L 17 U 126/04

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
17
1. Instanz
SG Dortmund (NRW)
Aktenzeichen
S 23 U 63/03
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 17 U 126/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 29. März 2004 wird zurückgewiesen. Die Beklagte trägt auch die Kosten der Klägerin im Berufungsverfahren. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte den Geschiedenenwitwenrentenbescheid vom 26. November 2001 zurücknehmen durfte.

Die im August 1960 geborene Klägerin ist die geschiedene Witwe des H L (Versicherter), der am 12. August 1997 als LKW-Fahrer tödlich verunglückte. Aus der Ehe gingen die Töchter T, geboren am 00. September 1981, und L, geboren am 00. November 1983, hervor. Mit Urteil vom 29. August 1995 übertrug das Amtsgericht - Familiengericht - Hamm (Az: 32 F 160/94) der Klägerin die elterliche Sorge für beide Töchter. Ihr stand deshalb ein nachehelicher Unterhaltsanspruch von mindestens einem Viertel des damals gültigen Sozialhilfesatzes zu (135,00 DM), den der Versicherte im letzten Jahr vor seinem Tod auch erfüllte. Deshalb verurteilte das Sozialgericht (SG) Dortmund die Beklagte am 23. Juli 2001 rechtskräftig (Az: S 23 (11) U 66/00), der Klägerin Witwenrente zu gewähren.

Durch Ausführungsbescheid vom 26. November 2001 bewilligte die Beklagte der Klägerin Witwenrente ab dem 01. Oktober 1997 bis zur Wiederverheiratung auf der Basis von 40 vom Hundert (v.H.) des Jahresarbeitsverdienstes (JAV) und ab dem 01. Dezember 2001 auf der Grundlage von 30 v.H. des JAV. Diesen Verwaltungsakt nahm die Beklagte nach Anhörung mit Bescheid vom 25. September 2002 zurück und stellte die Witwenrentenzahlung ab dem 01. Oktober 2002 ein: Am 26. November 2001, an dem der Geschiedenenwitwenrentenbescheid erlassen worden sei, habe die jüngste Tochter L ihr 18. Lebensjahr vollendet. Seitdem sei die Klägerin wieder in der Lage, für ihren Unterhalt selbst aufzukommen. Die Unterhaltspflicht des Versicherten nach § 1570 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) wäre spätestens zu diesem Zeitpunkt entfallen. Zwar sei der Geschiedenenwitwenrentenanspruch nicht auf die Dauer des Unterhaltsanspruchs gemäß § 1570 BGB beschränkt. Die Vorschrift des § 66 Abs. 1 Satz 2 des Siebten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB VII) sei aber analog heranzuziehen, weil jede andere Rechtsanwendung zu sinnwidrigen Ergebnissen führe.

Dagegen erhob die Klägerin am 04. Dezember 2002 Widerspruch und machte geltend, § 66 Abs. 1 Satz 2 SGB VII sei als Ausnahmevorschrift nicht analogiefähig. Dies werde auch im rechtswissenschaftlichen Schrifttum teilweise so gesehen. Der Gesetzgeber lasse den Geschiedenenwitwenrentenanspruch nicht mit dem Unterhaltsanspruch nach § 1570 BGB entfallen, weil er Elternteile begünstigen wolle, die Kinder erzogen hätten und deshalb aus dem Erwerbsleben ausgeschieden seien.

Mit Widerspruchsbescheid vom 06. Juni 2003 wies die Beklagte den Widerspruch zurück, weil sich weder aus § 1570 BGB noch aus dem rechtskräftigen Urteil des SG Dortmund vom 23. Juli 2001 ein lebenslanger Unterhaltsanspruch ableiten lasse. Der Unterhaltsanspruch nach § 1573 BGB, auf den die Klägerin ersatzweise zurückgreifen könne, betrage deutlich weniger als ein Viertel des Sozialhilfesatzes.

Gegen diese Entscheidung hat die Klägerin am 24. Juni 2003 vor dem SG Dortmund Klage erhoben und vorgetragen, die belastende Regelung des § 66 Abs. 1 Satz 2 SGB VII dürfe keinesfalls zu ihren Ungunsten erweiternd ausgelegt werden, weil der Gesetzgeber bislang bewusst darauf verzichtet habe, diese Vorschrift zu ändern.

Die Beklagte hat sich zur Klageerwiderung ergänzend auf die Ansicht des Verwaltungsausschusses "Rechtsfragen der Unfallversicherung" des Hauptverbandes der gewerblichen Berufsgenossenschaften berufen, wonach eine planwidrige Regelungslücke vorliege, die im Wege der Analogie zu schließen sei. Die Tatbestände, die § 66 Abs. 1 Satz 2 SGB VII ausdrücklich regele, seien mit der vorliegenden Konstellation vergleichbar, weil in beiden Fällen der Kompensationszweck der Rente nicht mehr trage. Unerheblich sei, dass der Gesetzgeber diese Lücke bisher nicht ausdrücklich geschlossen habe Denn dies habe er in einer Vielzahl von herrschend anerkannten Analogieschlüssen unterlassen. Da keine sozialgerichtlichen Urteile vorlägen, sei eine entsprechende Klärung erforderlich. Selbst wenn - einer Anregung des Gerichts entsprechend - die nacheheliche Einkommenssituation mit den in der gesetzlichen Unfallversicherung gültigen Anpassungsfaktoren zugrunde gelegt werde, sei ab Oktober 2002 lediglich von einem Unterhaltsanspruch der Klägerin in Höhe von 71,32 Euro auszugehen, während ein Viertel des sozialhilferechtlichen Regelsatzes ab Oktober 2002 73,25 Euro betragen habe.

Mit Urteil vom 29. März 2004 hat das SG der Klage stattgegeben und den Rücknahmebescheid vom 25. September 2002 in der Gestalt des Widerspruchbescheids vom 06. Juni 2003 aufgehoben: Der Geschiedenenwitwenrentenbescheid vom 26. November 2001 sei rechtmäßig, weil § 66 Abs. 1 Satz 2 SGB VII den Anspruch der Klägerin auf Geschiedenenwitwenrente schon nach seinem eindeutigen Wortlaut nicht beschränke. Die Vorschrift enthalte auch keine planwidrige, im Wege der Analogie zu schließende Gesetzeslücke, wie vor allem die historische Entwicklung der gesetzlichen Hinterbliebenenversorgung ehemaliger Ehegatten belege.

Nach Zustellung am 27. April 2004 hat die Beklagte gegen dieses Urteil am 13. Mai 2004 Berufung eingelegt und ihren Standpunkt bekräftigt.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 29.03.2004 zu ändern und die Klage abzuweisen, hilfsweise, die Revision zuzulassen.

Die Klägerin, die dem angefochtenen Urteil beipflichtet, beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichts- und Verwaltungsakte (Az: 000) Bezug genommen. Beide Akten waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist unbegründet.

Das SG hat den Rücknahmebescheid vom 25. September 2002 in der Gestalt des Widerspruchbescheids vom 06. Juni 2003 (§ 95 des Sozialgerichtsgesetzes [SGG]) zu Recht und mit zutreffender Begründung aufgehoben, weil er rechtswidrig ist und die Klägerin beschwert (§ 54 Abs. 2 Satz 1 SGG).

Die Beklagte war nach § 45 Abs. 1 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB X) nicht befugt, ihren Geschiedenenwitwenrentenbescheid vom 26. November 2001 zurückzunehmen. Nach dieser Vorschrift darf ein [anfänglich] rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

Der Geschiedenenwitwenrentenbescheid war weder bei seinem Erlass am 26. November 2001 noch bei seinem Zugang am 3. Werktag nach der Aufgabe zur Post (§ 37 Abs. 2 SGB X) rechtswidrig. Dabei ist unerheblich, dass die jüngste Tochter der Klägerin und des Versicherten ihr 18. Lebensjahr am 26. November 2001 vollendete. Dies hätte zivilrechtlich zwar zur Folge gehabt, dass die Klägerin ihren familienrechtlichen Unterhaltsanspruch aus § 1570 BGB gegen den Versicherten verloren hätte, wenn er nicht vorher verstorben wäre. Hieraus zieht § 66 Abs. 1 Satz 2 SGB VII für den Anspruch auf Geschiedenenwitwenrente - entgegen der Ansicht der Beklagten - aber keine Konsequenzen. Die Vorschrift sieht eine zeitliche Befristung (" ...solange der frühere Ehegatte ohne den Versicherungsfall unterhaltsberechtigt gewesen wäre") nämlich nur bei Unterhaltsansprüchen nach § 1572 BGB (Unterhalt wegen Krankheit oder Gebrechen, z.B. nach Beendigung der Erziehung eines gemeinschaftlichen Kindes gemäß § 1572 Nr. 2 BGB), § 1573 BGB (Unterhalt des geschiedenen Ehegatten ohne Unterhaltsanspruch gemäß §§ 1570 - 1572 BGB bis zur Erlangung angemessener Erwerbstätigkeit), § 1575 BGB (Unterhalt bis zum Abschluss einer Ausbildung, Fortbildung oder Umschulung) und nach § 1576 BGB (Unterhalt aus Billigkeitsgründen) vor.

Da § 66 Abs. 1 Satz 2 SGB VII nur die genannten Unterhaltsansprüche, nicht aber den Unterhaltsanspruch aus § 1570 BGB erwähnt, ist die Geschiedenenwitwenrente nach der Grundregel des § 66 Abs. 1 Satz 1 SGB VII auch dann weiterzuzahlen, wenn die Pflege und Erziehung eines gemeinschaftlichen Kindes endet. Jede andere Interpretation ist mit dem möglichen Wortsinn der Norm unvereinbar. Eine Auslegung gegen den eindeutigen Wortsinn ist nach ganz h.M. unzulässig (BVerfG, Beschluss vom 10. Januar 1995, Az: 1 BvR 718/89 u.a., BVerfGE 92, 1, 12; BSG, Urteil vom 13. August 2002, Az: B 2 U 30/01 R, SozR 3-2700 § 46 Nr. 1; BVerwG, Urteil vom 29. Juni 1992, Az: 6 C 11/92, BVerwGE 90, 269; Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 3. Aufl. 1995, S. 143, 163 f.; Schmalz, Methodenlehre, 4. Aufl. 1998, Rn. 236; Zippelius, Juristische Methodenlehre, 7. Aufl. 1999, § 9 II, S. 46 f.; a.A.: Wank, Die Auslegung von Gesetzen, 2. Aufl. 2001, S. 51). Die Aufzählung in § 66 Abs. 1 Satz 2 SGB VII ist somit abschließend und enumerativ.

Entgegen der Ansicht der Beklagten ist diese Bestimmung auch nicht analog anwendbar. Die analoge Anwendung einer Vorschrift setzt voraus, dass eine planwidrige Gesetzeslücke besteht, der nicht geregelte Tatbestand dem gesetzlich festgelegten ähnlich ist und beide Tatbestände wegen ihrer Ähnlichkeit gleich zu bewerten sind (BSG, Urteile vom 26. Juli 1989, Az: 11/7 Rar 87/87, SozR 4100 § 107 Nr. 4, vom 05. Mai 1999, Az: B 4 RA 55/98 R, SozR 3-2600 § 34 Nr. 1 und vom 23. Februar 2000, Az: B 5 RJ 26/99 R, SozR 3-2600 § 34 Nr. 3; Larenz/Canaris, a.a.O., S. 202ff.).

Die Methode der Analogie ist eine Form der richterlichen Rechtsfortbildung und verfassungsrechtlich anerkannt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 3. April 1990, Az: 1 BvR 1186/89, BVerfGE 82, 6, 11 ff.). Sie ist von der Gesetzeskorrektur abzugrenzen, die allein dem Gesetzgeber vorbehalten ist. Das Gericht darf keinesfalls die Rolle des Normanwenders aufgeben und die Rolle einer normsetzenden Instanz übernehmen (BVerfGE 82, 6, 11 ff.). Denn es ist an Gesetz und Recht gebunden (Art.20 Abs. 3 GG). Richterliche Rechtsfortbildung darf deshalb im Wege der Analogie nur eingesetzt werden, wenn das Gericht aufgrund einer Betrachtung und Wertung des einfachen Gesetzesrechts eine Gesetzeslücke feststellt (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 9. März 1995, Az: 2 BvR 1437/93 u.a., FamRZ 1995, 1052, 1054). Eine derartige Lücke ist aber nicht bereits dann gegeben, wenn eine erwünschte Ausnahmeregelung fehlt oder eine gesetzliche Regelung aus sozial- oder rechtspolitischen Erwägungen als unbefriedigend empfunden wird (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 27. Dezember 1991, Az: 2 BvR 72/90, NJW 1992, 1219). Hat der Gesetzgeber eine eindeutige Entscheidung getroffen, dürfen die Gerichte diese - auch im Interesse der Rechtssicherheit für den einzelnen Bürger - nicht aufgrund eigener rechtspolitischer Vorstellungen verändern und durch eine Lösung ersetzen, die so ggf. im Parlament gar nicht erreichbar gewesen wäre (vgl. BVerfG FamRZ 1995, 1052, 1054; BVerfGE 82, 6, 12). Eine Lücke im Gesetz liegt mithin nur vor, wo es unvollständig und damit ergänzungsbedürftig ist und wo seine Ergänzung nicht etwa einer vom Gesetz gewollten Beschränkung auf bestimmte Tatbestände widerspricht; es muss sich dabei um eine dem Plan des Gesetzgebers widersprechende, also eine "planwidrige Unvollständigkeit" handeln (ständige Rechtsprechung des BSG, Urteile 16. Dezember 1997, Az: 4 RA 67/97, SozR 3-2600 § 58 Nr. 13; BSG SozR 4100 § 107 Nr. 4; BSG SozR 3-2600 § 34 Nr. 3). Dass der Gesetzgeber die Unterhaltsansprüche nach §§ 1570, 1571 BGB in § 66 Abs. 1 Satz 2 SGB VII nicht erwähnt, stellt keine "planwidrige Gesetzeslücke" dar, die im Wege des Analogieschlusses geschlossen werden müsste. Diese von der Beklagten so bezeichnete "planwidrige Gesetzeslücke" ist durch das 1. Eherechtsänderungsgesetz vom 14. Juni 1976 (BGBI. I, S. 1421) geschaffen worden und existiert mit einer geringfügigen, lediglich redaktionellen und nicht ins Gewicht fallenden Änderung seit dem 01. Juli 1977. Das Gesetz zur Neuordnung der Hinterbliebenenrenten sowie zur Anerkennung von Kindererziehungszeiten in der gesetzlichen Unfallversicherung vom 11. Juli 1985 (BGBI. I, S. 1450) schrieb die "Lücke" zum 01. Januar 1986 fort. Zunächst war sie in § 592 Abs. 1 Satz 2 der Reichsversicherungsordnung (RVO) enthalten, die bis zum 31. Dezember 1996 galt (§§ 212, 214 SGB VII), und wurde anschließend ab dem 01. Januar 1997 mit geringfügigen redaktionellen Änderungen in die Vorschrift des § 66 Abs. 1 Satz 2 SGB VII, das die RVO ablöste, übernommen. Der Gesetzgeber des SGB VII hat indes vielfach nicht nur redaktionelle, sondern auch inhaltliche Änderungen im Sinne von Leistungseinschränkungen vorgenommen: Gemäß § 56 Abs. 1 Satz 1 SGB VII besteht Anspruch auf Verletztenrente erst, wenn die Erwerbsfähigkeit des Versicherten nach Ablauf der 26. Woche um 20 v.H. bzw. um 10 v.H. im Falle einer Stützrentensituation gemindert ist. Demgegenüber gewährte § 580 Abs. 1 RVO diese Leistungen schon dann, wenn eine MdE in der genannten Höhe nach Ablauf der 13. Woche feststellbar war. § 62 Abs. 1 und 2 SGB VII sieht eine vorläufige Entschädigung bis zu 3 Jahren nach dem Unfall und danach erst eine Entschädigung auf unbestimmte Zeit vor, während in § 622 Abs. 2 Satz 1 RVO die Dauerrente spätestens nach 2 Jahren zu gewähren war bzw. von Gesetzes wegen als solche galt. Schließlich begrenzt § 46 Abs. 3 Nr. 3 SGB VII den Verletztengeldanspruch bis zum Ablauf der 78. Woche nach dem Unfallereignis, während vorher § 560 Abs. 1 RVO prinzipiell keine zeitliche Begrenzung vorsah und nur über § 580 Abs. 3 RVO in bestimmten Fällen eine Begrenzung vorgenommen werden konnte.

Zudem hat der Gesetzgeber § 66 Abs. 1 Satz 2 SGB VII bis heute unverändert gelassen, obwohl der Hauptverband der gewerblichen Berufsgenossenschaften bereits seit 1992 empfiehlt (vgl. HVBG-Info 1992, 1792), die Vorschrift bei Betreuungs- bzw. Erziehungsunterhaltsansprüchen entsprechend anzuwenden. Spätestens bei der Einführung des SGB VII bestand aber Anlass, die Regelung des § 592 Abs. 1 Satz 2 RVO a.F. inhaltlich und nicht nur redaktionell zu überprüfen. Im Übrigen ist auffällig, dass teilweise die Kommentierungen die seit 1977 bestehende "planwidrige Lücke" erst nach dem HVBG-Info (a.a.O.) erkannt haben [vgl. dazu Bereiter-Hahn/Schieke/ Mehrtens, Handkommentar zur Unfallversicherung, Stand September 1991 in Rn. 9 und 10 zu § 592 und im Gegensatz dazu Anm. 9 zu § 66 SGB VII; ferner Lauterbach, Kommentar zur Unfallversicherung, Stand Juni 1991, keine Ausführungen in den Anmerkungen 11 a - 15 zu § 592, während später (Stand Juni 1994) in Anmerkung 17 c zu § 592 die entsprechende Anwendung unter wörtlichem Hinweis auf das HVBG-Info (a.a.O.) vorgeschlagen wird, weil man ansonsten zu sinnwidrigen Ergebnissen gelange].

Dass der Gesetzgeber an dieser gesetzlichen Regelung seit 1977 festhält, erscheint auch angemessen. Denn der erziehende Ehegatte ist während der Kindererziehung oftmals nicht oder nur eingeschränkt erwerbstätig. Die zur Zeit der Ehe zwischen den Eheleuten gewählte Konzeption der jeweiligen Erwerbsobliegenheit während der Minderjährigkeit des Kindes bzw. der Kinder prägt damit die Einkommens- und Versorgungssituation des überlebenden Ehegatten in der Regel so nachhaltig, dass sie mit der Volljährigkeit des Kindes oder der Kinder nicht mehr aufgefangen oder kompensiert werden kann, zumal sich mit dem Unfalltod des Versicherten die Ausgangslage weiter verschlechtert.

Selbst wenn entgegen den vorstehenden Darlegungen im Sinne der Auffassung der Beklagten und des HVBG-Infos eine planwidrige Gesetzeslücke zugrunde gelegt wird, kann diese nicht im Wege der Analogie, also der entsprechenden Anwendung des § 66 Abs. 1 Satz 2 SGB VII, geschlossen werden. Wie das SG zutreffend dargelegt hat, sind derartige Analogieschlüsse bei einer Untätigkeit des Gesetzgebers nur in Ausnahmefällen zulässig (vgl. dazu die Rechtsprechung des BSG, Urteile vom 6. Juni 1991, Az: 3 RK 2/90, USK 91110; vom 18. März 1999, Az: B 8 KN 2/98 U R, HVBG-Info 1999, 1682 ff., vom 28. Juli 1999, Az: B 9 V 18/98 R, SozR 3-3100 § 62 Nr. 3, vom 13. August 2002, Az: B 2 U 30/01 R, SozR 3-2700 § 46 Nr. 1und vom 21. Oktober 2003, Az: B 7 AL 88/02 R, SozR 4-4300 § 147 Nr. 1). In Anlehnung an diese Rechtsprechung ist eine Analogie unzulässig, weil insbesondere der Ausnahmecharakter einer befristeten Witwenrente dem in § 66 Abs. 1 Satz 1 SGB VII ausgesprochenen Grundsatz der unbefristeten Gewährung dieser Leistung bis zur Wiederverheiratung des überlebenden Ehegatten zuwiderliefe (so auch Kater/Leube, Gesetzliche Unfallversicherung, 1997, § 66 Rn. 18).

Die Ausnahmeregelegung des § 66 Abs. 1 Satz 2 SGB VII ist vom Gesetzgeber sowohl der RVO als auch des SGB VII im Hinblick auf die namentlich genannten Regelungen des BGB für bestimmte, von vornherein absehbare Fälle einer kürzeren und überschaubaren, zeitlich befristeten Unterhaltsleistung an den überlebenden geschiedenen Ehegatten konzipiert. Schon deshalb ähneln sich die geregelten Tatbestände und die vorliegende Fallkonstellation nicht so stark, dass sie - nach der gesetzgeberischen Konzeption - zwingend gleich bewertet werden müssen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.

Der Senat hat gem. § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG die Revision zugelassen, weil die entscheidende Rechtsfrage, ob § 66 Abs. 1 Satz 2 SGB VII auch in den Fällen des § 1570 BGB analog anzuwenden ist, bislang noch nicht höchstrichterlich entschieden worden ist. Da die Berufsgenossenschaften und die wohl überwiegende Meinung im Schrifttum die analoge Anwendung bejahen (so z. B. auch KassKomm-Ricke § 66 SGB VII Rn.3, Riebel in Hauck, SGB VII K § 66 Rn 48), besteht ein allgemeines Interesse an einer einheitlichen Rechtsprechung und ggf. Fortentwicklung des Rechts.
Rechtskraft
Aus
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