Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
SG Stuttgart (BWB)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 5 R 965/05
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Die Tätigkeit eines Ingenieur-Ökonoms als Programmierer erfüllt nicht die sachlichen Voraussetzungen für eine fiktive Einbeziehung in das Zusatzversorgungssystem der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz der ehemaligen DDR.
Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist umstritten, ob die Beklagte verpflichtet ist, Beschäftigungszeiten der Klägerin in der ehemaligen DDR vom 01.09.1982 bis zum 30.06.1990 als Zeiten der Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz (AVItech) sowie die jeweils erzielten Arbeitsentgelte festzustellen.
Die 1959 geborene Klägerin absolvierte nach Beendigung ihres Schulbesuches vom 01.09.1976 bis zum 15.07.1978 eine EDV-Lehre. Danach war sie bis zum 05.09.1979 als EDV-Bediener beschäftigt. Nach einem Fachschulstudium an der Ingenieurschule für Walzwerk- und Hüttentechnik Riesa erlangte sie die Berechtigung, die Berufsbezeichnung "Ingenieurökonom" zu führen (Urkunde vom 16.07.1982). In der Zeit vom 01.09.1982 bis zum 30.06.1990 war die Klägerin als Programmiererin beim Kombinat "F " Landmaschinen Volkseigener Betrieb (VEB) Anlagenbau I ..., E., beschäftigt. Eine Versorgungszusage über eine zusätzliche Altersversorgung erhielt die Klägerin nicht.
Am 16.04.2004 stellte sie bei der Beklagten den Antrag, ihre Beschäftigungszeiten vom 01.09.1982 bis zum 30.06.1990 als Zeiten der Zugehörigkeit zur AVItech festzustellen. Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit der Begründung ab, die Klägerin unterfalle bereits nicht dem persönlichen Anwendungsbereich des Gesetzes zur Überführung der Ansprüche und Anwartschaften aus Zusatz- und Sonderversorgungssystemen des Beitrittsgebiets (AAÜG). Eine Versorgungsanwartschaft sei nicht entstanden, denn weder habe zu Zeiten der ehemaligen DDR eine positive Versorgungszusage (Anwartschaft) vorgelegen noch habe die Klägerin am 30.06.1990 eine Beschäftigung ausgeübt, die aus bundesrechtlicher Sicht dem Kreis der obligatorisch Versorgungsberechtigten zuzuordnen sei. Zwar sei die Klägerin berechtigt, den Titel eines Ingenieurökonom zu führen; sie sei jedoch nicht als Ingenieur, sondern als Programmierer beschäftigt gewesen (Bescheid vom 15.11.2004).
Zur Begründung ihres dagegen erhobenen Widerspruchs trug die Klägerin im Wesentlichen vor, die Tätigkeit als Programmiererin sei als technische Tätigkeit zu werten. Um diese Tätigkeit auszuüben, sei in der ehemaligen DDR ein Ingenieurabschluss erforderlich gewesen. Als Programmiererin habe sie in einem Produktionsbetrieb technische Anforderungen programmtechnisch umgesetzt. Die Beklagte wies den Widerspruch zurück (Widerspruchsbescheid vom 07.02.2005).
Deswegen erhob die Klägerin am 23.02.2005 Klage zum Sozialgericht Stuttgart, mit der sie unter Wiederholung ihres Widerspruchsvorbringens ihr Begehren weiter verfolgt.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid vom 15. November 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07. Februar 2005 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die Zeit vom 01. September 1982 bis zum 30. Juni 1990 als Zeiten der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz sowie die entsprechenden Verdienste festzustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie erachtet die angefochtenen Bescheide für zutreffend. Die Klägerin unterfalle nicht dem persönlichen Anwendungsbereich des AAÜG. Sie sei weder in das Versorgungssystem der AVItech einbezogen gewesen noch habe sie wegen Ausscheidens aus einem Versorgungssystem vor Eintritt des Leistungsfalls Versorgungsanwartschaften verloren. Die Klägerin habe auch nicht nach dem am 01.08.1991 gültig gewesenen Bundesrecht und aufgrund der am 30.06.1990 gegebenen tatsächlichen Umstände aus bundesrechtlicher Sicht einen Anspruch auf Erteilung einer fiktiven Versorgungszusage gehabt, weil sie die sachlichen Voraussetzungen für eine Einbeziehung in die AVItech nicht erfülle. Zwar habe sie die Tätigkeit einer Programmiererin aufgrund ihrer beruflichen Qualifikation als Ingenieurökonom ausüben können; diese Tätigkeit habe jedoch nicht den ingenieurtechnischen Tätigkeiten mit unmittelbarem Einfluss auf die Produktionsvorgänge entsprochen. Bei der Tätigkeit als Programmiererin habe es sich nach Inhalt, Qualität und Umfang nicht um eine der in der 2. Durchführungsbestimmung (2. DB) zur AVItech genannten herausgehobenen beruflichen Qualifikation gehandelt.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der vorliegenden Verwaltungsakte der Beklagten sowie den der Prozessakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die als kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage erhobene Klage ist zulässig, aber unbegründet. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Feststellung der streitigen Zeiten als solche der Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem der AVItech gemäß Anlage 1 Nr. 1 AAÜG vom 25.07.1991 (BGBl. I S. 1606 und 1677).
Rechtsgrundlage des mit der Klage verfolgten Begehrens ist § 8 Abs. 3 i.V.m. den Abs. 1 und 2 AAÜG. Danach hat der vor der Überführung der Ansprüche und Anwartschaften zuständige Versorgungsträger dem für die Feststellung der Leistungen zuständigen Träger der Rentenversicherung unverzüglich die Daten mitzuteilen, die zur Durchführung der Versicherung und zur Feststellung der Leistungen aus der Rentenversicherung erforderlich sind. Dazu gehört auch das tatsächlich erzielte Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen des Berechtigten. Nach Abs. 2 der genannten Bestimmung hat der Versorgungsträger dem für die Feststellung der Leistung zuständigen Träger der Rentenversicherung das tatsächlich erzielte Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen oder die Daten mitzuteilen, die sich nach Anwendung von § 6 Abs. 2 und 3 und § 7 AAÜG ergeben. Der Versorgungsträger hat dem Berechtigten den Inhalt der Mitteilung nach Abs. 2 durch Bescheid bekannt zu geben (§ 8 Abs. 3 Satz 1 AAÜG).
Das Feststellungsverfahren des Versorgungsträgers nach § 8 AAÜG ähnelt dem Vormerkungsverfahren nach § 149 Abs. 5 des Sozialgesetzbuches – Gesetzliche Rentenversicherung -. Hierin kann die Klägerin schon deshalb keinen Erfolg haben, weil sie vom persönlichen Anwendungsbereich des AAÜG nicht erfasst wird. Denn zwischen der Klägerin und der Beklagten besteht schon kein Versorgungsrechtsverhältnis, für welches das AAÜG nach § 1 Abs. 1 Geltung beanspruchen könnte.
Vom persönlichen Anwendungsbereich des AAÜG werden nach § 1 Abs. 1 des Gesetzes die Versorgungsberechtigungen (Ansprüche oder Anwartschaften) erfasst, die aufgrund der Zugehörigkeit zu Versorgungssystemen im Beitrittsgebiet erworben worden sind und beim Inkrafttreten dieses Gesetzes am 01.08.1991 bestanden haben (§ 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG). War ein Verlust der Versorgungsanwartschaften deswegen eingetreten, weil die Regelungen des Versorgungssystems ihn bei einem Ausscheiden vor dem Leistungsfall vorsahen, gilt dieser Anwartschaftsverlust nach Satz 2 dieser Vorschrift als nicht eingetreten.
Geht man vom Wortlaut der Vorschrift aus, erfüllt die Klägerin beide Tatbestände nicht. Zum 01.08.1991 hatte die Klägerin – unstreitig und unzweifelhaft – keinen Versorgungsanspruch, denn der Versicherungsfall (Alter, Invalidität) war bis zu diesem Zeitpunkt nicht eingetreten. Ebenso greift zu ihren Gunsten nicht eine fingierte Versorgungsanwartschaft im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG, denn die Klägerin hat schon nicht vorgetragen, dass sie vor dem 01.07.1990 eine Rechtsposition – insbesondere im Rahmen der AVItech – aufgrund einer Einzelfallentscheidung (aufgrund eines verwaltungsrechtlichen Vertrages oder eines Verwaltungsaktes) innegehabt hätte, durch die ihr eine Versorgungsanwartschaft zuerkannt worden ist und die sie hätte verlieren können. Daher kann hier auch keine nach Art. 19 Satz 2 oder 3 EV wegen grober Rechtswidrigkeit unbeachtliche Aufhebung einer solchen Einbeziehung, verbunden mit deren Fortwirkung nach Art. 19 Satz 1 EV, vorliegen. Ebenso wenig konnte deshalb eine solche frühere Einbeziehung nach den Regelungen der Versorgungssysteme vor Eintritt des Leistungsfalls rechtmäßig entfallen und durch eine fingierte Anwartschaft nach § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG ersetzt werden. Nur in diesen Fällen wird kraft Gesetzes eine Anwartschaft nach § 1 Abs. 1 Satz 2 fingiert (vgl. hierzu u.a. BSG vom 26.10.2004 – B 4 RA 37/04 R -, vom 29.07.2004 – B 4 RA 4/04 R – und vom 08.06.2004 – B 4 RA 56/03 R -, jeweils m.w.N.). Überdies untersagt das bundesrechtliche Neueinbeziehungsverbot, allein auf der Grundlage der von der DDR erlassenen Regelungen ab dem 01.07.1990 (Beginn der Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der DDR) neue Versorgungsberechtigungen zu begründen; dies ist in Anlage 2 Kapitel VIII Sachgebiet H Abschnitt 3 Nr. 9 Buchst. a Satz 1 Halbsatz 2 zum Einigungsvertrag [EV] vom 31.08.1990 (BGBl. I S. 889) i.V.m. dem am 03.10.1990 zu sekundärem Bundesrecht gewordenen § 22 Abs. 1 des Rentenangleichungsgesetzes der DDR vom 28.06.1990 (GBl. DDR I S. 495) ausdrücklich bestimmt. Die Klägerin war auch nicht aufgrund einer späteren Rehabilitierungsentscheidung nach den Bestimmungen des Beruflichen Rehabilitierungsgesetzes in die AVItech einbezogen worden.
Bei Personen, die am 30.06.1990 nicht einbezogen waren und auch nicht nachfolgend aufgrund originären Bundesrechts (Artikel 9 Abs. 2, 17 und 19 EV) einbezogen wurden, ist allerdings aufgrund einer von der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, der die Kammer folgt, vorgenommenen erweiternden verfassungskonformen Auslegung des § 1 Abs. 1 AAÜG zu prüfen, ob die nicht Einbezogenen aus der Sicht des am 01.08.1991 gültigen Bundesrechts nach der am 30.06.1990 gegebenen Sachlage einen Anspruch auf Erteilung einer Versorgungszusage gehabt hätten (vgl. BSG SozR 3-8570 § 1 Nr. 2, 3, 4, 5, 6, 7 und 8). Dieser fiktive bundesrechtliche Anspruch auf Erteilung einer Zusage im Bereich der AVItech hängt gemäß § 1 der Verordnung über die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben vom 17.08.1950 (GBl. DDR I Seite 844) und § 1 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 der 2. DB zur VO-AVItech vom 24.05.1951 (BGBl. DDR I Seite 487) von drei Voraussetzungen ab (vgl. insoweit BSG vom 29.07.2004 - B 4 RA 4/04 R - und vom 27.07.2004 - B 4 RA 8/04 R - und - B 4 RA 11/04 R -). Generell war dieses System eingerichtet für (1) Personen, die berechtigt waren, eine bestimmte Berufsbezeichnung zu führen (persönliche Voraussetzung) und (2) die entsprechende Tätigkeit tatsächlich ausgeübt haben (sachliche Voraussetzung) und zwar (3) in einem volkseigenen Produktionsbetrieb im Bereich der Industrie oder des Bau- wesens (§ 1 Abs. 1 Satz 1 der 2. DB) oder in einem durch § 1 Abs. 2 der 2. DB gleichgestellten Betrieb (betriebliche Voraussetzung).
Vorliegend erfüllt die Klägerin zwar die persönlichen Voraussetzungen für eine fiktive Einbeziehung in die AVItech, denn sie war seit dem 16.07.1982 berechtigt, den Titel "Ingenieurökonom" zu führen. Insofern bestimmt § 1 Abs. 2 der Verordnung über die Führung der Berufsbezeichnung "Ingenieur" vom 12.04.1962 (GBl. DDR II S. 278) ausdrücklich, dass auch Ingenieurökonome – wie die Klägerin – bezüglich der Berechtigung zum Führen der Berufsbezeichnung und des Titels "Ingenieur" den Ingenieuren gemäß § 1 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung gleichgestellt waren (vgl. BSG SozR 3-8570 § 5 Nr. 6; Sächsisches LSG vom 08.01.2003 – L 4 RA 136/02 -, LSG Berlin vom 14.06.2004 – L 16 RA 124/03 – und Thüringisches LSG vom 13.12.2004 – L 6 RA 272/04 -).
Offenbleiben kann, ob die Klägerin auch die betrieblichen Voraussetzungen für eine fiktive Einbeziehung in die AVItech erfüllte, denn der mit der Klage geltend gemachte Anspruch scheitert daran, dass im hier streitigen Zeitraum (von September 1982 bis Juni 1990) aufgrund der Tätigkeit als Programmiererin die sachlichen Voraussetzungen für diese Einbeziehung nicht gegeben sind. Als Programmiererin übte die Klägerin keine ihrer Qualifikation "Ingenieurökonom" entsprechende ingenieurtechnische Tätigkeit aus. Wie sich aus der "Präambel" der AVItech ergibt, sollten in das Versorgungssystem grundsätzlich nur die Personen einbezogen werden, die für die Entwicklung der wissenschaftlichen Forschungsarbeit und der Technik zuständig waren, also diejenigen, die mit ihrer "technischen" Qualifikation aktiv den Produktionsprozess, sei es in der Forschung oder bei der Produktion, förderten (vgl. BSG vom 31.03.2004 – B 4 RA 31/03 R -). § 1 Abs. 1 2. DB, der den in der AVItech vorgegebenen Rahmen ausfüllt, macht ebenfalls deutlich, dass nicht alle, die die Berufsbezeichnung "Ingenieur" führten, zur "technischen Intelligenz" im Sinne der AVItech gehörten, sondern nur diejenigen, die aktiv in den Produktionsprozess selbst eingegliedert waren. Hierzu zählte die Klägerin nicht. Denn das Programmieren, d.h. "die programmtechnische Umsetzung technischer Anforderungen" (so die Angaben der Klägerin zum Inhalt ihrer Tätigkeit in der Widerspruchs- und in der Klageschrift) durch Eingabe und Verarbeitung von Daten bzw. durch Codierung fachlicher Anwendungsabläufe oder allgemeiner Dienstprogramme oder durch Realisierung anwendungsbezogener Software, jeweils nach detaillierten Vorgaben, (vgl. hierzu im Internet unter http://infobub.arbeitsagentur.de/berufe/restorelnput.do, Stichwort "Programmierer" bzw. "Anwendungsprogrammierer") betrifft nicht den eigentlichen, unmittelbaren Produktionsprozess, d.h. die Fertigung, Herstellung, Anfertigung, Fabrikation oder Produktion von Sachgütern oder die Errichtung baulicher Anlagen; vielmehr stellt das Programmieren lediglich einen Hilfsprozess hierzu dar.
Die Klägerin hatte somit am 01.08.1991 keine wirkliche oder fiktive Versorgungsanwartschaft, sodass sie bereits nicht vom persönlichen Anwendungsbereich des AAÜG erfasst ist. Infolgedessen hat sie auch keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Feststellung von Zeiten der Zugehörigkeit zur AVItech und der insoweit erzielten Arbeitsentgelte. Angesichts dessen sind die angefochtenen Bescheide rechtmäßig und musste ihr Klagebegehren erfolglos bleiben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 und 4 des Sozialgerichtsgesetzes.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist umstritten, ob die Beklagte verpflichtet ist, Beschäftigungszeiten der Klägerin in der ehemaligen DDR vom 01.09.1982 bis zum 30.06.1990 als Zeiten der Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz (AVItech) sowie die jeweils erzielten Arbeitsentgelte festzustellen.
Die 1959 geborene Klägerin absolvierte nach Beendigung ihres Schulbesuches vom 01.09.1976 bis zum 15.07.1978 eine EDV-Lehre. Danach war sie bis zum 05.09.1979 als EDV-Bediener beschäftigt. Nach einem Fachschulstudium an der Ingenieurschule für Walzwerk- und Hüttentechnik Riesa erlangte sie die Berechtigung, die Berufsbezeichnung "Ingenieurökonom" zu führen (Urkunde vom 16.07.1982). In der Zeit vom 01.09.1982 bis zum 30.06.1990 war die Klägerin als Programmiererin beim Kombinat "F " Landmaschinen Volkseigener Betrieb (VEB) Anlagenbau I ..., E., beschäftigt. Eine Versorgungszusage über eine zusätzliche Altersversorgung erhielt die Klägerin nicht.
Am 16.04.2004 stellte sie bei der Beklagten den Antrag, ihre Beschäftigungszeiten vom 01.09.1982 bis zum 30.06.1990 als Zeiten der Zugehörigkeit zur AVItech festzustellen. Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit der Begründung ab, die Klägerin unterfalle bereits nicht dem persönlichen Anwendungsbereich des Gesetzes zur Überführung der Ansprüche und Anwartschaften aus Zusatz- und Sonderversorgungssystemen des Beitrittsgebiets (AAÜG). Eine Versorgungsanwartschaft sei nicht entstanden, denn weder habe zu Zeiten der ehemaligen DDR eine positive Versorgungszusage (Anwartschaft) vorgelegen noch habe die Klägerin am 30.06.1990 eine Beschäftigung ausgeübt, die aus bundesrechtlicher Sicht dem Kreis der obligatorisch Versorgungsberechtigten zuzuordnen sei. Zwar sei die Klägerin berechtigt, den Titel eines Ingenieurökonom zu führen; sie sei jedoch nicht als Ingenieur, sondern als Programmierer beschäftigt gewesen (Bescheid vom 15.11.2004).
Zur Begründung ihres dagegen erhobenen Widerspruchs trug die Klägerin im Wesentlichen vor, die Tätigkeit als Programmiererin sei als technische Tätigkeit zu werten. Um diese Tätigkeit auszuüben, sei in der ehemaligen DDR ein Ingenieurabschluss erforderlich gewesen. Als Programmiererin habe sie in einem Produktionsbetrieb technische Anforderungen programmtechnisch umgesetzt. Die Beklagte wies den Widerspruch zurück (Widerspruchsbescheid vom 07.02.2005).
Deswegen erhob die Klägerin am 23.02.2005 Klage zum Sozialgericht Stuttgart, mit der sie unter Wiederholung ihres Widerspruchsvorbringens ihr Begehren weiter verfolgt.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid vom 15. November 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07. Februar 2005 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die Zeit vom 01. September 1982 bis zum 30. Juni 1990 als Zeiten der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz sowie die entsprechenden Verdienste festzustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie erachtet die angefochtenen Bescheide für zutreffend. Die Klägerin unterfalle nicht dem persönlichen Anwendungsbereich des AAÜG. Sie sei weder in das Versorgungssystem der AVItech einbezogen gewesen noch habe sie wegen Ausscheidens aus einem Versorgungssystem vor Eintritt des Leistungsfalls Versorgungsanwartschaften verloren. Die Klägerin habe auch nicht nach dem am 01.08.1991 gültig gewesenen Bundesrecht und aufgrund der am 30.06.1990 gegebenen tatsächlichen Umstände aus bundesrechtlicher Sicht einen Anspruch auf Erteilung einer fiktiven Versorgungszusage gehabt, weil sie die sachlichen Voraussetzungen für eine Einbeziehung in die AVItech nicht erfülle. Zwar habe sie die Tätigkeit einer Programmiererin aufgrund ihrer beruflichen Qualifikation als Ingenieurökonom ausüben können; diese Tätigkeit habe jedoch nicht den ingenieurtechnischen Tätigkeiten mit unmittelbarem Einfluss auf die Produktionsvorgänge entsprochen. Bei der Tätigkeit als Programmiererin habe es sich nach Inhalt, Qualität und Umfang nicht um eine der in der 2. Durchführungsbestimmung (2. DB) zur AVItech genannten herausgehobenen beruflichen Qualifikation gehandelt.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der vorliegenden Verwaltungsakte der Beklagten sowie den der Prozessakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die als kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage erhobene Klage ist zulässig, aber unbegründet. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Feststellung der streitigen Zeiten als solche der Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem der AVItech gemäß Anlage 1 Nr. 1 AAÜG vom 25.07.1991 (BGBl. I S. 1606 und 1677).
Rechtsgrundlage des mit der Klage verfolgten Begehrens ist § 8 Abs. 3 i.V.m. den Abs. 1 und 2 AAÜG. Danach hat der vor der Überführung der Ansprüche und Anwartschaften zuständige Versorgungsträger dem für die Feststellung der Leistungen zuständigen Träger der Rentenversicherung unverzüglich die Daten mitzuteilen, die zur Durchführung der Versicherung und zur Feststellung der Leistungen aus der Rentenversicherung erforderlich sind. Dazu gehört auch das tatsächlich erzielte Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen des Berechtigten. Nach Abs. 2 der genannten Bestimmung hat der Versorgungsträger dem für die Feststellung der Leistung zuständigen Träger der Rentenversicherung das tatsächlich erzielte Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen oder die Daten mitzuteilen, die sich nach Anwendung von § 6 Abs. 2 und 3 und § 7 AAÜG ergeben. Der Versorgungsträger hat dem Berechtigten den Inhalt der Mitteilung nach Abs. 2 durch Bescheid bekannt zu geben (§ 8 Abs. 3 Satz 1 AAÜG).
Das Feststellungsverfahren des Versorgungsträgers nach § 8 AAÜG ähnelt dem Vormerkungsverfahren nach § 149 Abs. 5 des Sozialgesetzbuches – Gesetzliche Rentenversicherung -. Hierin kann die Klägerin schon deshalb keinen Erfolg haben, weil sie vom persönlichen Anwendungsbereich des AAÜG nicht erfasst wird. Denn zwischen der Klägerin und der Beklagten besteht schon kein Versorgungsrechtsverhältnis, für welches das AAÜG nach § 1 Abs. 1 Geltung beanspruchen könnte.
Vom persönlichen Anwendungsbereich des AAÜG werden nach § 1 Abs. 1 des Gesetzes die Versorgungsberechtigungen (Ansprüche oder Anwartschaften) erfasst, die aufgrund der Zugehörigkeit zu Versorgungssystemen im Beitrittsgebiet erworben worden sind und beim Inkrafttreten dieses Gesetzes am 01.08.1991 bestanden haben (§ 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG). War ein Verlust der Versorgungsanwartschaften deswegen eingetreten, weil die Regelungen des Versorgungssystems ihn bei einem Ausscheiden vor dem Leistungsfall vorsahen, gilt dieser Anwartschaftsverlust nach Satz 2 dieser Vorschrift als nicht eingetreten.
Geht man vom Wortlaut der Vorschrift aus, erfüllt die Klägerin beide Tatbestände nicht. Zum 01.08.1991 hatte die Klägerin – unstreitig und unzweifelhaft – keinen Versorgungsanspruch, denn der Versicherungsfall (Alter, Invalidität) war bis zu diesem Zeitpunkt nicht eingetreten. Ebenso greift zu ihren Gunsten nicht eine fingierte Versorgungsanwartschaft im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG, denn die Klägerin hat schon nicht vorgetragen, dass sie vor dem 01.07.1990 eine Rechtsposition – insbesondere im Rahmen der AVItech – aufgrund einer Einzelfallentscheidung (aufgrund eines verwaltungsrechtlichen Vertrages oder eines Verwaltungsaktes) innegehabt hätte, durch die ihr eine Versorgungsanwartschaft zuerkannt worden ist und die sie hätte verlieren können. Daher kann hier auch keine nach Art. 19 Satz 2 oder 3 EV wegen grober Rechtswidrigkeit unbeachtliche Aufhebung einer solchen Einbeziehung, verbunden mit deren Fortwirkung nach Art. 19 Satz 1 EV, vorliegen. Ebenso wenig konnte deshalb eine solche frühere Einbeziehung nach den Regelungen der Versorgungssysteme vor Eintritt des Leistungsfalls rechtmäßig entfallen und durch eine fingierte Anwartschaft nach § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG ersetzt werden. Nur in diesen Fällen wird kraft Gesetzes eine Anwartschaft nach § 1 Abs. 1 Satz 2 fingiert (vgl. hierzu u.a. BSG vom 26.10.2004 – B 4 RA 37/04 R -, vom 29.07.2004 – B 4 RA 4/04 R – und vom 08.06.2004 – B 4 RA 56/03 R -, jeweils m.w.N.). Überdies untersagt das bundesrechtliche Neueinbeziehungsverbot, allein auf der Grundlage der von der DDR erlassenen Regelungen ab dem 01.07.1990 (Beginn der Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der DDR) neue Versorgungsberechtigungen zu begründen; dies ist in Anlage 2 Kapitel VIII Sachgebiet H Abschnitt 3 Nr. 9 Buchst. a Satz 1 Halbsatz 2 zum Einigungsvertrag [EV] vom 31.08.1990 (BGBl. I S. 889) i.V.m. dem am 03.10.1990 zu sekundärem Bundesrecht gewordenen § 22 Abs. 1 des Rentenangleichungsgesetzes der DDR vom 28.06.1990 (GBl. DDR I S. 495) ausdrücklich bestimmt. Die Klägerin war auch nicht aufgrund einer späteren Rehabilitierungsentscheidung nach den Bestimmungen des Beruflichen Rehabilitierungsgesetzes in die AVItech einbezogen worden.
Bei Personen, die am 30.06.1990 nicht einbezogen waren und auch nicht nachfolgend aufgrund originären Bundesrechts (Artikel 9 Abs. 2, 17 und 19 EV) einbezogen wurden, ist allerdings aufgrund einer von der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, der die Kammer folgt, vorgenommenen erweiternden verfassungskonformen Auslegung des § 1 Abs. 1 AAÜG zu prüfen, ob die nicht Einbezogenen aus der Sicht des am 01.08.1991 gültigen Bundesrechts nach der am 30.06.1990 gegebenen Sachlage einen Anspruch auf Erteilung einer Versorgungszusage gehabt hätten (vgl. BSG SozR 3-8570 § 1 Nr. 2, 3, 4, 5, 6, 7 und 8). Dieser fiktive bundesrechtliche Anspruch auf Erteilung einer Zusage im Bereich der AVItech hängt gemäß § 1 der Verordnung über die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben vom 17.08.1950 (GBl. DDR I Seite 844) und § 1 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 der 2. DB zur VO-AVItech vom 24.05.1951 (BGBl. DDR I Seite 487) von drei Voraussetzungen ab (vgl. insoweit BSG vom 29.07.2004 - B 4 RA 4/04 R - und vom 27.07.2004 - B 4 RA 8/04 R - und - B 4 RA 11/04 R -). Generell war dieses System eingerichtet für (1) Personen, die berechtigt waren, eine bestimmte Berufsbezeichnung zu führen (persönliche Voraussetzung) und (2) die entsprechende Tätigkeit tatsächlich ausgeübt haben (sachliche Voraussetzung) und zwar (3) in einem volkseigenen Produktionsbetrieb im Bereich der Industrie oder des Bau- wesens (§ 1 Abs. 1 Satz 1 der 2. DB) oder in einem durch § 1 Abs. 2 der 2. DB gleichgestellten Betrieb (betriebliche Voraussetzung).
Vorliegend erfüllt die Klägerin zwar die persönlichen Voraussetzungen für eine fiktive Einbeziehung in die AVItech, denn sie war seit dem 16.07.1982 berechtigt, den Titel "Ingenieurökonom" zu führen. Insofern bestimmt § 1 Abs. 2 der Verordnung über die Führung der Berufsbezeichnung "Ingenieur" vom 12.04.1962 (GBl. DDR II S. 278) ausdrücklich, dass auch Ingenieurökonome – wie die Klägerin – bezüglich der Berechtigung zum Führen der Berufsbezeichnung und des Titels "Ingenieur" den Ingenieuren gemäß § 1 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung gleichgestellt waren (vgl. BSG SozR 3-8570 § 5 Nr. 6; Sächsisches LSG vom 08.01.2003 – L 4 RA 136/02 -, LSG Berlin vom 14.06.2004 – L 16 RA 124/03 – und Thüringisches LSG vom 13.12.2004 – L 6 RA 272/04 -).
Offenbleiben kann, ob die Klägerin auch die betrieblichen Voraussetzungen für eine fiktive Einbeziehung in die AVItech erfüllte, denn der mit der Klage geltend gemachte Anspruch scheitert daran, dass im hier streitigen Zeitraum (von September 1982 bis Juni 1990) aufgrund der Tätigkeit als Programmiererin die sachlichen Voraussetzungen für diese Einbeziehung nicht gegeben sind. Als Programmiererin übte die Klägerin keine ihrer Qualifikation "Ingenieurökonom" entsprechende ingenieurtechnische Tätigkeit aus. Wie sich aus der "Präambel" der AVItech ergibt, sollten in das Versorgungssystem grundsätzlich nur die Personen einbezogen werden, die für die Entwicklung der wissenschaftlichen Forschungsarbeit und der Technik zuständig waren, also diejenigen, die mit ihrer "technischen" Qualifikation aktiv den Produktionsprozess, sei es in der Forschung oder bei der Produktion, förderten (vgl. BSG vom 31.03.2004 – B 4 RA 31/03 R -). § 1 Abs. 1 2. DB, der den in der AVItech vorgegebenen Rahmen ausfüllt, macht ebenfalls deutlich, dass nicht alle, die die Berufsbezeichnung "Ingenieur" führten, zur "technischen Intelligenz" im Sinne der AVItech gehörten, sondern nur diejenigen, die aktiv in den Produktionsprozess selbst eingegliedert waren. Hierzu zählte die Klägerin nicht. Denn das Programmieren, d.h. "die programmtechnische Umsetzung technischer Anforderungen" (so die Angaben der Klägerin zum Inhalt ihrer Tätigkeit in der Widerspruchs- und in der Klageschrift) durch Eingabe und Verarbeitung von Daten bzw. durch Codierung fachlicher Anwendungsabläufe oder allgemeiner Dienstprogramme oder durch Realisierung anwendungsbezogener Software, jeweils nach detaillierten Vorgaben, (vgl. hierzu im Internet unter http://infobub.arbeitsagentur.de/berufe/restorelnput.do, Stichwort "Programmierer" bzw. "Anwendungsprogrammierer") betrifft nicht den eigentlichen, unmittelbaren Produktionsprozess, d.h. die Fertigung, Herstellung, Anfertigung, Fabrikation oder Produktion von Sachgütern oder die Errichtung baulicher Anlagen; vielmehr stellt das Programmieren lediglich einen Hilfsprozess hierzu dar.
Die Klägerin hatte somit am 01.08.1991 keine wirkliche oder fiktive Versorgungsanwartschaft, sodass sie bereits nicht vom persönlichen Anwendungsbereich des AAÜG erfasst ist. Infolgedessen hat sie auch keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Feststellung von Zeiten der Zugehörigkeit zur AVItech und der insoweit erzielten Arbeitsentgelte. Angesichts dessen sind die angefochtenen Bescheide rechtmäßig und musste ihr Klagebegehren erfolglos bleiben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 und 4 des Sozialgerichtsgesetzes.
Rechtskraft
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