S 37 R 978/16

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Köln (NRW)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
37
1. Instanz
SG Köln (NRW)
Aktenzeichen
S 37 R 978/16
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 8 BA 73/18
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits. Der Streitwert wird auf 67.613,76 EUR festgesetzt.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über eine von der Beklagten geltend gemachte Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen für den Zeitraum vom 01.01.2011 bis 31.12.2014.

Die Klägerin wurde mit Gesellschaftsvertrag vom 03.11.1993 gegründet und im Juli 1994 ins Handelsregister eingetragen, nachdem der Betrieb zuvor vom Vater der alleinigen Geschäftsführerin BT sowie der Beigeladenen zu 4) (im Folgenden Beigeladene) in anderer Rechtsform geführt wurde. Gegenstand des Unternehmens ist die Verformung von Metallwaren und Kunststoffen, insbesondere durch moderne Zerspanungstechnik sowie der Handel mit Werkzeugen und Werkzeugmaschinen. Beide Schwestern absolvierten im Betrieb eine Dreher-Ausbildung und sollten nach dem Willen ihres Vaters den Betrieb fortführen. Ursprünglich hielt die Beigeladene mit einem Anteil von 5000 DM 10% der Gesellschaftsanteile und Industriemeister XS als damaliger Geschäftsführer einen Gesellschaftsanteil von 45.000 DM (90 %). Am 11.05.1994 wurden die Gesellschaftsanteile des Herrn S an die beiden Geschwister übertragen, so dass beide seit diesem Zeitpunkt über je 50 % der Anteile verfügen.

Im Gesellschaftsvertrag in seiner durch die Änderung vom 17.10.2000 erfolgten Fassung heißt es insbesondere:

§ 5 Geschäftsführung und Vertretung

1. Die Gesellschaft hat einen oder mehrere Geschäftsführer. Ist nur ein Geschäftsführer bestellt, so vertritt er die Gesellschaft allein. Sind mehrere Geschäftsführer bestellt, so wird die Gesellschaft durch zwei Geschäftsführer gemeinschaftlich oder einen Geschäftsführer in Gemeinschaft mit einem Prokuristen vertreten. ( )

3. Bestellung und Widerruf der Bestellung der Geschäftsführer erfolgen ausschließlich durch die Gesellschafterversammlung.

4. Die Geschäftsführungsbefugnis der Geschäftsführer erstreckt sich nur auf Handlungen, die der gewöhnliche Geschäftsverkehr mit sich bringt. Für alle darüber hinausgehenden Geschäfte ist die Zustimmung der Gesellschafterversammlung erforderlich.

5. Die Rechte und Pflichten der Geschäftsführer bestimmen sich im Übrigen nach dem Gesetz, den mit ihnen abzuschließen Dienstvertrag und den von der Gesellschafterversammlung gegebenen Anweisungen.

6. Die Gesellschafterversammlung kann die Zustimmung zu den Geschäften, die über den üblichen Betrieb hinausgehen, nicht nur für einen Einzelfall, sondern allgemein für einen bestimmten Zeitraum und auch gegenüber bestimmten Personen erteilen. Sie kann den Umfang der zustimmungsbedürftigen Geschäfte erweitern oder beschränken.

§ 8 Gesellschafterversammlung, Beschlüsse

1. Die Gesellschafterbeschlüsse sind in allen Angelegenheiten der Gesellschaft zulässig und kommen mit einfacher Mehrheit zustanden, soweit das Gesetz zwingend keine größere Mehrheit verlangt oder in diesem Vertrag nichts Abweichendes bestimmt ist. ( )"

Im zwischen der Klägerin und der Beigeladenen geschlossenen "Anstellungsvertrag" vom 30.12.1994 sind u.a. folgende Regelungen getroffen worden:

"§ 1 Beginn und Art der Beschäftigung

Der Arbeitnehmer wird ab 01.Janauar 1995 als Dreherin eingestellt.

§ 2 Arbeitszeit

Die regelmäßige Arbeitszeit beträgt 37,5 Stunden in der Woche. Sie richtet sich nach dem Tarifvertrag und den betrieblichen Regelungen. Der Arbeitnehmer ist im Rahmen des gesetzlich zulässigen Umfangs auch verpflichtet, Überstunden zu leisten, soweit es die Verhältnisse des Betriebes erfordern.

§ 3 Arbeitsvergütung

Der Arbeitnehmer erhält ein Bruttogehalt von DM 3500,- monatlich, zahlbar am letzten Werktag jeden Kalendermonats. Die Vergütung der Überstunden erfolgt aufgrund der jeweiligen betrieblichen Bestimmungen.

Der Arbeitnehmer erhält weiterhin ein Urlaubsgeld in Höhe eines halben Monatsgehaltes zahlbar bei Urlaubsbeginn sowie ein Weihnachtsgeld ebenfalls in Höhe eines halben Monatsgehaltes, zahlbar im November bzw. Dezember eines jeden Jahres.

§ 4 Lohn- und Gehaltsfortzahlung im Krankheitsfalle

Bei Arbeitsunfähigkeit wegen Krankheit oder wegen eines ärztlich verordneten und vom zuständigen Sozialversicherungsträger genehmigten Heilverfahrens oder Kuraufenthalts erhält der Arbeitnehmer vom Tage der Arbeitsunfähigkeit an bis zu sechs Monaten das vereinbarte Bruttogehalt.

§ 5 Nebenleistungen

Für Reisen, die im Interesse der Firma notwendig werden, erhält der Arbeitnehmer Kostenerstattung nach den betrieblich festgelegten Sätzen.

Der Arbeitnehmer darf einen betrieblichen Pkw auch privat nutzen; eine Kostenbeteiligung erfolgt nicht. Die GmbH wird den Vorteil ordnungsgemäß lohn- und umsatzversteuern.

§ 6 Urlaub

Der Arbeitnehmer erhält einen Erholungsurlaub von 30 Arbeitstagen im Kalenderjahr. Im Übrigen gelten die Bestimmungen des Bundesurlaubsgesetzes vom 08.Januar.1963."

Die Beigeladene arbeitete fortan zunächst als Dreherin und später - wie auch im streitbefangenen Zeitraum - als Betriebsleiterin für die Klägerin. Sie kümmert sich seither als Betriebsleiterin um die technische Seite und die Führung der Mitarbeiter, wohingegen ihre Schwester als Geschäftsführerin die Gesellschaft im Außenverhältnis vertritt und schwerpunktmäßig für die kaufmännisch/geschäftlichen Angelegenheiten zuständig ist. Die Beigeladene verfügt ebenfalls über eine Kontovollmacht für das Geschäftskonto der Klägerin. Im Laufe der Zeit wurde das monatliche Gehalt der Klägerin fortlaufend erhöht und beträgt nunmehr monatlich 5661,- EUR brutto. Die Gesellschaft beschäftigt durchschnittlich 11 Mitarbeiter. Im Jahre 2004 gewährte die Beigeladene der Klägerin zur Anschaffung eines neuen PKW ein Darlehen i.H.v. 50.000 EUR, welches in monatlich gleich bleibenden Raten von 600 EUR ab dem 01.06.2004 zurückzuzahlen und i.H.v. 6 % pro Jahr zu verzinsen war. Ebenfalls im Jahr 2004 protokollierten die Gesellschafter eine Gesellschafterversammlung vom 26.11.2004 wie folgt:

"Für zukünftige Entscheidungen, welche die Investition neuer Maschinen oder auch das Personalwesen (Einstellungen u. Entlassungen) sowie die strategische Ausrichtung des Unternehmens betreffen, wird vereinbart, dass endgültige Entscheidungen erst dann getroffen werden, wenn beide Gesellschafter zustimmen."

Im Zeitraum vom 30.07. - 03.11.2015 führte die Beklagte im Betrieb der Klägerin eine Betriebsprüfung durch. Nach Anhörung der Klägerin erließ die Beklagte unter dem 16.02.2016 einen Bescheid, mit welchem sie die Klägerin für den Zeitraum vom 01.01.2011 bis 31. 12.2014 zur nach Zahlung von Sozialversicherungsbeiträgen in Höhe von insgesamt 67.613,76 EUR aufforderte. Zur Begründung führte sie aus, dass die Beigeladene als bei der Klägerin abhängig Beschäftigte der Sozialversicherungspflicht in der gesetzlichen Renten- und Arbeitslosenversicherung unterliege, in der Kranken- sowie Pflegeversicherung jedoch Versicherungsfreiheit wegen Überschreitens der Jahresarbeitsentgeltgrenzen bestehe. Die Klägerin habe mit der Beigeladenen einen Arbeitsvertrag geschlossen, welcher die typischen Rechte und Pflichten eines Arbeitnehmers wie insbesondere eine feste monatliche Vergütung, Ansprüche auf Urlaub und Lohnfortzahlung im Krankheitsfall sowie Arbeitszeiten regele. Sie sei auch – anders als ihre Schwester – nicht Geschäftsführerin und damit den Weisungen der Geschäftsführerin zum gewöhnlichen Betrieb des Unternehmens unterworfen. Daran ändere auch ihre Stellung als Gesellschafterin mit einem Anteil von 50 % und die im Gesellschaftsvertrag getroffene Regelung, wonach Beschlüsse der Gesellschafter mit einfacher Mehrheit (bzw. ab 25.10.2016 nur einstimmig) getroffen werden könnten, nichts. Mit ihrer Stellung als Gesellschafterin könne sie zwar ihr unliebsame Beschlüsse der Gesellschafterversammlung verhindern, jedoch selbst gegen den Willen ihrer Schwester keine Entscheidungen treffen und im Übrigen auch keine der Geschäftsführung obliegenden Befugnisse einschränken. Insofern verfüge sie nicht über eine ausreichende Rechtsmacht, ihr unliebsame Weisungen zu verhindern und damit weisungsfrei tätig zu sein. Es sei auch nicht entscheidend, ob von der Geschäftsführerin tatsächlich keine Weisungen gegen ihren Willen getroffen würden, da maßgeblich auf die Rechtsmacht abzustellen sei, auf die es auch im Falle eines Konflikts zwischen den Gesellschaftern maßgeblich ankomme.

Die Klägerin legte gegen diesen Bescheid fristgerecht Widerspruch ein, mit dem sie geltend machte, dass die Gesellschaft faktisch von der Beigeladenen mitgeführt werde. Es habe keinen Sinn gemacht, zwei Geschäftsführerinnen zu bestellen, da die Klägerin lediglich elf Mitarbeiter beschäftige und ansonsten ein Missverhältnis zwischen Geschäftsführung und Arbeitnehmern entstanden wäre. Außerdem halte die Beigeladene 50 % der Anteile der Gesellschaft und sei somit an dieser wie ihre Schwester gleichberechtigt beteiligt. Die gemeinsame Organisation und Planung durch beide Schwestern werde durch das Protokoll der Gesellschafterversammlung vom 26.11.2004 untermauert. Darüber hinaus habe die Beigeladene auch eine unbeschränkte Kontovollmacht über das Geschäftskonto der Klägerin und der Klägerin für den Erwerb eines Dienstfahrzeugs ein Darlehen gewährt. Schließlich habe sich auch im Zusammenhang mit den Überlegungen zur Anschaffung einer CNC Maschine im Jahre 2002 gezeigt, dass die Geschäftsführerin keine Entscheidung über den Kopf der Beigeladenen hinweg treffe, sondern relevante Entscheidungen die Zustimmung beider Schwestern erfordere. Die Geschäftsführerin erteile der Beigeladenen auch keine Weisungen. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 16.06.2016 als unbegründet zurück und führte hierzu im Wesentlichen aus, dass für die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung mitarbeitender Gesellschafter die sich aus dem Gesellschaftsrecht ergebende Rechtsmacht ausschlaggebend sei, über welche die Beigeladene nach dem Gesellschaftsvertrag nicht in ausreichendem Maße verfüge.

Die Klägerin hat an 18.07.2016 Klage erhoben.

Sie wiederholt ihre Ausführungen aus dem Widerspruchsverfahren und macht ergänzend geltend, dass die Gesellschafter den Gesellschaftsvertrag im Jahre 2016 dahingehend den tatsächlichen Verhältnissen angepasst hätten, dass Gesellschafterbeschlüsse nur noch einstimmig gefasst werden könnten. Die tatsächlichen Verhältnisse würden verdeutlichen, dass die Beigeladene nicht abhängig beschäftigt sei, da ihr die Geschäftsführerin keine Weisungen erteile. Vielmehr würden die Entscheidungen für die Klägerin im gemeinsamen Einverständnis erfolgen und bedürften in jedem Fall der Zustimmung der Beigeladenen. Diese sei auch am wirtschaftlichen Erfolg der Klägerin interessiert und von einem unternehmerischen Risiko betroffen, da sie der Klägerin neben ihrer Einlage ein Darlehen zur Anschaffung eines Dienstfahrzeuges zur Verfügung gestellt habe und selbst an der Gewinnentwicklung der Klägerin teilhabe. Die Rechtsmacht der Klägerin sei durch das genannte Protokoll der Gesellschafterversammlung auch hinreichend dokumentiert und abgesichert, so dass die Beklagte in ihrer Einschätzung fehlgehe, dass es der Beigeladenen für die Annahme einer selbstständigen Tätigkeit an der erforderlichen Rechtsmacht fehle.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 16.02.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.06.2016 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie verweist auf ihre Ausführungen im Verwaltungs- bzw. Widerspruchsverfahren. Die Beigeladenen haben keine Anträge gestellt.

Für die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Streit- und die beigezogene Verwaltungsakte sowie darin enthaltenen Schriftsätze verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung geworden sind.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist unbegründet. Die Klägerin ist durch den angegriffenen Bescheid nicht beschwert im Sinne von § 54 Abs. 2 S. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Der angegriffene Bescheid ist rechtmäßig.

Rechtsgrundlage für die Nachforderung ist § 28 p Abs. 1 Satz 5 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV). Danach erlassen die Träger der Rentenversicherung im Rahmen der Prüfung Verwaltungsakte zur Versicherungspflicht und Beitragshöhe der Arbeitnehmer in der Sozialversicherung gegenüber den Arbeitsgebern. Nach § 28e Abs. 1 SGB IV hat der Arbeitgeber den Gesamtsozialversicherungsbeitrag für die bei ihm Beschäftigten, d.h. die für einen versicherungspflichtigen Beschäftigten zu zahlenden Beiträge zur Kranken-, Renten-, Arbeitslosen- und Pflegeversicherung (§ 28d Sätze 1 und 2 SGB IV), sowie die Umlagebeträge nach dem Aufwendungsausgleichsgesetz zu entrichten.

Die Klägerin hatte im Zeitraum von 2011-2014 aus dem der Beigeladenen zu zahlenden Arbeitsentgelt Beiträge zur Renten- und Arbeitslosenversicherung sowie die festgestellten Umlagebeträge zu tragen, da die Beigeladene bei ihr abhängig beschäftigt war. Nach § 1 S. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch unterliegen Beschäftigte der Rentenversicherungspflicht. Nach § 24 f Sozialgesetzbuch Drittes Buch sind Personen, die als Arbeitnehmer gegen Entgelt oder zu ihrer Berufsausübung beschäftigt sind, versicherungspflichtig nach dem SGB III, soweit sie nicht nach § 27 sowie § 28 SGB III versicherungsfrei sind.

I. Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung ist § 7 Abs. 1 S. 1 SGB IV. Danach ist Beschäftigung die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Das Vorliegen eines Beschäftigungsverhältnisses setzt voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und er dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann – vornehmlich bei Diensten höherer Art – eingeschränkt und zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich ausgehend von den genannten Umständen nach dem Gesamtbild der Arbeitsleistung und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (Bundessozialgericht, Urt. v. 30.12.2013 – B 12 KR 17/11 R -, juris 23; Urt. v. 30.4.2013 – B 12 KR 19/11 R –, juris Rn.13; Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 22.04.2015 – L 8 R 680/12 –, juris Rn. 104 m.w.N.). Ausgangspunkt der Prüfung ist zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt und sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt (vgl. Bundessozialgericht, Urt. v. 24.01.2007 – B 12 KR 31/06 R –, juris Rn 17 m.w.N.).

Bei der Feststellung des Gesamtbildes kommt dabei den tatsächlichen Verhältnissen nicht voraussetzungslos ein Vorrang gegenüber den vertraglichen Abreden zu (vgl. BSG, Urteil v. 29.8.2012, a.a.O., juris; ebenso Urteil v. 25.1.2006, B 12 KR 30/04 R; Urteil v. 28.5.2008, B 12 KR 13/07 R). Nach den vom Bundessozialgericht entwickelten Grundsätzen sind die das Gesamtbild bestimmenden tatsächlichen Verhältnisse die rechtlich relevanten Umstände, die im Einzelfall eine wertende Zuordnung zum Typus der abhängigen Beschäftigung erlauben. Ob eine "Beschäftigung" vorliegt, ergibt sich aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es im Rahmen des rechtlich Zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist. Ausgangspunkt ist daher zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt. Eine im Widerspruch zu ursprünglich getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die hieraus gezogene Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung gehen der nur formellen Vereinbarung vor, soweit eine - formlose - Abbedingung rechtlich möglich ist. Umgekehrt gilt, dass die Nichtausübung eines Rechts unbeachtlich ist, solange diese Rechtsposition nicht wirksam abbedungen ist. Zu den tatsächlichen Verhältnissen in diesem Sinne gehört daher unabhängig von ihrer Ausübung auch die einem Beteiligten zustehende Rechtsmacht. Maßgeblich ist die Rechtsbeziehung so, wie sie praktiziert wird, und die praktizierte Beziehung so, wie sie rechtlich zulässig ist (Bundessozialgericht, Urt. v. 28.9.2011, a.a.O., juris; Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Urteil v. 29.6.2011, L 8 (16) R 55/08, Urt. v. 24.9.2014, L 8 R 1104/13, Urt. v. 23.4.2014, L 8 R 376/12, jeweils juris). Die vorgenannten Grundsätze sind auch bei Organen juristischer Personen anzuwenden (statt vieler: BSG, Urteil v. 18.12.2001, B 12 KR 10/01 R).

1. Die Beigeladene hatte im Betrieb der Klägerin eine Stellung inne, wie sie derjenigen von Beschäftigten in einem Arbeitsverhältnis entspricht. So erhielt die Beigeladene von der Klägerin eine feste, vorab vereinbarte und monatlich ausgezahlte Vergütung. Die Beigeladene hatte Anspruch auf eine arbeitnehmertypische Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall sowie auf bezahlten Urlaub.

2. Die Beigeladene war auch unter Berücksichtigung ihrer Stellung als Gesellschafterin im Rahmen einer Beschäftigung i.S. von § 7 Abs. 1 SGB IV für die Klägerin als (abhängig) Beschäftigte versicherungspflichtig erwerbstätig. Einem Beschäftigungsverhältnis zwischen der in der Rechtsform einer GmbH handelnden Klägerin und der Beigeladenen stehen die Bestimmungen des Gesellschaftsvertrages nicht entgegen. Die Beigeladene war insbesondere trotz des Anteils ihrer Gesellschaftsanteile und der ihr damit eingeräumten Möglichkeit, Beschlüsse der Gesellschafterversammlung zu verhindern, weisungsgebunden in den von ihr selbst personenverschieden unterhaltenen Betrieb der Klägerin - einer juristischen Person des Privatrechts - eingegliedert. Die Beigeladene war in dem hier streitigen Zeitraum am Stammkapital der Klägerin in einem Umfang von 50 % beteiligt. Wer aber Gesellschaftsanteile an einer Kapitalgesellschaft - sei es auch an einer Familiengesellschaft - hält, ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts nur dann selbstständig erwerbstätig, wenn damit zugleich eine entsprechende Einflussmöglichkeit auf den Inhalt von Gesellschafterbeschlüssen verbunden ist. Das kann insbesondere in einem seinem Gesellschaftsanteil entsprechendes Stimmgewicht zum Ausdruck kommen oder ausnahmsweise auch in Form einer Sperrminorität, wenn der Betroffene damit rechtlich zugleich über die Möglichkeit verfügt, ihm nicht genehme Weisungen hinsichtlich seiner konkreten Tätigkeit abzuwehren (vgl. hierzu Bundessozialgericht, Urt. v. 29.08.2012, B 12 KR 25/10 R -, juris Rn. 24 ff).

Die Klägerin und die Beigeladene vereinbarten unter § 8 des Gesellschaftsvertrages zwar, dass sämtliche Gesellschafterbeschlüsse mit einfacher Mehrheit - später, dass diese einstimmig zu fassen sind. Neben der Beigeladenen und der Geschäftsführerin wurden keine weiteren Gesellschafter in die GmbH aufgenommen. Die Beigeladene verfügte damit über einen Anteil an der Gesellschaft, mit dem sie ihr unliebsame Beschlüsse verhindern konnte. Allerdings reichte diese Rechtsstellung der Beigeladenen als Gesellschafterin nicht so weit, dass sie damit jegliche Einzelanweisung im Rahmen ihrer - vorliegend sozialversicherungsrechtlich allein zu beurteilenden - Erwerbstätigkeit für die Klägerin an sich jederzeit hätte verhindern können. Vielmehr blieb die Beigeladene trotz der ihr auf der Ebene des Gesellschaftsvertrages hinsichtlich der Geschicke der GmbH eingeräumten Rechtsstellung hinsichtlich der im Betrieb konkret ausgeübten Tätigkeiten weisungsgebunden und war in den von ihr personenverschiedenen (fremden) Betrieb der Klägerin. eingegliedert.

Ein GmbH-Gesellschafter, der von der GmbH angestellt und nicht zum Geschäftsführer bestellt wurde, besitzt allein aufgrund seiner gesetzlichen Gesellschafterrechte in der Gesellschafterversammlung nicht regelmäßig zugleich auch die Rechtsmacht, seine Weisungsgebundenheit als Angestellter der Gesellschaft nach Belieben aufzuheben oder abzuschwächen. Die Rechtsmacht eines Gesellschafters mit Sperrminorität, welcher der Rechtsstellung der Beigeladenen hier entspricht - erschöpft sich vielmehr allein darin, Beschlüsse der Gesellschafterversammlung verhindern zu können (Bundessozialgericht, Urt. v 17.05.2001 – B 12 KR 34/00 R sowie vom 19.08.2015 – B 12 KR 9/14 R -, juris Rn. 28 m.w.N.; Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Urt. v. 07.01.2016 – L 9 KR 84/13 -, juris Rn. 34; Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 25.11.2015 – L 8 R 273/12 -, juris Rn. 117 ff). Vorbehaltlich abweichender Bestimmungen im Gesellschaftsvertrag ist die Dienstaufsicht und das Weisungsrecht über die Angestellten der GmbH Sache der laufenden Geschäftsführung, nicht dagegen der Gesellschafterversammlung (vgl. Bundessozialgericht, a.a.O.; Urteil v. 23.6.1994 - 12 RK 72/92 -, juris Rn 15; Urt. v. 25.01.2006 - B 12 KR 30/04 R -, juris Rn. 23).

Entsprechendes gilt auch im vorliegenden Fall: Als alleinige Geschäftsführerin der Klägerin war die Schwester der Beigeladenen bestellt. Die Klägerin war im Rahmen ihrer Erwerbstätigkeit für die Klägerin an die Weisungen der Geschäftsführerin rechtlich gebunden. Alleine diese führte die laufenden Geschäfte der GmbH, zu denen auch die Ausübung des Weisungsrechts gegenüber den Beschäftigten der Gesellschaft gehörte. Einschränkungen in Bezug auf dieses Weisungsrecht sieht der Gesellschaftsvertrag insoweit nicht vor, insbesondere hat sich die Gesellschafterversammlung keine Weisungsrechte gegenüber Beschäftigten vorbehalten. Der Beurteilung der Tätigkeit als abhängige Beschäftigung steht auch nicht der Beschluss der Gesellschafterversammlung vom 26.11.2004 entgegen. Dieser enthält keine Einschränkungen des Weisungsrechts der Geschäftsführerin über die laufenden Geschäfte und betrifft im Übrigen alleine einen eng begrenzten, abschließend aufgezählten Aufgabenkreis.

3. Die Beigeladene trug auch kein relevantes Unternehmerrisiko. Maßgebliches Kriterium hierfür ist, ob eigenes Kapital oder die eigene Arbeitskraft auch mit der Gefahr des Verlustes eingesetzt werden, der Erfolg des Einsatzes also ungewiss ist. Erforderlich ist ein Risiko, das über das Risiko hinausgeht, für den Arbeitseinsatz kein Entgelt zu erzielen. Ein unternehmerisches Risiko ist jedoch nur dann ein Hinweis auf eine selbstständige Tätigkeit, wenn diesem Risiko auch größere Freiheiten in der Gestaltung und der Bestimmung des Umfangs beim Einsatz der eigenen Arbeitskraft gegenüber stehen (Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, a.a.O., Rn. 122 m.w.N.). Die Beigeladene setzte ihre Arbeitskraft jedoch nicht mit ungewissem Erfolg ein, da eine von der Ertragslage unabhängige Vergütung vereinbart worden war. Das Risiko, ihre Stammeinlage zu verlieren, geht nicht über das übliche Risiko eines GmbH-Gesellschafters hinaus. Gleiches gilt für das der Klägerin gewährte Darlehen zur Anschaffung eines Dienstwagens. Zum einen ist es nichtunüblich, dass Beschäftigte ihren Arbeitgebern ein Darlehen zur Verfügung stellen; zum anderen wurde der Beigeladenen mit dieser Darlehensgewährung kein größerer Freiraum eingeräumt.

4. Schließlich ist auch die Gewinnbeteiligung der Beigeladenen an den Erträgen der Klägerin kein Kriterium, das im Rahmen der Gesamtabwägung ihre Tätigkeit als selbständige Tätigkeit erscheinen ließe. Angesichts des Umstandes, dass jedenfalls die Gewährung von Tantiemen an Arbeitnehmer nicht ungewöhnlich ist, ist dieser Aspekt nicht wesentlich (vgl. hierzu: Landessozialgericht Nordrhein- Westfalen, a.a.O., Rn. 125).

5. Insgesamt hatte die Beigeladene als Betriebsleiterin zwar weitreichende Entscheidungsbefugnisse, wie auch die Einräumung einer Kontovollmacht über das Betriebskonto der Klägerin zeigt; diese gingen jedoch nicht über die eines "leitenden Angestellten" hinaus, der in funktionsgerecht dienender Teilhabe am Arbeitsprozess einem geminderten Weisungsrecht unterliegt (Vgl. Bundessozialgericht, Urt. v. 18.12.2001 – B 12 KR 10/01 R). In der Gesamtabwägung überwiegen die Gesichtspunkte für die Annahme einer anhängigen Beschäftigung daher deutlich. Die Beigeladen kann sich auch vor dem Hintergrund der Ergebnisse früherer Betriebsprüfungen nicht auf Vertrauensschutz berufen, da diese keine die Beklagte bindende Feststellung über den sozialversicherungsrechtlichen Status der Beigeladenen trafen.

6. Der Anspruche auf die Entrichtung der Beiträge ist auch nicht verjährt i.S.v. § 25 SGB IV. Da die Verjährung während der Zeit der Prüfung bei der Klägerin im Zeitraum vom 30.07. bis 03.11.2015 gem. § 25 Abs. 2 S. 2 SGB IV gehemmt war, liegen die mit Bescheid vom 16.02.2016 geltend gemachten Beitragsforderungen im Vierjahreszeitraum.

II. Die Kostenentscheidung richtet sich nach § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. §§ 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung.

III. Der Streitwert bestimmt sich nach § 197a SGG i. V. m. § 52 Abs. 1 und 3 Gerichtskostengesetz (GKG).
Rechtskraft
Aus
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