überprüfung während der Laufzeit der Vereinbarung. Ermöglicht sind durch § 15 Abs. 3 SGB II auch spezielle Regelungen, die Änderungen der Vereinbarung unter weniger strengen Voraussetzungen zulassen, als sie für eine Anpassung und Kündigung durch § 59 SGB X für öffentlich-rechtliche Verträge vorgegeben sind (vgl BSG, Urteil vom 21. März 2019 – B 14 AS 28/18 R – Rn 14-17).
Wird eine EV – wie hier - durch Verwaltungsakt ersetzt, sind dessen Regelungen im Rahmen pflichtgemäßen Ermessens nach denselben Maßstäben zu einem ange-messenen Ausgleich zu bringen wie bei einer konsensualen EV (vgl BSG, Urteil vom 23. Juni 2016 - B 14 AS 42/15 R - BSGE 121, 268 = SozR 4-4200 § 15 Nr 6). Dies gilt auch für die seit 1. August 2016 geltende Fassung des § 15 SGB II (vgl BSG, Urteil vom 21. März 2019 – B 14 AS 28/18 R – Rn 19) und neben der Bestimmung der für eine Eingliederung erforderlichen Leistungen und Bemühungen nach § 15 Abs. 2 SGB II auch für die rechtlichen Anforderungen, die sich aus § 15 Abs. 3 SGB II ergeben. Nach Maßgabe des seit 1. August 2016 geltenden § 15 Abs. 3 SGB II ist es daher zwar rechtlich nicht zu beanstanden, wenn der Geltungszeitraum in Anpassung an die jeweilige Eingliederungssituation und Integrationsstrategie oder Lebenslage flexibel geregelt wird (zB Dauer einer Maßnahme zur Eingliederung in Arbeit oder absehbares Ende des Leistungsbezugs). In einem eine EV ersetzenden Verwaltungsakt kann – wie vorliegend - auch dessen Geltung "bis auf weiteres" geregelt und damit ein unbefristeter Geltungszeitraum bestimmt werden (vgl BSG aaO Rn 21). Nach § 15 Abs. 3 Satz 1 und 3 SGB II soll aber auch der eine EV ersetzende Verwaltungsakt regelmäßig, spätestens jedoch nach Ablauf von sechs Monaten gemeinsam überprüft und fortgeschrieben werden. Die Einzelheiten hierzu sind im Verwaltungsakt konkret zu regeln. Ein eine EV ersetzender Verwaltungsakt ist rechtswidrig, wenn er keine konkrete Regelung eines Überprüfungs- und Fortschreibungsmechanismus enthält, der auf den Geltungszeitraum abgestimmt ist. Dies erfordert in Abhängigkeit vom geregelten, gesetzlich nicht mehr vorgegebenen Geltungszeitraum jedenfalls konkrete Regelungen zu den Anlässen oder Zeitpunkten für die gemeinsame Überprüfung während der Geltung des Verwaltungsakts (BSG aaO Rn 22-24).
Die hier streitbefangenen Verwaltungsakte genügen den dargelegten Voraussetzun-gen nicht. Zwar ist es rechtlich nicht zu beanstanden, dass sich beide Verwaltungs-akte eine Geltungsdauer "bis auf weiteres" beimessen. Hiermit ist ein unbefristeter Geltungszeitraum hinreichend bestimmt geregelt. Beide Verwaltungsakte sind aber deshalb rechtswidrig, weil sie keine konkreten Regelungen hinsichtlich der Überprü-fung und Fortschreibung ihrer Inhalte treffen, insbesondere keinen spätesten Zeit-punkt dafür benennen. Sie regeln lediglich pauschal, dass ihre Inhalte regelmäßig überprüft und ggf mit neuem ersetzenden Verwaltungsakt fortgeschrieben werden, ohne dass eine konkrete Frist für die Überprüfung festgelegt wird. Dies genügt den oben aufgezeigten rechtlichen Anforderungen nicht, die für eine auf den Geltungs-zeitraum abgestimmte Konkretisierung des gesetzlich vorgesehenen Überprüfungs-mechanismus durch EV wie durch diese ersetzenden Verwaltungsakt gelten (vgl BSG aaO Rn 28,29). Schon allein aus diesem Grund sind beide Verwaltungsakte rechtswidrig, ohne dass deren Inhalt weitergehend zu prüfen war.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG liegen angesichts der zitierten höchstrichterlichen Rspr nicht vor.
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