Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
SG Dresden (FSS)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
18
1. Instanz
SG Dresden (FSS)
Aktenzeichen
S 18 KR 530/18
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Die intensivmedizinische Komplexbehandlung kann nur abgerechnet werden, wenn die Behandlungsleitung durch einen Facharzt mit der Zusatzweiterbildung Intensivmedizin gewährleistet ist. Dies setzt voraus, dass dieser auch an Wochenenden zumindest stundenweise anwesend ist, weil die Behandlungsleitung auf einer Intensivstation von den medizinischen Bedürfnissen der Patienten geprägt und weniger planbar ist als zum Beispiel eine multimodale Schmerzbehandlung.
I. Die Klage wird abgewiesen. II. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens. III. Der Streitwert wird auf 12.003,77 EUR festgesetzt.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Vergütung einer stationären Krankenhausbehandlung.
Auslöser des Streits ist allein die Frage, ob der Kläger die Strukturvoraussetzungen erfüllt, um den OPS 8-980.20 (Intensivmedizinische Komplexbehandlung) abzurechnen, der hier die eingeklagte Summe von 12.003,77 EUR ausmacht.
Der Kläger betreibt ein zugelassenes Krankenhaus. In diesem Krankenhaus wurde der bei der beklagten Krankenkasse versicherte Patient W. B ... in der Zeit vom 16.8.2015 bis zum 28.8.2015 stationär behandelt. Vom 16.8.2015 bis 27.8.2015 befand sich der Patient auf der Intensivstation. Ausweislich der Dienstpläne für diesen Zeitraum waren dort der Oberarzt Dr. Andreas B ... und die Ärztin Katrin P ..., die beide über die Zusatzweiterbildung "Intensivmedizin" verfügen, tätig. Die Arbeitszeit der beiden Ärzte wurde durch den Kläger so organisiert, dass 7,5 h täglich jeweils einer der beiden entweder in der Frühschicht von 7:00 Uhr bis 15:30 Uhr oder in der Spätschicht von 15:00 bis 23:30 Uhr anwesend war. Außerdem gab es lange Tage mit Anwesenheiten von 7:00 Uhr bis 19:30 Uhr. Das Schichtsystem stellte allerdings nicht sicher, dass an den freien Tagen der Ärzte, also insbesondere an den Wochenenden und in Urlaubsfällen eine tägliche Anwesenheit eines Facharztes mit der Zusatzweiterbildung "Intensivmedizin" gewährleistet war. In dem hier konkret betroffenen Abrechnungsfall waren weder Dr. Andreas B noch Katrin B ... am 16.8.2015 (Sonntag) im Krankenhaus des Klägers tätig.
Der Kläger stellte am 15.9.2015 eine Rechnung über den stationären Aufenthalt in Höhe von insgesamt 24.786,59 EUR wobei er als Prozedur u.a. den OPS 8-980.2 (Intensivmedizinische Komplexbehandlung – Basisprozedur) verschlüsselte. Die Beklagte zahlte den Rechnungsbetrag zunächst und beauftragte sodann den Medizinischen Dienst der Krankenkassen mit einer Prüfung des Behandlungsfalls im Hinblick auf die Kodierung der Zusatzentgelte und den OPS.
Nachdem der Medizinische Dienst der Krankenkassen in seinem Gutachten vom 25.2.2016 zu dem Ergebnis gekommen war, dass die Strukturvoraussetzungen zur Kodierung des OPS nicht gegeben seien, verrechnete die Beklagte am 11.4.2018, 12.4.2018, 13.4.2018 und 17.4.2018 den hier strittigen Betrag von 12.003,77 EUR gegen andere unstrittige Forderungen des Klägers.
Der Kläger hat am 20.6.2018 Klage erhoben. Er ist der Auffassung, dass die Strukturvoraussetzungen seit 2015 erfüllt seien.
Die Behandlungsleitung sei durch Oberarzt Dr. Andreas B ... (Führung der ITS Station) und die Ärztin Katrin P ... erfolgt. Außerdem habe der Oberarzt Dr. M ... (Oberarzt der Klinik für Innere Medizin) in Notfällen zur Verfügung gestanden, obwohl er in den Dienstplan der Intensivstation nicht eingetragen gewesen sei. Informell habe auch an Wochenenden für die anwesenden Mediziner die Möglichkeit bestanden, Dr. Andreas B ... und Katrin P ... anzurufen. Bei den präsenten Ärzten am Wochenende habe es sich ebenfalls um in der Intensivmedizin erfahrene Kollegen gehandelt. Soweit der OPS als Voraussetzung formuliere: "Behandlungsleitung durch einen Facharzt mit der Zusatzweiterbildung "Intensivmedizin" sei eine 24 stündige Anwesenheit an 7 Tagen pro Woche gerade nicht gefordert. Dies zeige sich auch aus dem unterschiedlichen Wortlaut für ärztliche Präsenz und Behandlungsleitung. Nach der Rechtsprechung des BSG gehe es bei der Behandlungsleitung um eine gesteigerte Verantwortung für die unmittelbare Behandlung der Patienten und nicht nur um die Verantwortung für die Organisation und das Funktionieren der Behandlungseinheit (B 1 KR 4/15 R, Rn 48). Zum Verantwortlichen bei der multimodalen Schmerztherapie (OPS 8-918) habe das BSG ausgeführt, dass dieser regelmäßig von Montags bis Freitags im Haus sein müsse, wobei eine halbtägige Anwesenheit ausreiche. Eine Vertretungsregelung müsse gerade nicht getroffen werden.
Die AOK Plus habe durch den MDK federführend im Jahr 2014 die strukturellen Mindestanforderungen geprüft und dabei eine Checkliste verwendet, die gerade nicht eine 24-stündige Anwesenheit der Behandlungsleitung abgefragt habe. Gleichwohl habe die AOK Plus fehlerhaft zunächst die Strukturvoraussetzung "Behandlungsleitung" moniert, insbesondere weil die Vertretung bei Abwesenheit, Urlaub oder an Sonn- und Feiertagen nicht belegt gewesen sei. Dies könne seitens des Klägers nicht nachvollzogen werden. Mittlerweile hätten die Kostenträger aber die Strukturvoraussetzungen anerkannt, ohne dass sich bei der Intensivstation organisatorische Veränderungen ergeben hätten. Auch die AOK Plus habe später telefonisch ihre Bedenken fallen gelassen und die strittigen Behandlungsfälle ausgeglichen.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 12.003,77 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus jährlich seit dem 18.4.2018 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt schriftsätzlich, sachdienlich gefasst,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte ist der Auffassung, dass die Strukturvoraussetzungen nicht erfüllt seien. Sie verweist insoweit auf ein weiteres Gutachten des MDK vom 7.9.2020, dessen Argumentation sie sich zu Eigen macht. Auch aus der Empfehlung zur Struktur und Ausstattung von Intensivstationen der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) sei zu schlussfolgern, dass eine durchgehend hohe Arztpräsenz durch einen Intensivmediziner mit der geforderten Weiterbildung auch Feiertage, Wochenenden oder Urlaubszeiten einschließen müsse. Die Strukturvoraussetzung der Behandlungsleitung sei durch den Kläger nicht erfüllt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, die Patientenakte des Klägers und die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsvorgänge Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.
Entscheidungsgründe:
Die Kammer konnte in Abwesenheit der Beklagten verhandeln und entscheiden, weil diese mit der ordnungsgemäß zugestellten Ladung auf diese Konsequenz ihres Ausbleibens (§ 126 SGG) hingewiesen worden ist.
Die als echte Leistungsklage zulässige Klage ist unbegründet.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zahlung von 12.003,77 EUR. Der ursprünglich entstandene und unstrittige Anspruch des Klägers gegen die Beklagte auf Vergütung von Krankenhausbehandlungsleistungen für andere Versicherte erlosch durch die Aufrechnungserklärung der Beklagten. Der Beklagten stand nämlich wegen des streitgegenständlichen stationären Aufenthalts ein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch gegen den Kläger zu.
Der Vergütungsanspruch für die Krankenhausbehandlung und damit korrespondierend die Zahlungsverpflichtung einer Krankenkasse entsteht - unabhängig von einer Kostenzusage - unmittelbar mit der Inanspruchnahme der Leistung durch den Versicherten kraft Gesetzes, wenn die Versorgung in einem zugelassenen Krankenhaus erfolgt und i. S. von § 39 Abs. 1 Satz 2 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) erforderlich und wirtschaftlich ist (BSG, Urteil vom 23.06.2015, Az. B 1 KR 26/14 R, juris, Rdnr. 34, m.w.N.).
Das Gericht folgt dem Bundessozialgericht dahingehend, dass sich die Prüfung des Gerichts darauf beschränkt, die korrekte Kodierung nachzuvollziehen, weil das Grouping selbst als automatisiertes Datenverarbeitungsverfahren abläuft. Das Bundessozialgericht hat dazu ausgeführt: "Welche DRG-Position abzurechnen ist, ergibt sich rechtsverbindlich nicht aus einem schriftlich festgelegten abstrakten Tatbestand, sondern aus der Eingabe von im Einzelnen von einem Programm vorgegebenen, abzufragenden Daten in ein automatisches Datenverarbeitungssystem und dessen Anwendung (zur rechtlichen Einordnung des Groupierungsvorgangs vgl. BSGE 109, 236 = SozR 4-5560 § 17b Nr. 2, Rdnr. 19 ff). [ ] Das den Algorithmus enthaltende und ausführende Programm greift dabei auch auf Dateien zurück, die entweder als integrale Bestandteile des Programms mit vereinbart sind (z. B ... die Zuordnung von ICD-10-Diagnosen und Prozeduren zu bestimmten Untergruppen im zu durchlaufenden Entscheidungsbaum) oder an anderer Stelle vereinbarte Regelungen wiedergeben. Zu letzteren gehören die Fallpauschalen selbst, aber auch die Internationale Klassifikation der Krankheiten (ICD-10) in der jeweiligen vom Deutschen Institut für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) herausgegebenen deutschen Fassung [ ] sowie die Klassifikation des vom DIMDI im Auftrag des BMG herausgegebenen Operationen- und Prozedurenschlüssels [ ]. Die Verbindlichkeit der in dem jeweiligen Vertragswerk angesprochenen Klassifikationssysteme folgt allein aus dem Umstand, dass sie in die zertifizierten Grouper einbezogen sind (vgl. BSGE 109, 236 = SozR 4-5560 § 17b Nr. 2, Rdnr. 24).
Die Anwendung der Deutschen Kodierrichtlinien und der FPV-Abrechnungsbestimmungen einschließlich des ICD-10-GM und des OPS ist nicht automatisiert und unterliegt als Mitsteuerung der prozesshaften Tatbestandsbildung im Zusammenspiel mit den Vorgaben zertifizierter Grouper ihrerseits grundsätzlich den allgemeinen Auslegungsmethoden der Rechtswissenschaft. Die Abrechnungsbestimmungen sind gleichwohl wegen ihrer Funktion im Gefüge der Ermittlung des Vergütungstatbestandes innerhalb eines vorgegebenen Vergütungssystems eng am Wortlaut orientiert und unterstützt durch systematische Erwägungen auszulegen. Eine Vergütungsregelung, die für die routinemäßige Abwicklung von zahlreichen Behandlungsfällen vorgesehen ist, kann ihren Zweck nur erfüllen, wenn sie allgemein streng nach ihrem Wortlaut sowie den dazu vereinbarten Anwendungsregeln gehandhabt wird und keinen Spielraum für weitere Bewertungen sowie Abwägungen belässt." (BSG, Urteil vom 14. Oktober 2014 – B 1 KR 26/13 R –, SozR 4-2500 § 301 Nr. 3, juris)
Da die übrigen Voraussetzungen eines Zahlungsanspruchs für die Behandlung des Patienten W. B ... zwischen den Beteiligten unstrittig sind, beschränkt das Gericht seine Ausführungen im Folgenden auf die strittige Frage, ob die Strukturvoraussetzungen für die Abrechnung des OPS 8-980.20 – intensivmedizinische Komplexbehandlung (Basisprozedur) erfüllt sind, womit die klageweise geltend gemachte Summe korrespondiert.
Nach Auffassung der Kammer durfte der Kläger die Prozedur OPS 8-980.20 nicht abrechnen, weil dessen Strukturvoraussetzung: Behandlungsleitung durch einen Facharzt mit der Zusatzweiterbildung "Intensivmedizin" im hier maßgeblichen Zeitraum nicht vollständig erfüllt ist.
Dabei versteht die Kammer - insoweit dem Bundessozialgericht in seinen Entscheidungen zur geriatrischen frührehabilitativen Komplexbehandlung (BSG, Urteil vom 10. März 2015 – B 1 KR 4/15 R –, Rn. 14, juris) und zur multimodalen Schmerztherapie (BSG, Urteil vom 18. Juli 2013 – B 3 KR 7/12 R –, juris, Rn. 22) folgend – den Begriff der Behandlungsleitung dahingehend, "dass es dabei um eine gesteigerte Verantwortung für die unmittelbare Behandlung der Patienten und nicht nur um die Verantwortung für die Organisation und das Funktionieren der Behandlungseinheit geht." Es kommt auf die tatsächliche Ausübung der Behandlungsleitung an. Auch ohne Nennung einer konkreten Anwesenheitszeit im OPS kann die Behandlungsleitung demnach nur ein Arzt/ eine Ärztin ausüben, der/ die nach dem Umfang seiner/ ihrer Tätigkeit generell in der Lage ist, diese Verantwortung tatsächlich auch wahrzunehmen, was seine/ ihre Anwesenheit in dem Krankenhaus in einem bestimmten Mindestumfang voraussetzt.
Der Begriff "Behandlungsleitung" wird im OPS an vielen Stellen verwendet, so zum Beispiel bei den frührehabilitativen Komplexbehandlungen, der multimodalen Schmerztherapie und bei den sonstigen multimodalen Komplexbehandlungen (OPS 1-775, 8-550, 8-553, 8-559, 8-918, 8-91c, 8-97, 8-980, 8-981, 8-983, 8-984, 8-986, 8-988, 8-98a, 8-98b, 8-98d). In allen diesen Fällen wird als Strukturvoraussetzung definiert, dass die Behandlungsleitung durch eine Fachärztin oder einen Facharzt mit einer ganz spezifischen Qualifikation ausgeübt werden soll. Zeitliche Vorgaben dahingehend, wann diese Fachärztin oder dieser Facharzt anwesend sein muss oder wie in Abwesenheit zu verfahren ist, enthalten die OPS in allen diesen Fällen nicht. Nur beim OPS 8-98e (Spezialisierte stationäre palliativmedizinische Komplexbehandlung) findet sich eine zeitliche Vorgabe, nämlich: "[ ] Fachliche Behandlungsleitung durch einen Facharzt mit Zusatzweiterbildung Palliativmedizin und mindestens 6-monatiger Erfahrung in der Behandlung von Palliativpatienten auf einer Palliativstation oder in einer anderen Einrichtung der spezialisierten Palliativversorgung. Die 24-stündige fachliche Behandlungsleitung kann durch Rufbereitschaft gewährleistet werden [ ]"
Aus dem Wortlaut des OPS ist daher zu schlussfolgern, dass der Begriff Behandlungsleitung nicht grundsätzlich im Sinne einer 24-stündigen Anwesenheit, sondern funktional für die jeweilige Behandlung zu verstehen ist. Dabei definieren letztlich die konkreten medizinischen Erfordernisse der jeweiligen Behandlung den Umfang, den eine "Behandlungsleitung" mindestens haben muss. Dies sieht auch das Bundessozialgericht so, das für die multimodale Schmerzbehandlung insoweit als Mindestanwesenheitszeit eine jeweils mindestens halbtägliche Anwesenheit regelmäßig montags bis freitags für notwendig erachtet hat, damit die Funktion der Behandlungsleitung überhaupt gewährleistet werden kann (BSG, Urteil vom 18. Juli 2013 – B 3 KR 7/12 R –, juris, Rn. 22).
Für den vorliegenden Fall der intensivmedizinischen Komplexbehandlung erfordert die Behandlungsleitung durch einen Facharzt mit der Zusatzweiterbildung Intensivmedizin allerdings aufgrund der medizinischen Gegebenheiten auch eine zumindest stundenweise Anwesenheit am Wochenende.
Nach der Rechtsprechung des BSG ist Intensivmedizin die Behandlung, Überwachung und Pflege von Patienten, bei denen die für das Leben notwendigen sog. vitalen oder elementaren Funktionen von Atmung, Kreislauf, Homöostase und Stoffwechsel lebensgefährlich bedroht oder gestört sind, mit dem Ziel, diese Funktionen zu erhalten, wiederherzustellen oder zu ersetzen, um Zeit für die Behandlung des Grundleidens zu gewinnen (BSG, Urteil vom 28.02.2007 – B 3 KR 17/06 R – juris Rn. 19). Die Zahl der betreuten Patienten auf der Intensivstation ist deutlich geringer als auf normalen Krankenstationen, weil das Pflegepersonal die Körperfunktionen ihrer Patienten wesentlich umfangreicher beobachten und überwachen muss. Die apparative Versorgung ist vielfältiger und umfasst neben den Geräten zur kontinuierlichen Kontrolle von EKG, Blutdruck, Körpertemperatur und anderen Vitalparametern meist zusätzliche Spezialapparaturen – etwa Beatmungsgeräte, elektronisch gesteuerte Medikamentenpumpen, Beobachtungsmonitore oder Dialysegeräte, die alle – abhängig vom jeweiligen Krankheitsbild – in unmittelbarer Nähe zum Patientenbett vorhanden sein müssen (BSG, a.a.O.). Auch die ärztliche Tätigkeit ist intensiver als auf anderen Stationen; der Arzt muss bei auftretenden Krisen unmittelbar eingreifen, entsprechende Notfallkompetenz besitzen und die Intensivapparatur zielgerecht einsetzen können. Der Aufenthalt auf einer Intensivstation stellt deshalb die nachhaltigste Form der Einbindung in einen Krankenhausbetrieb und damit den Prototyp einer stationären Behandlung dar (BSG, a.a.O.).
Gerade dann, wenn aber die für das Leben notwendigen sog. vitalen oder elementaren Funktionen von Atmung, Kreislauf, Homöostase und Stoffwechsel lebensgefährlich bedroht oder gestört sind, kann der Auftrag der "Behandlungsleitung", also die gesteigerte Verantwortung für die unmittelbare Behandlung der Patienten nicht über das Wochenende oder "Fehltage" pausieren, selbst wenn im Übrigen eine ständige ärztliche, intensivmedizisch erfahrene Präsenz sichergestellt ist. Eine "informelle" Möglichkeit zur telefonischen Rückfrage reicht insoweit auch nicht aus. Deswegen kann eine Unterbrechung über das Wochenende, die im hier strittigen Abrechnungsfall z.B. am 16.8.2015 vorlag, nicht mehr als tatsächliche Ausübung der Behandlungsleitung angesehen werden. Anders als die multimodale Schmerzbehandlung, die in ihren Abläufen eher planbar ist, kann es auf einer intensivmedizinischen Station häufiger dazu kommen, dass ungeplant kriseninduziert reagiert werden muss. Zwar kann die reine Notfallintervention auch durch die erfahrenen Intensivmedizinerinnen und – mediziner erfolgen, die nach dem OPS ohnehin rund um die Uhr anwesend sein müssen und beim Kläger auch anwesend sind. Gleichwohl kann auf Intensivstationen jede Krisensituation aber auch ein Anlass dafür sein, die Behandlungsstrategie an sich einer kritischen Prüfung und ggfls Anpassung zu unterziehen. Diese Maßnahmen der Behandlungsleitung sollen nach dem OPS aber gerade durch Fachärztinnen und Fachärzte mit der Zusatzweiterbildung Intensivmedizin durchgeführt werden. Wegen der schwerwiegenden Erkrankungen der Patientinnen und Patienten auf einer Intensivstation können behandlungsleitende Entscheidungen auch nicht in jedem Fall zwei Tage warten. Deswegen müssen die für die Behandlungsleitung qualifizierten Ärztinnen und Ärzte täglich verfügbar sein, wobei die Kammer offen lassen kann, ob hierfür eine Anwesenheit von 7,5 Stunden in Früh- oder Spätdienst ausreichend ist.
Darüber hinaus orientiert sich die Kammer zur Ausfüllung des Begriffs der Behandlungsleitung und deren erforderlichem Umfang auf Intensivstationen auch an den "Empfehlungen zur Struktur und Ausstattung von Intensivstationen" der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin vom 30.11.2010 (DIVI-Empfehlungen, veröffentlicht im Internet unter https://www.divi.de) Hier heißt es unter "Ärztlicher Ausstattung" auszugsweise:
"Eine Intensivtherapiestation soll durch einen Arzt geleitet werden, der die Zusatzbezeichnung Intensivmedizin besitzt und hauptamtlich auf der Intensivtherapiestation tätig ist (Empfehlungsgrad 1A). Auf der Intensivtherapiestation soll 24 Stunden an 7 Tagen in der Woche ein Arzt präsent sein, der in der Intensivmedizin erfahren ist und die aktuellen Probleme der Patienten kennt (Empfehlungsgrad 1A). Ein Arzt mit mindestens der in der Weiterbildungsordnung geforderten Weiterbildung in der Intensivmedizin (Facharztstandard) soll auf der Intensivtherapiestation präsent sein, nachts zumindest im Krankenhaus präsent und kurzfristig auf der Intensivtherapiestation sein; (Empfehlungsgrad 1B). Für 8 bis 12 Betten sind mindestens sieben Arztstellen erforderlich (40 Stundenwoche), neben der Stelle des Leiters und dessen Ausfallskompensation (Empfehlungsgrad 1C)."
Die Kammer stellt insoweit fest, dass die Strukturvorgaben des OPS 8-980 weitgehend den Empfehlungen der DIVI mit dem Empfehlungsgrad 1A folgen, was nach Auffassung der Kammer nur folgerichtig ist, weil es sich insoweit um den wissenschaftlichen Stand handelt. Auch das DIVI nennt für die Behandlungsleitung keine Zeitvorgabe, empfiehlt jedoch mit Empfehlungsgrad 1B die ständige Präsenz eines Arztes mit mindestens der in der Weiterbildungsordnung geforderten Weiterbildung in der Intensivmedizin. Diese Vorgabe ist zwar gerade nicht in die Strukturvoraussetzungen des OPS 8-980 eingeflossen, weil dort die Behandlungsleitung nicht mit der ständigen Verfügbarkeit verknüpft wird; sie bestätigt jedoch die Einschätzung der Kammer, dass die Behandlungsleitung durch eine Person, die nicht nur erfahren ist, sondern gerade die Zusatzweiterbildung absolviert hat, jedenfalls nicht über ganze Tage pausieren kann. Aus diesem Grund hielt es die Kammer auch nicht für erforderlich, weitere medizinisch sachverständige Äußerungen zu dieser Frage einzuholen.
Der Kläger hat daher keinen Anspruch auf Zahlung der strittigen Summe.
Dass im vorliegenden Fall, anders als in weiteren Behandlungsfällen des Klägers, die die Kammer unter den Aktenzeichen S 18 KR 531/18 und S 18 KR 532/18 entschieden hat, "nur" eine Lücke der Behandlungsleitung am Aufnahmetag selbst vorlag, ändert nichts an der grundsätzlichen Verneinung der Strukturvoraussetzungen. Denn Sinn der Strukturvoraussetzungen ist die Gewährleistung einer qualitativ hochwertigen und insoweit auch gleichbleibend hochwertigen Versorgungsqualität. Dem Gericht ist bekannt, dass einige Wochenenden durchaus sichergestellt waren. Im Übrigen gab es aber organisatorisch bedingte strukturelle Lücken bei der Gewährleistung der Behandlungsleitung durch eine Fachärztin/einen Facharzt mit der Zusatzweiterbildung "Intensivmedizin".
Die Kostenentscheidung folgt auf § 197a SGG iVm § 154 Abs. 2 VWGO. Die Berufungssumme wird erreicht.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Vergütung einer stationären Krankenhausbehandlung.
Auslöser des Streits ist allein die Frage, ob der Kläger die Strukturvoraussetzungen erfüllt, um den OPS 8-980.20 (Intensivmedizinische Komplexbehandlung) abzurechnen, der hier die eingeklagte Summe von 12.003,77 EUR ausmacht.
Der Kläger betreibt ein zugelassenes Krankenhaus. In diesem Krankenhaus wurde der bei der beklagten Krankenkasse versicherte Patient W. B ... in der Zeit vom 16.8.2015 bis zum 28.8.2015 stationär behandelt. Vom 16.8.2015 bis 27.8.2015 befand sich der Patient auf der Intensivstation. Ausweislich der Dienstpläne für diesen Zeitraum waren dort der Oberarzt Dr. Andreas B ... und die Ärztin Katrin P ..., die beide über die Zusatzweiterbildung "Intensivmedizin" verfügen, tätig. Die Arbeitszeit der beiden Ärzte wurde durch den Kläger so organisiert, dass 7,5 h täglich jeweils einer der beiden entweder in der Frühschicht von 7:00 Uhr bis 15:30 Uhr oder in der Spätschicht von 15:00 bis 23:30 Uhr anwesend war. Außerdem gab es lange Tage mit Anwesenheiten von 7:00 Uhr bis 19:30 Uhr. Das Schichtsystem stellte allerdings nicht sicher, dass an den freien Tagen der Ärzte, also insbesondere an den Wochenenden und in Urlaubsfällen eine tägliche Anwesenheit eines Facharztes mit der Zusatzweiterbildung "Intensivmedizin" gewährleistet war. In dem hier konkret betroffenen Abrechnungsfall waren weder Dr. Andreas B noch Katrin B ... am 16.8.2015 (Sonntag) im Krankenhaus des Klägers tätig.
Der Kläger stellte am 15.9.2015 eine Rechnung über den stationären Aufenthalt in Höhe von insgesamt 24.786,59 EUR wobei er als Prozedur u.a. den OPS 8-980.2 (Intensivmedizinische Komplexbehandlung – Basisprozedur) verschlüsselte. Die Beklagte zahlte den Rechnungsbetrag zunächst und beauftragte sodann den Medizinischen Dienst der Krankenkassen mit einer Prüfung des Behandlungsfalls im Hinblick auf die Kodierung der Zusatzentgelte und den OPS.
Nachdem der Medizinische Dienst der Krankenkassen in seinem Gutachten vom 25.2.2016 zu dem Ergebnis gekommen war, dass die Strukturvoraussetzungen zur Kodierung des OPS nicht gegeben seien, verrechnete die Beklagte am 11.4.2018, 12.4.2018, 13.4.2018 und 17.4.2018 den hier strittigen Betrag von 12.003,77 EUR gegen andere unstrittige Forderungen des Klägers.
Der Kläger hat am 20.6.2018 Klage erhoben. Er ist der Auffassung, dass die Strukturvoraussetzungen seit 2015 erfüllt seien.
Die Behandlungsleitung sei durch Oberarzt Dr. Andreas B ... (Führung der ITS Station) und die Ärztin Katrin P ... erfolgt. Außerdem habe der Oberarzt Dr. M ... (Oberarzt der Klinik für Innere Medizin) in Notfällen zur Verfügung gestanden, obwohl er in den Dienstplan der Intensivstation nicht eingetragen gewesen sei. Informell habe auch an Wochenenden für die anwesenden Mediziner die Möglichkeit bestanden, Dr. Andreas B ... und Katrin P ... anzurufen. Bei den präsenten Ärzten am Wochenende habe es sich ebenfalls um in der Intensivmedizin erfahrene Kollegen gehandelt. Soweit der OPS als Voraussetzung formuliere: "Behandlungsleitung durch einen Facharzt mit der Zusatzweiterbildung "Intensivmedizin" sei eine 24 stündige Anwesenheit an 7 Tagen pro Woche gerade nicht gefordert. Dies zeige sich auch aus dem unterschiedlichen Wortlaut für ärztliche Präsenz und Behandlungsleitung. Nach der Rechtsprechung des BSG gehe es bei der Behandlungsleitung um eine gesteigerte Verantwortung für die unmittelbare Behandlung der Patienten und nicht nur um die Verantwortung für die Organisation und das Funktionieren der Behandlungseinheit (B 1 KR 4/15 R, Rn 48). Zum Verantwortlichen bei der multimodalen Schmerztherapie (OPS 8-918) habe das BSG ausgeführt, dass dieser regelmäßig von Montags bis Freitags im Haus sein müsse, wobei eine halbtägige Anwesenheit ausreiche. Eine Vertretungsregelung müsse gerade nicht getroffen werden.
Die AOK Plus habe durch den MDK federführend im Jahr 2014 die strukturellen Mindestanforderungen geprüft und dabei eine Checkliste verwendet, die gerade nicht eine 24-stündige Anwesenheit der Behandlungsleitung abgefragt habe. Gleichwohl habe die AOK Plus fehlerhaft zunächst die Strukturvoraussetzung "Behandlungsleitung" moniert, insbesondere weil die Vertretung bei Abwesenheit, Urlaub oder an Sonn- und Feiertagen nicht belegt gewesen sei. Dies könne seitens des Klägers nicht nachvollzogen werden. Mittlerweile hätten die Kostenträger aber die Strukturvoraussetzungen anerkannt, ohne dass sich bei der Intensivstation organisatorische Veränderungen ergeben hätten. Auch die AOK Plus habe später telefonisch ihre Bedenken fallen gelassen und die strittigen Behandlungsfälle ausgeglichen.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 12.003,77 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus jährlich seit dem 18.4.2018 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt schriftsätzlich, sachdienlich gefasst,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte ist der Auffassung, dass die Strukturvoraussetzungen nicht erfüllt seien. Sie verweist insoweit auf ein weiteres Gutachten des MDK vom 7.9.2020, dessen Argumentation sie sich zu Eigen macht. Auch aus der Empfehlung zur Struktur und Ausstattung von Intensivstationen der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) sei zu schlussfolgern, dass eine durchgehend hohe Arztpräsenz durch einen Intensivmediziner mit der geforderten Weiterbildung auch Feiertage, Wochenenden oder Urlaubszeiten einschließen müsse. Die Strukturvoraussetzung der Behandlungsleitung sei durch den Kläger nicht erfüllt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, die Patientenakte des Klägers und die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsvorgänge Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.
Entscheidungsgründe:
Die Kammer konnte in Abwesenheit der Beklagten verhandeln und entscheiden, weil diese mit der ordnungsgemäß zugestellten Ladung auf diese Konsequenz ihres Ausbleibens (§ 126 SGG) hingewiesen worden ist.
Die als echte Leistungsklage zulässige Klage ist unbegründet.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zahlung von 12.003,77 EUR. Der ursprünglich entstandene und unstrittige Anspruch des Klägers gegen die Beklagte auf Vergütung von Krankenhausbehandlungsleistungen für andere Versicherte erlosch durch die Aufrechnungserklärung der Beklagten. Der Beklagten stand nämlich wegen des streitgegenständlichen stationären Aufenthalts ein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch gegen den Kläger zu.
Der Vergütungsanspruch für die Krankenhausbehandlung und damit korrespondierend die Zahlungsverpflichtung einer Krankenkasse entsteht - unabhängig von einer Kostenzusage - unmittelbar mit der Inanspruchnahme der Leistung durch den Versicherten kraft Gesetzes, wenn die Versorgung in einem zugelassenen Krankenhaus erfolgt und i. S. von § 39 Abs. 1 Satz 2 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) erforderlich und wirtschaftlich ist (BSG, Urteil vom 23.06.2015, Az. B 1 KR 26/14 R, juris, Rdnr. 34, m.w.N.).
Das Gericht folgt dem Bundessozialgericht dahingehend, dass sich die Prüfung des Gerichts darauf beschränkt, die korrekte Kodierung nachzuvollziehen, weil das Grouping selbst als automatisiertes Datenverarbeitungsverfahren abläuft. Das Bundessozialgericht hat dazu ausgeführt: "Welche DRG-Position abzurechnen ist, ergibt sich rechtsverbindlich nicht aus einem schriftlich festgelegten abstrakten Tatbestand, sondern aus der Eingabe von im Einzelnen von einem Programm vorgegebenen, abzufragenden Daten in ein automatisches Datenverarbeitungssystem und dessen Anwendung (zur rechtlichen Einordnung des Groupierungsvorgangs vgl. BSGE 109, 236 = SozR 4-5560 § 17b Nr. 2, Rdnr. 19 ff). [ ] Das den Algorithmus enthaltende und ausführende Programm greift dabei auch auf Dateien zurück, die entweder als integrale Bestandteile des Programms mit vereinbart sind (z. B ... die Zuordnung von ICD-10-Diagnosen und Prozeduren zu bestimmten Untergruppen im zu durchlaufenden Entscheidungsbaum) oder an anderer Stelle vereinbarte Regelungen wiedergeben. Zu letzteren gehören die Fallpauschalen selbst, aber auch die Internationale Klassifikation der Krankheiten (ICD-10) in der jeweiligen vom Deutschen Institut für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) herausgegebenen deutschen Fassung [ ] sowie die Klassifikation des vom DIMDI im Auftrag des BMG herausgegebenen Operationen- und Prozedurenschlüssels [ ]. Die Verbindlichkeit der in dem jeweiligen Vertragswerk angesprochenen Klassifikationssysteme folgt allein aus dem Umstand, dass sie in die zertifizierten Grouper einbezogen sind (vgl. BSGE 109, 236 = SozR 4-5560 § 17b Nr. 2, Rdnr. 24).
Die Anwendung der Deutschen Kodierrichtlinien und der FPV-Abrechnungsbestimmungen einschließlich des ICD-10-GM und des OPS ist nicht automatisiert und unterliegt als Mitsteuerung der prozesshaften Tatbestandsbildung im Zusammenspiel mit den Vorgaben zertifizierter Grouper ihrerseits grundsätzlich den allgemeinen Auslegungsmethoden der Rechtswissenschaft. Die Abrechnungsbestimmungen sind gleichwohl wegen ihrer Funktion im Gefüge der Ermittlung des Vergütungstatbestandes innerhalb eines vorgegebenen Vergütungssystems eng am Wortlaut orientiert und unterstützt durch systematische Erwägungen auszulegen. Eine Vergütungsregelung, die für die routinemäßige Abwicklung von zahlreichen Behandlungsfällen vorgesehen ist, kann ihren Zweck nur erfüllen, wenn sie allgemein streng nach ihrem Wortlaut sowie den dazu vereinbarten Anwendungsregeln gehandhabt wird und keinen Spielraum für weitere Bewertungen sowie Abwägungen belässt." (BSG, Urteil vom 14. Oktober 2014 – B 1 KR 26/13 R –, SozR 4-2500 § 301 Nr. 3, juris)
Da die übrigen Voraussetzungen eines Zahlungsanspruchs für die Behandlung des Patienten W. B ... zwischen den Beteiligten unstrittig sind, beschränkt das Gericht seine Ausführungen im Folgenden auf die strittige Frage, ob die Strukturvoraussetzungen für die Abrechnung des OPS 8-980.20 – intensivmedizinische Komplexbehandlung (Basisprozedur) erfüllt sind, womit die klageweise geltend gemachte Summe korrespondiert.
Nach Auffassung der Kammer durfte der Kläger die Prozedur OPS 8-980.20 nicht abrechnen, weil dessen Strukturvoraussetzung: Behandlungsleitung durch einen Facharzt mit der Zusatzweiterbildung "Intensivmedizin" im hier maßgeblichen Zeitraum nicht vollständig erfüllt ist.
Dabei versteht die Kammer - insoweit dem Bundessozialgericht in seinen Entscheidungen zur geriatrischen frührehabilitativen Komplexbehandlung (BSG, Urteil vom 10. März 2015 – B 1 KR 4/15 R –, Rn. 14, juris) und zur multimodalen Schmerztherapie (BSG, Urteil vom 18. Juli 2013 – B 3 KR 7/12 R –, juris, Rn. 22) folgend – den Begriff der Behandlungsleitung dahingehend, "dass es dabei um eine gesteigerte Verantwortung für die unmittelbare Behandlung der Patienten und nicht nur um die Verantwortung für die Organisation und das Funktionieren der Behandlungseinheit geht." Es kommt auf die tatsächliche Ausübung der Behandlungsleitung an. Auch ohne Nennung einer konkreten Anwesenheitszeit im OPS kann die Behandlungsleitung demnach nur ein Arzt/ eine Ärztin ausüben, der/ die nach dem Umfang seiner/ ihrer Tätigkeit generell in der Lage ist, diese Verantwortung tatsächlich auch wahrzunehmen, was seine/ ihre Anwesenheit in dem Krankenhaus in einem bestimmten Mindestumfang voraussetzt.
Der Begriff "Behandlungsleitung" wird im OPS an vielen Stellen verwendet, so zum Beispiel bei den frührehabilitativen Komplexbehandlungen, der multimodalen Schmerztherapie und bei den sonstigen multimodalen Komplexbehandlungen (OPS 1-775, 8-550, 8-553, 8-559, 8-918, 8-91c, 8-97, 8-980, 8-981, 8-983, 8-984, 8-986, 8-988, 8-98a, 8-98b, 8-98d). In allen diesen Fällen wird als Strukturvoraussetzung definiert, dass die Behandlungsleitung durch eine Fachärztin oder einen Facharzt mit einer ganz spezifischen Qualifikation ausgeübt werden soll. Zeitliche Vorgaben dahingehend, wann diese Fachärztin oder dieser Facharzt anwesend sein muss oder wie in Abwesenheit zu verfahren ist, enthalten die OPS in allen diesen Fällen nicht. Nur beim OPS 8-98e (Spezialisierte stationäre palliativmedizinische Komplexbehandlung) findet sich eine zeitliche Vorgabe, nämlich: "[ ] Fachliche Behandlungsleitung durch einen Facharzt mit Zusatzweiterbildung Palliativmedizin und mindestens 6-monatiger Erfahrung in der Behandlung von Palliativpatienten auf einer Palliativstation oder in einer anderen Einrichtung der spezialisierten Palliativversorgung. Die 24-stündige fachliche Behandlungsleitung kann durch Rufbereitschaft gewährleistet werden [ ]"
Aus dem Wortlaut des OPS ist daher zu schlussfolgern, dass der Begriff Behandlungsleitung nicht grundsätzlich im Sinne einer 24-stündigen Anwesenheit, sondern funktional für die jeweilige Behandlung zu verstehen ist. Dabei definieren letztlich die konkreten medizinischen Erfordernisse der jeweiligen Behandlung den Umfang, den eine "Behandlungsleitung" mindestens haben muss. Dies sieht auch das Bundessozialgericht so, das für die multimodale Schmerzbehandlung insoweit als Mindestanwesenheitszeit eine jeweils mindestens halbtägliche Anwesenheit regelmäßig montags bis freitags für notwendig erachtet hat, damit die Funktion der Behandlungsleitung überhaupt gewährleistet werden kann (BSG, Urteil vom 18. Juli 2013 – B 3 KR 7/12 R –, juris, Rn. 22).
Für den vorliegenden Fall der intensivmedizinischen Komplexbehandlung erfordert die Behandlungsleitung durch einen Facharzt mit der Zusatzweiterbildung Intensivmedizin allerdings aufgrund der medizinischen Gegebenheiten auch eine zumindest stundenweise Anwesenheit am Wochenende.
Nach der Rechtsprechung des BSG ist Intensivmedizin die Behandlung, Überwachung und Pflege von Patienten, bei denen die für das Leben notwendigen sog. vitalen oder elementaren Funktionen von Atmung, Kreislauf, Homöostase und Stoffwechsel lebensgefährlich bedroht oder gestört sind, mit dem Ziel, diese Funktionen zu erhalten, wiederherzustellen oder zu ersetzen, um Zeit für die Behandlung des Grundleidens zu gewinnen (BSG, Urteil vom 28.02.2007 – B 3 KR 17/06 R – juris Rn. 19). Die Zahl der betreuten Patienten auf der Intensivstation ist deutlich geringer als auf normalen Krankenstationen, weil das Pflegepersonal die Körperfunktionen ihrer Patienten wesentlich umfangreicher beobachten und überwachen muss. Die apparative Versorgung ist vielfältiger und umfasst neben den Geräten zur kontinuierlichen Kontrolle von EKG, Blutdruck, Körpertemperatur und anderen Vitalparametern meist zusätzliche Spezialapparaturen – etwa Beatmungsgeräte, elektronisch gesteuerte Medikamentenpumpen, Beobachtungsmonitore oder Dialysegeräte, die alle – abhängig vom jeweiligen Krankheitsbild – in unmittelbarer Nähe zum Patientenbett vorhanden sein müssen (BSG, a.a.O.). Auch die ärztliche Tätigkeit ist intensiver als auf anderen Stationen; der Arzt muss bei auftretenden Krisen unmittelbar eingreifen, entsprechende Notfallkompetenz besitzen und die Intensivapparatur zielgerecht einsetzen können. Der Aufenthalt auf einer Intensivstation stellt deshalb die nachhaltigste Form der Einbindung in einen Krankenhausbetrieb und damit den Prototyp einer stationären Behandlung dar (BSG, a.a.O.).
Gerade dann, wenn aber die für das Leben notwendigen sog. vitalen oder elementaren Funktionen von Atmung, Kreislauf, Homöostase und Stoffwechsel lebensgefährlich bedroht oder gestört sind, kann der Auftrag der "Behandlungsleitung", also die gesteigerte Verantwortung für die unmittelbare Behandlung der Patienten nicht über das Wochenende oder "Fehltage" pausieren, selbst wenn im Übrigen eine ständige ärztliche, intensivmedizisch erfahrene Präsenz sichergestellt ist. Eine "informelle" Möglichkeit zur telefonischen Rückfrage reicht insoweit auch nicht aus. Deswegen kann eine Unterbrechung über das Wochenende, die im hier strittigen Abrechnungsfall z.B. am 16.8.2015 vorlag, nicht mehr als tatsächliche Ausübung der Behandlungsleitung angesehen werden. Anders als die multimodale Schmerzbehandlung, die in ihren Abläufen eher planbar ist, kann es auf einer intensivmedizinischen Station häufiger dazu kommen, dass ungeplant kriseninduziert reagiert werden muss. Zwar kann die reine Notfallintervention auch durch die erfahrenen Intensivmedizinerinnen und – mediziner erfolgen, die nach dem OPS ohnehin rund um die Uhr anwesend sein müssen und beim Kläger auch anwesend sind. Gleichwohl kann auf Intensivstationen jede Krisensituation aber auch ein Anlass dafür sein, die Behandlungsstrategie an sich einer kritischen Prüfung und ggfls Anpassung zu unterziehen. Diese Maßnahmen der Behandlungsleitung sollen nach dem OPS aber gerade durch Fachärztinnen und Fachärzte mit der Zusatzweiterbildung Intensivmedizin durchgeführt werden. Wegen der schwerwiegenden Erkrankungen der Patientinnen und Patienten auf einer Intensivstation können behandlungsleitende Entscheidungen auch nicht in jedem Fall zwei Tage warten. Deswegen müssen die für die Behandlungsleitung qualifizierten Ärztinnen und Ärzte täglich verfügbar sein, wobei die Kammer offen lassen kann, ob hierfür eine Anwesenheit von 7,5 Stunden in Früh- oder Spätdienst ausreichend ist.
Darüber hinaus orientiert sich die Kammer zur Ausfüllung des Begriffs der Behandlungsleitung und deren erforderlichem Umfang auf Intensivstationen auch an den "Empfehlungen zur Struktur und Ausstattung von Intensivstationen" der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin vom 30.11.2010 (DIVI-Empfehlungen, veröffentlicht im Internet unter https://www.divi.de) Hier heißt es unter "Ärztlicher Ausstattung" auszugsweise:
"Eine Intensivtherapiestation soll durch einen Arzt geleitet werden, der die Zusatzbezeichnung Intensivmedizin besitzt und hauptamtlich auf der Intensivtherapiestation tätig ist (Empfehlungsgrad 1A). Auf der Intensivtherapiestation soll 24 Stunden an 7 Tagen in der Woche ein Arzt präsent sein, der in der Intensivmedizin erfahren ist und die aktuellen Probleme der Patienten kennt (Empfehlungsgrad 1A). Ein Arzt mit mindestens der in der Weiterbildungsordnung geforderten Weiterbildung in der Intensivmedizin (Facharztstandard) soll auf der Intensivtherapiestation präsent sein, nachts zumindest im Krankenhaus präsent und kurzfristig auf der Intensivtherapiestation sein; (Empfehlungsgrad 1B). Für 8 bis 12 Betten sind mindestens sieben Arztstellen erforderlich (40 Stundenwoche), neben der Stelle des Leiters und dessen Ausfallskompensation (Empfehlungsgrad 1C)."
Die Kammer stellt insoweit fest, dass die Strukturvorgaben des OPS 8-980 weitgehend den Empfehlungen der DIVI mit dem Empfehlungsgrad 1A folgen, was nach Auffassung der Kammer nur folgerichtig ist, weil es sich insoweit um den wissenschaftlichen Stand handelt. Auch das DIVI nennt für die Behandlungsleitung keine Zeitvorgabe, empfiehlt jedoch mit Empfehlungsgrad 1B die ständige Präsenz eines Arztes mit mindestens der in der Weiterbildungsordnung geforderten Weiterbildung in der Intensivmedizin. Diese Vorgabe ist zwar gerade nicht in die Strukturvoraussetzungen des OPS 8-980 eingeflossen, weil dort die Behandlungsleitung nicht mit der ständigen Verfügbarkeit verknüpft wird; sie bestätigt jedoch die Einschätzung der Kammer, dass die Behandlungsleitung durch eine Person, die nicht nur erfahren ist, sondern gerade die Zusatzweiterbildung absolviert hat, jedenfalls nicht über ganze Tage pausieren kann. Aus diesem Grund hielt es die Kammer auch nicht für erforderlich, weitere medizinisch sachverständige Äußerungen zu dieser Frage einzuholen.
Der Kläger hat daher keinen Anspruch auf Zahlung der strittigen Summe.
Dass im vorliegenden Fall, anders als in weiteren Behandlungsfällen des Klägers, die die Kammer unter den Aktenzeichen S 18 KR 531/18 und S 18 KR 532/18 entschieden hat, "nur" eine Lücke der Behandlungsleitung am Aufnahmetag selbst vorlag, ändert nichts an der grundsätzlichen Verneinung der Strukturvoraussetzungen. Denn Sinn der Strukturvoraussetzungen ist die Gewährleistung einer qualitativ hochwertigen und insoweit auch gleichbleibend hochwertigen Versorgungsqualität. Dem Gericht ist bekannt, dass einige Wochenenden durchaus sichergestellt waren. Im Übrigen gab es aber organisatorisch bedingte strukturelle Lücken bei der Gewährleistung der Behandlungsleitung durch eine Fachärztin/einen Facharzt mit der Zusatzweiterbildung "Intensivmedizin".
Die Kostenentscheidung folgt auf § 197a SGG iVm § 154 Abs. 2 VWGO. Die Berufungssumme wird erreicht.
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