L 29 AS 3028/16

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
29
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 127 AS 2317/16 WA
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 29 AS 3028/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
hat der 29. Senat des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg auf die mündliche Verhandlung vom 12. August 2020 durch den Vorsitzenden Richter am Landessozialgericht Korte, die Richterin am Landessozialgericht Sinner-Gallon und den Richter am Landessozialgericht Lietzmann sowie die ehrenamtlichen Richter Vetter und Seifert für Recht erkannt:

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 6. Dezember 2016 geändert.

Der Beigeladene wird verurteilt, der Klägerin Leistungen nach dem SGB XII vom 1. September 2013 bis 31. Oktober 2013 in Höhe von monatlich 382,00 EUR, vom 1. November 2013 bis 31. Dezember 2013 in Höhe von monatlich 694,00 EUR sowie vom 1. Januar 2014 bis 28. Februar 2014 in Höhe von monatlich 703,00 EUR zu gewähren.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Der Beigeladene hat der Klägerin neun Zehntel ihrer außergerichtlichen Kosten des gesamten Verfahrens zu erstatten. Ansonsten haben die Beteiligten einander Kosten nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt in erster Linie vom Beklagten die Gewährung von Arbeitslosengeld II nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Zeit vom 1. September 2013 bis zum 31. Dezember 2013 in Höhe von monatlich 694,00 EUR sowie vom 1. Januar 2014 bis zum 28. Februar 2014 in Höhe von monatlich 703,00 EUR, hilfsweise, von dem Beigeladenen Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) für den bezeichneten Zeitraum und in der bezeichneten Höhe.

Die erwerbsfähige Klägerin ist 1966 geboren. Sie besitzt allein die litauische Staatsangehörigkeit. Sie arbeitete von 1987 bis 2011 in K als Kinderkrankenschwester. Die Klägerin war seit 1989 verheiratet. Die Eheleute erwarben 1998 gemeinsam eine 82,4 qm große Eigentumswohnung in K, die sie zusammen mit den drei Töchtern bewohnten. Die Klägerin hielt ein Drittel des Eigentumsanteils. Die Klägerin trennte sich von ihrem nach ihren Angaben gewalttätigen Ehemann und suchte zunächst in K eine eigene Wohnung. Die Eheleute sind seit 27. November 2015 geschieden (vgl. Genehmigung der Scheidungsfolgenvereinbarung durch Beschluss des Amtsgerichts vom 27. November 2015).

Die Klägerin reiste nach ihren Angaben auf Einladung der GG mbH (dem größten Anbieter von Gesundheitsdienstleistungen im Nordosten B) im September 2011 mit litauischen Kolleginnen in die Bundesrepublik Deutschland ein und bewohnte zunächst eine von der G gestellte Unterkunft. Sie erlernte die deutsche Sprache und arbeitete vom 8. März 2012 bis 12. Juli 2012 als Servicekraft in einem Krankenhaus in E. Das Arbeitsverhältnis wurde durch eine Kündigung des Arbeitgebers beendet, die Klägerin hatte sich den linken Fuß gebrochen. Vom 1. August 2012 bis 31. März 2013 bezog sie in E Arbeitslosengeld II, mietete dort eine eigene Wohnung an und besuchte einen fünfmonatigen Integrationskurs bis Dezember 2012. Im September 2012 lernte sie über das Internet den sechzehn Jahre älteren selbständigen Elektriker W R (im Folgenden WR) aus B kennen, der sie zunächst bei der Instandsetzung ihrer angemieteten Wohnung in E unterstützte. Weil die Klägerin ihre Chancen, eine Arbeit zu erhalten, in als höher erachtete, hielt sie sich ab Ende 2012 zeitweilig in B bei Freunden bzw. in einem von WR angemieteten Gartenhaus in der H S in B auf. Seit 12. Januar 2013 wurde die Klägerin bei der Bundesagentur für Arbeit in R als arbeitslos geführt.

WR, der zu dieser Zeit nach seinen Angaben zwar – bereits seit 2000 – von seiner Ehefrau getrennt lebte, aber ein Zimmer in der früheren, weiterhin von der Ehefrau genutzten Ehewohnung in der Gstin unmittelbarer Nachbarschaft seiner Betriebsräume dauerhaft bewohnte, mietete im April 2013 eine Drei-Zimmer-Wohnung im Hause Bstin B-R an, für die nach seinen Angaben monatlich 680,00 EUR zu zahlen waren. Nach seinen Angaben hatte er in seinen Büroräumen in der G einen Schimmelbefall und war damals auf der Suche nach neuem Büroraum, in dem er die von ihm allein geführte Buchhaltung seines Elektrobetriebs abwickeln konnte. In der Wohnung in der Bst , die über zwei durch eine Schiebetür getrennte Zimmer sowie ein hiervon getrenntes weiteres Zimmer sowie Küche und Bad verfügt, nutzte er nach Einzug die beiden zusammenhängenden Zimmer als Büro und übernachtete dort gelegentlich. Zu diesem Zweck verwahrte er dort Kleidungsstücke in einem Kleiderschrank und Waschutensilien; weiterhin nutzte er auch das erwähnte Zimmer in der Wohnung der von ihm getrennt lebenden Ehefrau in der Gst, die auch seine Wäsche wusch.

Die Klägerin schloss am 30. April 2013 für die Zeit ab dem 1. Mai 2013 mit WR einen Untermietvertrag über die Nutzung eines Zimmers (bei gemeinsamer Nutzung von Bad und Küche) in dieser Wohnung, für das sie monatlich 312,00 EUR (Grundmiete: 212,90 EUR, Betriebskostenvorauszahlung 99,10 EUR) zahlen musste. Da die Klägerin über kein Einkommen verfügte, konnte sie den vereinbarten Untermietzins zunächst nicht bezahlen.

Sie besuchte vom 8. Juli 2013 bis 17. Dezember 2013 einen vom Europäischen Sozialfond geförderten und vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales bezahlten berufsbezogenen Deutschkurs. Unterhaltsleistungen bezog sie in dieser Zeit nicht. Außerdem bewarb sie sich bei verschiedenen Unternehmen um Arbeit und leistete Probearbeit.

Am 26. August 2013 (Schreiben vom 23. August 2013) beantragte sie beim Beklagten Leistungen und reichte am 5. September 2013 dort einen (Form-)Antrag auf Gewährung von Arbeitslosengeld II ein. Dabei gab sie an, von ihrem Ehemann getrennt zu leben und weder über Einkommen noch über Vermögen zu verfügen. Sie sei zuletzt von Verwandten aus dem Ausland unterstützt worden. Mit Bescheid vom 16. September 2013 lehnte der Beklagte den Antrag mit der Begründung ab, die Klägerin habe ein Aufenthaltsrecht allein zum Zwecke der Arbeitsuche. Die Klägerin legte hiergegen mit Schreiben vom 19. September 2013 Widerspruch ein und stellte am 24. September 2013 beim Sozialgericht (SG) Berlin einen einstweiligen Rechtsschutzantrag gerichtet auf die vorläufige Gewährung von Arbeitslosengeld II. Auf die Beschwerde der Klägerin gegen den eine einstweilige Anordnung ablehnenden Beschluss des SG vom 8. Oktober 2013 (S 77 AS 23017/13 ER) verpflichtete das Landessozialgericht (LSG) Berlin-Brandenburg den Beklagten mit Beschluss vom 1. November 2013 (L 26 AS 2721/13 B ER) zur Gewährung vorläufiger Leistungen nach dem SGB II ab dem Tag der Zustellung des Beschlusses per Fax bis zum 28. Februar 2014 zur Deckung des Regelbedarfs in Höhe von monatlich 382,00 EUR für die Zeit bis zum 31. Dezember 2013 und in Höhe von monatlich 391,00 EUR für die Zeit ab dem 1. Januar 2014 sowie zur Deckung der Bedarfe für Unterkunft und Heizung in Höhe von monatlich 312,00 EUR.

Der Beklagte wies den Widerspruch der Klägerin gegen den ablehnenden Bescheid vom 16. September 2013 mit Widerspruchsbescheid vom 13. November 2013 als unbegründet zurück. Die Klägerin sei als litauische Staatsangehörige nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II vom Leistungsbezug ausgeschlossen, weil sich ihr Aufenthaltsrecht allein aus der Arbeitsuche ableite. Ein anderes Aufenthaltsrecht sei nicht ersichtlich.

Mit Schreiben vom 14. November 2013 teilte der Beklagte der Klägerin mit, dass ab dem Zugang des Beschlusses des LSG per Fax am 5. November 2013 bis zum 28. Februar 2014 monatliche Leistungen in Höhe von 694,00 EUR (im November 2013 anteilig für die Zeit vom 5. bis 30. November 2013) und ab 1. Januar 2014 in Höhe von monatlich 703,00 EUR gezahlt werden und der Bescheid "in Ausführung des Urteils des Sozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 1. November 2013 L 26 AS 2721/13 B ER ergehe".

Die Klägerin hat am 19. November 2013 die vorliegende Klage vor dem SG Berlin (S 115 AS 27842/13) erhoben und Leistungen nach dem SGB II begehrt für die Zeit vom 1. September 2013 bis 28. Februar 2014.

Erst am 20. Dezember 2013 wurde dem Konto der Klägerin bei der H-V ein vom Beklagten in Ausführung des Beschlusses des LSG überwiesener Betrag in Höhe von 1.295,47 EUR gutgeschrieben. Die Klägerin überwies am 23. Dezember 2013 an WR einen Betrag in Höhe von 624,00 EUR mit dem Verwendungszweck "Miete 11 und 12 2013 B".

Die Klägerin erhielt am 6. Februar 2014 die Erlaubnis zur Führung der Berufsbezeichnung "Gesundheits- und Kinderkrankenpflegerin" (Urkunde des Landesamtes für Gesundheit und Soziales Berlin vom 6. Februar 2014).

Unter Hinweis auf die Ende Februar 2014 auslaufende Zahlung von Arbeitslosengeld II stellte die Klägerin mit Schreiben vom 11. Februar 2014 einen Weiterbewilligungsantrag. Sie habe inzwischen Deutschkenntnisse auf dem Niveau B 2 erworben und erhalte in den nächsten Tagen die Anerkennung ihres Diploms. Der Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 28. Februar 2014 ab. Die Klägerin stellte am 6. März 2014 einen weiteren einstweiligen Rechtsschutzantrag beim SG Berlin. Mit Widerspruchsbescheid vom 13. März 2014 wies der Beklagte den Widerspruch der Klägerin gegen den Bescheid vom 28. Februar 2014 zurück. Hiergegen erhob die Klägerin am 20. März 2014 Klage vor dem SG Berlin (S 169 AS 5680/14). Mit Beschluss vom 11. April 2014 verpflichtete das SG Berlin (S 169 AS 5680/14 ER) den Beklagten im Wege einstweiliger Anordnung zur Leistungsgewährung, und zwar vom 6. März bis 31. März 2014 in Höhe von 541,00 EUR und für die Zeit vom 1. April bis zum 31. August 2014 in Höhe von monatlich 624,80 EUR. Der Klägerin seien im Wege einer Folgenabwägung Leistungen zuzusprechen, wobei neben der vollständigen Deckung der Bedarfe für Unterkunft und Heizung in Höhe von monatlich 312,00 EUR nur ein um 20 % verminderter Regelbedarf für alleinstehende Leistungsberechtigte zu berücksichtigen sei.

Zum Nachweis ihrer laufenden Bewerbungsbemühungen hat die Klägerin im vorliegenden Klageverfahren am 15. April 2014 eine Auflistung von Bewerbungen im Zeitraum vom 15. November 2013 bis 10. April 2014 eingereicht.

Mit Beschluss vom 20. Mai 2014 hat das SG im Hinblick auf die Frage der Vereinbarkeit des Leistungsausschlusses nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II mit Europarecht und das nach Vorlagebeschluss des Bundessozialgerichts (BSG) vom 12. Dezember 2013 (B 14 AS 9/13 R) anhängige Vorabentscheidungsverfahren vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) zunächst das Ruhen des vorliegenden Verfahrens angeordnet.

Die Klägerin nahm am 1. Juli 2014 eine Tätigkeit als Gesundheits- und Kinderkrankenpflegerin auf und zeigte dies dem Beklagten am 8. Juli 2014 an. Dieser stellte daraufhin die Leistungen am 15. Juli 2014 zum 31. Juli 2014 vorläufig ein. Wegen der erfolgten Arbeitsaufnahme beschränkte die Klägerin ihr Begehren in dem anderen Klageverfahren (S 169 AS 5680/14) auf den Zeitraum vom 1. März 2014 bis 31. Juli 2014. Dieses Klageverfahren ruht derzeit mit Blick auf das vorliegende Verfahren (S 171 AS 5607/16 WA).

Mit Schreiben vom 4. Februar 2016 hat die Klägerin das vorliegende Klageverfahren wieder aufgerufen (früher S 115 AS 27842/13, dann S 127 AS 2317/16 WA) und die Beiladung des Sozialhilfeträgers beantragt. Mit Beschluss vom 7. März 2016 hat das SG diesen beigeladen. Die Klägerin hat hilfsweise Leistungen vom Beigeladenen begehrt.

Das SG hat die zuletzt bezifferte Klage der Klägerin (Leistungen vom 1. September 2013 bis 31. Dezember 2013 in Höhe von monatlich 694,00 EUR sowie vom 1. Januar 2014 bis 28. Februar 20014 in Höhe von monatlich 703,00 EUR) mit Urteil vom 6. Dezember 2016 abgewiesen. Die Klägerin habe keinen Leistungsanspruch gegenüber dem Beklagten. Sie erfülle die Anspruchsvoraussetzungen des § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II, sei aber nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II vom Leistungsbezug ausgeschlossen. Sie könne sich weder auf eine Freizügigkeitsberechtigung nach dem Gesetz über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern (FreizügG/EU) noch auf ein Aufenthaltsrecht nach dem Aufenthaltsgesetz (AufenthG) berufen. Auch eine nachwirkende Freizügigkeitsberechtigung als Arbeitnehmerin nach § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FreizügG/EU sei nicht gegeben. Nach dieser Vorschrift bleibe das Freizügigkeitsrecht für die Dauer von sechs Monaten nach weniger als einem Jahr Beschäftigung unberührt. Zwar sei die Klägerin vom 7. März 2012 bis 12. Juli 2012 etwas mehr als vier Monate als Arbeitnehmerin tätig gewesen. Aufgrund der kurzen Dauer des Beschäftigungsverhältnisses komme aber nur ein fortwirkendes Aufenthaltsrecht für die Dauer von sechs Monaten nach dem 12. Juli 2012 in Betracht, die bei Beginn des streitgegenständlichen Zeitraums im September 2013 längst abgelaufen seien. Anhaltspunkte für andere Aufenthaltsrechte als zur Arbeitsuche seien nicht ersichtlich. Ob die Klägerin über ein Aufenthaltsrecht zur Arbeitsuche verfüge, könne dahinstehen, denn der Leistungsausschluss erfasse auch diejenigen Ausländer, die nicht über eine materielle Freizügigkeitsberechtigung oder ein Aufenthaltsrecht verfügten. Der Ausschluss sei nach der Rechtsprechung des EuGH europarechtskonform. Der Klägerin stünden auch keine Leistungen vom Beigeladenen nach dem SGB XII zu, denn sie sei nach § 21 SGB XII von Leistungen nach dem SGB XII ausgeschlossen, da sie erwerbsfähig sei. Die Kammer schließe sich ausdrücklich nicht der Auffassung des BSG (Bezugnahme auf Urteil vom 3. Dezember 2015 – B 4 AS 44/15 R – juris) an, wonach Personen, die vom Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II erfasst seien, nicht dem Leistungsausschluss nach § 21 SGB XII unterfielen. Damit sei auch ein Anspruch nach § 23 SGB XII ausgeschlossen.

Gegen das ihrem Bevollmächtigten am 22. Dezember 2016 zugestellte Urteil hat die Klägerin am selben Tag Berufung eingelegt.

Sie wiederholt ihre bisherige Begründung und bezieht sich auf die Rechtsprechung des BSG.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 6. Dezember 2016 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, ihr unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides vom 16. September 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. November 2013 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II vom 1. September 2013 bis 31. Dezember 2013 in Höhe von monatlich 694,00 EUR sowie vom 1. Januar 2014 bis 28. Februar 2014 in Höhe von monatlich 703,00 EUR zu gewähren,

hilfsweise, den Beigeladenen unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Berlin vom 6. Dezember 2016 zu verurteilen, ihr Leistungen nach dem SGB XII vom 1. September 2013 bis 31. Dezember 2013 in Höhe von monatlich 694,00 EUR sowie vom 1. Januar 2014 bis 28. Februar 2014 in Höhe von monatlich 703,00 EUR zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Unstreitig bestehe kein Anspruch der Berufungsklägerin auf Leistungen nach dem SGB II, denn sie habe sich im streitigen Zeitraum nur auf ein Aufenthaltsrecht zum Zwecke der Arbeitsuche berufen können.

Der Beigeladene beantragt,

die Berufung mit ihrem Hilfsantrag zurückzuweisen.

Nach § 21 Satz 1 SGB XII hätten Personen, die dem Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II unterfielen, keinen Anspruch auf Leistungen zum Lebensunterhalt nach dem SGB XII. Die Rückkehr in das Heimatland stelle ein zulässiges Mittel zur Selbsthilfe dar, so dass eventuell ein Anspruch auf Überbrückungsleistungen bestehe. Leistungen für die Rückreise seien indes nicht beantragt worden. Bereits vor der Neuregelung habe es keinen Anspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt und weitere in § 23 Abs. 1 SGB XII genannte Leistungen nach dem SGB II gegeben.

Er gehe davon aus, dass die vom Beklagten für den Zeitraum von September bis Februar 2014 erlassenen Bewilligungsbescheide als endgültig zu betrachten seien. Damit sei der Bedarf der Klägerin im sozialhilferechtlichen Sinne gedeckt worden.

Ferner sei er erst mehr als zwei Jahre nach dem streitgegenständlichen Zeitraum beigeladen worden. Damit könne von einer notwendigen rechtzeitigen Kenntniserlangung des Sozialhilfeträgers im Sinne von § 18 Abs. 1 SGB XII nicht ausgegangen werden (Bezugnahme auf Urteil des Senats vom 22. Juni 2017 – L 29 AS 2670/13 –¬ juris Rn. 91).

Schließlich sei fraglich, ob die Klägerin im streitbefangenen Zeitraum bedürftig gewesen sei.

Der Senat hat in der mündlichen Verhandlung am 12. August 2020 zunächst die Klägerin persönlich gehört und sodann WR als Zeugen zu seinen Lebensumständen und denen der Klägerin im streitbefangenen Zeitraum gehört. Wegen der Einzelheiten wird auf das Sitzungsprotokoll verwiesen.

Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten, insbesondere auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze, die Akten des SG Berlin zu den Verfahren S 77 AS 23017/13 ER (L 26 AS 2721/13 B ER) und S 171 AS 5607/16 WA (S 169 AS 5680/14) sowie die die Klägerin betreffenden Verwaltungsakten des Beklagten (zwei Bände) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung hat (nur) entsprechend dem Hilfsantrag weit überwiegend – mit Ausnahme von Leistungen zur Deckung der Bedarfe für Unterkunft und Heizung für die Monate September und Oktober 2013 – Erfolg. Das Urteil des SG ist insoweit unzutreffend. Für den streitigen Zeitraum ist als anderer leistungspflichtiger Träger nach § 75 Abs. 2 Alt. 2, Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) der Beigeladene als Sozialhilfeträger zu verurteilen, der Klägerin Leistungen nach dem SGB XII zu gewähren. Im Übrigen – d.h. hinsichtlich der mit dem Hauptantrag verfolgten Verpflichtung des Beklagten und gegenüber dem Beigeladenen hinsichtlich der Leistungen zur Deckung der Bedarfe für Unterkunft und Heizung für die Monate September und Oktober 2013 – war die Berufung zurückzuweisen.

Streitgegenstand des Berufungsverfahrens sind das Urteil des SG vom 6. Dezember 2016, durch das die Klage gegen den Beklagten auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II, die dieser durch Bescheid vom 16. September 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13. November 2013 abgelehnt hatte, und die hilfsweise erhobene Klage gegen den Beigeladenen auf Leistungen nach dem SGB XII abgewiesen worden ist, und das Begehren der Klägerin nach existenzsichernden Leistungen vom 1. September 2013 bis 31. Dezember 2013 in Höhe von monatlich 694,00 EUR sowie vom 1. Januar 2014 bis 28. Februar 2014 in Höhe von monatlich 703,00 EUR.

Zutreffende Klageart für das gegen den Beklagten gerichtete Begehren ist die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 SGG). Zulässig ist auch der - bereits im Klageverfahren - gestellte Hilfsantrag auf Verurteilung des Beigeladenen (vgl. BSG, Urteil vom 3. Dezember 2015 - B 4 AS 44/15 R – juris Rn. 13). Weder diesem Antrag noch dem mit dem Hauptantrag weiterverfolgten Leistungsantrag gegen den Beklagten steht entgegen, dass die Klägerin von diesem für Teilzeiträume des streitigen Zeitraums bereits aufgrund einer ausgeführten stattgebenden Entscheidung im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes vorläufig Leistungen erhalten hat (vgl. BSG, a.a.O., Rn. 14).

Die Klägerin hat im streitigen Zeitraum keinen Anspruch gegen den Beklagten auf Arbeitslosengeld II, wie das SG zu Recht entschieden hat (1.). Sie erfüllte nach dem damals geltenden und hier anwendbaren Recht zwar die Leistungsvoraussetzungen des § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II in der vom 1. April 2012 bis zum 31. Juli 2016 gültigen Fassung (a.F.), unterlag jedoch dem Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II a.F. Diesem Leistungsausschluss stehen weder EU-Recht noch das Grundgesetz (GG) entgegen.

Doch sind der Klägerin von dem Beigeladenen Leistungen nach dem SGB XII zu gewähren (2.). Der Anwendbarkeit des SGB XII auf sie steht § 21 Satz 1 SGB XII nicht entgegen. Zwar unterlag die Klägerin nach dem damals geltenden und hier anwendbaren Recht dem Leistungsausschluss nach § 23 Abs. 3 Satz 1 SGB XII a.F. und ist dieser mit dem EU-Recht vereinbar, doch schließt dies nicht Ermessensleistungen nach § 23 Abs. 1 Satz 3 SGB XII aus. Aufgrund einer Ermessensreduzierung auf Null sind der Klägerin – mit Ausnahme der Unterkunftsleistungen für September und Oktober 2013 – Leistungen nach dem SGB XII zu gewähren.

1. Für den von der Klägerin für September 2013 bis Februar 2014 geltend gemachten Anspruch ist das in diesem Zeitraum geltende Recht anzuwenden, weil es an einer hiervon abweichenden Regelung fehlt (Geltungszeitraumprinzip, vgl. BSG, Urteil vom 19. Oktober 2016 – B 14 AS 53/15 R – juris Rn. 14 f.). Insbesondere lässt sich dem Gesetz zur Regelung von Ansprüchen ausländischer Personen in der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch und in der Sozialhilfe nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch vom 22. Dezember 2016 (BGBl. I S. 3155, nachfolgend: Gesetz vom 22. Dezember 2016) nicht entnehmen, dass es sich Geltung für die Zeit vor seinem Inkrafttreten am 29. Dezember 2016 beimisst (vgl. BSG, Urteil vom 23. Februar 2017 – B 4 AS 7/16 R – juris Rn. 33).
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Die Klägerin erfüllte die Leistungsvoraussetzungen des § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II im streitigen Zeitraum. Danach erhalten Personen Leistungen nach diesem Buch, die 1. das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a noch nicht erreicht haben, 2. erwerbsfähig sind, 3. hilfebedürftig sind und 4. ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben.

Die 1966 geborene Klägerin hatte das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze noch nicht erreicht (vgl. § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II).

Sie war erwerbsfähig nach § 8 Abs. 1 SGB II und die fehlende deutsche Staatsangehörigkeit stand ihrer Erwerbsfähigkeit nach § 8 Abs. 2 SGB II nicht entgegen, weil sie als litauische Staatsangehörige keiner Beschränkung bei der Arbeitsaufnahme unterlag (vgl. § 7 Abs.1 Satz 1 Nr. 2 SGB II).

Sie war auch hilfebedürftig nach §§ 9, 11 ff. SGB II, weil sie selbst nicht über zur Bedarfsdeckung ausreichendes zu berücksichtigendes Einkommen verfügte. Aus den Kontoauszügen im streitigen Zeitraum ergeben sich keine maßgeblichen Einnahmen der Klägerin. Ihr sind auch keine möglichen Einnahmen von WR zuzurechnen über § 9 Abs. 2 Satz 2 SGB II, wonach bei Personen, die in einer Bedarfsgemeinschaft leben, auch das Einkommen und Vermögen des Partners zu berücksichtigen ist, denn sie bildete mit WR im streitbefangenen Zeitraum keine Bedarfsgemeinschaft im Sinne des § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 lit. c SGB II. Nach dieser Vorschrift gehören zu einer Bedarfsgemeinschaft Personen, die in einem gemeinsamen Haushalt so zusammenleben, dass nach verständiger Würdigung der wechselseitige Wille anzunehmen ist, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen. Nach § 7 Abs. 3a SGB II wird ein wechselseitiger Wille, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen, vermutet, wenn 1. Partner länger als ein Jahr zusammenleben, 2. mit einem gemeinsamen Kind zusammenleben, 3. Kinder oder Angehörige im Haushalt versorgen oder 4. befugt sind, über Einkommen oder Vermögen des anderen zu verfügen.

Ob eine Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft in diesem Sinne vorliegt, ist anhand von Indizien und im Wege einer Gesamtwürdigung festzustellen, wobei nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung kumulativ die folgenden drei Voraussetzungen vorliegen müssen (BSG, Urteil vom 23. August 2012 – B 4 AS 34/12 R – juris Rn. 14). Es muss sich 1. um Partner handeln, die 2. in einem gemeinsamen Haushalt zusammenleben, und zwar 3. so, dass nach verständiger Würdigung der wechselseitige Wille anzunehmen ist, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen Bei den Kriterien zu 1. und 2. (Partnerschaft und Zusammenleben in einem gemeinsamen Haushalt) handelt es sich um objektive Tatbestandsvoraussetzungen, die nach der Systematik des § 7 Abs. 3 Nr. 3 SGB II kumulativ zu der subjektiven Voraussetzung des Einstehens- und Verantwortungswillens gegeben sein müssen. Partnerschaft und Zusammenleben im gemeinsamen Haushalt sind zugleich Anknüpfungspunkte der Vermutung des § 7 Abs. 3a SGB II. Die subjektive Seite, dass die in einem Haushalt zusammenlebendenden Partner auch den gemeinsamen Willen, füreinander Verantwortung zu tragen und füreinander einzustehen, haben müssen, wird nach § 7 Abs. 3a SGB II bei positiver Feststellung einer der dort aufgezählten vier Fälle, die ebenso wie die beiden objektiven Kriterien von Amts wegen ermittelt werden müssen, allerdings – widerleglich – vermutet.

Von dem Bestehen einer Partnerschaft ist auszugehen, wenn eine gewisse Ausschließlichkeit der Beziehung gegeben ist, die keine vergleichbare Lebensgemeinschaft daneben zulässt. Zudem muss zwischen dem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen und dem Dritten die grundsätzliche rechtlich zulässige Möglichkeit der Heirat bzw. Begründung einer Lebenspartnerschaft bestehen (BSG, a.a.O., Rn. 20).

Das "Zusammenleben in einem gemeinsamen Haushalt" erfordert das Bestehen einer "Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft". § 7 Abs. 3 Nr. 3 lit. c SGB II stellt damit auf zwei Elemente ab, nämlich das Zusammenleben und kumulativ das "Wirtschaften aus einem Topf". Unter "Zusammenleben" in einer Wohnung ist dabei mehr als nur ein bloßes "Zusammenwohnen", wie es bei Wohngemeinschaften der Regelfall ist, zu verstehen. Zusätzlich bedarf es des gemeinsamen Wirtschaftens. Die Anforderungen an das gemeinsame Wirtschaften gehen dabei über die gemeinsame Nutzung von Bad, Küche und ggf. Gemeinschaftsräumen hinaus. Auch der in Wohngemeinschaften häufig anzutreffende gemeinsame Einkauf von Grundnahrungsmitteln, Reinigungs- und Sanitärartikeln aus einer von allen Mitbewohnern zu gleichen Teilen gespeisten Gemeinschaftskasse begründet noch keine Wirtschaftsgemeinschaft. Entscheidend insoweit ist, dass der Haushalt von beiden Partnern geführt wird, wobei die Beteiligung an der Haushaltsführung von der jeweiligen wirtschaftlichen und körperlichen Leistungsfähigkeit der Partner abhängig ist. Die Haushaltsführung an sich und das Bestreiten der Kosten des Haushalts müssen gemeinschaftlich durch beide Partner erfolgen, was allerdings nicht bedeutet, dass der finanzielle Anteil der Beteiligung am Haushalt oder der Wert der Haushaltsführung selbst gleichwertig sein müssen. Ausreichend ist eine Absprache zwischen den Partnern, wie sie die Haushaltsführung zum Wohle des partnerschaftlichen Zusammenlebens untereinander aufteilen (BSG, a.a.O., Rn. 21).

Der Verantwortungs- und Einstehenswille ist zu bejahen, wenn die Beziehung der Partner dergestalt angelegt ist, dass sie zunächst ihren gemeinsamen Lebensunterhalt sicherstellen, bevor sie ihr persönliches Einkommen zur Befriedigung eigener Bedürfnisse verwenden (BSG, a.a.O., Rn. 18).

Durch die persönliche Anhörung der Klägerin und die anschließende Zeugenvernehmung des WR im Termin zur mündlichen Verhandlung am 12. August 2020 konnte der Senat bereits weder die erforderliche Gewissheit gewinnen, dass die Klägerin und WR im streitbefangenen Zeitraum "als Partner" zusammenlebten, noch, dass sie einen gemeinsamen Haushalt bildeten. Die Angaben der Klägerin und des WR waren trotz geringfügiger Abweichungen angesichts des langen Zeitablaufs und der Veränderungen in den Nutzungsverhältnissen der Wohnung seither glaubhaft. Klägerin und WR haben glaubwürdig einen Prozess des Kennenlernens geschildert, der dadurch geprägt war, dass der lebensältere und handwerklich tätige WR die Notsituation der mittellosen Klägerin, die aufgrund ihrer früheren Gewalterfahrungen in der Familie im Gegensatz zu ihren litauischen Kolleginnen nicht nach einem gescheiterten Arbeitsversuch nach Litauen zurückkehren wollte, zum Anlass nahm, sie beim Ankommen in der Bundesrepublik Deutschland, bei der Arbeitsuche in Berlin und beim "Zurechtkommen" tatkräftig auch finanziell zu unterstützen. Auch wenn anfänglich eine engere Partnerschaft nicht ausgeschlossen gewesen sein mag, so haben die Klägerin und WR beide glaubhaft angegeben, dass man bald, nach wenigen Monaten, gemerkt habe, doch zu verschieden gewesen zu sein, sich die jeweiligen Interessen nicht gedeckt hätten und sich gleichwohl ein freundschaftliches Verhältnis entwickelt habe. Gemeinsame Freizeitaktivitäten wurden nicht angeben. Vielmehr hat WR, der Hobbysegler ist, angegeben, für die Klägerin sei das Segeln nichts. Auch hat die Klägerin mit dem Erwerb von Grundeigentum in Litauen dokumentiert, dass sie dorthin nach Beendigung ihrer beruflichen Tätigkeit in Berlin zurückkehren will, wobei sie glaubhaft angegeben hat, dass WR nicht nach Litauen reisen wolle.

Auch ein Zusammenleben der Klägerin mit WR konnte für den streitbefangenen Zeitraum nicht festgestellt werden. Ein Wirtschaften aus einem Topf hat zwischen der Klägerin und WR in dieser Zeit nicht durchgängig stattgefunden, auch wenn WR angegeben hat, man habe "zusammen gewirtschaftet". Gemeinsame Konten, Kontobevollmächtigungen oder gemeinsame Versicherungen bestanden indes nicht. Eine enge Verflechtung der wirtschaftlichen Verhältnisse lag nicht vor. Die Verhältnisse im streitbefangenen Zeitraum waren vielmehr dadurch gekennzeichnet, dass sich nur die Klägerin dauerhaft zu Wohnzwecken in der Wohnung Bst aufhielt. WR nutzte abends Teile der Wohnung als Büro, übernachtete dort gelegentlich, nahm dann auch von der Klägerin gekochte Mahlzeiten dort ein, aber behielt sein Zimmer in der Wohnung seiner Exfrau in der Gst, wo er sich nach seinen glaubhaften Angaben in der räumlichen Nähe seines Betriebssitzes im streitbefangenen Zeitraum bis einschließlich 2014 überwiegend aufhielt. Dort bewahrte er seine persönlicher Habe auf. Auch wusch die von ihm getrenntlebende Ehefrau weiterhin seine Wäsche in der Wohnung Gst. Der Senat konnte daher für den streitbefangenen Zeitraum nicht feststellen, dass auch WR seinen Lebensmittelpunkt in der Wohnung in der Bst hatte. Zwar hat WR zunächst die Miete der Drei-Zimmer-Wohnung allein übernommen und die Klägerin in der Zeit bis zum Eingang der ersten Leistungen des Beklagten mit Lebensmitteln unterstützt. Auch hat WR das Ausbleiben der Untermiete weder zum Anlass genommen, das Untermietverhältnis zu kündigen, noch Schritte unternommen, die fälligen Schulden einzutreiben. Dass die Klägerin und WR gleichwohl davon ausgegangen waren, dass die Klägerin eine wirksame Zahlungsverpflichtung mit Abschluss des Untermietvertrages eingegangen war, die sie im Falle eines Einkommenszuflusses auch bedienen würde, ergibt sich aus dem Umstand, dass die Klägerin umgehend nach Erhalt der vom Beklagten überwiesenen Leistungen im Dezember 2013 die Miete für November und Dezember 2013 an WR überwiesen und diese Mietzahlungen in den folgenden Monaten auch fortgesetzt hat.

Erst recht fehlte es vor diesem Hintergrund an hinreichenden Anhaltspunkten für einen gegenseitigen Verantwortungs- und Einstehenswillen.

Die Klägerin verfügte im Streitzeitraum auch nicht über maßgebliches verwertbares Vermögen. Als Vermögen sind nach § 12 Abs. 1 SGB II alle verwertbaren Vermögensgegenstände zu berücksichtigen. Hierzu zählen alle beweglichen und unbeweglichen Güter in Geld oder Geldeswert. Verwertbar ist Vermögen dann, wenn seine Gegenstände übertragen oder belastet werden können. Ob Vermögensgegenstände verwertbar sind, beurteilt sich dabei unter rechtlichen und tatsächlichen Gesichtspunkten; der Vermögensinhaber muss also über das Vermögen verfügen dürfen, aber auch können. Beide Aspekte verlangen eine Berücksichtigung der zeitlichen Dimension, innerhalb derer das Vermögen voraussichtlich verwertet werden kann. Verwertbarkeit liegt danach nicht vor, wenn eine solche nicht in absehbarer Zeit erwartet werden kann. Der Prüfung der zeitlichen Dimension, innerhalb derer das Vermögen (voraussichtlich) verwertet werden kann, bedarf es, weil die Leistungen nach dem SGB II beanspruchende Person, die ihr verwertbares Vermögen nicht in absehbarer und angemessener Zeit verwerten kann, nicht über bereite Mittel verfügt. Maßgebend für die Prognose, dass ein rechtliches oder tatsächliches Verwertungshindernis wegfällt, ist im Regelfall der Zeitraum, für den die Leistungen bewilligt werden (BSG, Urteil vom 27. Januar 2009 – B 14 AS 42/07 R – juris Rn. 23).

Die Klägerin war zwar im streitbefangenen Zeitraum noch zusammen mit ihrem damaligen Ehemann Miteigentümerin einer Eigentumswohnung in K, und zwar im Verhältnis 1/3 zu 2/3. Dieses Gemeinschaftseigentumsrecht war aber nicht innerhalb des seinerzeit sechsmonatigen Bewilligungszeitraumes (vgl. § 41 Abs 1 Satz 4 SGB II a.F.) im Sinne des § 12 Abs. 1 SGB II verwertbar. Vor dem Hintergrund, dass der damalige Ehemann die Wohnung zusammen mit den gemeinsamen Töchtern bewohnte und er zwei Drittel des Eigentumsrechts innehatte, ist nicht davon auszugehen, dass er innerhalb von sechs Monaten einer Auflösung der Miteigentümergemeinschaft zugestimmt hätte oder ein gemeinsamer Verkauf möglich gewesen wäre, hängt beides doch an einem Einvernehmen des damaligen Ehemannes (vgl. Art 3.117(1) des litauischen Zivilgesetzbuches, dazu Rieck, Ehegüterrecht und Eheverträge in Europa, Broschüre des Bundesverwaltungsamts, Stand Dezember 2016). Die Klägerin hat weiter glaubhaft angegeben, dass sie vor dem streitbefangenen Zeitraum über Geldkonten bei der S-Bank in Litauen verfügt habe, welche im November 2011 in Konkurs gegangen sei, so dass ihr dort angespartes Vermögen vor dem streitbefangenen Zeitraum bereits verloren gewesen sei.

Die im September 2011 in Deutschland eingereiste Klägerin hatte nach § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB II im streitigen Zeitraum ihren gewöhnlichen Aufenthalt (§ 30 Abs. 3 Satz 2 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I)) in B.

Nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II a.F. sind "ausgenommen" – also keine leistungsberechtigten Personen im Sinne des § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II a.F. und ohne Leistungsberechtigung nach dem SGB II – Ausländerinnen und Ausländer, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt. Von diesem Leistungsausschluss umfasst sind erst recht die Staatsangehörigen anderer Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU), die keine deutsche Staatsangehörigkeit besitzen (EU-Ausländer) und nicht über eine materielle Freizügigkeitsberechtigung nach dem FreizügG/EU oder ein Aufenthaltsrecht nach dem AufenthG verfügen (BSG, Urteil vom 3. Dezember 2015 – B 4 AS 44/15 R – juris Rn. 19 ff.; BSG, Urteil vom 16. Dezember 2015 – B 14 AS 15/14 R – juris Rn. 18 ff.; BSG, Urteil vom 20. Januar 2016 – B 14 AS 35/15 R – juris Rn. 24; so seit 29. Dezember 2016 auch § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 a SGB II).

Von den materiellen Freizügigkeitsberechtigungen nach dem FreizügG/EU zu unterscheiden ist die generelle Freizügigkeitsvermutung für EU-Ausländer, für deren rechtmäßige Einreise nach Deutschland ein gültiger Pass genügt (§ 2 Abs. 5 FreizügG/EU). Aufgrund der generellen Freizügigkeitsvermutung muss der Aufenthalt eines EU-Ausländers zumindest so lange als rechtmäßig angesehen werden, bis die zuständige Ausländerbehörde das Nichtbestehen des Freizügigkeitsrechts aufgrund von § 5 Abs. 4 FreizügG/EU bzw. das Vorliegen der Missbrauchstatbestände in § 2 Abs. 7 FreizügG/EU festgestellt und damit nach § 7 Abs. 1 FreizügG/EU die sofortige Ausreisepflicht begründet hat (BSG, Urteil vom 3. Dezember 2015 – B 4 AS 44/15 R – juris Rn. 34; BSG, Urteil vom 20. Januar 2016 – B 14 AS 35/15 R – juris Rn. 25). Diese generelle Freizügigkeitsvermutung allein eröffnet indes weder einen Zugang zu Leistungen nach dem SGB II noch steht sie dem Ausschluss von Leistungen nach dem SGB II entgegen.

Auf eine materielle Freizügigkeitsberechtigung nach dem FreizügG/EU, die nicht von diesem Leistungsausschluss umfasst ist, oder ein Aufenthaltsrecht nach dem AufenthG, welches eine Ausnahme von dem Leistungsausschluss zu rechtfertigen vermag, konnte sich die Klägerin im streitigen Zeitraum nicht berufen.

Eine Freizügigkeitsberechtigung als Arbeitnehmerin oder als Selbstständige nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 FreizügG/EU scheidet aus. Das Gleiche gilt für eine über den 1. September 2013 hinaus nachwirkende Freizügigkeitsberechtigung als Arbeitnehmerin oder selbstständige Erwerbstätige nach § 2 Abs 3 FreizügG/EU. Die Klägerin kann sich wegen der Teilnahme an einem berufsbezogenen Deutschkurs auch nicht auf ein Aufenthaltsrecht zur Berufsausbildung nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 FreizügG/EU berufen. Der Begriff der Berufsausbildung bezieht sich nach der Systematik des Gesetzes nur auf entgeltliche Ausbildungstätigkeiten, die unionsrechtlich einen Arbeitnehmerstatus begründen (vgl. Verwaltungsgericht (VG) Dresden, Beschluss vom 1. August 2013 – 3 L 300/13, VG Augsburg, Urteil vom 20. März 2018 – Au 1 K 17.1036 – zur Teilnahme an Deutschkursen zur Erlangung der Gleichwertigkeitsprüfung bei Ärzten nach § 3 Abs 2 Bundesärzteordnung (BÄO), beide juris). Auszubildende sind Arbeitnehmer, wenn die Berufsausbildung in einem Lohn- oder Gehaltsverhältnis durchgeführt wird. Dies ist bei einer Weiterbildungsmaßnahme, die vollständig aus öffentlichen Mitteln finanziert wird und bei der – wie hier – den Teilnehmern kein Lohn oder Gehalt gezahlt wird, nicht der Fall (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 21. Dezember 2015 – L 25 AS 3035/15 B ER – juris Rn. 4 zu einer Anpassungsqualifizierung für zugewanderte Pflegekräfte). Aus der Teilnahme an den Sprachkursen folgt auch kein Aufenthaltsrecht nach § 2 Abs. 2 Nr. 4 FreizügG/EU als Empfänger von Dienstleistungen. Von der passiven Dienstleistungsfreiheit werden nach der Rechtsprechung des EuGH (Urteil vom 19. Oktober 2004 – C 200/02 – juris) Sachverhaltskonstellationen nicht erfasst, in denen aus dem beabsichtigten Empfang von Dienstleistungen ein nicht nur vorübergehendes, sondern ein dauerhaftes Aufenthaltsrecht abgeleitet werden soll. Die Klägerin strebte offensichtlich einen Daueraufenthalt in Deutschland an, so dass sie nicht nur vorübergehend Dienstleistungen erhielt.

Dahinstehen kann, ob die Klägerin ab 1. September 2013 über eine materielle Freizügigkeitsberechtigung zur Arbeitsuche nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 a FreizügG/EU oder über keine materielle Freizügigkeitsberechtigung mehr verfügte, denn in beiden Fällen ist sie vom Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II a.F. erfasst. Die Voraussetzungen für eine Freizügigkeitsberechtigung nach § 2 Abs. 2 FreizügG/EU nach der Nr. 3 (Erbringer von Dienstleistungen) sowie Nr. 7 (Inhaber eines Daueraufenthaltsrechts) oder als Familienangehörige nach § 2 Abs. 2 Nr. 6, § 3 FreizügG/EU liegen nicht vor. Aufgrund ihrer Hilfebedürftigkeit im Sinne des § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB II a.F. scheidet auch eine Freizügigkeitsberechtigung der Klägerin als Nichterwerbstätige nach § 2 Abs. 2 Nr. 5, § 4 FreizügG/EU aus.

Ein Aufenthaltsrecht der Klägerin nach dem AufenthG, insbesondere vermittels der Günstigkeitsregelung in § 11 Abs. 1 Satz 11 FreizügG/EU, das eine Ausnahme vom Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II a.F. zu rechtfertigen vermag, ist nicht ersichtlich.

Mit EU-Recht ist dieser Leistungsausschluss vereinbar, wie sich aus den Entscheidungen des EuGH vom 11. November 2014 (C-333/13 – Dano) und vom 15. September 2015 (C-67/14 – Alimanovic – beide juris) ergibt.

Das Gleichbehandlungsgebot des Art. 1 des Europäischen Fürsorgeabkommens (EFA) steht dem Leistungsausschluss der Klägerin als litauischer Staatsangehöriger nicht entgegen, denn das EFA ist schon nach seinem persönlichen Anwendungsbereich nicht einschlägig, weil Litauen kein Unterzeichnerstaat dieses Abkommens ist.

Auch Verfassungsrecht steht dem Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II a.F. nicht entgegen. Dieser ist vorliegend schon deshalb mit dem Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG vereinbar, weil der Klägerin existenzsichernde Leistungen durch den Beigeladenen nach § 23 Abs. 1 Satz 3 SGB XII zu gewähren sind (dazu sogleich).

2. Die Klägerin hat im streitigen Zeitraum einen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB XII gegenüber dem Beigeladenen. Der Anwendbarkeit des SGB XII auf die Klägerin steht § 21 Satz 1 SGB XII nicht entgegen. Die erwerbsfähige Klägerin war nicht von Leistungen nach dem SGB XII ausgeschlossen, weil die "Systemabgrenzung" zwischen SGB II und SGB XII zwar grundsätzlich an das Kriterium der Erwerbsfähigkeit anknüpft, jedoch hierauf nicht reduziert werden kann, sondern differenzierter ist. Der Senat hält insoweit an seiner früheren Rechtsprechung (etwa Urteil vom 22. Juni 2017 – L 29 AS 2670/13 – juris Rn. 89), dass in Konstellationen wie der vorliegenden bei Ausschluss nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II a.F. auch kein Leistungsanspruch nach dem SGB XII besteht, nicht mehr fest und folgt nunmehr der langjährigen und gefestigten Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 3. Dezember 2015 – B 4 AS 44/15 R, Urteil vom 20. Januar 2016 – B 14 AS 35/15 R, Urteil vom 30. August 2017 – B 14 AS 31/16 R, Urteil vom 9. August 2018 – B 14 AS 32/17 R, Urteil vom 12. September 2018 – B 14 AS 18/17 R – alle juris). Im Sinne der Abgrenzungsregelung des § 21 Satz 1 SGB XII, die nicht isoliert betrachtet werden darf, sondern mit § 5 Abs. 2 Satz 1 SGB II korrespondiert, sind nach dem SGB II "als Erwerbsfähige oder als Angehörige dem Grunde nach leistungsberechtigt" grundsätzlich die Personen nicht, die auch bei Erfüllung der Leistungsvoraussetzungen von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen sind. Diese Personen können Leistungen nach dem SGB XII erhalten, wenn sie nicht auch durch das SGB XII von Leistungen ausgeschlossen sind (wie z.B. durch § 22 SGB XII, der § 7 Abs. 5 und 6 SGB II entspricht, oder durch § 23 Abs. 2 SGB XII, der § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB II entspricht).

Die Klägerin unterlag im SGB XII dem Leistungsausschluss nach § 23 Abs. 3 Satz 1 SGB XII a.F. Danach haben Ausländer, die eingereist sind, um Sozialhilfe zu erlangen, oder deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt, sowie ihre Familienangehörigen keinen Anspruch auf Sozialhilfe. Für den von der Klägerin für September 2013 bis Februar 2014 geltend gemachten Anspruch ist § 23 Abs. 3 Satz 1 SGB XII noch in dieser, im streitigen Zeitraum geltenden Fassung anzuwenden, weil es an einer hiervon abweichenden Regelung fehlt (Geltungszeitraumprinzip, vgl. BSG, Urteil vom 19. Oktober 2016 – B 14 AS 53/15 R – juris Rn. 14 f.). Insbesondere lässt sich auch insoweit dem Gesetz vom 22. Dezember 2016 (BGBl. I S. 3155) nicht entnehmen, dass es sich Geltung für die Zeit vor seinem Inkrafttreten am 29. Dezember 2016 beimisst.

Zwar ist die Klägerin nach dem Gesamtzusammenhang nicht eingereist, um im Sinne des § 23 Abs. 3 Satz 1 Alt. 1 SGB XII a.F. Sozialhilfe zu erlangen. Hierfür wäre Voraussetzung, dass der Zweck, Sozialhilfe zu erlangen, den Einreiseentschluss geprägt hat (BSG, Urteil vom 3. Dezember 2015 – B 4 AS 44/15 R – juris Rn. 45). Ein solcher finaler Zusammenhang ist hier nicht gegeben. Die Klägerin wurde in Litauen als Pflegekraft angeworben, sie hat kurz nach ihrer Einreise eine Erwerbstätigkeit aufgenommen und zielstrebig die Anerkennung ihrer Fachausbildung betrieben. Doch sind ebenso wie nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II a.F. nach § 23 Abs. 3 Satz 1 Alt. 2 SGB XII a.F. EU-Ausländer, die weder über eine materielle Freizügigkeitsberechtigung nach dem FreizügG/EU, die nicht von diesem Leistungsausschluss umfasst ist, noch ein Aufenthaltsrecht nach dem AufenthG verfügen, vom Anspruch auf Sozialhilfe ausgeschlossen (BSG, a.a.O., Rn. 48 ff.).

Auch dieser Ausschluss vom Anspruch auf Sozialhilfe ist mit dem EU-Recht vereinbar; hier gilt nichts anderes als zum Leistungsausschluss im SGB II.

Der Leistungsausschluss nach § 23 Abs. 3 Satz 1 SGB XII a.F. führt indes nicht zum Ausschluss auch von Ermessensleistungen nach § 23 Abs. 1 Satz 3 SGB XII. Der Senat hält auch insoweit an seiner früheren entgegenstehenden Rechtsprechung nicht mehr fest und folgt der langjährigen gefestigten Rechtsprechung des BSG, wonach § 23 Abs. 3 Satz 1 SGB XII a.F. nur einen Ausschluss von einem Anspruch auf Sozialhilfe im Sinne des § 23 Abs. 1 Satz 1 SGB XII beinhaltet, nicht aber von im Wege des Ermessens zu leistender Sozialhilfe, wie sie § 23 Abs. 1 Satz 3 SGB XII vorsieht. Aufgrund dieser Ermessensregelung in § 23 Abs. 1 Satz 3 SGB XII kommen für vom Leistungsausschluss nach § 23 Abs. 3 Satz 1 SGB XII a.F. erfasste Personen auch die Leistungen nach dem SGB XII in Betracht, auf die für nicht vom Leistungsausschluss erfasste Personen ein Anspruch nach § 23 Abs. 1 Satz 1 SGB XII besteht (BSG, Urteil vom 3. Dezember 2015 – B 4 AS 44/15 R – juris Rn 51 f., Urteil vom 20. Januar 2016 – B 14 AS 35/15 R – juris Rn. 41, Urteil vom 30. August 2017 – B 14 AS 31/16 R – juris, Urteil vom 9. August 2018 – B 14 AS 32/17 R – juris, Urteil vom 12. September 2018 – B 14 AS 18/17 R – juris).

Auf der Grundlage des § 23 Abs. 1 Satz 3 SGB XII hat die Klägerin einen Anspruch gegen den Beigeladenen auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über die Gewährung von Leistungen nach dem SGB XII im streitigen Zeitraum. Dabei ist das Ermessen des Beigeladenen dem Grunde und der Höhe nach auf Null reduziert, weil sich der Aufenthalt der Klägerin nach Ablauf von sechs Monaten tatsächlichem Aufenthalt in Deutschland, ihrem Besuch von Deutschkursen und eines Integrationskurses sowie ihrer im Verfahren dokumentierten Arbeitsuche so verfestigt hat, dass die Erbringung existenzsichernder Leistungen nur im Einzelfall nach Ermessen den verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht mehr genügt. Auch bei der Frage, ob nach einem sechsmonatigen gefestigten Aufenthalt eine Ermessensreduktion auf Null vorliegen kann, hält der Senat an seiner früheren insoweit ablehnenden Rechtsauffassung nicht mehr fest.

Die typisierende Annahme einer Aufenthaltsverfestigung von EU-Ausländern nach Ablauf von sechs Monaten tatsächlichem Aufenthalt in Deutschland, der von der Ausländerbehörde faktisch geduldet wird, hat als normative Anknüpfungspunkte § 23 Abs. 3 Satz 1 Alt. 2 SGB XII a.F. und § 2 Abs. 2 Nr. 1 a FreizügG/EU, die sich auf die Arbeitsuche und die hieraus folgende Freizügigkeitsberechtigung für sechs Monate beziehen (BSG, Urteil vom 3. Dezember 2015 – B 4 AS 44/15 R, Urteil vom 20. Januar 2016 – B 14 AS 35/15 R – beide juris).

Tatsachen, die vorliegend abweichend vom Regelfall gegen eine Verfestigung des tatsächlichen Aufenthalts der Klägerin in Deutschland nach Ablauf von sechs Monaten seit ihrer Einreise im September 2011 und damit gegen eine Ermessensreduzierung auf Null im streitigen Zeitraum vom 1. September 2013 bis 28. Februar 2014 sprechen könnten, sind nicht festzustellen. Vielmehr hat die Klägerin bereits kurz nach ihrer Einreise eine Erwerbstätigkeit aufgenommen und diese bis zu einer arbeitgeberseitigen Kündigung auch ausgeübt, anschließend wegen unverschuldeter Arbeitslosigkeit vom für sie damals örtlich zuständigen Träger Arbeitslosengeld II bis zum Ende der nachwirkenden Freizügigkeitsberechtigung nach § 2 Abs. 3 FreizügG/EU bezogen und die Ermöglichung ihrer Arbeitsaufnahme in dem in Litauen erlernten Pflegeberuf durch Spracherwerb und Anerkennung ihres Abschlusses immer aktiv betrieben. Schließlich endete der Bezug von Arbeitslosengeld II deshalb, weil die Klägerin eine Erwerbstätigkeit in ihrem erlernten Beruf aufnahm und seither bedarfsdeckendes Einkommen bezieht.

Der Klägerin stehen danach im streitigen Zeitraum – bis auf die Unterkunftskosten für September 2013 und Oktober 2013 – dem Grunde und der Höhe nach die gesetzlichen existenzsichernden Leistungen nach dem SGB XII zu. Insbesondere erfüllte sie die Leistungsvoraussetzungen der Hilfe zum Lebensunterhalt nach § 19 Abs. 1, § 27 Abs. 1 SGB XII (vgl. die Feststellungen zu den Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II a.F.). Insbesondere war sie seinerzeit hilfebedürftig. Der Senat ist nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht davon überzeugt, dass sie mit WR eine eheähnliche Gemeinschaft im Sinne des § 20 SGB XII bildete, mit der Folge, dass dessen Einkommen und/oder Vermögen gemäß § 27 Abs. 2 Satz 2 SGB XII auf ihren Bedarf anzurechnen gewesen wäre. Insofern kann im Kern auf die oben stehenden Ausführungen zu § 7 Abs. 3 und 3a SGB II verwiesen werden.

Hinsichtlich der Unterkunftskosten für die Monate September und Oktober 2013 ist der Senat davon ausgegangen, dass kein Bedarf der Klägerin bestand bzw. nachträglich anspruchsvernichtend gedeckt wurde. WR hat die Miete gegenüber dem Hauptvermieter vollständig bezahlt und aus seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung folgt, dass er gegenüber der Klägerin auf seine Forderungen auf Zahlung eines Untermietzinses für die Zeit ihrer Mittellosigkeit dauerhaft verzichtet hat. Da der Beklagte zur Zahlung erst für die Zeit ab 5. November 2013 einstweilig verpflichtet wurde und die Klägerin nach Erhalt der Leistungen im Dezember 2013 auch den Untermietzins für November und Dezember 2013 nachträglich überwies, ist ab diesem Zeitpunkt, d.h. ab November 2013, ein Unterkunftsbedarf anzuerkennen.

Hinsichtlich der nach § 18 Abs. 1 SGB XII erforderlichen Kenntnis des beigeladenen Sozialhilfeträgers ist auf die Kenntnis des beklagten Jobcenters zu verweisen (BSG, Urteil vom 3. Dezember 2015 – B 4 AS 44/15 R – juris Rn. 39), die hier nicht bei Abgabe des Formantrages beim Beklagten am 5. September 2013, sondern bereits am 26. August 2013 mit Eingang des formlosen Antrages der Klägerin mit Schreiben vom 23. August 2013 beim Beklagten anzunehmen ist, mit der Folge, dass die beantragten Leistungen nach dem SGB XII bereits ab dem 1. September 2013 zu gewähren sind. Auch insoweit hält der Senat an seiner bisherigen Rechtsprechung, ein Antrag nach dem SGB II beim hierfür zuständigen Jobcenter umfasse nicht zugleich einen Antrag auf Leistungen nach dem SGB XII, nicht mehr fest.

Seiner Leistungsverpflichtung kann der Beigeladene nicht entgegenhalten, dass der Beklagte hier bereits mit einem Leistungsbescheid verbindlich die Verpflichtung zur Leistungsgewährung übernommen habe. Ein Bescheid über die Gewährung von laufenden Leistungen nach dem SGB II für den streitbefangenen Zeitraum liegt nicht vor. Ein solcher Leistungsbescheid ist insbesondere nicht in dem Schreiben des Beklagten vom 14. November 2013 zu sehen, in dem mitgeteilt wird, dass in Ausführung der gerichtlichen Entscheidung für die Zeit ab 5. November 2013 bis 28. Februar 2014 Leistungen gezahlt werden. In diesem Schreiben wird hinreichend deutlich, dass allein in Ausführung der vorangegangenen gerichtlichen Entscheidung im einstweiligen Rechtschutzverfahren gezahlt werde. Eine eigenständige Verpflichtung zur Leistung liegt darin offenkundig nicht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Sie entspricht dem jeweiligen Obsiegen bzw. Unterliegen.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil hierfür Gründe nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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