L 13 AS 4160/06 ER-B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
13
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 2 AS 2666/06 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 13 AS 4160/06 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
1. Eine Absenkung des Arbeitslosengeldes II nach § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a SGB II setzt voraus, dass die angebotene Eingliederungsvereinbarung den Voraussetzungen von § 15 SGB II entspricht.
2. Die Eingliederungsvereinbarung muss festlegen, welche der in § 16 SGB II aufgeführten Leistungen der Erwerbsfähige zur Eingliederung erhält sowie welche Eigenbemühungen in welcher Intensität und Quantität dem Hilfebedürftigen obliegen und in welcher Form er die Eigenbemühungen nachweisen muss.
3. Ebenso wie die Eigenbemühungen des Hilfebedürftigen zu konkretisieren sind, sind auch die Leistungen zur Eingliederung verbindlich und konkret zu bezeichnen.
4. Als vereinbarungsfähige Leistungen zur Eingliederung kommen nur solche in Betracht, die im Ermessen des Leistungsträgers stehen, auf die also kein Rechtsanspruch besteht.
5. Verhaltenspflichten des Hilfeempfängers sind vereinbarungsfähig, wenn sie einen Bezug zum Ziel der Eingliederung in Arbeit haben und es bei ihrer Weigerung zur Erfüllung gerechtfertigt ist, die Leistung abzusenken.
6. Kommt eine Eingliederungsvereinbarung nicht zustande
und erlässt der Träger deshalb einen Eingliederungsbescheid nach § 15 Abs. 1 Satz 6 SGB II, ist der im Wesentlichen gleiche Zweck wie eine Eingliederungsvereinbarung erreicht; eine Absenkung wegen
Weigerung zum Abschluss einer Eingliederungsvereinbarung
kann danach nicht mehr verfügt werden. Dies gilt auch dann, wenn der nicht für sofort vollziehbar erklärte Eingliederungsbescheid mit dem Widerspruch angefochten ist, welcher aufschiebende Wirkung nach § 86 Abs.1 SGG hat.
7. Bei wiederholter Pflichtverletzung und Absenkung der Regelleistung
um mehr als 30 v.H. muss für die Zeit bis 31. Dezember 2006 in der
Rechtsfolgenbelehrung auch auf die Rechtsfolgen des § 31 Abs. 3
Sätze 2 und 3 SGB II hingewiesen werden.
Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Sozialgerichts Ulm vom 4. August 2006 wird zurückgewiesen.

Der Antragsgegner hat dem Antragsteller seine außergerichtlichen Kosten auch für das Beschwerdeverfahren zu erstatten.

Gründe:

Die Beschwerde ist zulässig, sachlich aber nicht begründet.

Im Ergebnis zu Recht hat das Sozialgericht dem Antrag des Antragstellers entsprochen und die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs wegen der im Bescheid des Antragsgegners vom 29. Juni 2006 für die Zeit vom 1. August bis 30. September verfügten Absenkung der Regelleistung um 50 v.H. einschließlich Wegfall des Zuschlags nach § 24 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch (SGB II) angeordnet. Zu Recht hat das Sozialgericht den Antragsgegner, von diesem insoweit auch nicht im Einzelnen beanstandet, ferner verpflichtet, dem Antragsteller die ab 1. August 2006 bewilligten Leistungen ohne Absenkung auszuzahlen.

Zutreffend hat das Sozialgericht das Begehren als nach § 86 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) statthaft und zulässig angesehen. Denn der Widerspruch des Antragstellers wegen der Absenkung der Regelleistung sowie des Zuschlags nach § 24 SGB II, welche mit Bescheid vom 28. September 2005 für die Zeit von Oktober 2005 bis September 2006 in Höhe von 345 EUR monatlich einschließlich von zuletzt 8 EUR monatlicher Zuschlag nach § 24 SGB II bewilligt war, hat abweichend von § 86 a Abs. 1 SGG keine aufschiebende Wirkung. Bei der Absenkung handelt es sich nämlich um einen mit Widerspruch und Anfechtungsklage anzugreifenden Verwaltungsakt im Sinne von § 39 Nr. 1 SGB II, der über Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende entscheidet. Dies gilt unabhängig davon, ob - was offenbar die Antragsgegnerin meint - die Absenkung verfahrensrechtlich eine Aufhebung der Leistungsbewilligung nach § 48 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) erfordert oder ob die Absenkung nach § 31 SGB II die §§ 45 ff. SGB X verdrängt. Denn in jedem Fall liegt bei - wie hier - zuvor ausgesprochener Bewilligung ein mit der Anfechtungsklage zu beseitigender Eingriff in eine durch Verwaltungsakt zuerkannte Rechtsposition vor (vgl. Senatsbeschluss vom 26. August 2005 - L 13 AS 3390/05 ER-B, zur Absenkung Senatsbeschluss vom 31. Juli 2006 - L 13 AS 1709/06 ER-B in Juris).

Für die Art. 19 Abs. 4 Satz 1 des Grundgesetzes (GG) verwirklichende Entscheidung über die Anordnung der von Gesetzes wegen entfallenen aufschiebenden Wirkung bedarf es einer (vgl. zum Folgenden Senatsbeschluss vom 9. Januar 2003 - L 13 AL 4260/02 ER-B in Juris und Senatsbeschluss vom 31. Juli 2006 a.a.O.) Interessenabwägung, wobei das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts und das Aussetzungsinteresse des Betroffenen gegeneinander abzuwägen sind; dabei sind vorrangig die Erfolgsaussichten des Hauptsacherechtsbehelfs in den Blick zu nehmen. Danach kann (vgl. auch Senatsbeschluss vom 27. Juni 2006 - L 13 AS 2298/06 ER-B) die aufschiebende Wirkung angeordnet werden, wenn der Hauptsacherechtsbehelf - hier also der Widerspruch - offensichtlich begründet ist. Auch wenn wegen § 39 Nr. 1 SGB II im Regelfall der durch den Verwaltungsakt Betroffene das Vollzugsrisiko zu tragen hat, besteht in einem derartigen Fall grundsätzlich kein öffentliches Interesse am Sofortvollzug eines aller Voraussicht nach aufzuhebenden Verwaltungsaktes. Dies gilt (vgl. § 86 a Abs. 3 Satz 1 SGG) auch bei ernstlichen Zweifeln an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts, wenn also der Erfolg lediglich wahrscheinlicher ist als ein Misserfolg. Abzulehnen ist hingegen der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung, wenn der Rechtsbehelf offensichtlich keinen Erfolg hat. Bei offenem Verfahrensausgang ist das vom Gesetzgeber generell angenommene Sofortvollzugsinteresse und das individuelle Suspensivinteresse gegeneinander abzuwägen. Überwiegt das Suspensivinteresse, was in entsprechender Anwendung von § 86 a Abs. 3 Satz 2 SGG auch der Fall ist, wenn der Sofortvollzug für den Betroffenen eine unbillige nicht durch überwiegende öffentliche Interesse gebotene Härte zur Folge hätte, ist die aufschiebende Wirkung anzuordnen. Übersteigt das Suspensivinteresse das öffentliche Vollzugsinteresse nicht, hat es bei der gesetzlich angeordneten sofortigen Vollziehbarkeit des Verwaltungsaktes zu verbleiben (vgl. auch Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 14. April 2005 - 4 VR 1005/04 - in Buchholz 310 § 80 VwGO Nr. 69).

Das Sozialgericht ist von ernstlichen Zweifeln an der Rechtmäßigkeit des Absenkungsbescheides vom 29. Juni 2006 ausgegangen. Auch der Senat bejaht anders als der Antragsgegner diese ernstlichen Zweifel. Rechtsgrundlage für eine Absenkung in Höhe von 30 v.H. der Regelleistung und Wegfall des Zuschlags nach § 24 SGB II ist § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a SGB II; auf diese Norm hat sich der Antragsgegner auch im angegriffenen Bescheid bezogen. Nach dieser Bestimmung wird das Arbeitslosengeld II unter Wegfall des Zuschlags nach § 24 in einer ersten Stufe um 30 v.H. der für den erwerbsfähigen Hilfebedürftigen nach § 20 maßgebenden Regelleistung abgesenkt, wenn der erwerbsfähige Hilfebedürftige sich trotz Belehrung über die Rechtsfolgen weigert, eine ihm angebotene Eingliederungsvereinbarung abzuschließen. Dies gilt nach § 31 Abs. 1 Satz 2 SGB II nicht, wenn der erwerbsfähige Hilfebedürftige einen wichtigen Grund für sein Verhalten nachweist. Nach dem den Akten zu entnehmenden Sachverhalt hat der Antragsgegner dem Antragsteller ab 21. Juni 2006 im Rahmen eines Meldetermins ein von einer zuständigen Bediensteten bereits unterzeichnetes und als Eingliederungsvereinbarung bezeichnetes Schriftstück zur Unterschrift vorgelegt. Der Antragsteller bat darum, die - vier Seiten umfassende - Eingliederungsvereinbarung mitzunehmen; er sollte diese am 26. Juni 2006 unterschrieben zurückbringen. Zum selben Tag 8:30 Uhr ist der Antragsteller mit Schreiben vom 21. Juni 2006 zu einem Gespräch über seine berufliche Situation in die Dienststelle des Antragsgegners eingeladen worden. Er ist an diesem Tag nicht erschienen und hat auch die Eingliederungsvereinbarung nicht unterzeichnet zurückgereicht. Stattdessen hat er eine am 26. Juni 2006 von seinen behandelnden Zahnärzten ausgestellte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung für den 26. und 27. Juni 2006 übersandt. Mit Bescheid vom 28. Juni 2006 hat der Antragsgegner einen Bescheid erlassen, mit dem der Antragsteller zu den in der Eingliederungsvereinbarung festgelegten und ihn treffenden Pflichten verpflichtet wurde. Die ernstlichen Zweifel an der Absenkung wegen Weigerung des Abschlusses einer angebotenen Eingliederungsvereinbarung ergeben sich daraus, dass der Senat erhebliche Bedenken hat die angebotene Eingliederungsvereinbarung als solche im Sinne des Gesetzes anzusehen. Jedenfalls dürfte kein Raum mehr für eine Absenkung sein, wenn der Antragsgegner die aus seiner Sicht vorliegende Weigerung zum Anlass eines die Eingliederungsvereinbarung ersetzenden Verwaltungsaktes genommen hat.

Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 SGB II soll die Agentur für Arbeit im Einvernehmen mit dem kommunalen Träger mit jedem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen die für seine Eingliederung erforderlichen Leistungen vereinbaren (Eingliederungsvereinbarung). Die Eingliederungsvereinbarung soll insbesondere bestimmen, 1. welche Leistungen der Erwerbsfähige zur Eingliederung in Arbeit erhält, 2. welche Bemühungen der erwerbsfähige Hilfebedürftige in welcher Häufigkeit zur Eingliederung in Arbeit mindestens unternehmen muss und in welcher Form er die Bemühungen nachzuweisen hat (§ 15 Abs. 1 Satz 2 SGB II in der bis 31. Juli 2006 geltenden Fassung). Die Eingliederungsvereinbarung soll für sechs Monate geschlossen werden (§ 15 Abs. 1 Satz 3 SGB II). Kommt eine Eingliederungsvereinbarung nicht zustande, sollen die Regelungen nach Satz 2 durch Verwaltungsakt erfolgen (§ 15 Abs. 1 Satz 6 SGB II). Der Antragsgegner ist als zugelassener kommunaler Träger anstelle der Agentur für Arbeit zuständig (vgl. §§ 6a Abs. 1 Satz 1, 6b Abs. 1 Sätze 1 und 2 SGB II) zum Abschluss einer Eingliederungsvereinbarung. Die von ihm angebotene Eingliederungsvereinbarung stellt keine Eingliederungsvereinbarung im Sinn von § 15 SGB II dar. Ohne dass hier auf alle sich aus der grundgesetzlich geschützten (vgl. Art. 2 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG)) Vertragsfreiheit ergebenden Fragen eingegangen werden muss, ist Voraussetzung einer Eingliederungsvereinbarung, dass sie - wie hier - mit einem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen geschlossen wird, und dass Leistungen vereinbart werden, die unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls für eine Eingliederung in Arbeit erforderlich und vertretbar sind. Grundsätzlich muss eine Eingliederungsvereinbarung bestimmen, welche der in § 16 SGB II aufgeführten Leistungen der Erwerbsfähige zur Eingliederung in Arbeit erhält sowie welche Eigenbemühungen, in welcher Intensität und Quantität dem Hilfebedürftigen obliegen und in welcher Form er diese Eingliederungsbemühungen nachweisen muss. Ebenso wie die Eigenbemühungen des Hilfebedürftigen zu konkretisieren sind, sind auch die Leistungen, die der Hilfebedürftige nach § 16 SGB II zur Eingliederung vom Träger erhalten soll, verbindlich und konkret zu bezeichnen. Als vereinbarungsfähige Leistungen zur Eingliederung kommen dabei von vornherein nur solche in Betracht, die im Ermessen des Trägers stehen, auf die also kein Rechtsanspruch besteht (vgl. § 53 Abs. 2 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X)). Bei einigen der unter Nr. 1 bis Nr. 10 aufgeführten "Leistungen und Pflichten" des Antragsgegners handelt es sich um Dienstleistungen, auf die wie z.B. die Gewährung von Rat und Auskunft (Nr.3) und die Arbeitsvermittlung (Nr. 5) ein Rechtsanspruch besteht. Bei anderen Leistungen, die Dienst- oder Geldleistungen sein können, fehlt es an der erforderlichen Bestimmtheit und damit an der notwendigen Verbindlichkeit. So ist bei der in Nr. 1 genannten "Unterstützung bei der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit" nicht erkennbar, wie diese Unterstützung aussehen soll sowie auf welchen beruflichen und räumlichen Bereich sie sich bezieht. Die ebenfalls in Nr. 1 erwähnten "Leistungen, die darauf ausgerichtet sind, Hilfebedürftigkeit zu vermeiden oder zu beseitigen bzw. den Umfang der Hilfsbedürftigkeit zu verringern" werden nicht benannt und bleiben im Dunkeln. Es handelt sich lediglich um eine Aufzählung von Leistungsmöglichkeiten, mit Hilfe derer generell die Aufgaben und Ziele der Grundsicherung erreicht werden können, ohne dass aber einzelfallbezogen eine oder mehrere der für die Eingliederung besten Maßnahmen und Leistungen ausgewählt sowie verbindlich und bestimmt unter Nennung eines bestimmten Zeitfensters angeboten und zugesagt werden. Bei den Leistungen und Pflichten des Antragstellers handelt es sich mit Ausnahme der die Eigenbemühungen betreffenden Nr. 3, Nr. 4, Nr. 5 und Nr. 7 im Wesentlichen um eine Aufzählung von sich bereits aus dem Gesetz für Leistungsempfänger ergebenden allgemeinen Pflichten und Obliegenheiten, die keinen Bezug zu einer Eingliederungsstrategie erkennen lassen. Grundsätzlich sind nur solche den Hilfebedürftigen treffenden Verhaltenspflichten vereinbarungsfähig, die einen Bezug zum Ziel der Eingliederung in Arbeit haben und bei deren Weigerung zur Erfüllung es gerechtfertigt ist, die Leistung abzusenken (vgl. § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b SGB II). Ungeachtet dessen ist der Antragsgegner nach Auffassung des Senats nicht befugt, eine Absenkung wegen Weigerung, den Eingliederungsvertrag abzuschließen, zu verfügen, wenn er zuvor einen Verwaltungsakt erlassen hat, mit dem die sonst in der Vereinbarung zu treffenden Regelungen einseitig angeordnet und verfügt werden. Mit dem Erlass eines solchen Verwaltungsaktes hat der Träger von einer ihm für eine Eingliederung als Regelfall eingeräumten Befugnis Gebrauch gemacht und damit den im wesentlich gleichen Zweck wie eine Eingliederungsvereinbarung erreicht; dann noch eine Absenkung zu verfügen, hätte Straf- oder Disziplinierungscharakter und wäre unverhältnismäßig. Bevor der Träger sich bei Weigerung, eine Eingliederungsvereinbarung abzuschließen, zu einer Absenkung entschließt, muss er prüfen, ob es ausreicht, anstelle der Vereinbarung einen Verwaltungsakt zu erlassen (vgl. auch BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 14. Februar 2006 - 1 BvR 199/05 - in Juris); der Erlass eines Verwaltungsaktes jedenfalls ist nach dem Gesetz der Regelfall, wenn eine Eingliederungsvereinbarung nicht zustandekommt. Hat er diese Möglichkeit gewählt, ist ihm die Absenkung verwehrt. Dies gilt auch dann, wenn - wie hier - dieser Verwaltungsakt mit dem Widerspruch angegriffen wird und, weil nicht für sofort vollziehbar erklärt, der Widerspruch deshalb nach § 86 Abs. 1 SGG aufschiebende Wirkung hat (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 11. November 2005 - L 19 B 89/05 AS ER - in Juris).

Ernstliche Zweifel bestehen auch an der Rechtmäßigkeit der Absenkungen wegen zwei Meldeversäumnissen um 20 v.H. Zwar ist der Antragsteller den auf § 59 SGB II i.V.m. § 309 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch (SGB III) gestützten schriftlichen Aufforderungen vom 21. Juni und 26. Juni 2006, sich am 26. Juni 2006 und 29. Juni 2006 jeweils 8:00 Uhr auf der Dienststelle des Antragsgegners zu melden, nicht nachgekommen. Kommt der erwerbsfähige Hilfebedürftige trotz schriftlicher Belehrung über die Rechtsfolgen einer Aufforderung des zuständigen Trägers, sich bei ihr zu melden oder bei einem ärztlichen oder psychologischen Untersuchungstermin zu erscheinen, nicht nach und weist er keinen wichtigen Grund für sein Verhalten nach, wird nach § 31 Abs. 2 das Alg II unter Wegfall des Zuschlags nach § 24 in einer ersten Stufe um 10 v.H. der für den erwerbsfähigen Hilfebedürftigen nach § 20 maßgebenden Regelleistung abgesenkt. Zwar sind die schriftlichen Meldeaufforderungen dem Antragsteller zur Überzeugung des Senats vor dem Meldetermin zugegangen; dies hat er auch nicht in Abrede gestellt. Seiner Auffassung, dass zwischen Zugang und Termin ein Werktag liegen müsse, teilt der Senat nicht, weil sich eine solche Auslegung dem Gesetz nicht entnehmen lässt. Offen bleiben kann, ob der für das Erscheinen jeweils angegebene Zweck, mit dem Antragsteller über seine berufliche Situation zu sprechen, zu den Meldezwecken des § 309 Abs. 2 SGB II gehört. Ebenfalls kann offen bleiben, ob der Antragsteller durch Vorlage der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung für den 26. Juni 2006 einen wichtigen Grund für seine Nichtmeldung an diesem Tag nachgewiesen hat. Jedenfalls für sein Nichterscheinen am 29. Juni 2006 ist ein wichtiger Grund nicht nachgewiesen. Ernstliche Zweifel an den Absenkungen ergeben sich jedoch daraus, dass eine Absenkung in dem vom Antragsgegner verfügten Umfang von insgesamt 50 v.H. nur unter besonderen Voraussetzung zulässig ist. Nach § 31 Abs. 3 Satz 1 SGB II wird bei wiederholter Pflichtverletzung nach Abs. 1 und Abs. 2 das Alg II zusätzlich um jeweils den Vomhundertsatz der nach § 20 maßgebenden Regelleistung gemindert, um den es in der ersten Stufe gemindert wurde. Hierbei können auch die Leistungen nach den §§ 21 bis 23 betroffen sein (§ 31 Abs. 3 Satz 2 SGB II). Bei einer Minderung der Regelleistung um mehr als 30 v.H. kann der zuständige Träger in angemessenem Umfang ergänzende Sachleistungen oder geldwerte Leistungen erbringen (§ 31 Abs. 3 Satz 3 SGB II). Der zuständige Träger soll Leistungen nach Satz 3 erbringen, wenn der Hilfebedürftige mit minderjährigen Kindern in Bedarfsgemeinschaft lebt (§ 31 Abs. 3 Satz 4 SGB II). Gemäß § 31 Abs. 3 Satz 5 SGB II ist der erwerbsfähige Hilfebedürftige vorher über die Rechtsfolgen nach den Sätzen 1 bis 4 zu belehren. Zu § 31 Abs. 3 Satz 1 SGB II wird mit guten Gründen die Auffassung vertreten (vgl. LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 31. März 2006 - L 8 AS 238/06 ER-B, soweit ersichtlich nicht veröffentlicht; Valgolio in Hauck/Noftz, SGB II, K § 31 Rdnr 51, 52), dass wegen des Wortlauts ("gemindert wurde") und der Zielsetzung der Bestimmung Absenkungen auf der zweiten Stufe erst zulässig sind, wenn der Absenkungstatbestand der ersten Stufe durch Bescheid festgestellt ist. Angesichts der vom Antragsgegner verfügten Absenkung von 50 v.H. hätte diese in ihren Rechtsfolgenbelehrungen überdies auch auf die Rechtsfolgen des § 31 Abs. 3 Sätze 2 und 3 SGB II hinweisen müssen, was aber nicht geschehen ist. Die Bedenken des Sozialgerichts zum Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Absenkung teilt der Senat allerdings nicht. Wenn der Bescheid vom 29. Juni 2006 bereits am 30. Juni 2006 bekannt gegeben worden wäre, wäre die Absenkung nicht schon deshalb rechtswidrig, weil der Antragsgegner die Absenkung auf die Monate August und September 2006 beschränkt hat; auch diese Monate liegen noch innerhalb des Drei-Monats-Zeitraums nach § 31 Abs. 6 Sätze 1 und 2 SGB II.

Der vom Sozialgericht bejahte Folgenbeseitigungsanspruch des Antragstellers, gegen den sich der Antragsgegner nicht gesondert gewandt hat, ergibt sich aus § 86b Abs. 1 Satz 2 SGB II.

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Diese Entscheidung ist mit der Beschwerde nicht anfechtbar (vgl. § 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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