L 3 AL 2271/04

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 5 AL 2169/98
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 AL 2271/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Beweisantrag, Beweisausforschungsantrag, Ablehnung
Ein Beweisantrag kann abgelehnt werden, wenn willkürliche, aus der Luft gegriffene Behauptungen aufgestellt werden, für die jede Tatsachengrundlage fehlt und für die auch nicht die geringste Wahrscheinlichkeit spricht.
Dies ist auch dann der Fall, wenn der unter Beweis gestellte Vortrag in wesentlichen Punkten unzutreffend oder in nicht auflösbarer Weise widersprüchlich ist.
Auf die Berufung der Klägerin wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 29. April 2004 abgeändert. Der Bescheid der Beklagten vom 29. September 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. November 1998 werden hinsichtlich der mittels Verwaltungsakts erklärten Aufrechnung aufgehoben. Im

Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Klägerin wendet sich gegen eine Aufhebungs- und Erstattungsentscheidung der Beklagten wegen Eintritts einer Sperrzeit sowie die Aufrechnung des von der Beklagten geltend gemachten Erstattungsanspruchs gegen einen Teil ihrer Ansprüche auf Arbeitslosengeld.

Die im Jahre 1972 geborene Klägerin ist gelernte Steuerfachangestellte und war über mehrere Jahre hinweg bei verschiedenen Arbeitgebern in diesen Beruf tätig. Zuletzt war sie während des Monats Juli 1998 bei einer Beratungsfirma beschäftigt.

Am 03.08.1998 meldete sich die Klägerin bei der Beklagten arbeitslos und beantragte die Gewährung von Leistungen. Mit Bescheid vom 04.09.1998 wurde ihr daraufhin ab dem 01.08.1998 Arbeitslosengeld in Höhe von wöchentlich DM 369,11 (DM 52,73 täglich) für eine Anspruchsdauer von 364 Tagen bewilligt. Entsprechende Leistungen bezog die Klägerin bis zum 30.09.1998.

Mit Schreiben vom 01.09.1998 bot die Beklagte der Klägerin eine Arbeitsstelle als Steuerfachgehilfin beim Steuerberatungsbüro K. an. Nach der Stellenbeschreibung handelte es sich um Tätigkeiten zum Erstellen von Steuererklärungen und Jahresabschlüssen. Vorausgesetzt wurden gute PC- und Datev-Kenntnisse.

Unter dem 17.09.1998 teilte die Steuerberaterin K. mit, die Klägerin habe sich weder vorgestellt noch telefonisch gemeldet und sich auch nicht schriftlich beworben. Die Klägerin selbst gab am 24.09.1998 schriftlich an, sie sei über die Rechtsfolgen einer Ablehnung des ihr per Post unterbreiteten Arbeitsangebotes vom 01.09.1998 belehrt worden. Sie wolle sich nicht mit dem Arbeitgeber in Verbindung setzen und habe sich dort nicht beworben, da Frau K. schon des öfteren jemanden gesucht habe und schon seit längerem über das Arbeitsamt jemanden suche. Sie habe bisher damit schlechte Erfahrungen gemacht und wolle eine Stelle für längere Zeit.

Mit Bescheid vom 29.09.1998 stellte die Beklagte den Eintritt einer zwölfwöchigen Sperrzeit vom 05.09.1998 bis zum 27.11.1998 fest, hob die Entscheidung über die Bewilligung der Leistung für die Zeit vom 05.09.1998 bis zum 30.09.1998 auf und forderte von der Klägerin die Erstattung zu Unrecht erbrachter Leistungen in Höhe von DM 1.370,98. Der Betrag werde nach Ablauf der Sperrzeit von der laufenden Leistung einbehalten (Aufrechnung gem. § 51 Erstes Buch Sozialgesetzbuch - SGB I -); dies sei nach § 333 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) in voller Höhe der laufenden Leistung zulässig. Der Anspruch auf Arbeitslosengeld werde durch die Sperrzeit um 84 Tage gemindert.

Mit am Tage des Erlasses des oben genannten Bescheides, dem 29.09.1998, bei der Beklagten eingegangenem undatiertem Schreiben teilte die Klägerin mit, sie lege gegen eine eventuelle Sperrung des Arbeitslosengeldes vorläufig Widerspruch ein, da sie sich bei den vorgeschlagenen Firmen K. am 10.9.1998 und ASF am 25.09.1998 beworben habe. Am 02.10.1998 erhob sie unter Bezugnahme auf den Bescheid vom 29.09.1998 unbedingt Widerspruch gegen "die Sperrung des Arbeitslosengeldes vom 5.9. - 27.11.98".

Auf Anfrage der Beklagten teilte die Steuerberaterin K. mit Schreiben vom 16.10.1998 mit, eine Bewerbung der Klägerin sei bis zum 17.09.1998 nicht bei ihr eingegangenen, weshalb sie eine entsprechende Mitteilung an die Beklagte gesandt habe. Bewerbungsunterlagen der Klägerin seien erst am 01.10.1998 bei ihr eingegangenen. Zwar sei das Anschreiben der Klägerin mit dem Datum 10.09.1998 versehen, jedoch trage der Briefumschlag das Datum 28.09.1998. Zur Bestätigung ihrer Angaben legte sie die von der Klägerin übersandten Unterlagen in Fotokopie und den mit einer handschriftlichen Absenderangabe der Klägerin und dem Poststempel "28.9.98" versehenen Briefumschlag im Original vor.

Mit Widerspruchsbescheid vom 27.11.1998 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin unter dem Betreff "Rücknahme der Entscheidung über die Bewilligung von Arbeitslosengeld (Alg) in Folge des Eintritts einer Sperrzeit für die Dauer von 12 Wochen in der Zeit vom 05.09.1998 bis 27.11.1998 und Erstattung zu Unrecht erbrachter Leistungen" zurück. Die zu Lasten der Klägerin eingetretene und im angegriffenen Bescheid zutreffend festgesetzte Sperrzeit führe zu einem gleichzeitigen Ruhen des Leistungsanspruchs und insoweit zur Rechtswidrigkeit der Bewilligung. Angesichts der im Arbeitsangebot erfolgten Rechtsfolgenbelehrung liege kein die Rücknahme der Bewilligung nach § 45 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) i. V. m. § 330 Abs. 2 SGB III hinderndes Vertrauen der Klägerin in die Rechtmäßigkeit des Bewilligungsbescheides vor. In der Folgezeit wurden die der Klägerin ab dem 28.11.1998 wiederbewilligten Leistungen in Vollzug der erklärten Aufrechnung bis zur Höhe des geltend gemachten Erstattungsbetrages einbehalten.

Am 08.12.1998 hat die Klägerin beim Sozialgericht Konstanz Klage erhoben und die Aufhebung des Bescheides vom 29.09.1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.11.1998 sowie eine Verurteilung der Beklagten zur Gewährung von Arbeitslosengeld für die Zeit vom 01.10. bis zum 23.12.1998 begehrt. Zur Begründung hat sie vorgetragen, sie habe sich auf das Arbeitsangebot der Beklagten am 10.09.1998 und erneut am 21.11.1998 beworben, obwohl dieses nicht zumutbar gewesen sei. Ihr Prozessbevollmächtigter, O. Z., habe die erstgenannten Bewerbungsunterlagen am 14.09.1998 mit der Post versandt. Eine Einladung zu einem Vorstellungsgespräch habe sie nicht erhalten. Die Steuerberaterin K. sei der Auffassung gewesen, sie entspreche nicht dem Anforderungsprofil. Zum Beweis ihrer Angaben hat die Klägerin ein Schreiben der Steuerberaterin K. vom 23.11.1998 vorgelegt sowie eine Zeugenvernehmung derselben und ihres Prozessbevollmächtigten beantragt.

Mit Gerichtsbescheid vom 29.04.2004 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Die Rücknahme des Bewilligungsbescheides für die Zeit vom 05.09. bis zum 27.11.1998 sei unter Zugrundelegung des § 45 SGB X i. V. m. § 330 Abs. 2 SGB III nicht zu beanstanden, da der Leistungsanspruch während dieses Zeitraums wegen Eintritts einer Sperrzeit von 12 Wochen geruht habe. Das mit einer Rechtsfolgenbelehrung versehene Arbeitsangebot der Beklagten vom 01.09.1998 sei zumutbar gewesen. Nachdem sich die Klägerin bis zum 17.09.1998 nicht beim Arbeitgeber gemeldet habe, sei das Zustandekommen eines Beschäftigungsverhältnisses durch ein ihr vorwerfbares Verhalten vereitelt worden. Ihr Vorbringen, sie habe sich am 10.09.1998 schriftlich beworben, stehe im Widerspruch zu ihren eigenen Angaben vom 24.09.1998. Auch sei das auf den 10.09.1998 datierte Bewerbungsschreiben erst am 01.10.1998 bei der Steuerberaterin K. eingegangen und trage der Briefumschlag, mit dem die Bewerbungsunterlagen übersandt worden seien, den Poststempel vom 28.09.1998. Damit sei der Vortrag, die Unterlagen seien am 14.09.1998 abgesandt worden, widerlegt. Einer Vernehmung des Prozessbevollmächtigten bedürfe es daher nicht. Gleiches gelte im Hinblick auf die von der Steuerberaterin K. bereits gemachten Angaben für eine Zeugenvernehmung derselben. Darüber hinaus lasse auch der Inhalt des Bewerbungsschreibens den Schluss zu, dass die Klägerin kein Interesse an einer Annahme der angebotenen Arbeit gehabt habe. Auch im Übrigen seien die Bescheide nicht zu beanstanden. Soweit die Klägerin eine Zahlung von Arbeitslosengeld bis zum 23.12.1918 geltend mache, sei darauf hinzuweisen, dass mit Bescheid vom 30.09.1998 Arbeitslosengeld ab dem 28.11.1998 bewilligt worden sei. Diese Entscheidung wurde der Klägerin am 03.05.2004 zugestellt.

Am 03.06.2004 hat die Klägerin Berufung eingelegt und erneut eine Vernehmung der Steuerberaterin K. sowie ihres Prozessbevollmächtigten, O. Z., begehrt.

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 29. April 2004 sowie den Bescheid der Beklagten vom 29. September 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. November 1998 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr Arbeitslosengeld für die Zeit vom 01. Oktober 1998 bis zum 23. Dezember 1998 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt unter Bezugnahme auf den angegriffenen Gerichtsbescheid,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten, die beigezogenen Leistungsakten der Beklagten und die gleichfalls beigezogenen Akten des Sozialgerichts Konstanz verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte trotz Ausbleibens der Klägerin in der mündlichen Verhandlung verhandeln und entscheiden (§ 126 Sozialgerichtsgesetz - SGG -). Denn auf diese Möglichkeit war in der ordnungsgemäß und insbesondere rechtzeitig bewirkten Ladung hingewiesen worden. Auch bestand kein Anlass für eine Terminsverlegung.

Die Klägerin wendet sich bei sachdienlicher Auslegung ihres Berufungsbegehrens (§ 123 SGG) zunächst - allein - mit der Anfechtungsklage gegen die Aufhebung der Arbeitslosengeldbewilligung sowie die behördlicherseits verfügte Verpflichtung zur Erstattung überzahlter Leistungen im Bescheid der Beklagten vom 29.09.1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.11.1998. Nachdem im Falle des Erfolges der Anfechtungsklage die ursprüngliche Bewilligungsentscheidung wieder auflebt und der Klägerin daher ohne weiteres ein Zahlungsanspruch zusteht, bedarf es hinsichtlich des die Zeit vom 05.09.1998 bis zum 27.11.1998 betreffenden Zahlungsbegehrens eines darüber hinausgehenden, auf Gewährung von Arbeitslosengeldes gerichteten Leistungsausspruchs nicht. Sie begehrt ferner die ungekürzte Auszahlung des ihr bewilligten Arbeitslosengeldes in der Zeit ab dem 28.11.1998 und zu diesem Zwecke die Aufhebung der Aufrechnungsentscheidung der Beklagten im Bescheid vom 29.09.1998 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 27.11.1998.

Die so gefasste Berufung ist zulässig, jedoch nur in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet. Denn die Beklagte hat den Eintritt einer zwölfwöchigen Sperrzeit und deren Rechtsfolgen zutreffend festgestellt (1.). Auch sind die Aufhebung der Leistungsbewilligung und die verfügte Erstattungspflicht der Klägerin im Ergebnis nicht zu beanstanden (2.). Allerdings ist die durch Verwaltungsakt getroffene Aufrechnungsentscheidung aufzuheben, die Aufrechnung selbst aber in der Sache zu Recht erfolgt (3.).

1. Das Sozialgericht hat im Gerichtsbescheid vom 29.04.2004 zutreffend dargelegt, dass und weshalb die von der Beklagten festgestellte Sperrzeit wegen Arbeitsablehnung nach § 144 Abs. 1 Nr. 2 SGB III in der Zeit vom 05.09.1998 bis zum 27.11.1998 nebst entsprechender Anspruchsminderung eingetreten ist; hierauf wird verwiesen (§ 153 Abs. 2 SGG). Ergänzend ist Folgendes auszuführen:

Einer von der Klägerin im Übrigen lediglich schriftlich angeregten gerichtlichen Sachaufklärung (vgl. BSG, Beschluss vom 11.07.2006 - B 12 R 5/06 B -, zit. nach juris) durch Vernehmung ihres Prozessbevollmächtigten, O. Z., als Zeugen bedarf es nicht. Denn selbst ein von einem Beteiligten gestellter Beweisantrag kann abgelehnt werden, wenn willkürliche, aus der Luft gegriffene Behauptungen aufgestellt werden, für die jede Tatsachengrundlage fehlt und für die auch nicht die geringste Wahrscheinlichkeit spricht. Einem Beteiligten ist es nämlich nicht erlaubt, unter formalem Beweisantritt Behauptungen aufzustellen, für deren Wahrheitsgehalt nicht eine gewisse Wahrscheinlichkeit besteht (Beweisausforschungsantrag; vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Aufl. 2005, Rdnr. 18e zu § 160; BVerwG, Beschluss vom 05.10.1990 - 4 B 249/89 -, Buchholz 442.40 § 9 LuftVG Nr 6 = NVwZ-RR 1991, 118 ff. = VBlBW 1991, 171 ff.). Daher kann ein Antrag auf Erhebung eines Beweises abgelehnt werden, wenn der unter Beweis gestellte Vortrag in wesentlichen Punkten unzutreffend oder in nicht auflösbarer Weise widersprüchlich ist (vgl. BVerwG, Beschluss vom 20.07.1998 - 9 B 10/98 -, DVBl 1999, 100 = NVwZ-RR 1999, 208 = Buchholz 310 § 86 Abs 2 VwGO Nr. 39; Beschluss vom 26.10.1989 - 9 B 405.89 - Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 212 -). Das ist aber hier mit Blick auf das unter Beweis gestellte Vorbringen der Klägerin, ihr Prozessbevollmächtigter habe ihre an die Steuerberaterin K. gerichteten Bewerbungsunterlagen am 14.10.1998 zur Post gegeben, der Fall.

Dies ergibt sich schon aus den glaubhaften eigenen Angaben der Klägerin im Verwaltungsverfahren. Denn sie hat am 24.09.1998, also 10 Tage nach der nunmehr behaupteten Absendung der Unterlagen, schriftlich gegenüber der Beklagten nicht nur vorgetragen, sie wolle sich nicht mit dem in Rede stehenden Arbeitgeber in Verbindung setzen und habe sich dort nicht beworben, sondern diese Angaben - darüber hinaus - durch Mitteilung der Gründe für ihr Verhalten auch entsprechend substantiiert. Den danach bestehenden Widerspruch zu ihrem unter Beweis gestellten späteren Vorbringen aufzulösen, hat im Klägerin auch nicht ansatzweise versucht.

Spricht bereits danach nichts dafür, dass die Klägerin vor dem 24.09.1998 Bewerbungsunterlagen an die Steuerberaterin K. abgesandt hat, so gilt dies umso mehr mit Blick auf das Ergebnis der weiteren Ermittlungen der Beklagten. Entsprechend der Angabe der Klägerin vom 24.09.1998, sie habe sich bei der Steuerberaterin K. nicht beworben, trägt nämlich der im Original bei den Akten der Beklagten befindliche, mit einer handschriftlichen Absenderangabe der Klägerin versehene Briefumschlag, in dem die fraglichen, an die Steuerberaterin K. gerichteteten Bewerbungsunterlagen übersandt worden sind, den Poststempel "28.9.98". Demgemäß ist die Sendung nach den Angaben der Steuerberaterin K. im Schreiben vom 16.10.1998 und ausweislich des auf dem Bewerbungsschreiben angebrachten Posteingangsstempesl auch erst am 01.10.1998 bei der Adressatin eingegangen. Auch insoweit hat die Klägerin den Versuch, insbesondere den Widerspruch zwischen der von ihr behaupteten und unter Beweis gestellten Aufgabe des Sendung zur Post und dem Datum des Poststempels aufzulösen, nicht unternommen.

Dass das am 01.10.1998 bei der Steuerberaterin K. eingegangene Bewerbungsschreiben von der Klägerin mit dem Datum 10.09.1998 versehen worden ist, bietet demgegenüber keinen Anhalt für eine Absendung der Bewerbung vor dem 24.09.1998. Dies gilt umso mehr, als die Klägerin Datumsangaben auf ihren Bewerbungsschreiben offenbar nach Gutdünken einsetzt. Denn auch ihre weitere Bewerbung vom November 1998 trägt ausweislich des von der Klägerin selbst vorgelegten Schreibens der Steuerberaterin K. das Datum 10.09.1998.

Ist das unter Beweis gestellte Vorbringen der Klägerin nach alledem nicht nur offensichtlich unzutreffend, sondern darüber hinaus ohne jedwede tatsächliche Grundlage - prozess- bzw. verfahrenstaktisch motiviert - aus der Luft gegriffen, so scheidet eine Beweiserhebung aus.

Nichts anderes gilt im Ergebnis mit Blick auf die von der Klägerin gleichfalls lediglich schriftlich angeregte Zeugenvernehmung der Steuerberaterin K ... Soweit nämlich die Klägerin mit ihrer Behauptung, die Steuerberaterin sei der Auffassung gewesen, sie (die Klägerin) entspreche nicht dem Anforderungsprofil, die Kausalität zwischen ihrem Verhalten und ihrer Nichteinstellung in Zweifel zu ziehen sucht, vermag dies den Eintritt einer Sperrzeit nicht zu hindern. Denn mit dem hypothetischen Willen des Arbeitgebers lässt sich der Nichteintritt einer Sperrzeit nicht begründen, weshalb auch keine Verpflichtung der Gerichte zu entsprechenden Ermittlungen besteht (vgl. Niesel, SGB III, 3. Aufl. 2005, Rdnr. 61 zu § 144).

2. In Ansehung dessen ist auch die erfolgte Aufhebung der Leistungsbewilligung nicht zu beanstanden.

Zwar hat die Beklagte im Bescheid vom 29.09.1998 die Entscheidung über die Bewilligung von Arbeitslosengeld nicht ausdrücklich für den gesamten Zeitraum der zugleich festgestellten zwölfwöchigen Sperrzeit vom 05.09.1998 bis zum 27.11.1998, sondern lediglich für die Zeit vom 05.09.1998 bis zum 30.09.1998 - für die Zahlungen bereits erfolgt waren - aufgehoben. Indes ist die Klägerin ausweislich ihres gegen "die Sperrung des Arbeitslosengeldes vom 5.9. - 27.11.98" erhobenen Widerspruchs ersichtlich von einem Wegfall der Bewilligung für die Gesamtdauer des Ruhens ihres Anspruchs ausgegangen und hat die Beklagte den Aufhebungszeitraum im Betreff des Widerspruchsbescheides vom 27.11.1998 "Rücknahme der Entscheidung über die Bewilligung von Arbeitslosengeld (Alg) in Folge des Eintritts einer Sperrzeit für die Dauer von 12 Wochen in der Zeit vom 05.09.1998 bis 27.11.1998 und Erstattung zu Unrecht erbrachter Leistungen" entsprechend und, gemessen am Bestimmtheitsgebot des § 33 Abs. 1 SGB X, (noch) hinreichend präzisiert.

Rechtsgrundlage der danach erfolgten Aufhebung der Leistungsbewilligung für die Zeit vom 05.09.1998 bis zum 27.11.1998 ist nicht § 45 SGB X i. V. m. § 330 Abs. 2 SGB III, sondern § 48 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 4 SGB X i. V. m. § 330 Abs. 3 SGB III. Denn die hier maßgebliche Sperrzeit ist erst am 05.09.1998 und mithin nach Erlass des Bewilligungsbescheides vom 04.09.1998 eingetreten, so dass dieser (erst) infolge einer nachträglichen Änderung der Verhältnisse rechtswidrig geworden ist. Dass die Beklagte die Aufhebung im insoweit maßgeblichen Widerspruchsbescheid vom 27.11.1998 auf § 45 SGB X i. V. m. § 330 Abs. 2 SGB III gestützt hat, ist unerheblich, nachdem § 48 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 4 SGB X i. V. m. § 330 Abs. 3 SGB III auf der Rechtsfolgenseite eine Aufhebung des Verwaltungsakts mit Dauerwirkung für den gesamten Zeitraum der Änderung der Verhältnisse - hier der Dauer der Sperrzeit - zwingend vorsieht.

Die Voraussetzungen der danach anwendbaren Regelungen für eine Aufhebung der Bewilligungsentscheidung sind bezogen auf die Zeit vom 05.09.1998 bis zum 27.11.1998 erfüllt. Denn wie ausgeführt lag infolge des Eintritts der zwölfwöchigen Sperrzeit am 05.09.1998 zu diesem Zeitpunkt auch eine Änderung der Verhältnisse i. S. des § 48 Abs. 1 Satz 1 vor. Ferner ist die Voraussetzung einer grob fahrlässigen Unkenntnis vom kraft Gesetzes eingetretenen Ruhen ihres Leistungsanspruchs i. S. des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X i. V. m. § 330 Abs. 3 SGB III erfüllt. Zur weiteren Begründung wird auf die auch im Rahmen des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X zutreffenden Ausführungen des Sozialgerichts zur grob fahrlässigen Unkenntnis der Klägerin von der Rechtswidrigkeit des Bewilligungsbescheides verwiesen (§ § 153 Abs. 2 SGG).

Bedenken gegen die den Zeitraum vom 05.09.1998 bis zum 30.09.1998 betreffende Erstattungsforderung der Beklagten bestehen nicht.

3. Zwar hat die Beklagte die streitige Aufrechnung von Ansprüchen gem. § 51 Abs. 2 SGB I, § 333 Abs. 1 SGB III zu Unrecht in der Rechtsform eines Verwaltungsaktes vorgenommen, weshalb der Bescheid vom 29.09.1998 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 27.11.1999 insoweit aufzuheben ist (vgl. BSG, Urteil von 24.07.2003 - B 4 RA 60/02 R - SozR 4/1200 § 52 Nr. 1; vgl. zur parallelen Fallgestaltung der Verrechnung nach § 52 SGB I auch das gegenüber der Beklagten ergangene Urteil des Senats vom 13.04.2005 - L 3 AL 365/01 -). Jedoch vermag die Klägerin mit ihrem hauptsächlich verfolgten, auf Verurteilung der Beklagten zur ungekürzten Auszahlung von Arbeitslosengeld gerichteten Leistungsbegehren nicht durchzudringen, da die Aufrechnung in der Sache nicht zu beanstanden ist. Zur weiteren Begründung wird auf die sachlich zutreffenden Ausführungen der Beklagten im Bescheid vom 29.09.1998 verwiesen (§ 136 Abs. 3 SGG).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG; eine teilweise Kostenüberbürdung auf die Beklagte scheidet angesichts ihres nur geringen Unterliegens im Ergebnis aus.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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