Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Cottbus (BRB)
Aktenzeichen
S 6 KN 82/00
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 3 KN 24/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Klägerin werden das Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 14. Mai 2001 und der Bescheid vom 17. Dezember 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05. Juni 2000 aufgehoben. Die Beklagte hat der Klägerin die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Klägerin wendet sich gegen die Entziehung ihrer ab 10. März 1995 bewilligten Rente wegen Erwerbsunfähigkeit.
Die im ... 1961 geborene Klägerin, die angelernte Gartenbaufacharbeiterin ( Ausbildung von Oktober 1979 bis April 1980) ist, seit 1986 Reinigungsarbeiten verrichtet hat und zuletzt von Juni 1992 bis Dezember 1994 als Kauenwärterin erwerbstätig war, bezog aufgrund ihres Antrages vom 23. November 1994 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit; Bescheid vom 02. April 1996, wegen dessen Einzelheiten auf Bl. 82 bis 114 der Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen wird.
Zur medizinischen Grundlage der Bewilligung von Rente wegen Erwerbsunfähigkeit wurde u.a. der ärztliche Entlassungsbericht der Klinik B. vom 30. März 1995 (Februar 1995 bis März 1995) mit den Entlassungsdiagnosen: Postlaminektomiesyndrom beidseits; Zustand nach Bandscheibenprolaps L5/S 1 1991; Zervicobrachialsyndrom; Hüftdysplasie, Urolithiasis links gemacht. Zum Leistungsvermögen wurde hier angeführt, die Klägerin könne körperlich leichte Arbeiten in wechselnden Körperhaltungen vollschichtig verrichten. Zusätzliche Funktionseinschränkungen bestünden für häufiges Heben, Tragen und Bewegen von Lasten (ohne mechanische Hilfsmittel), häufiges Bücken, überwiegend einseitige Körperhaltung sowie für Arbeiten mit besonderen Zeitdruck.
Die Beklagte berücksichtigte ferner das Gutachten des Facharztes für Innere Medizin Dr. E. des sozialmedizinischen Dienstes der Beklagten vom 27. Februar 1996. Dieser Arzt führte die Diagnosen auf:
"1. Inzwischen therapieresistentes chronisches Schmerzsyndrom nach Bandscheibenprolaps-Op. L5/S1 (1991). Klinisch und nach dem Röntgen-CT-Befund vom 27.07.1993 (Anlage 2) ist ein Postlaminektomiesyndrom in L5/S1 gesichert.
2. Zunehmend therapieresistentes oberes und unteres Zervikalsyndrom bei stärkerer Spondylarthrose im Bereich der mittleren und der distalen HWS. Die migräneartigen Zephalgien der Versicherten können durchaus im Sinne einer Migraine cervicale gedeutet werden.
3. Einlaufende Hüftdysplasie - Coxarthrose rechts.
4. Gesicherte Nierensteindiathese links. Zur Zeit kein Hinweis für eine eingeschränkte Nierenfunktion oder für eine Neigung zu aszendierenden Harnwegsinfekten.
5. Einlaufende Ischurie, deren Genese noch geklärt werden muß. Ein urologisches Leiden wird in nächster Zeit durch eine Harnblasenspiegelung bewiesen oder ausgeschlossen werden. Der behandelnde Orthopäde denkt u.a. an die Möglichkeit eines einlaufenden Kaudasyndroms.
6. Bei gesicherter Cholecysttolithiasis haben sich Gallenkoliken ohne Ikterus manifestiert. Am 17.04.1996 ist die stationäre Aufnahme der Begutachteten in das Klinikum Forst geplant. Dort wird eine Cholezystektomie erfolgen.
7. Blande Struma diffusa I. bis II. Grades, die derzeit mit Hormonsubstitution behandelt wird."
Er beschrieb das Gehvermögen der Klägerin als einen vorsichtigen, tastenden Gang, wobei eine Fußheberschwäche links per Distanz schon auffalle, und bewertete das Leistungsvermögen folgendermaßen:Die Klägerin sei ab dem25. August 1993 (letzte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung) zu keiner gewinnbringenden Arbeit von wirtschaftlichem Wert noch fähig. Bei ihr bestehe ein absolut therapieresistentes chronisches Schmerzsyndrom. Weder der behandelnde Orthopäde noch durch die Reha-Kur in Bad B. habe die schnelle Progredienz des Schmerzsyndroms aufhalten können. Weitere wesentliche Bedeutung habe das therapieresistente obere und untere Zervikalsyndrom mit Migraine cervikale gehabt. Insgesamt sei die Prognose des Postlaminektomiesyndroms schlecht. Es bestünde eine Fußheberschwäche links. Auch an die Möglichkeit einer einlaufenden Beteiligung des Harnblasenregulationszentrums des unteren Rückenmarks müsse bereits gedacht werden. Die Prognose bliebe ungünstig. Dr. E. ging wegen des Postlaminektomiesyndroms von einem aufgehobenen Leistungsvermögen von Dauer aus, empfahl aber eine Nachuntersuchung im Februar 1998.
Im April 1997 befragte die Beklagte die Klägerin, ob in ihren Verhältnissen eine Änderung eingetreten sei: Die Klägerin gab ihre behandelnden Ärzte an und legte u.a. dar, dass eine wesentliche Besserung oder Wiederherstellung der Erwerbsfähigkeit nicht eingetreten sei.
Der Facharzt für Innere Medizin Dr. Sch. des sozialmedizinischen Dienstes der Beklagten gelangte in seinem Gutachten vom 08. Mai 1998 unter Berücksichtigung u.a. der Epikrise des Krankenhauses Forst vom 09. Mai 1996 bei der Klägerin nunmehr zu den Diagnosen:
"1. Schmerzsyndrom nach OP (Hemilaminektomie) wegen eines mediolinkslateralen Bandscheibenprolaps L5/S 1 am 25.04.1991.
2. Zervikales Schmerzsyndrom bei muskulären Dysbalancen mit geringgradigem (altersentsprechenden) degenerativen Veränderungen im Sinne einer Spondylarthrose und Spondylosis deformans.
3. Gering ausgeprägte Hüftdysplasie rechts ohne Funktionsdefizite.
4. Struma diffusa - gering ausgeprägt - ohne klinische Zeichen einer Überfunktion.
5. Zustand nach Cholezystektomie am 18.04.1996 - komplikationsloser postoperativer Verlauf."
Er führte zur Bewertung des Leistungsvermögens aus: Das noch im Februar 1996 bestehende absolut therapieresistente chronische Schmerzsyndrom habe eine deutliche Besserung erfahren. Die schmerzfreie Wegstrecke betrage ca. 1.000 Meter, die die Klägerin ein- bis zweimal wöchentlich ohne Gehstützen zurücklegen könne. Die Gehstütze benutze sie nur noch zeitweilig zur Sicherheit. Sie fahre ca. 3 bis 4 Kilometer Fahrrad. Diese Strecke lege sie ein- bis zweimal wöchentlich offensichtlich im Rahmen eines Trainingsprogrammes zurück. Ein verordnetes Stützkorsett trage sie nicht ständig, sondern nur bei vorausgehender längerer Belastung (meist nur halbtags). Das Gangbild sei ohne Unterarmgehstützen leicht hinkend, kein Steppergang. Die im Vorgutachten angeführte Hypaesthesie sei nur noch geringfügig nachweisbar und offenbar ebenfalls rückläufig. Nach Dr. Sch. ist die Klägerin zwar nicht in der Lage, mittelschwere oder schwere körperliche Arbeiten zu verrichten. Sie könne aber noch leichte körperliche Belastungen vollschichtig in wechselnder Körperhaltung ausüben, wobei Gelegenheit zur Wahl zwischen Sitzen, Stehen und Gehen gegeben werden müsse. Zusätzliche Funktionseinschränkungen bestünden für Heben, Tragen und Bewegen von Lasten (ohne mechanische Hilfsmittel), häufiges Bücken, häufiges Stehen oder Klettern, ohne überwiegend einseitige Körperhaltung. Sie könne im Bergbau als Postbearbeiterin einfacher Aufgaben, Schreibkraft für einfache Arbeiten, Verwaltungshilfskraft im technischen Bereich sowie als Telefonistin erwerbstätig sein; außerhalb des Bergbaus als Hilfsarbeiterin in Büros aller Tarifbereiche; Aufsicht in Ausstellungen und Museen; Pförtnerin; Telefonistin sowie Postbearbeiterin.
Die Beklagte gab der Klägerin durch Formschreiben vom 11. Juni 1998 Gelegenheit zur Stellungnahme zur beabsichtigten Rentenentziehung. In das Formschreiben war lediglich maschinenschriftlich eingefügt:
" ...Ihr Gesundheitszustand (habe sich) deutlich gebessert ... Die Besserung ist daran zu sehen, dass nunmehr eine schmerzfreie Gehstrecke von ca. 1.000 Meter ein- bis zweimal wöchentlich ohne Gehstütze bewältigt werden kann, Radfahren von 3 bis 4 Kilometer ein- bis zweimal wöchentlich möglich ist, ein Stützkorsett nicht mehr ganztägig getragen werden muss."
Die Klägerin wies mit Schreiben vom Juli 1998 darauf hin, dass sie nicht schmerzfrei Laufen und Fahrrad fahren könne. Sie laufe auch nur mit Gehstützen. Ein Stützkorsett trage sie ganztägig. Sie verwies (erneut) auf ihre behandelnden Ärzte, den Orthopäden B. und die Fachärztin für Allgemeinmedizin E ...
Durch Bescheid vom 17. Dezember 1998 entzog die Beklagte die Bewilligung von Rente wegen Erwerbsunfähigkeit ab 01. Januar 1999. Es liege auch keine Berufsunfähigkeit vor, weil sie nach dem Gutachten vom 08. Mai 1998 wieder in der Lage sei, Tätigkeiten in gewisser Regelmäßigkeit auszuüben. Des Weiteren verweise sie auf die Anhörung vom Juni 1998. Die im Anhörungsverfahren genannten Befunde seien bis heute weder von ihr noch von den behandelnden Ärzten zugereicht worden, so dass sie (Beklagte) sich keine neuen Erkenntnisse habe verschaffen können, die sie (Beklagte) von einer Entziehung absehen ließen. Ab 1999 habe die Klägerin einen Anspruch auf Rente für Bergleute wegen verminderter Erwerbsfähigkeit im Bergbau.
Am 29. Dezember 1998 und 14. Januar 1999 gingen bei der Beklagten die Befundberichte der Fachärzte für Allgemeinmedizin E. und des Orthopäden B. ein. Wegen der Einzelheiten wird auf Bl. 40 bis 42 des ärztlichen Teils der Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen.
Die Klägerin hat am 27. Dezember 1998 Widerspruch eingelegt und eine Überprüfung der Entscheidung auf der Grundlage aktueller medizinischer Befunde begehrt.
Im August 1999 gelangte ein Reha-Entlassungsbericht vom 28. Juli 1999 zu den Verwaltungsakten der Beklagten. Die Diagnosen lauteten: Zustand nach interlaminärer Fensterung, Sequestektomie und Nukleotomie bei NPP LWK 5/SWK 1 rechts im April 1999.
Die Klägerin sei noch vier Wochen nach Entlassung arbeitsunfähig. Danach sei sie in vollem Umfang in der Lage, leichte körperliche Tätigkeiten in wechselnder Körperhaltung und überwiegend im Sitzen mit bandscheibengerechtem Stuhl vollschichtig zu verrichten. Sie habe das Heben und Tragen von schweren Lasten und Körperzwangshaltungen und ständiges Bücken zu vermeiden. Zum Rehabilitationsergebnis wird festgestellt:
" ...Bei der Abschlussuntersuchung gibt die Patientin an, sich allgemein erschlagen zu fühlen, die Schmerzen wären erträglicher geworden, es besteht noch ein Restziehen im re. Oberschenkel. Die mögliche schmerzfreie Gehstrecke beträgt ca. 200 m.
Die Patientin klagt noch über unkontrollierten Harnabgang. Die Miktionsbeschwerden sind schwächer als vor der OP geworden ..."
Der Orthopäde Dr. L., Orthopädischen Klinik im C.-T.-Klinikum C., untersuchte die Klägerin am 22. Dezember 1999. Er stellte im Gutachten vom 28. Dezember 1999 die Diagnosen:
"Rezidivierendes lumbales Schmerzsyndrom, Postnukleotomiesyndrom
nach Prolapsentfernung L5/S1 links 1991 und L5/S1 rechts 28.04.1999, mittelgradige Funktionseinschränkung der LWS, zur Zeit leichtes Pseudoradikulärsyndrom rechts, Gangstörung
zervicales Schmerzsyndrom mit geringer Funktionseinschränkung der HWS. altersgerechter unauffälliger Röntgenbefund, kein Radikulärsyndrom"
Das Leistungsvermögen der Klägerin sei nach zweimaliger Bandscheibenoperation eingeschränkt, weswegen sie schwere und mittelschwere Hebe- und Tragearbeiten nicht mehr regelmäßig ausüben solle. Eine Tätigkeit mit häufiger Rumpfbeugung solle ebenfalls vermieden werden. Eine endgültige Aussage zu der Frage der Erwerbs-/Berufsunfähigkeit habe sich aber nicht treffen lassen, weil deutliche Widersprüche zwischen objektivem klinischem Befund sowie Röntgenbefund und den angegebenen Beschwerden der Klägerin sowie der demonstrierten Gangstörung vorlägen. Dr. L. empfahl u.a. eine neurologisch-psychiatrische Zusatzbegutachtung.
Der Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. W. legte in seinem Gutachten vom 29. Februar 2000 dar, es bestehe kein Anhalt für eine krankheitswertige psychopathologische Symptomatik. Die orthopädischen Leiden stünden im Vordergrund, wozu er auf das Gutachten des Dr. L. verweise.
Die Fachärztin für Allgemeinmedizin K. des sozialmedizinischen Dienstes der Beklagten ist sodann im März 2000 aufgrund des Gutachten des Dr. L. zu dem Ergebnis gelangt, dass die Klägerin noch ein Leistungsvermögen für einfache und leichte Tätigkeiten in vollschichtiger Arbeitszeit habe. Dem Widerspruch sei aus sozialmedizinischer Sicht nicht abzuhelfen.
Zum Reha-Entlassungsbericht, den Befundberichten der Ärzte E. und B., den Gutachten der Ärzte Dres. L. und W., dem Ergebnis der Allgemeinmedizinerin K. hörte die Beklagte die Klägerin vor Erlass des Widerspruchsbescheides nicht mehr an.
Die Beklagte wies den Widerspruch als unbegründet zurück; Widerspruchsbescheid vom 05. Juni 2000, wegen dessen Einzelheiten auf Bl. 229 bis 232 der Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen wird. Die Klägerin sei weder berufs- noch erwerbsunfähig. Sie sei im Mai 1998 ambulant untersucht und begutachtet worden. Es seien alle von ihr vorgebrachten Klagen berücksichtigt und hinreichend gewürdigt worden. Die festgestellten Befunde seien von den Ärzten bei der Gutachtenerstattung ausgewertet worden. Unter Berücksichtigung aller erhobenen Befunde und der darin zum Ausdruck gebrachten Einschränkungen der Erwerbsfähigkeit würde die Klägerin wieder für fähig gehalten, als Hilfsarbeiterin in Büros aller Tarifbereiche, z.B. als Pförtnerin oder Postbearbeiterin tätig sein zu können. Sie sei wieder in der Lage, schmerzfreie Gehstrecken von 1.000 m zurückzulegen. Sie werde auch wieder für fähig erachtet, leichte körperliche Tätigkeiten vollschichtig auszuüben. Da sie in ihrem Hauptberuf als Kauenwartin der 3. Berufsgruppe der Arbeiterberufe zuzuordnen sei, sei eine Benennung von Verweisungstätigkeiten nicht erforderlich.
Die Klägerin hat hiergegen am 22. Juni 2000 Klage vor dem Sozialgericht Cottbus erhoben. Sie sei nicht in der Lage, die Verweisungstätigkeiten, die die Beklagte benannt habe, auszuüben.
Das Sozialgericht Cottbus hat Befundberichte der Ärzte Dr. B. (November 2000), des Facharztes für Neurochirurgie Dr. H. sowie ein Gutachten des Chirurgen und Sozialmediziners Dr. B. als Sachverständigen vom 26. Februar 2001 zum Verfahren beigezogen. Der Sachverständige ist nach ambulanter Untersuchung der Klägerin am 23. Februar 2001 zu den Diagnosen gelangt:
"Minimale, das Altersmaß nicht überschreitende, degenerative Veränderungen im Bereich der Halswirbelsäule mit Neigung zu cervicalen muskulären Verspannungszuständen. Zustand nach zweimaliger lumbaler
Bandscheibenoperation in der Etage L5/S1 links wie rechts mit verbleibenden schmerzhaften Bewegungseinschränkungen. Verbleibende leichte Sensibilitätsstörungen an der Außenseite beider Unterschenkel und an der Außenseite beider Füße."
Diese Gesundheitsstörungen ließen es noch zu, dass die Klägerin leichte körperliche Arbeiten in wechselnden Körperhaltungen bei Vermeidung von Zwangshaltungen (Bücken, Hocken oder Knien; Steigen auf Leitern und Gerüsten) verrichten könne. Zu vermeiden habe sie Arbeiten im Freien ohne Witterungsschutz. Tätigkeiten bei Witterungsschutz seien möglich, überwiegend sollten sie jedoch in geschlossenen Räumen erfolgen. Sie könne Arbeiten mit Anforderung an Reaktionsfähigkeit, Übersicht, Aufmerksamkeit, Verantwortungsbewusstsein, Zuverlässigkeit in Wechselschicht, auch in Nachtschicht und unter Zeitdruck, wie Akkordarbeiten, ausüben. Auch seien ihr Arbeiten mit Publikumsverkehr möglich. Sie habe keine weiteren Arbeitspausen oder Arbeitsunterbrechungen als betriebsübliche Pausen einzuhalten. Sie könne öffentliche Verkehrsmittel benutzen und auch ein eigenes Kraftfahrzeug steuern. Sie sei in der Lage, viermal arbeitstäglich die Fußwege von 500 Metern und mehr zusammenhängend in zumutbarer Zeit zurückzulegen. Sie könne vollschichtig unter den im Betrieb in der Regel üblichen Arbeitsbedingungen erwerbstätig sein. Wegen der weiteren Einzelheiten des Gutachtens Dr. B. wird auf Bl. 42 bis 69 der Gerichtsakten verwiesen.
Das Sozialgericht Cottbus hat im Wesentlichen aus den Gründen des Gutachtens des Dr. B. die Klage abgewiesen; Urteil vom 14. Mai2001, wegen dessen Einzelheiten auf Bl. 78 bis 84 der Gerichtsakten verwiesen wird.
Gegen das am 31. Mai 2001 zugestellte Urteil hat die Klägerin am Montag, 02. Juli 2001, Berufungeingelegt und ihr Begehren weiter verfolgt.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 14. Mai 2001 und den Bescheid der Beklagten vom 17. Dezember 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05. Juni 2000 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beteiligten haben nach Erörterung der Sach- und Rechtslage einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung zugestimmt.
Wegen der weiteren Einzelheiten zum Vorbringen der Beteiligten und wegen des Verfahrens wird auf die Gerichtsakten, die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten (VSNR: ...) Bezug genommen. Die Akten haben vorgelegen und sind Gegenstand der Beratung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Das Gericht hat ohne mündliche Verhandlung entscheiden können, weil die Beteiligten dem zugestimmt haben; §§ 153 Abs.1, 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Die zulässige Berufung ist begründet. Das Sozialgericht Cottbus hat die zulässige (Anfechtungs-)Klage zu Unrecht abgewiesen. Die angefochtenen Verwaltungsentscheidungen der Beklagten (Bescheid vom 17. Dezember 1998 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 05. Juni 2000) sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten.
Bei Anfechtungsklagen ist (nur) die Rechtmäßig-/Rechtswidrigkeit der Verwaltungsentscheidungen (§ 54 Abs. 1 SGG) zum Zeitpunkt der letzten Tatsachenfeststellung (vgl. Meyer-Ladewig, SGG, 7. Aufl., zu § 54 Rnr. 32) zu prüfen.
Die angefochtenen Rentenentziehungsentscheidungen der Beklagten sind danach rechtswidrig, weil sie formelle Mängel aufweisen. Die Klägerin ist weder vor Erlass des Rentenentziehungsbescheides noch vor Erlass des Widerspruchsbescheides ausreichend angehört worden; § 24 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X). Die Bescheide sind auch nicht ausreichend begründet worden; § 35 SGB X.
Rechtsgrundlage für eine Rentenentziehung wegen einer gesundheitlichen Besserung der Versicherten ist § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Danach ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung auch nach Eintritt der Unanfechtbarkeit mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen (und rechtlichen) Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorlagen, eine wesentliche Änderung eingetreten ist. Maßgebend ist damit der Leidenszustand, der zum Zeitpunkt der letzten bindenden Entscheidung objektiv bestanden hat; (BSG SozR 3870 § 4 Nr. 3; BSGE 65, 301, 302 = SozR 1300 § 48 Nr. 60). Dieser ist zu vergleichen mit dem Leidenszustand zum Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung, mithin dem der Widerspruchsentscheidung.
Vor Erlass einer derartigen Rentenentziehung haben die Versicherungsträger die Versicherten anzuhören; § 24 SGB X. Diese Vorschrift bestimmt in Abs. 1: Bevor ein Verwaltungsakt erlassen wird, der in Rechte eines Beteiligten eingreift, ist diesem Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern. Entscheidungserhebliche Tatsachen sind alle (Haupt-)Tatsachen, auf welche die Behörde den Verfügungssatz zumindest auch gestützt hat oder auf die es nach ihrer materiell-rechtlichen Ansicht objektiv ankommt (BSGE 69, 247, 252 = SozR 3 – 1300 § 24 Nr. 4). Sind z.B. ärztliche Gutachten eingeholt worden, so ist den Beteiligten Gelegenheit zu geben, sich zu diesen Gutachten zu äußern (BSGE 46, 57, 58 = SozR 1200 § 34 Nr. 3; BSG SozR 1200 § 34 Nrn. 9, 12; SozR 1300 § 24 Nrn. 2, 4). Dabei braucht nicht dem Betroffenen von vornherein das Gutachten oder die ärztliche Auskunft (z.B. Befundbericht) abschriftlich übersandt werden (BSG SozR 1200 § 34 Nr. 1; SozR 3-1300 § 24 Nr. 15). Es reicht nach der Rechtsprechung des BSG aus, die für die Entscheidung erheblichen Tatsachen aus dem Gutachten zusammengefasst anzuführen (BSG, Urteil vom 01. Dezember 1982 – 4 RJ 45/82; in: Meso B 20 a/193).
Nach den den Senat überzeugenden Grundsätzen der Rechtsprechung des BSG richtet sich auch hier die Beurteilung, ob die Klägerin iSd § 24 SGB X angehört worden ist. Eine rechtsfehlerfreie Anhörung ist jedoch zu verneinen. Die mit Formschreiben vom 11. Juni 1998 mit maschinenschriftlichen Zusätzen vorgenommene Anhörung genügt den o.a. rechtlichen Anforderungen nicht. Die Klägerin ist dabei (nur) für eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit nach § 44 Sozialgesetzbuch 6. Buch (SGB VI) zu unerheblichen Tatsachen bezogen auf die Wegefähigkeit angehört worden. Ob eine schmerzfreie Gehstrecke von ca. 1.000 Meter ein- bis zweimal wöchentlich ohne Gehstütze bewältigt werden kann, Radfahren von 3 bis 4 Kilometer ein- bis zweimal wöchentlich möglich ist oder ein Stützkorsett nicht mehr ganztägig getragen werden muss, ist für einen Anspruch auf eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit gänzlich unerheblich.
Nach § 44 Abs. 2 SGB VI in der bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Fassung (a.F.) wird eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit – neben weiteren Voraussetzungen – gewährt, wenn die Versicherten wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, eine Erwerbstätigkeit in gewisser Regelmäßigkeit auszuüben oder Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen erzielen, das ein Siebtel der monatlichen Bezugsgröße übersteigt. Erwerbsunfähigkeit wird u.a. für den Fall bejaht, wenn die Versicherten trotz einer vollschichtigen Leistungsfähigkeit eine Wegestrecke von 500 m nicht innerhalb von 20 Minuten viermal am Tag bewältigen können (BSG SozR 3-2200 § 1247 Nr. 10). Diese Rechtsprechung macht hinreichend deutlich, was entscheidungserhebliche Tatsache iSd § 24 SGB X sein kann und zeigt zugleich auf, dass es nicht auf ein- oder zweimalig "wöchentlich" zu bewältigende schmerzfreie Gehstrecke von 1.000 Metern oder Fahrradfahren von 3 bis 4 Kilometern ankommen kann. Es kommt im Übrigen auch nicht darauf an, ob ein Stützkorsett nicht mehr ganztägig getragen wird.
Medizinische Grundlage der Bewilligung von Rente wegen Erwerbsunfähigkeit war ein absolut therapieresistentes chronisches Schmerzsyndrom (1996) nach den Feststellungen des Facharztes für Innere Medizin Dr. E ... Aufgrund dessen war das Leistungsvermögen gänzlich aufgehoben. Die Klägerin konnte keine Arbeit von wirtschaftlichen Wert mehr leisten. Wenn aber mindestens seit August 1998 eine gesundheitliche Besserung bei der Klägerin – die auch der Senat erkennt und die für eine Rentenentziehung spricht – eingetreten ist, weil das einst absolut therapieresistente chronische Schmerzsyndrom sich gebessert hatte, dann wäre es die Pflicht der Beklagten nach § 24 SGB X gewesen, die Besserung der bis dahin festgestellten Erkrankung und damit auch des Leistungsvermögens darzulegen. Nach Dr. Sch. hat die Klägerin wieder leichte körperliche Belastungen vollschichtig in wechselnden Körperhaltungen unter dem von ihm benannten weiteren Funktionseinschränkungen ausüben können. Die wesentliche entscheidungserhebliche Tatsache ist mithin die Besserung des chronischen Schmerzsyndroms und die sich daraus ergebenden Auswirkungen auf die Leistungsfähigkeit. Hierzu wäre die Klägerin anzuhören gewesen.
Der Mangel der nicht rechtsfehlerfreien Anhörung kann auch nicht unbeachtlich iSd § 24 Abs. 2 SGB X bleiben. Von der Anhörung konnte nicht nach § 24 Abs. 2 Nrn. 1 bis 7 SGB X abgesehen werden, weil diese Voraussetzungen allesamt nicht vorliegen.
Er ist auch nicht unbeachtlich im Sinne von § 41 Abs. 1 Nr. 3 SGB X. Danach ist eine Verletzung von Verfahrens- oder Formvorschriften, die nicht den Verwaltungsakt nach § 40 SGB X nichtig macht, unbeachtlich, wenn die erforderliche Anhörung eines Beteiligten nachgeholt wird. Die Beklagte hat auch im Widerspruchsverfahren die Klägerin nicht ausreichend angehört. Zu Lasten der Beklagten können deswegen die ansonsten anzuwendenden Grundsätze der überzeugenden Rechtsprechung des BSG (vgl. BSG SozR 1200 § 34 Nrn. 1,7) zur Heilung von Anhörungsmängeln keine Anwendung finden.
Die Beklagte hat im Widerspruchsverfahren wiederum der Klägerin keine Gelegenheit gegeben, sich zu neuen entscheidungserheblichen Tatsachen im Sinne des § 24 SGB X zu äußern, obwohl es hier um so mehr geboten gewesen wäre, um den vorausgegangenen Mangel des Verwaltungsverfahrens zu heilen.
Die Beklagte hatte bereits mit der Einleitung des Überprüfungsverfahrens im April 1996 und nach Antwort auf das Formschreiben vom 11. Juni 1998 davon Kenntnis, dass die Klägerin ihre behandelnden Ärzte B. und E. angegeben hatte, um von ihnen neue medizinische Erkenntnisse in eine Rentenentziehungentscheidung mit einzubeziehen. Obwohl die Beklagte darum gewusst hatte, erließ sie den Bescheid vom 17. Dezember 1998. Erst im Anschluss daran sind zum ärztlichen Teil der Verwaltungsakten die Befundberichte der behandelnden Ärzte der Klägerin E. (Eingang: 29. Dezember 1998) und B. (Eingang: 14. Januar 1999) gelangt. Der Beklagten lagen zudem der Reha-Entlassungsbericht vom Juli 1999 sowie die von ihr eingeholten Gutachten der Dres. L. und W. vor Erlass des Widerspruchsbescheides vor.
Der vom Senat für zutreffend erachteten Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ist zu entnehmen, dass vor Erlass von Verwaltungsentscheidungen das wesentliche Ergebnis von u.a. Befundberichten den Versicherten mitzuteilen ist (vgl. u.a. BSG, Urteil vom 28. April 1999 - B 9 SB 5/98 R.). Der Klägerin ist nicht bekannt gegeben worden, dass nunmehr – vor Erlass des Widerspruchsbescheides – neue medizinische Erkenntnisse aus Befundberichten der behandelnden Ärzte der Klägerin (B. und E.), dem Reha-Entlassungsbericht vom 28. Juli 1999, den Gutachten der Dres. L. und W. und der sozialmedizinischen Stellungnahme der Fachärztin K. vorgelegen haben. Dies insgesamt wäre jedoch erforderlich gewesen, damit sich die Klägerin zur Ausschöpfung ihres Rechtes auf rechtliches Gehör - auch während des Widerspruchsverfahrens - noch weitere Tatsachenkenntnis hätte verschaffen können (vgl. hierzu BSG SozR 1300 § 24 Nr. 4) anstelle sie zur Klageerhebung zu drängen. Aufgrund einer derartigen Mitteilung soll der Betroffene in die Lage versetzt werden, ob er sogleich dazu Stellung nehmen will, inwieweit sich sein Gesundheitszustand gegenüber den Verhältnissen bei Erlass des früheren Bescheides tatsächlich gebessert hat oder ob er zunächst den Befundbericht anfordern soll, um sodann - gegebenenfalls mit Hilfe eines Arztes- sachgerechte Einwendungen zu erheben. Dem ist die Beklagte vor Erlass des Widerspruchsbescheides auch nicht nachgekommen. Das Erfordernis der dargelegten Anhörung gilt auch für das Widerspruchsverfahren (vgl. BSG SozR 3-1300 § 24 Nr. 14), um den Versicherten zunächst gerichtlichen Rechtsschutz vermeiden zu helfen. Der Versicherungsträger - hier die Beklagte - gelänge andernfalls zu einem Erkenntnisvorsprung, zumindest über einen medizinischen Sachverhalt, den der Versicherte – hier die Klägerin – erst während der im Anschluss nach Bekanntgabe des Widerspruchsbescheides laufenden Rechtsmittelfrist einholen und in einem gerichtlichen Verfahren zur Überprüfung stellen kann. Zwar ist das sozialgerichtliche Verfahren für die Versicherten weiterhin gerichtskostenfrei (§ 183 SGG). Bedienen sich die Versicherten – wie hier – eines Prozessbevollmächtigten, besteht die Gefahr bei einem prozessualen Unterliegen die Kosten des Bevollmächtigten tragen zu müssen. Eine Heilung im Sinne von § 41 SGB X kann nur dann eintreten, wenn der Widerspruchsbescheid selbst rechtlich nicht weitergehend zu beanstanden ist. Das ist aber hier – wie dargelegt – nicht der Fall.
Die Rentenentziehungsbescheid vom 17. Dezember 1998 ist ferner nicht ausreichend begründet worden; § 35 Abs. 1, 2 SGB X.
Die Begründung eines Verwaltungsaktes soll den davon betroffenen Staatsbürger in die Lage versetzen, die Entscheidung einer Behörde zu verstehen und die Überprüfung der dem Verwaltungsakt zu Grunde liegenden tatsächlichen und rechtlichen Erwägungen zu ermöglichen. Dieser rechtsstaatliche Grundsatz hat bei der Rentenentziehung ein besonderes Gewicht. Eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung bildet schon nach ihrer Zielsetzung im Allgemeinen die Lebensgrundlage des Versicherten. Sie tritt regelmäßig an die Stelle des ganz oder teilweise weggefallenen Erwerbseinkommens. Die Entziehung der Rente setzt voraus, dass der Versicherte wieder in hinreichendem Umfang erwerbsfähig ist. Dieser Zustand befähigt ihn, eine Erwerbstätigkeit auszuüben, durch deren Ertrag er seinen Lebensunterhalt bestreiten kann. Durch das Rechtsinstitut der Rentenentziehung bringt das Gesetz zum Ausdruck, dass die Solidargemeinschaft dem Versicherten ein solches Tun auch zumutet. Der Versicherte steht damit vor der Notwendigkeit, seine bisherige auf dem Renteneinkommen ruhende Lebensführung von Grund auf umzustellen. Aus dieser Sicht beinhaltet die Rentenentziehung einen nachhaltigen Eingriff in die persönliche Lebenssphäre des Versicherten, der die Begründung des Bescheides auch Rechnung tragen muss; vgl. Urteil des Bundessozialgerichts vom 24. Juni 1982 - 4 RJ 37/81 = SozR § 1286 Nr. 12. Diesen überzeugenden Ausführungen folgt der Senat.
Die im Bescheid vom 17. Dezember 1998 angeführte Begründung für die Rentenentziehung genügt diesen Anforderungen nicht. Der Rentenentziehungsbescheid nimmt lediglich Bezug auf das Gutachten vom 08. Mai 1998, ohne dass aus den Verwaltungsakten der Beklagten oder aus dem ärztlichen Teil der Verwaltungsakten ersichtlich wird, dass der Inhalt des Gutachtens der Klägerin in vollem Umfang bekannt gemacht worden ist; (vgl. i.d.S. BSG, Urteil v. 25. März 1999 - B 9 SB 14/97 R zum Befundbericht), verweist auf die Anhörung vom 11. Juni 1998 und erklärt, die Klägerin sei wieder in der Lage, Tätigkeiten in gewisser Regelmäßigkeit ausüben zu können. Dies rechtfertige einen Entzug der Rente wegen Erwerbsunfähigkeit.
Dem Bescheid fehlen insoweit Angaben dazu, in welchem Umfang die Klägerin noch für leistungsfähig erachtet wird. Insbesondere hätte die Beklagte ihr - schon aus Anlass der Anhörung (s.o.) - so spätestens im Entziehungsbescheid anzugeben gehabt, welche Art von Arbeiten (leichte, mittelschwere, schwere) sie mit welchen weiteren Funktionseinschränkungen und in welchem zeitlichen Umfang noch verrichten kann. Wenn diese Begründung schon erforderlich gewesen wäre, um der Klägerin hinreichend deutlich zu machen, dass sie keinen Anspruch mehr auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit ab 01. Januar 1999 gehabt hat, so enthält der Rentenentziehungsbescheid überhaupt keine Gründe mehr zu dem weiteren (für die Klägerin negativen) Verfügungssatz, dass ihr auch keine Rente wegen Berufsunfähigkeit zustehe.
Die Beklagten konnte in dem Rentenentziehungsbescheid auch nicht auf eine Begründung verzichten; § 35 Abs. 2 SGB X. Die Voraussetzungen von § 35 Abs. 2 Nrn. 1 bis 5 SGB X liegen erkennbar nicht vor.
Der Mangel der Begründung ist auch nicht unbeachtlich im Sinne von § 41 Abs. 1 Nr. 2 SGBX. Danach ist eine Verletzung von Verfahrens- oder Formvorschriften, die nicht den Verwaltungsakt nach § 40 SGB X nichtig macht, unbeachtlich, wenn die erforderliche Begründung nachträglich gegeben wird. Der Mangel kann nicht unbeachtlich bleiben, weil der Widerspruchsbescheid vom 05. Juni 2000 selbst rechtsfehlerhaft ist (s.o.) und deswegen eine Heilung – obwohl in diesem eine Erklärung zur Verweisung der Klägerin auf den allgemeinen Arbeitsmarkt abgegeben wird – nicht herbeiführt.
Darüber hinaus trägt die medizinische Sachermittlung zum Abschluss des Widerspruchsverfahren das Ergebnis der Rentenentziehung nicht und zeigt damit einen weiteren Mangel auch des Widerspruchsbescheides in der Begründung auf. Für die Beklagte war noch gar keine endgültige Aussage zur Frage der Erwerbs-/Berufsunfähigkeit zu diesem Zeitpunkt getroffen worden, obwohl die Fachärztin für Allgemeinmedizin K. des sozialmedizinischen Dienstes im März 2000 unter Bezugnahme des Gutachtens des Dr. L. solches festgestellt hatte. Dr. L. hatte nämlich in seinem Gutachten im Dezember 1999 darauf hingewiesen, dass eine endgültige Aussage zu der Frage der Erwerbs-/Berufsunfähigkeit sich wegen deutlicher Widersprüche zwischen objektiven klinischem Befund sowie Röntgenbefund und den angegebenen Beschwerden der Klägerin sowie der demonstrierten Gangstörung habe gar nicht treffen lassen. Wie die Ärztin K. zu ihrer Meinung unter Bezugnahme auf Dr. L. gelangt ist, kann der Senat nicht nachvollziehen. Denn auch Dr. W. hat (nur) erklärt, dass ein Anhalt für eine krankheitswertige psychopathologische Symptomatik bestehe. Damit war aber die noch von Dr. L. aufgeworfene Frage, Widerspruch zwischen objektiven klinischem Befund sowie Röntgenbefund und den angegebenen Beschwerden der Klägerin, weiterhin offen. Wenn die Beklagte schon eine derartige Sachermittlung in der Regel ausreichen lässt für die Versagung von Anträgen zu Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit, so kann sie sich im Rentenentziehungsverfahren damit nicht begnügen.
Eine Verpflichtung zur Aussetzung des Verfahrens nach § 114 Abs. 2 SGG (in der Fassung des 4. Euro-Einführungsgesetzes vom 21. Dezember 2000 (BGBl. I S. 1983) mit Inkrafttreten zum 01. Januar 2001 )kommt vorliegend nicht in Betracht. Nach dieser Vorschrift kann das Gericht auf Antrag das Verfahren zur Heilung u.a. von Verfahrensfehlern aussetzen, soweit dies im Sinne der Verfahrenskonzentration sachdienlich ist. § 114 Abs. 2 Satz 2 SGG erfasst den vorliegenden Fall für das laufende (Gerichts-)Verfahren zeitlich nicht. Die Klägerin hatte bei Inkrafttreten der Vorschrift am 01. Januar 2001 bereits einen Aufhebungsanspruch allein wegen der Verfahrensfehler der fehlenden Anhörungen bzw. nicht ausreichenden Begründungen, in den anderenfalls belastend eingegriffen würde (vgl. BSG, Urteil v. 12. Juni 2001 - B 4 RA 37/00 R). Die das Widerspruchsverfahren beendende Entscheidung datiert nämlich vom 05. Juni 2000.
Nach alledem hat die Berufung der Klägerin Erfolg.
Die Entscheidung über die Kosten erfolgt aus § 193 Abs. 1 SGG.
Die Revision ist nicht zuzulassen gewesen, weil die Voraussetzungen nach § 160 Abs. 2 Nrn. 1, 2 SGG nicht vorgelegen haben.
Tatbestand:
Die Klägerin wendet sich gegen die Entziehung ihrer ab 10. März 1995 bewilligten Rente wegen Erwerbsunfähigkeit.
Die im ... 1961 geborene Klägerin, die angelernte Gartenbaufacharbeiterin ( Ausbildung von Oktober 1979 bis April 1980) ist, seit 1986 Reinigungsarbeiten verrichtet hat und zuletzt von Juni 1992 bis Dezember 1994 als Kauenwärterin erwerbstätig war, bezog aufgrund ihres Antrages vom 23. November 1994 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit; Bescheid vom 02. April 1996, wegen dessen Einzelheiten auf Bl. 82 bis 114 der Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen wird.
Zur medizinischen Grundlage der Bewilligung von Rente wegen Erwerbsunfähigkeit wurde u.a. der ärztliche Entlassungsbericht der Klinik B. vom 30. März 1995 (Februar 1995 bis März 1995) mit den Entlassungsdiagnosen: Postlaminektomiesyndrom beidseits; Zustand nach Bandscheibenprolaps L5/S 1 1991; Zervicobrachialsyndrom; Hüftdysplasie, Urolithiasis links gemacht. Zum Leistungsvermögen wurde hier angeführt, die Klägerin könne körperlich leichte Arbeiten in wechselnden Körperhaltungen vollschichtig verrichten. Zusätzliche Funktionseinschränkungen bestünden für häufiges Heben, Tragen und Bewegen von Lasten (ohne mechanische Hilfsmittel), häufiges Bücken, überwiegend einseitige Körperhaltung sowie für Arbeiten mit besonderen Zeitdruck.
Die Beklagte berücksichtigte ferner das Gutachten des Facharztes für Innere Medizin Dr. E. des sozialmedizinischen Dienstes der Beklagten vom 27. Februar 1996. Dieser Arzt führte die Diagnosen auf:
"1. Inzwischen therapieresistentes chronisches Schmerzsyndrom nach Bandscheibenprolaps-Op. L5/S1 (1991). Klinisch und nach dem Röntgen-CT-Befund vom 27.07.1993 (Anlage 2) ist ein Postlaminektomiesyndrom in L5/S1 gesichert.
2. Zunehmend therapieresistentes oberes und unteres Zervikalsyndrom bei stärkerer Spondylarthrose im Bereich der mittleren und der distalen HWS. Die migräneartigen Zephalgien der Versicherten können durchaus im Sinne einer Migraine cervicale gedeutet werden.
3. Einlaufende Hüftdysplasie - Coxarthrose rechts.
4. Gesicherte Nierensteindiathese links. Zur Zeit kein Hinweis für eine eingeschränkte Nierenfunktion oder für eine Neigung zu aszendierenden Harnwegsinfekten.
5. Einlaufende Ischurie, deren Genese noch geklärt werden muß. Ein urologisches Leiden wird in nächster Zeit durch eine Harnblasenspiegelung bewiesen oder ausgeschlossen werden. Der behandelnde Orthopäde denkt u.a. an die Möglichkeit eines einlaufenden Kaudasyndroms.
6. Bei gesicherter Cholecysttolithiasis haben sich Gallenkoliken ohne Ikterus manifestiert. Am 17.04.1996 ist die stationäre Aufnahme der Begutachteten in das Klinikum Forst geplant. Dort wird eine Cholezystektomie erfolgen.
7. Blande Struma diffusa I. bis II. Grades, die derzeit mit Hormonsubstitution behandelt wird."
Er beschrieb das Gehvermögen der Klägerin als einen vorsichtigen, tastenden Gang, wobei eine Fußheberschwäche links per Distanz schon auffalle, und bewertete das Leistungsvermögen folgendermaßen:Die Klägerin sei ab dem25. August 1993 (letzte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung) zu keiner gewinnbringenden Arbeit von wirtschaftlichem Wert noch fähig. Bei ihr bestehe ein absolut therapieresistentes chronisches Schmerzsyndrom. Weder der behandelnde Orthopäde noch durch die Reha-Kur in Bad B. habe die schnelle Progredienz des Schmerzsyndroms aufhalten können. Weitere wesentliche Bedeutung habe das therapieresistente obere und untere Zervikalsyndrom mit Migraine cervikale gehabt. Insgesamt sei die Prognose des Postlaminektomiesyndroms schlecht. Es bestünde eine Fußheberschwäche links. Auch an die Möglichkeit einer einlaufenden Beteiligung des Harnblasenregulationszentrums des unteren Rückenmarks müsse bereits gedacht werden. Die Prognose bliebe ungünstig. Dr. E. ging wegen des Postlaminektomiesyndroms von einem aufgehobenen Leistungsvermögen von Dauer aus, empfahl aber eine Nachuntersuchung im Februar 1998.
Im April 1997 befragte die Beklagte die Klägerin, ob in ihren Verhältnissen eine Änderung eingetreten sei: Die Klägerin gab ihre behandelnden Ärzte an und legte u.a. dar, dass eine wesentliche Besserung oder Wiederherstellung der Erwerbsfähigkeit nicht eingetreten sei.
Der Facharzt für Innere Medizin Dr. Sch. des sozialmedizinischen Dienstes der Beklagten gelangte in seinem Gutachten vom 08. Mai 1998 unter Berücksichtigung u.a. der Epikrise des Krankenhauses Forst vom 09. Mai 1996 bei der Klägerin nunmehr zu den Diagnosen:
"1. Schmerzsyndrom nach OP (Hemilaminektomie) wegen eines mediolinkslateralen Bandscheibenprolaps L5/S 1 am 25.04.1991.
2. Zervikales Schmerzsyndrom bei muskulären Dysbalancen mit geringgradigem (altersentsprechenden) degenerativen Veränderungen im Sinne einer Spondylarthrose und Spondylosis deformans.
3. Gering ausgeprägte Hüftdysplasie rechts ohne Funktionsdefizite.
4. Struma diffusa - gering ausgeprägt - ohne klinische Zeichen einer Überfunktion.
5. Zustand nach Cholezystektomie am 18.04.1996 - komplikationsloser postoperativer Verlauf."
Er führte zur Bewertung des Leistungsvermögens aus: Das noch im Februar 1996 bestehende absolut therapieresistente chronische Schmerzsyndrom habe eine deutliche Besserung erfahren. Die schmerzfreie Wegstrecke betrage ca. 1.000 Meter, die die Klägerin ein- bis zweimal wöchentlich ohne Gehstützen zurücklegen könne. Die Gehstütze benutze sie nur noch zeitweilig zur Sicherheit. Sie fahre ca. 3 bis 4 Kilometer Fahrrad. Diese Strecke lege sie ein- bis zweimal wöchentlich offensichtlich im Rahmen eines Trainingsprogrammes zurück. Ein verordnetes Stützkorsett trage sie nicht ständig, sondern nur bei vorausgehender längerer Belastung (meist nur halbtags). Das Gangbild sei ohne Unterarmgehstützen leicht hinkend, kein Steppergang. Die im Vorgutachten angeführte Hypaesthesie sei nur noch geringfügig nachweisbar und offenbar ebenfalls rückläufig. Nach Dr. Sch. ist die Klägerin zwar nicht in der Lage, mittelschwere oder schwere körperliche Arbeiten zu verrichten. Sie könne aber noch leichte körperliche Belastungen vollschichtig in wechselnder Körperhaltung ausüben, wobei Gelegenheit zur Wahl zwischen Sitzen, Stehen und Gehen gegeben werden müsse. Zusätzliche Funktionseinschränkungen bestünden für Heben, Tragen und Bewegen von Lasten (ohne mechanische Hilfsmittel), häufiges Bücken, häufiges Stehen oder Klettern, ohne überwiegend einseitige Körperhaltung. Sie könne im Bergbau als Postbearbeiterin einfacher Aufgaben, Schreibkraft für einfache Arbeiten, Verwaltungshilfskraft im technischen Bereich sowie als Telefonistin erwerbstätig sein; außerhalb des Bergbaus als Hilfsarbeiterin in Büros aller Tarifbereiche; Aufsicht in Ausstellungen und Museen; Pförtnerin; Telefonistin sowie Postbearbeiterin.
Die Beklagte gab der Klägerin durch Formschreiben vom 11. Juni 1998 Gelegenheit zur Stellungnahme zur beabsichtigten Rentenentziehung. In das Formschreiben war lediglich maschinenschriftlich eingefügt:
" ...Ihr Gesundheitszustand (habe sich) deutlich gebessert ... Die Besserung ist daran zu sehen, dass nunmehr eine schmerzfreie Gehstrecke von ca. 1.000 Meter ein- bis zweimal wöchentlich ohne Gehstütze bewältigt werden kann, Radfahren von 3 bis 4 Kilometer ein- bis zweimal wöchentlich möglich ist, ein Stützkorsett nicht mehr ganztägig getragen werden muss."
Die Klägerin wies mit Schreiben vom Juli 1998 darauf hin, dass sie nicht schmerzfrei Laufen und Fahrrad fahren könne. Sie laufe auch nur mit Gehstützen. Ein Stützkorsett trage sie ganztägig. Sie verwies (erneut) auf ihre behandelnden Ärzte, den Orthopäden B. und die Fachärztin für Allgemeinmedizin E ...
Durch Bescheid vom 17. Dezember 1998 entzog die Beklagte die Bewilligung von Rente wegen Erwerbsunfähigkeit ab 01. Januar 1999. Es liege auch keine Berufsunfähigkeit vor, weil sie nach dem Gutachten vom 08. Mai 1998 wieder in der Lage sei, Tätigkeiten in gewisser Regelmäßigkeit auszuüben. Des Weiteren verweise sie auf die Anhörung vom Juni 1998. Die im Anhörungsverfahren genannten Befunde seien bis heute weder von ihr noch von den behandelnden Ärzten zugereicht worden, so dass sie (Beklagte) sich keine neuen Erkenntnisse habe verschaffen können, die sie (Beklagte) von einer Entziehung absehen ließen. Ab 1999 habe die Klägerin einen Anspruch auf Rente für Bergleute wegen verminderter Erwerbsfähigkeit im Bergbau.
Am 29. Dezember 1998 und 14. Januar 1999 gingen bei der Beklagten die Befundberichte der Fachärzte für Allgemeinmedizin E. und des Orthopäden B. ein. Wegen der Einzelheiten wird auf Bl. 40 bis 42 des ärztlichen Teils der Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen.
Die Klägerin hat am 27. Dezember 1998 Widerspruch eingelegt und eine Überprüfung der Entscheidung auf der Grundlage aktueller medizinischer Befunde begehrt.
Im August 1999 gelangte ein Reha-Entlassungsbericht vom 28. Juli 1999 zu den Verwaltungsakten der Beklagten. Die Diagnosen lauteten: Zustand nach interlaminärer Fensterung, Sequestektomie und Nukleotomie bei NPP LWK 5/SWK 1 rechts im April 1999.
Die Klägerin sei noch vier Wochen nach Entlassung arbeitsunfähig. Danach sei sie in vollem Umfang in der Lage, leichte körperliche Tätigkeiten in wechselnder Körperhaltung und überwiegend im Sitzen mit bandscheibengerechtem Stuhl vollschichtig zu verrichten. Sie habe das Heben und Tragen von schweren Lasten und Körperzwangshaltungen und ständiges Bücken zu vermeiden. Zum Rehabilitationsergebnis wird festgestellt:
" ...Bei der Abschlussuntersuchung gibt die Patientin an, sich allgemein erschlagen zu fühlen, die Schmerzen wären erträglicher geworden, es besteht noch ein Restziehen im re. Oberschenkel. Die mögliche schmerzfreie Gehstrecke beträgt ca. 200 m.
Die Patientin klagt noch über unkontrollierten Harnabgang. Die Miktionsbeschwerden sind schwächer als vor der OP geworden ..."
Der Orthopäde Dr. L., Orthopädischen Klinik im C.-T.-Klinikum C., untersuchte die Klägerin am 22. Dezember 1999. Er stellte im Gutachten vom 28. Dezember 1999 die Diagnosen:
"Rezidivierendes lumbales Schmerzsyndrom, Postnukleotomiesyndrom
nach Prolapsentfernung L5/S1 links 1991 und L5/S1 rechts 28.04.1999, mittelgradige Funktionseinschränkung der LWS, zur Zeit leichtes Pseudoradikulärsyndrom rechts, Gangstörung
zervicales Schmerzsyndrom mit geringer Funktionseinschränkung der HWS. altersgerechter unauffälliger Röntgenbefund, kein Radikulärsyndrom"
Das Leistungsvermögen der Klägerin sei nach zweimaliger Bandscheibenoperation eingeschränkt, weswegen sie schwere und mittelschwere Hebe- und Tragearbeiten nicht mehr regelmäßig ausüben solle. Eine Tätigkeit mit häufiger Rumpfbeugung solle ebenfalls vermieden werden. Eine endgültige Aussage zu der Frage der Erwerbs-/Berufsunfähigkeit habe sich aber nicht treffen lassen, weil deutliche Widersprüche zwischen objektivem klinischem Befund sowie Röntgenbefund und den angegebenen Beschwerden der Klägerin sowie der demonstrierten Gangstörung vorlägen. Dr. L. empfahl u.a. eine neurologisch-psychiatrische Zusatzbegutachtung.
Der Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. W. legte in seinem Gutachten vom 29. Februar 2000 dar, es bestehe kein Anhalt für eine krankheitswertige psychopathologische Symptomatik. Die orthopädischen Leiden stünden im Vordergrund, wozu er auf das Gutachten des Dr. L. verweise.
Die Fachärztin für Allgemeinmedizin K. des sozialmedizinischen Dienstes der Beklagten ist sodann im März 2000 aufgrund des Gutachten des Dr. L. zu dem Ergebnis gelangt, dass die Klägerin noch ein Leistungsvermögen für einfache und leichte Tätigkeiten in vollschichtiger Arbeitszeit habe. Dem Widerspruch sei aus sozialmedizinischer Sicht nicht abzuhelfen.
Zum Reha-Entlassungsbericht, den Befundberichten der Ärzte E. und B., den Gutachten der Ärzte Dres. L. und W., dem Ergebnis der Allgemeinmedizinerin K. hörte die Beklagte die Klägerin vor Erlass des Widerspruchsbescheides nicht mehr an.
Die Beklagte wies den Widerspruch als unbegründet zurück; Widerspruchsbescheid vom 05. Juni 2000, wegen dessen Einzelheiten auf Bl. 229 bis 232 der Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen wird. Die Klägerin sei weder berufs- noch erwerbsunfähig. Sie sei im Mai 1998 ambulant untersucht und begutachtet worden. Es seien alle von ihr vorgebrachten Klagen berücksichtigt und hinreichend gewürdigt worden. Die festgestellten Befunde seien von den Ärzten bei der Gutachtenerstattung ausgewertet worden. Unter Berücksichtigung aller erhobenen Befunde und der darin zum Ausdruck gebrachten Einschränkungen der Erwerbsfähigkeit würde die Klägerin wieder für fähig gehalten, als Hilfsarbeiterin in Büros aller Tarifbereiche, z.B. als Pförtnerin oder Postbearbeiterin tätig sein zu können. Sie sei wieder in der Lage, schmerzfreie Gehstrecken von 1.000 m zurückzulegen. Sie werde auch wieder für fähig erachtet, leichte körperliche Tätigkeiten vollschichtig auszuüben. Da sie in ihrem Hauptberuf als Kauenwartin der 3. Berufsgruppe der Arbeiterberufe zuzuordnen sei, sei eine Benennung von Verweisungstätigkeiten nicht erforderlich.
Die Klägerin hat hiergegen am 22. Juni 2000 Klage vor dem Sozialgericht Cottbus erhoben. Sie sei nicht in der Lage, die Verweisungstätigkeiten, die die Beklagte benannt habe, auszuüben.
Das Sozialgericht Cottbus hat Befundberichte der Ärzte Dr. B. (November 2000), des Facharztes für Neurochirurgie Dr. H. sowie ein Gutachten des Chirurgen und Sozialmediziners Dr. B. als Sachverständigen vom 26. Februar 2001 zum Verfahren beigezogen. Der Sachverständige ist nach ambulanter Untersuchung der Klägerin am 23. Februar 2001 zu den Diagnosen gelangt:
"Minimale, das Altersmaß nicht überschreitende, degenerative Veränderungen im Bereich der Halswirbelsäule mit Neigung zu cervicalen muskulären Verspannungszuständen. Zustand nach zweimaliger lumbaler
Bandscheibenoperation in der Etage L5/S1 links wie rechts mit verbleibenden schmerzhaften Bewegungseinschränkungen. Verbleibende leichte Sensibilitätsstörungen an der Außenseite beider Unterschenkel und an der Außenseite beider Füße."
Diese Gesundheitsstörungen ließen es noch zu, dass die Klägerin leichte körperliche Arbeiten in wechselnden Körperhaltungen bei Vermeidung von Zwangshaltungen (Bücken, Hocken oder Knien; Steigen auf Leitern und Gerüsten) verrichten könne. Zu vermeiden habe sie Arbeiten im Freien ohne Witterungsschutz. Tätigkeiten bei Witterungsschutz seien möglich, überwiegend sollten sie jedoch in geschlossenen Räumen erfolgen. Sie könne Arbeiten mit Anforderung an Reaktionsfähigkeit, Übersicht, Aufmerksamkeit, Verantwortungsbewusstsein, Zuverlässigkeit in Wechselschicht, auch in Nachtschicht und unter Zeitdruck, wie Akkordarbeiten, ausüben. Auch seien ihr Arbeiten mit Publikumsverkehr möglich. Sie habe keine weiteren Arbeitspausen oder Arbeitsunterbrechungen als betriebsübliche Pausen einzuhalten. Sie könne öffentliche Verkehrsmittel benutzen und auch ein eigenes Kraftfahrzeug steuern. Sie sei in der Lage, viermal arbeitstäglich die Fußwege von 500 Metern und mehr zusammenhängend in zumutbarer Zeit zurückzulegen. Sie könne vollschichtig unter den im Betrieb in der Regel üblichen Arbeitsbedingungen erwerbstätig sein. Wegen der weiteren Einzelheiten des Gutachtens Dr. B. wird auf Bl. 42 bis 69 der Gerichtsakten verwiesen.
Das Sozialgericht Cottbus hat im Wesentlichen aus den Gründen des Gutachtens des Dr. B. die Klage abgewiesen; Urteil vom 14. Mai2001, wegen dessen Einzelheiten auf Bl. 78 bis 84 der Gerichtsakten verwiesen wird.
Gegen das am 31. Mai 2001 zugestellte Urteil hat die Klägerin am Montag, 02. Juli 2001, Berufungeingelegt und ihr Begehren weiter verfolgt.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 14. Mai 2001 und den Bescheid der Beklagten vom 17. Dezember 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05. Juni 2000 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beteiligten haben nach Erörterung der Sach- und Rechtslage einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung zugestimmt.
Wegen der weiteren Einzelheiten zum Vorbringen der Beteiligten und wegen des Verfahrens wird auf die Gerichtsakten, die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten (VSNR: ...) Bezug genommen. Die Akten haben vorgelegen und sind Gegenstand der Beratung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Das Gericht hat ohne mündliche Verhandlung entscheiden können, weil die Beteiligten dem zugestimmt haben; §§ 153 Abs.1, 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Die zulässige Berufung ist begründet. Das Sozialgericht Cottbus hat die zulässige (Anfechtungs-)Klage zu Unrecht abgewiesen. Die angefochtenen Verwaltungsentscheidungen der Beklagten (Bescheid vom 17. Dezember 1998 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 05. Juni 2000) sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten.
Bei Anfechtungsklagen ist (nur) die Rechtmäßig-/Rechtswidrigkeit der Verwaltungsentscheidungen (§ 54 Abs. 1 SGG) zum Zeitpunkt der letzten Tatsachenfeststellung (vgl. Meyer-Ladewig, SGG, 7. Aufl., zu § 54 Rnr. 32) zu prüfen.
Die angefochtenen Rentenentziehungsentscheidungen der Beklagten sind danach rechtswidrig, weil sie formelle Mängel aufweisen. Die Klägerin ist weder vor Erlass des Rentenentziehungsbescheides noch vor Erlass des Widerspruchsbescheides ausreichend angehört worden; § 24 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X). Die Bescheide sind auch nicht ausreichend begründet worden; § 35 SGB X.
Rechtsgrundlage für eine Rentenentziehung wegen einer gesundheitlichen Besserung der Versicherten ist § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Danach ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung auch nach Eintritt der Unanfechtbarkeit mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen (und rechtlichen) Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorlagen, eine wesentliche Änderung eingetreten ist. Maßgebend ist damit der Leidenszustand, der zum Zeitpunkt der letzten bindenden Entscheidung objektiv bestanden hat; (BSG SozR 3870 § 4 Nr. 3; BSGE 65, 301, 302 = SozR 1300 § 48 Nr. 60). Dieser ist zu vergleichen mit dem Leidenszustand zum Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung, mithin dem der Widerspruchsentscheidung.
Vor Erlass einer derartigen Rentenentziehung haben die Versicherungsträger die Versicherten anzuhören; § 24 SGB X. Diese Vorschrift bestimmt in Abs. 1: Bevor ein Verwaltungsakt erlassen wird, der in Rechte eines Beteiligten eingreift, ist diesem Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern. Entscheidungserhebliche Tatsachen sind alle (Haupt-)Tatsachen, auf welche die Behörde den Verfügungssatz zumindest auch gestützt hat oder auf die es nach ihrer materiell-rechtlichen Ansicht objektiv ankommt (BSGE 69, 247, 252 = SozR 3 – 1300 § 24 Nr. 4). Sind z.B. ärztliche Gutachten eingeholt worden, so ist den Beteiligten Gelegenheit zu geben, sich zu diesen Gutachten zu äußern (BSGE 46, 57, 58 = SozR 1200 § 34 Nr. 3; BSG SozR 1200 § 34 Nrn. 9, 12; SozR 1300 § 24 Nrn. 2, 4). Dabei braucht nicht dem Betroffenen von vornherein das Gutachten oder die ärztliche Auskunft (z.B. Befundbericht) abschriftlich übersandt werden (BSG SozR 1200 § 34 Nr. 1; SozR 3-1300 § 24 Nr. 15). Es reicht nach der Rechtsprechung des BSG aus, die für die Entscheidung erheblichen Tatsachen aus dem Gutachten zusammengefasst anzuführen (BSG, Urteil vom 01. Dezember 1982 – 4 RJ 45/82; in: Meso B 20 a/193).
Nach den den Senat überzeugenden Grundsätzen der Rechtsprechung des BSG richtet sich auch hier die Beurteilung, ob die Klägerin iSd § 24 SGB X angehört worden ist. Eine rechtsfehlerfreie Anhörung ist jedoch zu verneinen. Die mit Formschreiben vom 11. Juni 1998 mit maschinenschriftlichen Zusätzen vorgenommene Anhörung genügt den o.a. rechtlichen Anforderungen nicht. Die Klägerin ist dabei (nur) für eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit nach § 44 Sozialgesetzbuch 6. Buch (SGB VI) zu unerheblichen Tatsachen bezogen auf die Wegefähigkeit angehört worden. Ob eine schmerzfreie Gehstrecke von ca. 1.000 Meter ein- bis zweimal wöchentlich ohne Gehstütze bewältigt werden kann, Radfahren von 3 bis 4 Kilometer ein- bis zweimal wöchentlich möglich ist oder ein Stützkorsett nicht mehr ganztägig getragen werden muss, ist für einen Anspruch auf eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit gänzlich unerheblich.
Nach § 44 Abs. 2 SGB VI in der bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Fassung (a.F.) wird eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit – neben weiteren Voraussetzungen – gewährt, wenn die Versicherten wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, eine Erwerbstätigkeit in gewisser Regelmäßigkeit auszuüben oder Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen erzielen, das ein Siebtel der monatlichen Bezugsgröße übersteigt. Erwerbsunfähigkeit wird u.a. für den Fall bejaht, wenn die Versicherten trotz einer vollschichtigen Leistungsfähigkeit eine Wegestrecke von 500 m nicht innerhalb von 20 Minuten viermal am Tag bewältigen können (BSG SozR 3-2200 § 1247 Nr. 10). Diese Rechtsprechung macht hinreichend deutlich, was entscheidungserhebliche Tatsache iSd § 24 SGB X sein kann und zeigt zugleich auf, dass es nicht auf ein- oder zweimalig "wöchentlich" zu bewältigende schmerzfreie Gehstrecke von 1.000 Metern oder Fahrradfahren von 3 bis 4 Kilometern ankommen kann. Es kommt im Übrigen auch nicht darauf an, ob ein Stützkorsett nicht mehr ganztägig getragen wird.
Medizinische Grundlage der Bewilligung von Rente wegen Erwerbsunfähigkeit war ein absolut therapieresistentes chronisches Schmerzsyndrom (1996) nach den Feststellungen des Facharztes für Innere Medizin Dr. E ... Aufgrund dessen war das Leistungsvermögen gänzlich aufgehoben. Die Klägerin konnte keine Arbeit von wirtschaftlichen Wert mehr leisten. Wenn aber mindestens seit August 1998 eine gesundheitliche Besserung bei der Klägerin – die auch der Senat erkennt und die für eine Rentenentziehung spricht – eingetreten ist, weil das einst absolut therapieresistente chronische Schmerzsyndrom sich gebessert hatte, dann wäre es die Pflicht der Beklagten nach § 24 SGB X gewesen, die Besserung der bis dahin festgestellten Erkrankung und damit auch des Leistungsvermögens darzulegen. Nach Dr. Sch. hat die Klägerin wieder leichte körperliche Belastungen vollschichtig in wechselnden Körperhaltungen unter dem von ihm benannten weiteren Funktionseinschränkungen ausüben können. Die wesentliche entscheidungserhebliche Tatsache ist mithin die Besserung des chronischen Schmerzsyndroms und die sich daraus ergebenden Auswirkungen auf die Leistungsfähigkeit. Hierzu wäre die Klägerin anzuhören gewesen.
Der Mangel der nicht rechtsfehlerfreien Anhörung kann auch nicht unbeachtlich iSd § 24 Abs. 2 SGB X bleiben. Von der Anhörung konnte nicht nach § 24 Abs. 2 Nrn. 1 bis 7 SGB X abgesehen werden, weil diese Voraussetzungen allesamt nicht vorliegen.
Er ist auch nicht unbeachtlich im Sinne von § 41 Abs. 1 Nr. 3 SGB X. Danach ist eine Verletzung von Verfahrens- oder Formvorschriften, die nicht den Verwaltungsakt nach § 40 SGB X nichtig macht, unbeachtlich, wenn die erforderliche Anhörung eines Beteiligten nachgeholt wird. Die Beklagte hat auch im Widerspruchsverfahren die Klägerin nicht ausreichend angehört. Zu Lasten der Beklagten können deswegen die ansonsten anzuwendenden Grundsätze der überzeugenden Rechtsprechung des BSG (vgl. BSG SozR 1200 § 34 Nrn. 1,7) zur Heilung von Anhörungsmängeln keine Anwendung finden.
Die Beklagte hat im Widerspruchsverfahren wiederum der Klägerin keine Gelegenheit gegeben, sich zu neuen entscheidungserheblichen Tatsachen im Sinne des § 24 SGB X zu äußern, obwohl es hier um so mehr geboten gewesen wäre, um den vorausgegangenen Mangel des Verwaltungsverfahrens zu heilen.
Die Beklagte hatte bereits mit der Einleitung des Überprüfungsverfahrens im April 1996 und nach Antwort auf das Formschreiben vom 11. Juni 1998 davon Kenntnis, dass die Klägerin ihre behandelnden Ärzte B. und E. angegeben hatte, um von ihnen neue medizinische Erkenntnisse in eine Rentenentziehungentscheidung mit einzubeziehen. Obwohl die Beklagte darum gewusst hatte, erließ sie den Bescheid vom 17. Dezember 1998. Erst im Anschluss daran sind zum ärztlichen Teil der Verwaltungsakten die Befundberichte der behandelnden Ärzte der Klägerin E. (Eingang: 29. Dezember 1998) und B. (Eingang: 14. Januar 1999) gelangt. Der Beklagten lagen zudem der Reha-Entlassungsbericht vom Juli 1999 sowie die von ihr eingeholten Gutachten der Dres. L. und W. vor Erlass des Widerspruchsbescheides vor.
Der vom Senat für zutreffend erachteten Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ist zu entnehmen, dass vor Erlass von Verwaltungsentscheidungen das wesentliche Ergebnis von u.a. Befundberichten den Versicherten mitzuteilen ist (vgl. u.a. BSG, Urteil vom 28. April 1999 - B 9 SB 5/98 R.). Der Klägerin ist nicht bekannt gegeben worden, dass nunmehr – vor Erlass des Widerspruchsbescheides – neue medizinische Erkenntnisse aus Befundberichten der behandelnden Ärzte der Klägerin (B. und E.), dem Reha-Entlassungsbericht vom 28. Juli 1999, den Gutachten der Dres. L. und W. und der sozialmedizinischen Stellungnahme der Fachärztin K. vorgelegen haben. Dies insgesamt wäre jedoch erforderlich gewesen, damit sich die Klägerin zur Ausschöpfung ihres Rechtes auf rechtliches Gehör - auch während des Widerspruchsverfahrens - noch weitere Tatsachenkenntnis hätte verschaffen können (vgl. hierzu BSG SozR 1300 § 24 Nr. 4) anstelle sie zur Klageerhebung zu drängen. Aufgrund einer derartigen Mitteilung soll der Betroffene in die Lage versetzt werden, ob er sogleich dazu Stellung nehmen will, inwieweit sich sein Gesundheitszustand gegenüber den Verhältnissen bei Erlass des früheren Bescheides tatsächlich gebessert hat oder ob er zunächst den Befundbericht anfordern soll, um sodann - gegebenenfalls mit Hilfe eines Arztes- sachgerechte Einwendungen zu erheben. Dem ist die Beklagte vor Erlass des Widerspruchsbescheides auch nicht nachgekommen. Das Erfordernis der dargelegten Anhörung gilt auch für das Widerspruchsverfahren (vgl. BSG SozR 3-1300 § 24 Nr. 14), um den Versicherten zunächst gerichtlichen Rechtsschutz vermeiden zu helfen. Der Versicherungsträger - hier die Beklagte - gelänge andernfalls zu einem Erkenntnisvorsprung, zumindest über einen medizinischen Sachverhalt, den der Versicherte – hier die Klägerin – erst während der im Anschluss nach Bekanntgabe des Widerspruchsbescheides laufenden Rechtsmittelfrist einholen und in einem gerichtlichen Verfahren zur Überprüfung stellen kann. Zwar ist das sozialgerichtliche Verfahren für die Versicherten weiterhin gerichtskostenfrei (§ 183 SGG). Bedienen sich die Versicherten – wie hier – eines Prozessbevollmächtigten, besteht die Gefahr bei einem prozessualen Unterliegen die Kosten des Bevollmächtigten tragen zu müssen. Eine Heilung im Sinne von § 41 SGB X kann nur dann eintreten, wenn der Widerspruchsbescheid selbst rechtlich nicht weitergehend zu beanstanden ist. Das ist aber hier – wie dargelegt – nicht der Fall.
Die Rentenentziehungsbescheid vom 17. Dezember 1998 ist ferner nicht ausreichend begründet worden; § 35 Abs. 1, 2 SGB X.
Die Begründung eines Verwaltungsaktes soll den davon betroffenen Staatsbürger in die Lage versetzen, die Entscheidung einer Behörde zu verstehen und die Überprüfung der dem Verwaltungsakt zu Grunde liegenden tatsächlichen und rechtlichen Erwägungen zu ermöglichen. Dieser rechtsstaatliche Grundsatz hat bei der Rentenentziehung ein besonderes Gewicht. Eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung bildet schon nach ihrer Zielsetzung im Allgemeinen die Lebensgrundlage des Versicherten. Sie tritt regelmäßig an die Stelle des ganz oder teilweise weggefallenen Erwerbseinkommens. Die Entziehung der Rente setzt voraus, dass der Versicherte wieder in hinreichendem Umfang erwerbsfähig ist. Dieser Zustand befähigt ihn, eine Erwerbstätigkeit auszuüben, durch deren Ertrag er seinen Lebensunterhalt bestreiten kann. Durch das Rechtsinstitut der Rentenentziehung bringt das Gesetz zum Ausdruck, dass die Solidargemeinschaft dem Versicherten ein solches Tun auch zumutet. Der Versicherte steht damit vor der Notwendigkeit, seine bisherige auf dem Renteneinkommen ruhende Lebensführung von Grund auf umzustellen. Aus dieser Sicht beinhaltet die Rentenentziehung einen nachhaltigen Eingriff in die persönliche Lebenssphäre des Versicherten, der die Begründung des Bescheides auch Rechnung tragen muss; vgl. Urteil des Bundessozialgerichts vom 24. Juni 1982 - 4 RJ 37/81 = SozR § 1286 Nr. 12. Diesen überzeugenden Ausführungen folgt der Senat.
Die im Bescheid vom 17. Dezember 1998 angeführte Begründung für die Rentenentziehung genügt diesen Anforderungen nicht. Der Rentenentziehungsbescheid nimmt lediglich Bezug auf das Gutachten vom 08. Mai 1998, ohne dass aus den Verwaltungsakten der Beklagten oder aus dem ärztlichen Teil der Verwaltungsakten ersichtlich wird, dass der Inhalt des Gutachtens der Klägerin in vollem Umfang bekannt gemacht worden ist; (vgl. i.d.S. BSG, Urteil v. 25. März 1999 - B 9 SB 14/97 R zum Befundbericht), verweist auf die Anhörung vom 11. Juni 1998 und erklärt, die Klägerin sei wieder in der Lage, Tätigkeiten in gewisser Regelmäßigkeit ausüben zu können. Dies rechtfertige einen Entzug der Rente wegen Erwerbsunfähigkeit.
Dem Bescheid fehlen insoweit Angaben dazu, in welchem Umfang die Klägerin noch für leistungsfähig erachtet wird. Insbesondere hätte die Beklagte ihr - schon aus Anlass der Anhörung (s.o.) - so spätestens im Entziehungsbescheid anzugeben gehabt, welche Art von Arbeiten (leichte, mittelschwere, schwere) sie mit welchen weiteren Funktionseinschränkungen und in welchem zeitlichen Umfang noch verrichten kann. Wenn diese Begründung schon erforderlich gewesen wäre, um der Klägerin hinreichend deutlich zu machen, dass sie keinen Anspruch mehr auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit ab 01. Januar 1999 gehabt hat, so enthält der Rentenentziehungsbescheid überhaupt keine Gründe mehr zu dem weiteren (für die Klägerin negativen) Verfügungssatz, dass ihr auch keine Rente wegen Berufsunfähigkeit zustehe.
Die Beklagten konnte in dem Rentenentziehungsbescheid auch nicht auf eine Begründung verzichten; § 35 Abs. 2 SGB X. Die Voraussetzungen von § 35 Abs. 2 Nrn. 1 bis 5 SGB X liegen erkennbar nicht vor.
Der Mangel der Begründung ist auch nicht unbeachtlich im Sinne von § 41 Abs. 1 Nr. 2 SGBX. Danach ist eine Verletzung von Verfahrens- oder Formvorschriften, die nicht den Verwaltungsakt nach § 40 SGB X nichtig macht, unbeachtlich, wenn die erforderliche Begründung nachträglich gegeben wird. Der Mangel kann nicht unbeachtlich bleiben, weil der Widerspruchsbescheid vom 05. Juni 2000 selbst rechtsfehlerhaft ist (s.o.) und deswegen eine Heilung – obwohl in diesem eine Erklärung zur Verweisung der Klägerin auf den allgemeinen Arbeitsmarkt abgegeben wird – nicht herbeiführt.
Darüber hinaus trägt die medizinische Sachermittlung zum Abschluss des Widerspruchsverfahren das Ergebnis der Rentenentziehung nicht und zeigt damit einen weiteren Mangel auch des Widerspruchsbescheides in der Begründung auf. Für die Beklagte war noch gar keine endgültige Aussage zur Frage der Erwerbs-/Berufsunfähigkeit zu diesem Zeitpunkt getroffen worden, obwohl die Fachärztin für Allgemeinmedizin K. des sozialmedizinischen Dienstes im März 2000 unter Bezugnahme des Gutachtens des Dr. L. solches festgestellt hatte. Dr. L. hatte nämlich in seinem Gutachten im Dezember 1999 darauf hingewiesen, dass eine endgültige Aussage zu der Frage der Erwerbs-/Berufsunfähigkeit sich wegen deutlicher Widersprüche zwischen objektiven klinischem Befund sowie Röntgenbefund und den angegebenen Beschwerden der Klägerin sowie der demonstrierten Gangstörung habe gar nicht treffen lassen. Wie die Ärztin K. zu ihrer Meinung unter Bezugnahme auf Dr. L. gelangt ist, kann der Senat nicht nachvollziehen. Denn auch Dr. W. hat (nur) erklärt, dass ein Anhalt für eine krankheitswertige psychopathologische Symptomatik bestehe. Damit war aber die noch von Dr. L. aufgeworfene Frage, Widerspruch zwischen objektiven klinischem Befund sowie Röntgenbefund und den angegebenen Beschwerden der Klägerin, weiterhin offen. Wenn die Beklagte schon eine derartige Sachermittlung in der Regel ausreichen lässt für die Versagung von Anträgen zu Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit, so kann sie sich im Rentenentziehungsverfahren damit nicht begnügen.
Eine Verpflichtung zur Aussetzung des Verfahrens nach § 114 Abs. 2 SGG (in der Fassung des 4. Euro-Einführungsgesetzes vom 21. Dezember 2000 (BGBl. I S. 1983) mit Inkrafttreten zum 01. Januar 2001 )kommt vorliegend nicht in Betracht. Nach dieser Vorschrift kann das Gericht auf Antrag das Verfahren zur Heilung u.a. von Verfahrensfehlern aussetzen, soweit dies im Sinne der Verfahrenskonzentration sachdienlich ist. § 114 Abs. 2 Satz 2 SGG erfasst den vorliegenden Fall für das laufende (Gerichts-)Verfahren zeitlich nicht. Die Klägerin hatte bei Inkrafttreten der Vorschrift am 01. Januar 2001 bereits einen Aufhebungsanspruch allein wegen der Verfahrensfehler der fehlenden Anhörungen bzw. nicht ausreichenden Begründungen, in den anderenfalls belastend eingegriffen würde (vgl. BSG, Urteil v. 12. Juni 2001 - B 4 RA 37/00 R). Die das Widerspruchsverfahren beendende Entscheidung datiert nämlich vom 05. Juni 2000.
Nach alledem hat die Berufung der Klägerin Erfolg.
Die Entscheidung über die Kosten erfolgt aus § 193 Abs. 1 SGG.
Die Revision ist nicht zuzulassen gewesen, weil die Voraussetzungen nach § 160 Abs. 2 Nrn. 1, 2 SGG nicht vorgelegen haben.
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