L 6 AS 869/17

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
6
1. Instanz
SG Detmold (NRW)
Aktenzeichen
S 28 AS 1665/14
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 6 AS 869/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 24.02.2017 wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt von dem Beklagten höhere Leistungen für die Unterkunft und Heizung von Januar 2007 bis Dezember 2009.

Der 1959 geborene Kläger bezieht seit April 2006 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II). Er bewohnt seit Oktober 1990 eine Wohnung in der S-Straße 00 in D mit einer Wohnfläche von 68 m2, die seinem Vater gehört. Für diese fiel im gesamten streitgegenständlichen Zeitraum eine Kaltmiete von 340,00 Euro monatlich an. Daneben war eine Vorauszahlung für die kalten Nebenkosten und die Heizkosten zu zahlen. Bei Antragstellung betrug diese Vorauszahlung 100,00 Euro monatlich, aufgeteilt in 40,00 Euro kalte Nebenkosten und 60,00 Euro Heizkosten. Zum 01.08.2008 senkte der Vermieter die Vorauszahlung auf 75,00 Euro (35,00 Euro kalte Nebenkosten und 40,00 Euro Heizkosten). Auf dieser Höhe blieb die Vorauszahlung jedenfalls bis zum Ende des streitgegenständlichen Zeitraums.

Der Beklagte legte der Berechnung der angemessenen Unterkunftskosten für die Zeit bis August 2008 den D Mietspiegel 2006 und für die Zeit ab September 2008 den D Mietspiegel 2008 zugrunde. Es handelt sich um qualifizierte Mietspiegel i.S.d. 558d BGB. Die Datenerhebung für den Mietspiegel 2006 erfolgte im Herbst 2005 mittels Befragungen durch Studierende der Fachhochschule L und H. Befragt wurden Vermieter über den gesamten Vergleichsraum des Stadtgebiets D. Der Gegenstand der Beobachtung waren Mietwohnungen im Stadtgebiet D mit einer Größe von 60 bis 80 m2. Es wurden ausschließlich Nettokaltmieten erhoben. Die ermittelten Mietrichtwerte sind Durchschnittswerte und beziehen sich auf Wohnungen mittlerer Ausstattung. Die Mietrichtwerte sind nach unterschiedlichen Wohnlagen aufgeschlüsselt. Für kleinere und größere Wohnungen wurden Abschläge bzw. Zuschläge ermittelt. Gleiches gilt für bestimmte Wertfaktoren für Lage, Gebäude und Ausstattungen. Alle Werte beziehen sich auf Standard-Wohnungen (Ausstattung: Etagen- oder Sammelheizung, Doppelverglasung, Dusche oder Bad, WC). Der Mietspiegel 2008 basiert auf der Ziehung einer Stichprobe im Frühjahr/Sommer 2008. An der Erstellung beider Mietspiegel waren der Haus- und Grundeigentümerverein D e.V., der Mieterbund O e.V. und der Mieterschutzverein D e.V. beteiligt.

Erstmals bewilligte der Beklagte dem Kläger auf seinen Antrag vom 03.04.2006 Leistungen für April 2006 bis September 2006. Dabei berücksichtigte der Beklagte die tatsächlichen Kosten als Bedarfe für Unterkunft und Heizung. Mit Schreiben vom 09.06.2006 forderte der Beklagte den Kläger zur Senkung seiner Unterkunftskosten bis zum 30.09.2006 auf. Für einen Ein-Personen-Haushalt seien eine Wohnfläche von 45 m2 und Gesamtkosten (Kaltmiete, Neben- und Heizkosten) i.H.v. 337,50 Euro monatlich angemessen. Die Wohnung des Klägers sei daher sowohl aufgrund der Größe als auch der Kosten unangemessen. Mit einem weiteren Schreiben vom 22.08.2006 erläuterte der Beklagte die vorgenannten Werte dahingehend, dass eine monatliche Kaltmiete von 4,85 Euro/m2, kalte Nebenkosten von 1,50 Euro/m2 und Heizkosten von 1,15 Euro/m2 angemessen seien.

Mit Bescheid vom 29.09.2006 bewilligte der Beklagte Leistungen für Oktober 2006 bis März 2007. Dabei berücksichtigte er nur noch die vom Beklagten als angemessen angesehenen Kosten. Hiergegen erhob der Kläger am 27.10.2006 Widerspruch. Mit Widerspruchsbescheid vom 19.12.2006 änderte der Beklagte die Bewilligung dahingehend ab, dass bis zum 30.12.2006 noch die tatsächlichen Unterkunftskosten berücksichtigt wurden. Im Übrigen wies er den Widerspruch als unbegründet zurück.

Mit Bescheiden vom 29.09.2006, 18.04.2007, 07.09.2007, 20.03.2008, 16.09.2008, 16.03.2009 und 22.09.2009 bewilligte der Beklagte dem Kläger Leistungen von Januar 2007 bis Dezember 2009 unter Berücksichtigung folgender als angemessen erachteter Aufwendungen für Unterkunft und Heizung:

Januar 2007 bis Juni 2007: 339,75 Euro August 2007 bis Dezember 2007: 346,50 Euro Januar 2008 bis März 2008: 344,25 Euro April 2008 bis Dezember 2009: 353,25 Euro.

Am 14.10.2010 beantragte der Kläger die Überprüfung aller Bescheide "betreffend der erhöhten KdU, die bereits rechtskräftig geworden sind".

Mit Bescheid vom 01.02.2011 lehnte der Beklagte den Antrag ab. Hiergegen erhob der Kläger am 08.02.2011 Widerspruch. Die gewährten Unterkunftskosten seien zu gering bemessen. Am 20.06.2014 schlossen die Beteiligten im Rahmen eines Rechtsstreits vor dem Sozialgericht Detmold (S 28 AS 228/11) einen Vergleich bezüglich des Zeitraums Oktober 2010 bis März 2011. Mit Widerspruchsbescheid vom 26.08.2014 wies der Beklagte den Widerspruch bezüglich des verbliebenen Zeitraums 03.04.2006 bis 30.09.2010 als unbegründet zurück.

Gegen den Widerspruchsbescheid vom 26.08.2014 hat der Kläger am 26.09.2014 Klage erhoben. Es sei für ihn nicht nachvollziehbar, warum in den Jahren 2010-2012, die Gegenstand des Verfahrens S 28 AS 228/11 waren, 50 m2 Wohnfläche angemessen gewesen sein sollen und zugrunde gelegt wurden, und für die Jahre 2007-2009 lediglich 45 m2. Er wünsche eine Gleichbehandlung im Verhältnis zu den Folgezeiträumen, zumal die damaligen Richtlinien zum Teil auch 47 m2 vorsahen und teilweise mit einer Gesamtbetrachtung der Kosten der Unterkunft gearbeitet hätten und ein schlüssiges Konzept des Beklagten zur Ermittlung der angemessen Unterkunftskosten nicht vorhanden gewesen sei. Für Ein-Personen-Bedarfsgemeinschaften seien zudem in den Richtlinien Zuschläge von 10 % bei der Wohnungsgröße berücksichtigt worden, weil Wohnraum, der den Angemessenheitsgrenzen des Beklagten entsprochen hätte, im Gebiet der Stadt D nicht in einem ausreichenden Maß vorhanden gewesen sei. Im Rahmen der Anwendung des Mietspiegels müsse zumindest die mittlere Wohnlage zugrunde gelegt werden, denn seine Wohnung sei in mittlerer Wohnlage gelegen, wenn nicht sogar in gehobener Wohnlage. Ihm sei es nicht zumutbar, in ein anderes soziales Umfeld umzuziehen, denn er sei in das jetzige Umfeld fest eingebunden, und außerdem sei angesichts der günstigen Wohnung ein Umzug unwirtschaftlich und unzumutbar.

Der Kläger hat beantragt,

den Bescheid vom 01.02.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.08.2014 aufzuheben, die für die Leistungsbewilligung im Zeitraum Januar 2007 bis Dezember 2009 maßgebenden Bescheide dahingehend abzuändern, dass die jeweiligen tatsächlichen Kosten der Unterkunft und Heizung als Bedarf berücksichtigt werden.

Der Beklagte hat beantragt

die Klage abzuweisen.

Bezüglich des angemessenen Quadratmeter-Preises sei unter Zugrundelegung der Mietspiegel für die Stadt D aus 2006 und aus 2008 vom Mittelwert der einfachen Wohnlage zuzüglich eines Aufschlags von 8 % auszugehen. Die maßgebenden Grenzen für die angemessene Wohnfläche von 45 m2 ergäben sich aus der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts. Somit seien im Zeitraum 01.01.2007 bis 31.08.2008 Aufwendungen für die Nettokaltmiete von bis zu 187,11 Euro als angemessen zu berücksichtigen, für den Zeitraum 01.09.2008 bis 31.12.2009 Aufwendungen i.H.v. 189,54 Euro. Bezüglich der kalten Nebenkosten verweist er auf die Betriebskosten-Spiegel für Deutschland der Jahre 2007, 2008 und 2009. Hieraus ergäben sich angemessene berücksichtigungsfähige Aufwendungen i.H.v. 1,53 Euro/m2 für 2007, 1,51 Euro/m2 für 2008 und 1,59 Euro/m2 für 2009, mithin 68,85 Euro bzw. 67,95 Euro bzw. 71,55 Euro. Die tatsächlichen Heizkosten ergäben sich aus den eingereichten Nebenkostenabrechnungen, verteilt auf die Abrechnungszeiträume und abzüglich der Warmwasserpauschale. Hiervon ausgehend sei bereits durchgehend ein höherer Betrag bei der Leistungsberechnung berücksichtigt worden. Warum es dem alleinstehenden Kläger, der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts über Jahre bezogen habe, nicht zumutbar gewesen sein soll, eine Wohnung in gehobener Wohnlage zu verlassen und in eine andere Wohnung zu ziehen, könne der Beklagte nicht nachvollziehen. Der Kläger habe auch zu keinem Zeitpunkt überhaupt versucht, eine kostengünstigere Wohnung zu finden, um die Kosten für die von ihm bewohnte Wohnung zu senken.

Mit Urteil vom 24.02.2017 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide seien nicht zum Nachteil des Klägers rechtswidrig. Der Kläger habe keinen Anspruch auf weitere Leistungen der Grundsicherung für die Bedarfe für Unterkunft und Heizung.

Rechtsgrundlage für die Übernahme der Unterkunftskosten für den Kläger, der die Leistungsvoraussetzungen des § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II unstreitig erfülle, sei § 22 Abs. 1 SGB II. Hiernach würden Leistungen für Unterkunft und Heizung in tatsächlicher Höhe erbracht, soweit diese angemessen seien. Soweit die Aufwendungen für die Unterkunft den der Besonderheit des Einzelfalls angemessenen Umfang übersteigen, seien sie als Bedarf der Bedarfsgemeinschaft solange zu berücksichtigen, wie es der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zumutbar sei, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Anwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate. Der Begriff der Angemessenheit unterliege als unbestimmter Rechtsbegriff der uneingeschränkten richterlichen Kontrolle. Zur Festlegung der abstrakt angemessenen Leistungen für die Unterkunft seien zunächst die angemessene Wohnungsgröße und der maßgebliche örtliche Vergleichsraum zu ermitteln. Angemessen sei eine Wohnung weiter nur dann, wenn sie nach Ausstattung, Lage und Bausubstanz einfachen und grundlegenden Bedürfnissen entspricht und keinen gehobenen Wohnstandard aufweise, wobei es genüge, dass das Produkt aus Wohnfläche und Standard, das sich in der Wohnungsmiete niederschlage, angemessen sei. Da die angemessene Referenzmiete bei der Ermittlung der abstrakt angemessenen Kosten so festzulegen sei, dass es dem Leistungsberechtigten grundsätzlich möglich ist, im gesamten räumlichen Vergleichsraum eine angemessene Wohnung anzumieten und allenfalls in einzelnen Regionen Deutschlands ein Mangel an ausreichendem Wohnraum bestehe, dürfte für den Regelfall davon auszugehen sein, dass es in ausreichendem Maße Wohnungen zu der abstrakt angemessenen Leistung für die Unterkunft gebe.

Die für den Kläger angemessene Wohnungsgröße habe im streitgegenständlichen Zeitraum 45 m2 betragen. Bei der Bestimmung der angemessenen Wohnfläche sei auf die anerkannte Wohnraumgröße für Wohnberechtigte im sozialen Mietwohnungsbau abzustellen. Für den hier streitgegenständlichen Zeitraum von Januar 2007 bis Dezember 2009 stelle der Runderlass des Ministeriums für Städtebau und Wohnen "Verwaltungsvorschriften des Landes Nordrhein-Westfalen zum Wohnungsbindungsgesetz (VV-WoBindG)" vom 08.03.2002 in der geänderten Fassung vom 21.09.2006 die insoweit maßgebliche Regelung dar. Ziffer 5.7.1 VV-WoBindG bestimme, dass in der Regel für einen Haushalt mit einer haushaltsangehörigen Person 45 m2 Wohnfläche angemessen seien. Diese Quadratmeterzahl sei danach auch als angemessene Wohnfläche für den Bereich des SGB II anzusehen. Dass die entsprechenden Werte durch die Änderung der maßgeblichen Vorschriften für den Zeitraum ab dem 01.01.2010 erhöht wurden (für eine Einzelperson auf 50 m2), sei vorliegend nicht von Belang. Ein Anspruch auf eine rückwirkende Berücksichtigung der geänderten Vorschriften in Zeiträume vor ihrer Geltung bestehe nicht. Dass der Beklagte im Streitzeitraum teilweise eine Wohnfläche von 47 m2 zugrunde gelegt habe, führe nicht unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung (vgl. Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz - GG) dazu, dass bei der Frage, ob die Bescheide zulasten des Klägers rechtswidrig seien, von dieser landesweit geltenden Größe abzuweichen wäre.

Zutreffend habe der Beklagte bei der Bestimmung der angemessenen Unterkunftskosten als maßgeblichen Vergleichsraum das gesamte Stadtgebiet von D herangezogen. Ausgangspunkt für die Bestimmung des Vergleichsraumes sei zunächst der Wohnort des Hilfebedürftigen. Nach der Rechtsprechung des BSG müsse es sich bei dem Vergleichsraum im Übrigen um einen ausreichend großen Raum der Wohnbebauung handeln, der aufgrund seiner räumlichen Nähe, seiner Infrastruktur und insbesondere seiner verkehrstechnischen Verbundenheit einen insgesamt betrachtet homogenen Lebens- und Wohnbereich bildet. Es seien keine Gesichtspunkte erkennbar, die gegen die Annahme sprächen, dass es sich bei der Stadt D insgesamt um einen solchen Vergleichsraum handele. Die Stadt D sei kleiner als die Stadt Berlin, für die das BSG einen homogenen Lebens- und Wohnbereich angenommen habe.

Für die Ermittlung des angemessenen Quadratmeterpreises sei ein einfacher, im unteren Marktsegment liegenden Standard zugrunde zu legen; die Wohnung müsse hinsichtlich ihrer Ausstattung, Lage und Bausubstanz einfachen und grundlegenden Bedürfnissen entsprechen. Nach diesen inhaltlichen Vorgaben solle die Festlegung der Mietobergrenze nach der gefestigten Rechtsprechung des BSG auf der Grundlage eines schlüssigen Konzepts erfolgen. Dies erfordere, dass die Datenerhebung ausschließlich in dem genau eingegrenzten und über den gesamten Vergleichsraum erfolge, der Beobachtungszeitraum und der Gegenstand der Beobachtung nachvollziehbar dargelegt seien, die Art und Weise der Datenerhebung festgelegt sei, die einbezogenen Daten repräsentativ seien und eine Validität der Datenerhebung angenommen werden könne. Bei der Datenauswertung müssten anerkannte mathematisch-statistische Grundsätze eingehalten werden und Angaben über die gezogenen Schlüsse erfolgen. Für die Bestimmung der angemessenen Referenzmiete im Rahmen eines schlüssigen Konzepts könne als eine Möglichkeit auf Mietspiegel zurückgegriffen werden.

Der Rückgriff auf den "Mietspiegel D 2006" bzw. den "Mietspiegel D 2008" zur Entwicklung des Quadratmeterpreises sei zulässig. Bei diesem Mietspiegel handele es sich um einen qualifizierten Mietspiegel, der nach § 558d Abs. 1 BGB nach anerkannten wissenschaftlichen Grundsätzen erarbeitet worden sei. Die Repräsentativität und Validität der Datenerhebung eines qualifizierten Mietspiegels sei im Rahmen des schlüssigen Konzepts regelmäßig als ausreichend anzusehen. Es ergäben sich aus der Funktion von einfachen und qualifizierten Mietspiegeln im Anwendungsbereich des Mieterhöhungsverfahrens nach §§ 558 ff BGB zwar einige Vorgaben, die für die Ermittlung der grundsicherungsrelevanten Vergleichsmiete nicht in gleichem Maße Bedeutung hätten. Vor allem dürften bei der Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete nach § 558 Abs. 2 BGB, zu deren Darstellung Mietspiegel dienen, nur diejenigen Wohnungen berücksichtigt werden, bei denen die Miete in den letzten vier Jahren neu vereinbart oder, von Veränderungen der Betriebskosten nach § 560 BGB abgesehen, geändert worden sei. Zudem dürfe bei der Erstellung eines Mietspiegels Wohnraum nicht berücksichtigt werden, bei dem die Miethöhe durch Gesetz oder im Zusammenhang mit einer Förderzusage festgelegt worden sei, denn §§ 558 ff BGB finde nur auf frei vermieteten Wohnraum Anwendung. Ausdrücklich ungeachtet dieser Bedenken, die sich im Übrigen vor allem zugunsten der Leistungsempfänger auswirken dürften, habe das BSG qualifizierte Mietspiegel grundsätzlich als schlüssige Grundlage für die Herleitung eines angemessenen Quadratmeterpreises angesehen. Bei Anwendung der Werte der Mietspiegel sei zunächst von Wohnungen in einfacher Wohnlage auszugehen. Die Wohnlage sei ein Element des Wohnungsstandards und nur Wohnungen einfachen Standards seien bei der Bestimmung der angemessenen Kaltmiete zu berücksichtigen. Darauf dass die Wohnung des Klägers in mittlerer oder gar gehobener Wohnlage gelegen sei, komme es dagegen nicht an. Der Mittelwert für Wohnungen in einfacher Wohnlage betrage laut Mietspiegel 2006 3,85 Euro/m2. Dieser Wert sei um den im Mietspiegel dargelegten Zuschlag für Wohnungen der Größe 45-60 m2 zu erhöhen, also um 8 v.H. auf 4,158 Euro/m2. Hieraus ergäbe sich für eine Wohnung von 45 m2 eine angemessene Kaltmiete von (gerundet) 187,11 Euro monatlich. Für den Mietspiegel 2008 (geltend ab September 2008) betrügen die entsprechenden Werte 3,90 Euro/m2, 4,212 Euro/m2 und 189,54 Euro. Der Mietspiegel stelle ein schlüssiges Konzept allerdings nur zur Bildung der Nettokaltmiete (ohne kalte Betriebskosten) dar. Nur hierzu enthalte der Mietspiegel Aussagen. Maßgeblich sei nach der Rechtsprechung des BSG aber die Bruttokaltmiete. Da Feststellungen des Beklagten zur angemessenen Höhe der Betriebskosten fehlten, sei auf den räumlich maßgeblichen Betriebskostenspiegel (ohne die Kosten für Heizung und Warmwasserbereitung) für den entscheidungserheblichen Zeitraum abzustellen, hier den Betriebskostenspiegel Nordrhein-Westfalen. Dabei könne jeweils nur auf den Betriebskostenspiegel zurückgegriffen werden, der im streitigen Zeitraum veröffentlicht gewesen sei. Der Betriebskostenspiegel Nordrhein-Westfalen erscheine jeweils zur Jahresmitte des Folgejahres. Damit sei hier für den Zeitraum Januar 2007 bis Juni 2008 auf den Betriebskostenspiegel 2006, für Juli 2008 bis Juni 2009 auf den Betriebskostenspiegel 2007 und für den Zeitraum Juli 2009 bis Dezember 2009 auf den Betriebskostenspiegel 2008 abzustellen.

Hieraus ergäben sich für die kalten Nebenkosten (KNK) folgende Werte:
01.01.2007-30.06.2007: 1,79 Euro/qm x 45 m2 = 80,55 Euro (BKSpiegel 2006)
01.07.2007-30.06.2008: 1,79 Euro/qm x 45 m2 = 80,55 Euro (BKSpiegel 2006)
01.07.2008-30.06.2009: 1,80 Euro/qm x 45 m2 = 81,00 Euro (BKSpiegel 2007)
01.07.2009-31.12.2009: 1,94 Euro/qm x 45 m2 = 87,30 Euro (BKSpiegel 2008)

Schließlich seien mangels Anhaltspunkten dafür, dass die Heizkosten unangemessen gewesen seien, die tatsächlichen Heizkosten zu berücksichtigen. Dabei sei entgegen der Darstellung des Beklagten auf die jeweiligen der Betriebskostenabrechnung zu entnehmenden monatlichen Abschläge abzustellen, nicht auf die auf das Jahr umgerechneten Kosten des tatsächlichen Verbrauchs. Vorliegend sei der im gesamten Abschlag enthaltene Anteil für die Heizkosten durch Abzug des Anteils für die kalten Nebenkosten zu verringern. Die so ermittelten Heizkosten seien dann noch um einen Abschlag für die Warmwasserbereitung zu vermindern, deren Kosten im streitigen Zeitraum noch in der Regelleistung enthalten gewesen seien.

Damit ergäben sich folgende berücksichtigungsfähige Gesamtkosten:

01.01.2007 - 30.06.2007: 321,44 Euro
01.07.2007 - 31.12.2007: 321,40 Euro
01.01.2008 - 30.06.2008: 321,40 Euro
01.07.2008 - 31.07.2008: 321,78 Euro
01.08.2008 - 31.08.2008: 301,78 Euro
01.09.2008 - 31.12.2008: 304,21 Euro
01.01.2009 - 30.06.2009: 304,21 Euro
01.07.2009 - 31.12.2009: 310,37 Euro.

Der Beklagte habe damit höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung berücksichtigt, als angemessen gewesen sei.

Die Festsetzung der Leistungshöhe unterhalb der tatsächlichen Aufwendungen beruhe auch auf einer wirksamen Kostensenkungsaufforderung i.S.d. § 22 Abs. 1 S. 3 SGB II. Danach seien die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung - soweit sie den der Besonderheit des Einzelfalls angemessenen Umfang überstiegen - als Bedarf so lange anzuerkennen, wie es der oder dem Leistungsberechtigten oder der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zuzumuten sei, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate. Subjektiv möglich seien einem Leistungsberechtigten Kostensenkungsmaßnahmen nur dann, wenn er Kenntnis von der Obliegenheit zu Kostensenkungsmaßnahmen habe. Eine Kostensenkungsaufforderung habe der Kläger hier schon im Mitte 2006 erhalten und der Beklagte habe sodann sechs Monate lang die tatsächlichen Kosten noch berücksichtigt. Sonstige Gründe, die einen Umzug subjektiv als unmöglich oder unzumutbar erscheinen ließen, lägen nicht vor. Der Vortrag des Klägers, er sei in seinem bisherigen Wohnumfeld verwurzelt, sei hierfür nicht maßgeblich. Dies treffe auf alle Personen zu, die längere Zeit in einer bestimmten Gegend gewohnt hätten. Sich an ein neues Wohnumfeld zu gewöhnen, sei Leistungsberechtigten grundsätzlich zuzumuten. Dass der Kläger nicht in der Lage gewesen wäre, eine angemessene Wohnung zu finden, sei ebenfalls nicht ersichtlich. Derartige Versuche habe er überhaupt nicht unternommen.

Gegen das am 03.04.2017 zugestellte Urteil hat der Kläger am 02.05.2017 Berufung eingelegt. Nachdem die Prozessbevollmächtigte ihr Mandat niedergelegt hat, hat der Kläger zur Begründung im Wesentlichen seine Ausführungen im Klageverfahren wiederholt.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 24.02.2017 zu ändern und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 01.02.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.08.2014 zu verurteilen, die für die Leistungsbewilligung im Zeitraum Januar 2007 bis Dezember 2009 maßgebenden Bescheide dahingehend abzuändern, dass die jeweiligen tatsächlichen Kosten der Unterkunft und Heizung als Bedarf berücksichtigt werden.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält das Urteil des Sozialgerichts für zutreffend.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze und die übrige Gerichtsakte sowie die beigezogene Verwaltungsakte, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte die Streitsache im Termin trotz der Abwesenheit des Klägers verhandeln und entscheiden. Der Kläger ist auf diese Möglichkeit mit der Ladung zum Termin ausdrücklich hingewiesen worden.

Die zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet.

Streitgegenstand des Verfahrens ist eine Verpflichtung des Beklagten zur Bewilligung höherer Leistungen für Unterkunft und Heizung von Januar 2007 bis Dezember 2009 unter entsprechender Änderung der jeweiligen Bewilligungsbescheide und Aufhebung des Ablehnungsbescheides vom 01.02.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.08.2014. Der Kläger hat den Rechtsstreit zulässig (vgl. BSG Urteil vom 29.08.2019 - B 14 AS 43/18 R) auf die Bedarfe für Unterkunft und Heizung beschränkt und verfolgt sein Begehren zutreffend mit der kombinierten Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage (BSG Urteil vom 18.11.2014, B 14 AS 43/18 R).

Zu Recht und mit zutreffender Begründung, auf die der Senat Bezug nimmt (§ 153 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz -SGG) hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen.

Die Datenerhebung für den Mietspiegel 2006 erfolgte - wie für ein schlüssiges Konzept gefordert - in einem eingegrenzten zeitlichen Rahmen. Die Daten wurden nach den für einen qualifizierten Mietspiegel im Sinne des § 558d BGB geforderten Grundsätzen ausgewertet. Von der Repräsentativität und Validität der Datenerhebung ist bei dem vorliegenden Mietspiegel auszugehen (zur Eignung eines qualifizierten Mietspiegels als Grundlage eines schlüssigen Konzepts vergl. BSG Urteil vom 17.12.2009, B 4 AS 27/09 R). Sie werden zudem dadurch gewährleistet, dass unterschiedliche Interessengruppen des Wohnungsmarktes der Stadt D an der Erstellung des Mietspiegels beteiligt waren.

Für die Zeit ab 01.09.2008 ist der Mietspiegel 2008 zugrunde zu legen. Dieser stellt eine zulässige Fortschreibung des Mietspiegels 2006 dar.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen, da hierfür keine Gründe im Sinne des § 160 Abs. 2 SGG vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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