L 5 KA 22/17

Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
5
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 27 KA 219/14
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 5 KA 22/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Die Berufung wird zurückgewiesen. 2. Der Kläger trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens. 3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Höhe des Honorars für das Quartal IV/2013 und dabei vorab die Frage, ob der diesbezügliche Honorarbescheid bestandskräftig geworden ist.

Der Kläger ist als Facharzt für Neurochirurgie zur vertragsärztlichen Versorgung im Bezirk der Beklagten seit dem 28. Januar 2010 zugelassen. Er war zunächst in einer Berufsausübungsgemeinschaft (BAG) tätig, die er nach internen Meinungsverschiedenheiten verließ, um seit dem Quartal IV/2012 in Einzelpraxis tätig zu sein.

Mit Bescheid vom 27. Mai 2014 setzte die Beklagte für das Quartal IV/2013 ein Honorar im Bereich Ersatzkassen/Primärkassen in Höhe von 28.840,26 EUR bei 381 Fällen fest.

Bereits mit Schreiben vom 26. Mai 2014, eingegangen bei der Beklagten am 26. Mai 2014, hatte der Kläger erklärt, es seien 17.000 EUR nicht vergütet worden, obwohl er unter dem Fachgruppendurchschnitt angefordert habe. Er sei eine Praxis im Neuaufbau und habe sogar seiner neu angestellten MTA zum 1. Juli 2014 deswegen kündigen müssen.

Auf Nachfrage der Beklagten, die den Eingang des "Widerspruchs" bestätigte, erklärte der Kläger mit am Folgetag per Telefax bei der Beklagten eingegangenem Schreiben vom 16. Juni 2014: "Nach unserem Gespräch von letzter Woche Dienstag (vielen Dank) bezieht sich mein Widerspruch auf den im Antrag dargestellten Sachverhalt (Anpassung des ILB (Individuelles Leistungsbudget) aufgrund meiner besonderen Situation). Somit entfällt formal mein Widerspruch".

Die Beklagte wertete dies als einen Antrag auf ILB-Anpassung, den sie mit Bescheid vom 26. Juni 2014 und Widerspruchsbescheid vom 27. April 2017 ablehnte (Hinweis auf das dortige Verfahren S 27 KA 168/17).

Mit Bescheid vom 30. Juni 2014 korrigierte die Beklagte wegen eines technischen Fehlers die Honorarabrechnung für das Quartal IV/2013 und setzte ein Honorar im Bereich Ersatzkassen/Primärkassen in Höhe von 28.802,34 EUR fest. Der Bescheid war mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehen. Mit einem am 6. August 2014 bei der Beklagten eingegangenen Schreiben vom 1. August 2014 wandten sich die Bevollmächtigten des Klägers "in der Widerspruchsangelegenheit betreffend die zurückliegenden Quartalsabrechnungen wegen ILB" an die Beklagte.

Mit seinem am 26. August 2014 per Fax bei der Beklagten eingegangenen Schreiben erklärte der Kläger unter dem Betreff "Aufrechterhaltung der Widersprüche Honorarabrechnung 4/13 und 3/14": "Nach unserem Gespräch von letzter (Woche) Mittwoch handelt es sich um ein Missverständnis. Selbstverständlich werde ich meine Widersprüche gegen den Honorarbescheid 3/2013 und 4/2013 weiter aufrechterhalten".

Mit Widerspruchsbescheid vom 20. November 2014 wies die Beklagte den Widerspruch bezüglich der Honorarabrechnung IV/2013 als unzulässig zurück. Zur Begründung führte sie aus, der Honorarbescheid vom 27. Mai 2014 sei am selben Tag zur Post aufgegeben worden. Der bereits am 26. Mai 2014 bei ihr eingegangene Widerspruch sei als vorsorglicher Widerspruch unzulässig gewesen. Selbst wenn man diesen als zulässig ansähe, habe der Kläger ihn mit Schreiben vom 16. Juni 2014 zurückgenommen. Der neue, korrigierte Honorarbescheid vom 30. Juni 2014 habe zwar eine neue Widerspruchsfrist in Lauf gesetzt, aber hiergegen habe der Kläger nicht rechtzeitig Widerspruch eingelegt. Die Widerspruchsbegründung vom 1. August 2014 sei erst am 6. August 2014 bei ihr, der Beklagten eingegangen. Sie sei damit verspätet gewesen. Die Frist habe mit Ablauf des 4. August 2014 geendet. Ein Wiedereinsetzungsantrag sei nicht gestellt worden. Ein Wiedereinsetzungsgrund sei nicht ersichtlich.

Am 29. Dezember 2014 hat der Kläger Klage beim Sozialgericht (SG) Hamburg erhoben mit dem Ziel, die Beklage zu verurteilen, seine abgerechneten Honorare vollumfänglich auszuzahlen, also in Höhe weiterer 15.045,78 EUR, hilfsweise einen Neubescheid zu erteilen. Er hat sich in der Sache gegen die fehlende Berücksichtigung seiner Situation als Jungpraxis bzw. Praxis im Aufbau gewandt (s. insoweit auch seine Argumentation in den andere Quartale betreffenden Parallelverfahren L 5 LKA 21/17 und L 5 KA 13/19). In Bezug auf die von der Beklagten angenommene Unzulässigkeit des Widerspruchs hat der Kläger erklärt, sein Bevollmächtigter habe mit Schreiben vom 19. August 2014 vollumfänglich gegen die Quartalsabrechnung IV/2013 Wiedereinsetzung beantragt und diesbezüglich auf seinen Schriftsatz vom 1. August 2014 verwiesen. Er, der Kläger, habe ohne Wenn und Aber gegen die Honorarbescheide Widerspruch eingelegt. Er habe sich auf die Auskunft der Beklagten verlassen, dass er gegen den Bescheid vom 30. Juni 2014 nicht erneut Widerspruch einlegen müsse, wenn er schon gegen den Bescheid vom 27. Mai 2014 Widerspruch eingelegt habe. Bei seinem Widerspruch vom 26. Mai 2014 handle es sich nicht um einen vorsorglich eingelegten Widerspruch, denn der Bescheid sei ihm vorab schon fernmündlich bekanntgegeben worden.

Die Beklagte ist dem unter Bezugnahme auf ihre Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden und den Inhalt ihrer Verwaltungsakte entgegengetreten und hat ergänzt, dass der Honorarbescheid vom 27. Mai 2014 entgegen der Auffassung des Klägers erst mit dem Zugang bekanntgegeben und wirksam geworden sei. Die Entbehrlichkeit einer Widerspruchseinlegung gegen den Honorarbescheid vom 30. Juni 2014 setze eine wirksame Widerspruchseinlegung gegen den Honorarbescheid vom 27. Mai 2014 voraus.

Das SG hat über die Klage am 21. Juni 2017 mündlich verhandelt und sie mit Urteil vom selben Tag als unbegründet abgewiesen. Zu Recht habe die Beklagte den Widerspruch des Klägers gegen den Honorarbescheid als unzulässig zurückgewiesen. Der Honorarbescheid sei bestandskräftig (§ 77 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG)) geworden. Werde gegen einen Verwaltungsakt, hierzu gehöre auch der Honorarbescheid vom 30. Juni 2014, der gegebene Rechtsbehelf nicht eingelegt, so sei der Verwaltungsakt für die Beteiligten in der Sache bindend. Der Bescheid vom 30. Juni 2014 sei mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehen gewesen, die auf die Frist von einem Monat nach seiner Bekanntgabe verwiesen habe. Der Bescheid vom 30. Juni 2014 gelte als dem Kläger am dritten Tag nach Aufgabe zur Post bekanntgegeben (§ 37 Abs. 2 des Sozialgesetzbuchs Zehntes Buch (SGB X)). Dies sei bei Aufgabe zur Post am 30. Juni 2014 der Donnerstag, 3. Juli 2014. Die Frist zur Einlegung des Widerspruchs habe damit am Montag, dem 4. August 2014, geendet (§ 84 Abs. 1 SGG). Das auch als Widerspruch gegen den Bescheid vom 30. Juni 2014 auszulegende Schreiben der Bevollmächtigten des Klägers sei aber erst am 6. August 2014 bei der Beklagten eingegangen und damit verspätet gewesen. Zu Recht habe es die Beklagte auch abgelehnt, dem Kläger wegen Versäumung der Widerspruchsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren (§ 67 Abs. 1 SGG). Der Kläger habe nicht unverschuldet die Frist zur Einlegung des Widerspruchs gegen den Bescheid vom 30. Juni 2014 versäumt. Es könne dahinstehen, ob der Kläger bereits am 26. Mai 2014 wirksam Widerspruch gegen den Bescheid vom 27. Mai 2014 habe einlegen können. Diesen Widerspruch habe er selbst mit seinem Fax vom 17. Juni 2014 zurückgenommen als er erklärt habe: "Nach unserem Gespräch von letzter Woche Dienstag (vielen Dank) bezieht sich mein Widerspruch auf die im Antrag gestellten dargestellten Sachverhalt (Anpassung des ILB aufgrund meiner besonderen Situation). Somit entfällt formal mein Widerspruch". Damit sei deutlich gewesen, dass er den Antrag auf Anpassung seines ILB habe weiterverfolgen wollen, seinen Widerspruch gegen den Honorarbescheid vom 27. Mai 2014 aber nicht mehr. Daran ändert auch nichts, dass der Kläger am 26. August 2014 per Fax unter dem Betreff "Aufrechterhaltung der Widersprüche Honorarabrechnung 4/13 und 3/14" erklärt habe: "Nach unserem Gespräch am letzten Mittwoch handelt es sich um ein Missverständnis. Selbstverständlich werde ich meine Widersprüche gegen den Honorarbescheid 3/2013 und 4/2013 weiter aufrechterhalten". Der voll geschäftsfähige Kläger habe bereits unter dem 17. Juni 2014 die Rücknahme seines Widerspruchs erklärt gehabt. Eine Möglichkeit, diese rechtswirksame Erklärung anzufechten, habe nicht bestanden. Es sei auch nicht ersichtlich, dass der Kläger selbst in der Zeit nach Zugang des Bescheides vom 30. Juni 2014 in anderer Weise Widerspruch eingelegt habe. Ein mündlicher Widerspruch sei nicht zulässig (Hinweis auf die Rechtsbehelfsbelehrung der Beklagten). Der Kläger könne sich auch nicht darauf berufen, er habe auf eine Mitteilung der Beklagten vertraut, dass er keinen Widerspruch gegen den Bescheid vom 30. Juni 2014 einlegen müsse, wenn er schon Widerspruch gegen den Bescheid vom 27. Mai 2014 eingelegt habe. Zunächst habe er eine solche Mitteilung nicht glaubhaft gemacht. Zum anderen – auch wenn man zu seinen Gunsten davon ausgehe, dass der Widerspruch vom 26. Mai 2014 schon vor Bekanntgabe des Bescheides habe eingelegt werden können – habe er diesen Widerspruch am 17. Juni 2014 wirksam zurückgenommen. Die Klage sei daher – ohne eine Prüfung in der Sache – abzuweisen gewesen. Auch über den Hilfsantrag auf Neubescheidung sei nicht mehr zu entscheiden gewesen, da der Bescheid vom 30. Juni 2014 bestandkräftig sei.

Gegen dieses seinen Prozessbevollmächtigten am 4. Juli 2017 zugestellte Urteil richtet sich die am 31. Juli 2017 eingelegte Berufung des Klägers, mit der er sein Begehren unter Aufrechterhaltung seiner Rechtsauffassung weiterverfolgt.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 21. Juni 2017 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheids vom 27. Mai 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20. November 2014 zu verurteilen, an ihn – den Kläger – weitere 15.045,78 Euro zu zahlen, hilfsweise, die Beklagte unter Aufhebung der genannten Bescheide zu verpflichten, über sein – des Klägers – Honorar für das Quartal IV/2013 erneut unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats zu entscheiden. Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die vorbereitenden Schriftsätze der Beteiligten und die Sitzungsniederschrift vom 24. Juni 2020 sowie den Inhalt der darin aufgeführten beigezogenen Akten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die statthafte (§§ 143, 144 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG)) und auch im Übrigen zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte (§ 151 SGG) Berufung ist unbegründet. Das SG hat die zulässige Anfechtungs- und Leistungs- sowie hilfsweise Verpflichtungsklage zu Recht und mit zutreffender Begründung abgewiesen. Der Kläger hat gegen die Beklagte weder einen Anspruch auf Zahlung weiteren Honorars für das Quartal IV/2013 in Höhe von 15.045,78 Euro noch auf Neubescheidung seiner Honorarforderung für dieses Quartal.

Der Senat nimmt Bezug auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils (§ 153 Abs. 2 SGG).

Der Vortrag des Klägers im Berufungsverfahren gibt keinen Anlass zu einer hiervon abweichenden rechtlichen Bewertung. Der Honorarbescheid für das streitgegenständliche Quartal ist mangels fristgerechten Widerspruchs bestandskräftig geworden. Im Übrigen könnten Widerspruch und nachfolgend Klage und Berufung auch in der Sache keinen Erfolg haben. Insoweit wird auf die Urteile des erkennenden Senats vom heutigen Tag in den Parallelverfahren L 5 KA 21/17 und 13/19 Bezug genommen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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