L 3 AL 71/02

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Dresden (FSS)
Aktenzeichen
S 17 AL 981/01
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 3 AL 71/02
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dresden vom 05. Februar 2002 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind dem Kläger auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über einen Anspruch auf Arbeitslosengeld (Alg), hilfsweise auf Arbeitslosenhilfe (Alhi), ab dem 01.02.2000.

Der am ...1961 geborene Kläger ist ledig. Nach einer Beschäftigung als Polsterer von 1978 bis zum 31.07.1991 bezog der Kläger antragsgemäß Alg ab dem 01.08.1991. Bewilligt wurde ihm diese Leistung durch Bescheid vom 28.08.1991 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 11.12.1991 i. H. v. 179,40 DM für eine Gesamtanspruchsdauer von 312 Tagen.

Bereits am 12.08.1991 begann der Kläger eine berufliche Umschulung zum Industriekaufmann. Entsprechend bezog er im Zeitraum vom 12.08.1991 bis zum 01.09.1992 Unterhaltsgeld (Uhg - Bescheid vom 01.10.1991 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 20.02.1992). Die Bildungsmaßnahme brach er am 21.07.1992 ab. Vom 02.09.1992 bis zum 18.01.1994 bezog der Kläger sodann Krankengeld.

Auf Antrag vom 19.01.1994 bewilligte die Beklagte mit Bescheid vom 09.02.1994 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 30.09.1994 Alg ab dem 19.01.1994 in Höhe von wöchentlich 247,20 DM für eine Anspruchsdauer von 312 Kalendertagen. Er bezog diese Leistung mit Unterbrechungen bis der Anspruch mit Ablauf des 15.02.1995 erschöpft war.

Im Anschluss hieran bezog er antragsgemäß noch bis zum 31.03.1995 Alhi.

Mit Bescheid vom 03.03.1995 wurde dem Kläger durch die LVA Sachsen rückwirkend ab dem 24.06.1994 eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit (EU) bewilligt. Beginn der laufenden monatlichen Rentenzahlungen war der 01.04.1995.

Nachdem sich der Kläger im Hinblick darauf ab dem 01.04.1995 aus dem Leistungsbezug abmeldete, hob die Beklagte mit Bescheid vom April 1995 die Bewilligung der Leistungen auf.

Mit weiterem Bescheid vom 06.11.1996 bewilligte die LVA Sachsen rückwirkend für den Zeitraum vom 01.07.1993 bis zum 25.05.1994 an Stelle einer Rente Übergangsgeld. Daraufhin hob die Beklagte die Alg-Bewilligung durch Bescheid vom 21.11.1996 für die Zeit vom 19.01. bis zum 25.05.1994 auf.

Nach Überprüfung des Leistungsvermögens im Jahre 1999 wandelte die LVA mit Bescheid vom 20.12.1999 die bisher gezahlte EU-Rente in eine Rente wegen Berufsunfähigkeit (BU) um. Ab dem 01.02.2000 betrug deren laufende monatliche Höhe 787,06 DM. Noch bis zum 31.01.2000 zahlte die LVA Sachsen die Leistung weiterhin als EU-Rente.

Bereits am 01.10.1999 hatte sich der Kläger erneut arbeitslos gemeldet und Leistungen der Bundesanstalt für Arbeit beantragt.

Mit Bescheid vom 01.02.2000 wies die Beklagte diesen Antrag zurück. Nach dem 3. SGB III-Änderungsgesetz entfalle ab dem 01.01.2000 ein originärer Anspruch auf Alhi.

Hiergegen legte der Kläger am 16.02.2000 Widerspruch ein. Infolge der bereits am 12.08.1991 eingetretenen Arbeitsunfähigkeit und der Zahlung von Krankengeld habe der Anspruch auf Alg geruht. Wegen der zwischenzeitlich gewährten EU-Rente sei daher noch ein Restanspruch offen. Zwar stehe einer Geltendmachung dieses Anspruches § 147 Abs. 2 SGB III entgegen, da die Entstehung des Anspruches mehr als vier Jahre zurückliege. Diese Vorschrift verstoße jedoch gegen Art. 14 Grundgesetz (GG) i. V. m. Art. 20 GG. Denn das Stammrecht auf Alg/Alhi, das er erworben habe, sei ihm i. S. eines Ausschließlichkeitsrechts privatnützig zugeordnet worden und könne ihm somit nicht entzogen werden. Eine sachliche Rechtfertigung hierfür gebe es nicht.

Diesen Widerspruch wies die Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 05.07.2001 als unbegründet zurück. Nach § 198 Satz 1 Nr. 6 i. V. m. § 142 Abs. 1 Nr. 3 SGB III ruhe der Anspruch auf Alhi für die Zeit, in der der Kläger EU-Rente bezogen habe. Dies sei noch bis zum 31.01.2000 der Fall gewesen, so dass ein Anspruch auf Alhi bis zu diesem Zeitpunkt nicht bestanden habe. Aufgrund des zum 01.01.2000 in Kraft getretenen Änderungsgesetzes könne Alhi nur dann bewilligt werden, wenn innerhalb der einjährigen Vorfrist Alg bezogen worden sei. Einen Neuanspruch auf originäre Alhi könne der Kläger demgegenüber nicht mehr geltend machen; die Voraussetzungen der Übergangsregelungen des § 434b SGB III lägen nicht vor, da der Kläger in der Zeit vom 01.10.1999 bis zum 31.12.1999 keinen Anspruch auf Alhi gehabt habe.

Mit weiterem Widerspruchsbescheid vom 05.07.2001 lehnte die Beklagte auch den Widerspruch gegen die Nichtgewährung von Alg ab dem 01.10.1999 ab. Ein solcher sei bisher unzulässig, da über diesen Antrag noch nicht entschieden worden sei.

Gegen die o. g. Widerspruchsbescheide hat sich der Kläger am 26.07.2001 an das Sozialgericht Dresden (SG) gewandt. Hierzu wiederholte er sein Vorbringen aus dem Vorverfahren und vertrat weiterhin die Auffassung, ab dem 01.02.2000 einen Anspruch auf Alg oder Alhi zu haben. Diese Leistungen seien gegenüber der BU-Rente vorrangig. § 147 Abs. 2 SGB III verstoße gegen Art. 14 GG i. V. m. Art. 20 GG. Es liege hier eine Enteignung vor, weil durch einen gezielten hoheitlichen Rechtsakt eine konkrete subjektive Eigentumsposition vollständig entzogen werde.

Mit weiterem Bescheid vom 30.07.2001 lehnte die Beklagte schließlich auch die Zahlung von Alg ab dem 01.10.1999 wegen Nichterfüllung der Anwartschaftszeit ab.

Für den Zeitraum vom 01.10.1999 bis zum 31.01.2000 hat der Kläger die Klage zurückgenommen.

Das SG hat mit Beschluss vom 03.12.2001 die Verfahren verbunden und durch Gerichtsbescheid vom 05.02.2002 die Klagen abgewiesen. Der Kläger habe zunächst keinen Neuanspruch auf Alg erworben. Der Bezug von EU-Rente stehe weder gemäß § 25 SGB III noch nach § 107 AFG i. V. m. § 427 SGB III den Zeiten eines Versicherungspflichtverhältnisses gleich. Der Kläger habe auch keinen Anspruch aus dem zum 18.01.1994 nach dem Bezug von Krankengeld enstandenen Anspruch. Die nachträgliche Gewährung von Rente wegen EU führe nicht zu einem Wiederaufleben eines bereits durch Erfüllung erloschenen Alg-Anspruchs. Denn nach § 118 Abs. 2 Nr. 1 AFG ruhe der Anspruch erst mit dem Beginn der laufenden Rentenzahlungen. Anders sei dies hinsichtlich des nachträglich anerkannten Anspruchs auf Übergangsgeld für die Zeit vom 19.01.1994 bis zum 25.05.1994. Dieser führe zu einem nachträglichen Ruhen des Anspruches auf Alg. Dem habe die Beklagte auch durch den Aufhebungsbescheid vom 21.11.1996 Rechnung getragen. Der Restanspruch von 109 Tagen könne jedoch wegen § 147 Abs. 2 SGB III nicht mehr geltend gemacht werden. Die Vierjahresfrist sei am 18.01.1998 abgelaufen. Auch ein ruhender Anspruch verfalle innerhalb der Vierjahresfrist, da das Ruhen eine Unterbrechung des Leistungsbezuges bewirke, die nach Sinn und Zweck der Norm wie eine Unterbrechung durch eine Zwischenbeschäftigung zu werten sei. Es handle sich um eine Ausschlussfrist, die ohne Hemmungs- und Unterbrechungsmöglichkeiten kalendermäßig ablaufe. Auch eine geschützte Rechtsposition i. S. von Artikel 14 GG werde durch die Verfallsfrist nach § 147 Abs. 2 SGB III nicht berührt. Vielmehr gestalte diese - zusammen mit anderen Vorschriften des SGB III - den Inhalt der sozialversicherungsrechtlichen Position, die durch Erfüllung der Anwartschaft erworben werde, aus. Es handle sich mithin um eine zulässige Inhalts- und Schrankenbestimmung. Weiter habe der Kläger auch keinen Anspruch auf Alhi. Dies folge aus den §§ 190, 192 SGB III i. d. F. des 3. SGB III-Änderungsgesetzes vom 22.12.1999. Anspruch auf Alhi hätten danach nur Arbeitslose, die u. a. innerhalb der Vorfrist Alg bezogen hätten. Diese Voraussetzung erfülle der Kläger nicht. Ein Anspruch auf originäre Alhi in der bis zum 31.12.1999 geltenden Fassung komme ebenfalls nicht in Betracht. Da für den Kläger vor dem 31.12.1999 keine Alhi gezahlt worden sei, bestehe auch für die Übergangsregelung gemäß § 434b SGB III kein Raum.

Dieser Gerichtsbescheid ist dem Prozeßbevollmächtigten des Klägers am 11.02.2002 zugegangen.

Hiergegen hat der Kläger am 06.03.2002 Berufung eingelegt. § 147 Abs. 2 SGB III passe nicht in das System der Inhalts- und Schrankenbestimmungen, zumal im Zivilrecht in Fällen, in denen der Betroffene gehindert sei, sein Recht geltend zu machen, dies durch Fristverlängerungen besonders gewürdigt werde. Insofern werde an den verfassungsrechtlichen Bedenken festgehalten. Diese bestünden insbesondere auch deshalb, weil zugleich der Anspruch auf originäre Alhi abgeschafft worden sei.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dresden vom 05.02.2002 sowie den Bescheid vom 01.02.2001 i. d. F. der Widerspruchsbescheide vom 05.07.2001 sowie den Bescheid vom 30.07.2001 aufzuheben und dem Kläger ab dem 01.02.2000 Alg in gesetzlicher Höhe zu zahlen, hilfsweise: Alhi in gesetzlicher Höhe zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die verfassungsrechtlichen Bedenken könnten nicht geteilt werden. Die von der Klägerseite zum Ausdruck gebrachte "Verschuldensfrage" stelle kein Kriterium der Regelung des § 147 Abs. 2 SGB III dar. Eine solche Verfallsfrist sei im Verwaltungsverfahren ein zulässiges und übliches Ordnungsinstrument. Im Übrigen habe das Bundessozialgericht (BSG) wiederholt entschieden, dass sich selbst der Bezieher von Alhi angesichts der zahlreichen Änderungen im Recht der Arbeitslosenhilfe nicht darauf berufen könne, ihm sei Vertrauen in den gleichbleibenden Bestand einmal vorhandener günstiger Regelungen zuzubilligen. Er müsse vielmehr mit entwertenden Eingriffen aus übergeordneten Interessen rechnen. Dies gelte erst recht für Personen, die zum Zeitpunkt der Gesetzesänderung die Anspruchsvoraussetzungen gar nicht erfüllten.

Zum weiteren Vorbringen der Beteiligten zum Sach- und Streitstand wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten sowie die Gerichtsakten beider Rechtszüge verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die statthafte Berufung (§§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) ist zulässig. Sie wurde insbesondere form- und fristgerecht eingelegt, § 151 SGG.

Die Berufung ist jedoch nicht begründet.

1. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld (Alg), ohne dass hiergegen verfassungsrechtliche Bedenken durchgreifen.

a) Einen Neuanspruch auf Alg hat der Kläger deshalb nicht, weil er innerhalb der Rahmenfrist von drei Jahren (§ 124 Abs. 1 SGB III) nicht die erforderliche Anwartschaftszeit (§ 123 SGB III) erfüllt hat.

Da Ausnahmetatbestände des § 124 Abs. 3 SGB III nicht vorliegen, beträgt die Rahmenfrist drei Jahre beginnend ab dem Tag vor der Erfüllung aller sonstigen Voraussetzungen für den Anspruch auf Alg. Dies ist hier im Hinblick auf das Klagebegehren der 31.12.1999. Innerhalb des Zeitraumes vom 01.01.1997 bis zum 31.12.1999 bezog der Kläger EU-Rente. Der Bezug von EU-Rente steht aber weder nach § 123 SGB III noch stand er nach § 107 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) i. V. m. § 427 SGB III den Zeiten eines Versicherungsverhältnisses gleich (vgl. BSG SozR 3-4100 § 107 Nr. 8). Eine Verlängerung oder Verschiebung der Anwartschaftszeit um die Zeit des Rentenbezuges ist gesetzlich nicht vorgesehen. Verfassungsrechtliche Bedenken dagegen, dass der Bezug von Erwerbsunfähigkeitsrente in die Rahmenfrist eingerechnet wird, die in § 124 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 genannten Zeiten jedoch nicht, greifen nicht durch (vgl. hierzu bereits Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 23.10.2003 - L 3 AL 16/03 und Urteil des BSG vom 04.09.2003 - B 11 AL 73/02 R). Ein Eingriff in durch Art. 14 GG geschützte Positionen liegt schon deshalb nicht vor, weil sich der Kläger durch seine Beitragszahlungen, die er nach altem Recht des AFG erbracht hat, nur den Versicherungsschutz "erkaufen" konnte, den ihm das AFG als Anwartschaft zusprach. Hinsichtlich des von dem Kläger begehrten Alg hat das AFG zum Lauf der Rahmenfrist in § 104 Abs. 2 und 3 bestimmt, dass die Rahmenfrist dem 1. Tag der Arbeitslosigkeit unmittelbar vorausgeht, an dem die sonstigen Voraussetzungen für den Anspruch auf Alg erfüllt sind oder nach § 105 als erfüllt gelten. Die Bezugnahme auf § 105 AFG betraf lediglich den Sachverhalt, dass der Arbeitslose sich nicht am ersten Tag der Arbeitslosigkeit melden konnte, weil das zuständige Arbeitsamt an diesem Tage nicht dienstbereit war. Im Übrigen betrug die Rahmenfrist drei Jahre und reichte nicht in eine vorangegangene Rahmenfrist hinein, in der der Arbeitslose eine Anwartschaftszeit erfüllt hatte. Eine Regelung hinsichtlich die Rahmenfrist faktisch verlängernder Tatbestände - vergleichbar den in § 124 Abs. 3 SGB III geregelten, bei der Ermittlung der Rahmenfrist nicht mitzählenden Zeiten - gab es im AFG nicht. Ein Anspruch auf Alg hätte der Kläger mithin bei seiner hier zu beurteilenden Fallkonstellation auch während der Geltung des AFG nicht erhalten.

Zum Ausgleich der hierdurch auftretenden Härten hatte der Gesetzgeber in § 134 AFG - der Regelung über die Voraussetzungen von Alhi (Alhi) - Tatbestände aufgeführt, die "originär" Alhi-Ansprüche begründen konnten. Hierzu zählte gemäß § 134 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 AFG auch der Bezug von Rente wegen Erwerbsunfähigkeit aus der gesetzlichen Rentenversicherung, wenn diese innerhalb der Vorfrist von einem Jahr vor Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen für den Anspruch auf Alhi mindestens 240 Kalendertage lang bezogen wurde und der Leistungsbezug entfallen war, weil die für die Gewährung maßgebliche Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit nicht mehr vorlag.

Dem lag die gesetzgeberische Erwägung zu Grunde, diejenigen Versicherten abzusichern, die typischerweise zunächst einer beitragspflichtigen Beschäftigung nachgegangen waren, diese dann für einige Zeit auf Grund gesundheitlicher Einschränkungen aufgeben mussten und die nunmehr dem Arbeitsmarkt wieder zur Verfügung standen. Ohne die Vorschrift des Abs. 3 des § 134 wäre dieser Personenkreis nicht mehr abgesichert gewesen. Einerseits waren - wie nunmehr hier - die zwischenzeitlich wegen der gesundheitlichen Beeinträchtigung bezogenen Sozialleistungen gerade wegen der Besserung des gesundheitlichen Zustandes weggefallen, andererseits konnte (ohne die entsprechende Vorschrift) eine originäre Alhi-Anwartschaft wegen fehlender Beschäftigungszeiten in der Vorfrist angesichts dieser Sachverhalte nicht erworben werden (vgl. hierzu Kärcher in Niesel, AFG, Rdnr. 41 zu § 134 AFG).

Hiervon ausgehend konnte der Kläger mit seiner Beitragsleistung bis zum 31. Dezember 1993 im Falle des Bezuges einer auf länger als zwei Jahre befristeten Rente wegen Erwerbsunfähigkeit keine Anwartschaft auf Alg erwerben. In eine dem Eigentumsschutz des Art. 14 GG unterfallende Position des Klägers hat der Gesetzgeber bei Schaffung der (neuen) Vorschrift des § 124 Abs. 3 SGB III, der keine Vorläufervorschrift im AFG vorausging, nicht etwa dadurch eingegriffen, dass er - wie geschehen - den Personenkreis der Empfänger von Rente wegen Berufs- bzw. Erwerbsunfähigkeit nicht in den Kreis der durch § 124 Abs. 3 SGB III Privilegierten aufnahm.

Die Tatsache, dass der Gesetzgeber die Bezieher von Rente wegen Erwerbsunfähigkeit nicht ebenfalls in den privilegierten Personenkreis mit aufnahm, verstößt auch insbesondere deswegen nicht gegen Art. 3 GG, weil eine hinreichende Vergleichbarkeit dieser beiden Personenkreise in dem Sinne, dass Gleiches ungleich behandelt würde, nicht feststellbar ist (vgl. hierzu auch Urt. des BSG vom 04.09.2003 - B 11 AL 73/02 R).

§ 124 Abs. 3 SGB III privilegiert durch Nichteinrechnung in die Rahmenfrist zum einen Zeiten, die bisher nach dem Recht des AFG einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung gleichstanden (Zeiten der Betreuung und Erziehung eines Kindes, Zeiten des Bezuges von Übergangsgeld wegen einer berufsfördernden Maßnahme von einem Rehabilitationsträger und Zeiten des Bezuges von Unterhaltsgeld). Weiter werden die Zeiten der Pflege eines Angehörigen deswegen privilegiert, weil hier nach gesetzgeberischer Wertung ein besonderes Schutzbedürfnis besteht (Brand in Niesel, SGB III, Rdnr. 5 zu § 124 SGB III). Die Privilegierung der selbstständigen Tätigkeit soll den Versuch unterstützen, sich eine selbstständige Existenz aufzubauen und nicht deswegen davon abzusehen, weil dadurch bisher erworbene Anwartschaften auf Alg verloren gehen könnten. Für eine Übergangsfrist von zwei Jahren bleibt (bei Ausübung dieser Tätigkeit) der Anspruch nach der gesetzgeberischen Wertung erhalten.

Die Zeiten einer selbstständigen Tätigkeit zu privilegieren, die des Bezuges von Erwerbsunfähigkeitsrente jedoch nicht, erscheint deswegen hinnehmbar, weil diejenigen, die eine selbstständige Tätigkeit aufnehmen, gerade zeigen, dass sie weiterhin erwerbstätig sein wollen, und auch gegebenfalls zur Entlastung der Versichertengemeinschaft aktiv beitragen, indem sie eine - von der Beitragszahlergemeinschaft nicht mehr abgesicherte - Tätigkeit ausüben. Demgegenüber bewirkt der Bezug einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit jedenfalls zunächst eine (faktische) "Loskoppelung" vom Kreis der Versichertengemeinschaft.

Mit den Zeiten des Bezuges von Übg wegen einer berufsfördernden Maßnahme ist der Bezug von Erwerbsunfähigkeitsrente deswegen nicht vergleichbar, weil die Teilnahme an einer berufsfördernden Maßnahme gerade dazu dienen soll, den Betroffenen möglichst bald in das Erwerbsleben wieder einzugliedern, wohingegen die Rente wegen Erwerbsunfähigkeit jedoch gerade deswegen gewährt wird, weil der Bezieher auf absehbare Zeit keine Chance hat - sei es aus rein gesundheitlichen Gründen, sei es auch mitbedingt durch die Lage des Arbeitsmarktes - am Erwerbsleben teilzunehmen. Im Übrigen stellte der Übg-Bezug nach dem bis 31.12.1997 geltenden Recht, gem. § 107 AFG einen den beitragspflichtigen Beschäftigungen gleichgestellten Tatbestand dar. So lag es hingegen bei der Rente wegen Erwerbsunfähigkeit gerade nicht.

Auch sind die Zeiten der Betreuung und Erziehung eines Kindes, das das dritte Lebensjahr noch nicht vollendet hat, mit dem Bezug einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit nicht hinreichend vergleichbar, da die erstgenannte Zeit zum einen nach altem Recht eine der die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung gleichgestellte Zeit war und zum anderen als Regelfall davon ausgegangen wird, dass nach der Betreuungs- bzw. Erziehungszeit eine versicherungspflichtige Beschäftigung wieder aufgenommen werden kann. Bei einer - auch befristeten - Rente wegen Erwerbsunfähigkeit kann hiervon jedoch vor Ablauf der Befristung nicht ohne Weiteres ausgegangen werden.

Die gegenüber dem Bezug von Erwerbsunfähigkeitsrente privilegierten Zeiten der Pflege werden von grundsätzlich leistungsfähigen und zur Erwerbstätigkeit bereiten Personen zurückgelegt, die sich dafür entschieden haben, anstelle der Ausübung einer versicherungspflichtigen Beschäftigung einen Angehörigen zu pflegen. Dies ist vom Gesetzgeber aus sozialpolitischen Erwägungen heraus als besonders schutzbedürftig angesehen worden. Die Pflegezeiten sind in der Regel auch - in Bezug auf das gesamte potentielle Arbeitsleben - von kürzerer Dauer als Rentenbezugszeiten, so dass hier eine Vermutung dafür spricht, dass nach der Pflegezeit wieder eine Erwerbstätigkeit angestrebt wird. Bei Rentengewährung durfte der Gesetzgeber davon ausgehen, dass in der Regel eine Rückkehr ins Arbeitsleben in absehbarer Zeit nicht erfolgt. Da der - kurzzeitige - Bezug von Zeitrenten nicht das typische Bild des Erwerbsunfähigkeitsrentenbezuges darstellt, zumal tatsächlich häufig aufeinanderfolgende Befristungen ausgesprochen werden, konnte dies im Rahmen der im Sozialrecht möglichen Typisierung vernachlässigt werden. Vorrangiger Normzweck des § 124 SGB III ist die Durchsetzung des Versicherungsprinzips. Zur Eindämmung der Risikostruktur wird mit der Rahmenfrist eine zeitlich intensive Beziehung zur Arbeitslosenversicherung verlangt. Lediglich soziale Härten, die nach gesetzgeberischer Wertung nicht hinnehmbar sind, können durch die Erweiterung der Rahmenfrist ausgeglichen werden (Hünnecke in Gagel, SGB III, Rdnr. 5 und 6 zu § 124).

b) Der Kläger hat auch keinen verbleibenden Anspruch aus dem am 19.01.1994 entstandenen Stammrecht. Der hieraus zunächst noch verbliebene Restanspruch von 109 Tagen ist gemäß § 147 Abs. 2 SGB III erloschen. Hierzu hat das SG bereits umfassende Ausführungen gemacht. Auf diese wird gemäß § 153 Abs. 2 SGG verwiesen.

Ergänzend wird hierzu lediglich auf das Urteil des BSG vom 21.10.2003 - Az. B 7 AL 88/02 R - verwiesen. Darin führt das BSG aus, die Norm mache deutlich, dass es in Fortführung des § 125 Abs. 2 AFG (vgl. DT-Drucks. 13/4941 S. 180 zu § 147) bei der strengen Ausschlussfrist, welche ohne Hemmungs- und Unterbrechungsmöglichkeiten kalendermäßig abläuft (BSG SozR 3-4100 § 107 Nr. 10 S. 45), verbleiben solle. Daher sehe § 147 Abs. 2 SGB III jedes tatsächliche oder rechtliche Hindernis, den Anspruch auf Alg rechtzeitig geltend zu machen, als gleichwertig an; auch Härten im Einzelfall sollen nicht über eine Fristverlängerung ausgleichbar sein.

2. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Alhi: § 190 Abs. 1 SGB III in der seit dem 01.01.2000 geltenden Fassung des 3. SGB III-Änderungsgesetzes vom 22.12.1999 setzt hierfür voraus, dass Arbeitnehmer 1. arbeitslos sind, 2. sich beim Arbeitsamt arbeitslos gemeldet haben, 3. einen Anspruch auf Alg nicht haben, weil sie die Anwart schaftszeit nicht erfüllt haben, 4. in der Vorfrist Alg bezogen haben, ohne dass der Anspruch wegen des Eintritts von Sperrzeiten mit einer Dauer von ins gesamt 24 Monaten erloschen ist und 5. bedürftig sind.

Die Voraussetzungen der Nrn. 1 und 3 liegen nach den obigen Aufführungen vor.

Der Kläger hat allerdings innerhalb der Vorfrist des § 192 Abs. 1 Satz 1 SGB III (vom 01.02.1999 bis zum 31.01.2000) zu keiner Zeit Alg bezogen. Die Vorfrist verlängernde Zeiten gemäß § 192 Abs. 1 Satz 2 Nrn. 1 bis 5 SGB III liegen nicht vor. Die in § 192 Abs. 1 Satz 2 Nrn. 2 bis 4 SGB III genannten Zeiten entsprechen den in § 124 Abs. 3 Nrn. 1 bis 5 SGB III aufgezählten Zeiten, die nicht in die Rahmenfrist eingerechnet werden und die Rahmenfrist daher (faktisch) verlängern. Ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz des Artikel 3 GG dadurch, dass der Bezug von Erwerbsunfähigkeitsrente die Vorfrist nicht verlängert, liegt nicht vor. Wegen der die Ungleichbehandlung rechtfertigenden Unterschiede zwischen dem beim Kläger vorliegenden Lebenssachverhalt und den privilegierenden Sachverhalten des § 192 Abs. 1 Nrn. 2 bis 4 SGB III wird sinngemäß auf die Ausführungen unter 2a) verwiesen.

b) Dem Kläger kann zudem Alhi auch deshalb nicht (mehr) gewährt werden, weil § 191 SGB III, der die Möglichkeit des Bezuges originärer Alhi jedenfalls für ein Jahr neben den in § 190 Abs. 1 SGB III geregelten allgemeinen Anspruchsvoraussetzungen unter "besonderen" Anspruchsvoraussetzungen eröffnete, wozu nach § 191 Abs. 3 Nr. 1 SGB III der mindestens acht Monate dauernde Bezug von Rente wegen Erwerbsunfähigkeit gehörte, mit Wirkung zum 01. Januar 2000 durch Art. 1 des SGB III-Änderungsgesetzes vom 22. Dezember 1999 (BGBl. I S. 624) gestrichen wurde. Nach der Gesetzesbegründung sollen Anspruch auf Alhi nur noch diejenigen Arbeitslosen haben, die in der Vorfrist Alg erhalten haben. Die so genannte originäre Alhi sollte entfallen. Die betroffenen Personen wurden darauf verwiesen, bei Bedürftigkeit Leistungen nach dem Bundessozialhilfegesetz in Anspruch zu nehmen (Entwurf eines Gesetzes zur Sanierung des Bundeshaushaltes - Haushaltsanierungsgesetz (HSanG) - BT-Drs. 14/1523 S. 206). Auch hiergegen sind unter Berücksichtigung der dem Gesetzgeber für leistungsrechtliche Regelungen zustehenden weiten Gestaltungsbefugnis keine durchgreifenden Bedenken ersichtlich. Die Alhi ist keine beitragsfinanzierte Leistung und damit auch nicht durch erheblichen Eigenanteil "erkauft" (vgl. hierzu Boecken, SGb 2002, S. 357 ff.). Vielmehr unterfällt sie als steuerfinanzierte Leistung nicht dem Eigentumsschutz des Art. 14 GG (vgl. BSG SozR 3-4100 § 242 Nr. 1 m.w.N, LSG NRW, Urteile vom 19.12.01, L 1 AL 73/00 (JURIS), bestätigt mit Urteil des BSG vom 04.09.03, B 11 AL 15/03 R (Presseinformation des BSG), und vom 06.02.02, L 12 AL 42/01, LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 14.05.02, L 7 AL 104/01, bestätigt mit Urteil des BSG vom 10.07.03, B 11 AL 63/02 R (JURIS)).

Die Übergangsvorschrift des § 434 b SGB III sah lediglich vor, dass Ansprüche auf originäre Alhi ab dem 01.01.2000 lediglich noch bis einschließlich 31. März 2000 zur Gewährung von Alhi führen konnten. Auch dies begegnet keinen durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken. Das Bundessozialgericht (BSG) hat bereits mit Urteil vom 24.07.1997 - 11 RAr 83/96 - (bestätigt mit Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 14. März 2001 - 1 BvR 2402/97 = SozR 3-4100 § 242q Nr. 2) festgestellt, dass die ähnliche Übergangsregelung (ebenfalls mit dreimonatiger Übergangsfrist) des § 242q AFG verfassungsgemäß war. Seinerzeit wurde die Dauer des Anspruchs auf originäre Alhi auf längstens 312 Tage begrenzt. Im o.g. Urteil hat das BSG ausgeführt, dass dem Rechtsstaatsgrundsatz kein absolutes Verbot unechter Rückwirkungen zu entnehmen sei. Vielmehr komme es auf eine Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an dem Erlass der Regelung und dem Schutz des Vertrauens des Betroffenen auf den Fortbestand des geltenden Rechts an. Der Lebensunterhalt der Betroffenen sei trotz der Neuregelung weiterhin durch Leistungen nach dem Bundessozialhilfegesetz gesichert. Das Existenzminimum jedenfalls werde keinem Betroffenen entzogen. Zusätzlich sei zu berücksichtigen, dass die Betroffenen sich aufgrund der dreimonatigen Übergangsregelung auf die geänderte Rechtslage in ausreichendem Maße einstellen, insbesondere Sozialhilfe beantragen könnten und sich nicht mit einer sofortigen Entwertung ihrer bisherigen Rechtsposition konfrontiert gesehen hätten. Wegen des fehlenden Bezuges der originären Alhi zur eigentlichen Arbeitslosenversicherung sei es ferner gerechtfertigt, den Anspruch auf Alhi mit einer dreimonatigen Übergangsregelung für "Altfälle" im Sinne einer für die Ordnung von Massenerscheinungen erlaubten Typisierung zu befristen. Diese Gedanken des BSG - denen die Rechtsprechung des Senats gefolgt ist - sind nach Auffassung des Senats auf die hier streitige Regelung des § 434b SGB III übertragbar. Auch der Kläger hatte genügend Zeit, sich darauf einzustellen, dass er nach dem 31.03.2000 nicht mehr mit Leistungen der Beklagten rechnen durfte. Ein Verstoß gegen Art. 14, 20 GG kommt bereits deshalb nicht in Betracht, weil der Anspruch auf Alhi wegen der Finanzierung aus Steuermitteln - wie oben bereits ausgeführt - nicht der Eigentumsgarantie unterliegt. Ein Verstoß gegen das Sozialstaatsprinzip (Art. 20 GG) ist nicht gegeben, weil dieses keinen Anspruch auf eine bestimmte Sozialleistung oder einen Mindestbetrag an Alhi gewährt (vgl. BSG, a.a.O.). Soweit der Kläger sich in diesem Zusammenhang auf eine Aushöhlung des § 125 SGB III beruft, kann ihm nicht gefolgt werden. Die so genannte "Nahtlosigkeitsregelung" will lediglich die Verfügbarkeit fingieren und setzt voraus, dass der Arbeitslose die übrigen Anspruchsvoraussetzungen für den Bezug von Leistungen erfüllt. Ein solcher Fall liegt jedoch bei der originären Alhi gerade nicht vor, da es darum geht, ob der Kläger nach dem vorausgegangenen Rentenbezug und Wiederherstellung der Erwerbsfähigkeit einen Leistungsanspruch hat. Ein Verstoß gegen Art. 3 GG ist ebenfalls nicht gegeben, da die Vorschrift des § 434b SGB III nicht auf eine Ungleichbehandlung von verschiedenen Personengruppen abzielt. Die Intention des Gesetzgebers war vielmehr die unumgängliche Sanierung des Bundeshaushaltes. Zu den dafür notwendigen Konsolidierungsmaßnahmen waren auch die Bereiche der Arbeitslosenversicherung und der steuerfinanzierten Alhi heranzuziehen (vgl. BT-Drucks. 14/1523, S. 205 f.-, vgl. LSG NRW, Urt. v. 06.02.02, L 12 AL 42/01).

Nach alldem konnte der Berufung des Klägers mangels einer rechtlichen Grundlage für den verfolgten Anspruch kein Erfolg beschieden sein.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG, liegen nicht vor. Das BSG hat mit Urteilen vom 10. Juli 2003 und 04. September 2003 entschieden, dass sowohl gegen die Abschaffung der originären Alhi als auch gegen die die Verlängerung der Vor- und Erlöschensfrist betreffenden Normen keine verfassungsrechtlichen Bedenken bestehen. -
Rechtskraft
Aus
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