Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
7
1. Instanz
SG Gelsenkirchen (NRW)
Aktenzeichen
S 11 AS 43/07 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 7 B 69/07 AS ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Sozialgerichtes Gelsenkirchen vom 15.03.2007 aufgehoben. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt. Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
Mit dem angegriffenen Beschluss vom 15.03.2007 hat das Sozialgericht (SG) die Antragsgegnerin zu Unrecht im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller ab dem 21.02.2007 vorläufig bis zur Entscheidung in der Hauptsache Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) ohne Einbeziehung von Frau T L und Herrn Q T als Mitglieder einer Bedarfsgemeinschaft zu gewähren.
Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint (Regelungsanordnung). Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt das Bestehen eines Anordnungsanspruchs, d.h. des materiellen Anspruchs, für den vorläufiger Rechtsschutz begehrt wird, sowie das Vorliegen eines Anordnungsgrundes, d. h. die Unzumutbarkeit voraus, bei Abwägung aller betroffenen Interessen die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten. Können ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen entstehen, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären, sind die Erfolgsaussichten der Hauptsache nicht nur summarisch, sondern abschließend zu prüfen. Scheidet eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren aus, ist auf der Grundlage einer an der Gewährung eines effektiven Rechtsschutzes orientierten Folgenabwägung zu entscheiden (BVerfG, Beschluss vom 12.05.2005 - 1 BvR 569/05 -).
Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt. Der Antragsteller hat einen Anordnungsanspruch nicht hinreichend glaubhaft gemacht. Das SG ist zu Unrecht davon ausgegangen, der Kläger und Frau L bildeten keine Bedarfsgemeinschaft i.S.d. § 7 Abs. 3 SGB II, so dass dieser Umstand einem Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nicht entgegenstehe (§ 9 Abs. 2 Satz 1 SGB II).
Denn entgegen der Rechtsauffassung des SG liegen die tatbestandlichen Voraussetzungen der Vermutungsregelung des § 7 Abs. 3a Nr. 1 SGB II vor. Die Regelung des § 7 Abs. 3a SGB II wurde durch das Gesetz zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20.07.2007 (BGBl. I S. 1706) mit Wirkung vom 01.08.2006 in das SGB II eingefügt. Sie ordnet an, dass ein wechselseitiger Wille, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen, insbesondere dann vermutet wird, wenn Partner länger als ein Jahr zusammenleben (§ 7 Abs. 3a Nr. 1 SGB II). Liegen die tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Vermutungsregelung vor, kehrt sich im Ergebnis die objektive Beweislast zu Lasten des Arbeitsuchenden um. Denn der Arbeitsuchende muss dann den Beweis des Gegenteils führen (§ 202 SGG i.V.m. § 292 Zivilprozessordnung (ZPO)). Will der Arbeitsuchende die gesetzliche Vermutung widerlegen, muss er damit einen Vollbeweis dahingehend erbringen, dass entweder die von der Vermutungsregelung vorausgesetzten Hinweistatsachen nicht vorliegen, oder aber andere Hinweistatsachen vorliegen, die die Vermutung entkräften, es sei der wechselseitige Wille vorhanden, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen (vgl. Wenner, Soziale Sicherheit 2006, Seite 146, 149; Wersig, info also 2006, Seite 246, 248; Spellbrink, NZS 2007, Seite 121, 126). Im einstweiligen Rechtsschutzverfahren setzt dies die entsprechende Glaubhaftmachung (anstatt Vollbeweis) voraus.
Der Vortrag des Beschwerdeführers ist nicht geeignet, die durch § 7 Abs. 3a Nr. 1 SGB II ausgelöste Vermutung zu widerlegen. Der Senat konnte dabei offen lassen, ob die Vermutung des § 7 Abs. 3a SGB II nur dann greift, wenn zwischen den Mitbewohnern ein "gemeinsamer Haushalt" i.S.v. § 7 Abs. 3 Nr. 3c SGB II besteht (so Landessozialgericht (LSG) NRW vom 07.02.2007, L 1 B 45/06 AS ER; ferner LSG Baden-Württemberg vom 16.01.2007, L 13 AS 3747/06 ER - B; anders SG Reutlingen vom 18.12.2006, S 2 AS 4271/06 ER: "wenn zwei Personen in einer räumlich nicht getrennten Wohneinheit ihren gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt haben"; vgl. auch Spellbrink, NZS 2007, Seite 121, 125 f. mit Hinweis auf die Bedürftigkeitsfiktion des § 9 Abs. 2 Satz 3 SGB II). Hierfür könnte sprechen, dass § 7 Abs. 3 Nr. 3 SGB II definiert, wer als Partner des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen zur Bedarfsgemeinschaft gehört. Nach § 7 Abs. 3 Nr. 3c SGB II ist dies insbesondere eine Person, die mit dem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen in einem gemeinsamen Haushalt so zusammenlebt, dass nach verständiger Würdigung der wechselseitige Wille anzunehmen ist, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen. Die Vermutungsregelung des § 7 Abs. 3a SGB II könnte möglicherweise voraussetzen, dass auch die in § 7 Abs. 3 Nr. 3c SGB II genannte (weitere) Voraussetzung des Zusammenlebens in einem gemeinsamen Haushalt erfüllt sein muss, um die anspruchsvernichtende Einwendung des Vorliegens einer Bedarfsgemeinschaft auszulösen. Die Vermutungsregelung des § 7 Abs. 3a SGB II würde dann nicht den gesamten Tatbestand des § 7 Abs. 3 Nr. 3c SGB II "ersetzen", sondern nur eine der beiden dort genannten Tatbestandsvoraussetzungen, nämlich den wechselseitigen Willen, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen. Auf der anderen Seite dürfte zu berücksichtigen sein, dass das Merkmal des "Zusammenlebens", an das die Vermutungsregelung des § 7 Abs. 3a Nr. 1 SGB II anknüpft, materiell nicht überfrachtet werden darf, weil dies die vom Gesetzgeber gewollte Beweislastumkehr konterkarieren bzw. leerlaufen lassen würde (vgl. SG Reutlingen a.a.O.).
Der Senat konnte diese Frage, wie bereits erwähnt, offen lassen, weil nach derzeitigem Sach- und Streitstand zwischen dem Antragsteller und der Zeugin L eine Haushaltsgemeinschaft besteht. Denn beide bewohnen gemeinsam ein Einfamilienhaus. In diesem Einfamilienhaus befindet sich zwar eine eigenständige Einliegerwohnung. Diese wird nach dem Vortrag des Antragstellers aber nicht von ihm genutzt. Eine weitere räumlich abgetrennte Wohnung oder Wohneinheit existiert in dem Einfamilienhaus nach dem Vortrag des Antragstellers nicht. Er bewohnt vielmehr eines der Zimmer des architektonisch offen gestalteten Hauses. Dieses Haus verfügt über nur eine (gemeinsame) Türklingel. Um in sein Zimmer zu gelangen, muss der Antragsteller die Räume von Frau L durchqueren und über die Treppe das erste Obergeschoss aufsuchen. Der von der Antragsgegnerin durchgeführte Hausbesuch hat im Übrigen gezeigt, dass der Antragsteller über keine vollständig eingerichtete Küche verfügt bzw. diese jedenfalls nicht in einem Maße nutzt, wie dies bei der Führung eines eigenständigen Haushalts regelmäßig zu erwarten wäre.
Es ist somit von einer Haushaltsgemeinschaft zwischen dem Antragsteller und Frau L auszugehen. Der Antragsteller und Frau L leben in einer Gemeinschaft, die es rechtfertigt, dass die Rechtsordnung wechselseitige Unterhalts- und Unterstützungspflichten (widerleglich) unterstellt (vgl. auch Spellbrink, a.a.O., Seite 126). Entgegen der Rechtsauffassung des SG setzt die Vermutungsregelung des § 7 Abs. 3a Nr. 1 SGB II das Vorliegen einer Beziehung als Liebespaar nicht voraus. Bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzung des § 7 Abs. 3a Nr. 1 SGB II wird der wechselseitige Wille, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen, wie bereits ausgeführt vielmehr vermutet.
Diese gesetzliche Vermutung ist nicht widerlegt. Gegen ihre Widerlegung spricht, dass die Lebensläufe des Antragstellers und von Frau L seit (mindestens) einem Jahrzehnt eng miteinander verbunden sind. Dies betrifft sowohl das Wohnen als auch Beruf und Familie.
Der Antragsteller und Frau L lernten sich Anfang der 90iger Jahre im Rahmen einer beruflichen Tätigkeit bei der Firma C kennen. Frau L bewohnte zu dieser Zeit eine Wohnung in der C-straße 0 in C. Ab Januar 1996 war der Antragsteller unter derselben Anschrift gemeldet (mit Nebenwohnsitz). Im Jahr 1997 verkaufte der Antragsteller sein Einfamilienhaus (I 00 in E) sodann an Frau L, um es von ihr sodann bis zum Jahr 2001 zu mieten. Nach Angaben des Antragstellers ist Frau L dann im Jahr 2002 in dieses Haus eingezogen. Allerdings war sie unter dieser Adresse bereits seit dem 01.03.1999 gemeldet, und zwar nach der von der Antragsgegnerin eingeholten Einwohnermeldeauskunft mit Hauptwohnsitz.
Auch in beruflicher Hinsicht sind die Lebensläufe des Antragstellers und Frau L eng miteinander verwoben. Die Hauptniederlassung des im Jahr 1996 von dem Antragsteller gegründeten Einzelunternehmens mit dem Tätigkeitsbereich Industrie- und Bauberatung befand sich ebenfalls in der C-straße 0 in C. Gleiches gilt für die Firma T Gesellschaft für schlüsselfertige Bauten mbH, die am 01.02.1997 neu gegründet wurde. Die T GmbH wurde am 01.07.2003 in die Betriebsstätte I 00 in E verlegt. Bei dieser Gesellschaft war Frau L vom 01.01.1998 bis zum 31.01.2001 als Assistentin der Geschäftsführung beschäftigt, ferner vom 01.04.2003 bis zum 29.02.2004 als Sekretärin. Derzeit ist sie die Geschäftsführerin (und offenbar Alleingesellschafterin) dieses Unternehmens. Der Antragsteller selbst war in der Zeit von 1996 bis 2002 verschiedentlich in unterschiedlichen Positionen bei der T GmbH beschäftigt; nähere Einzelheiten hierzu hat der Antragsteller nicht vorgetragen. Die Telefonnummer, die der Antragsteller in seinem Erstantrag vom 30.09.2004 angab, stimmt überdies mit der geschäftlichen Telefonnummer der T GmbH überein.
Gegen die Annahme, der Antragsteller und Frau L bildeten eine reine Wohngemeinschaft, spricht des Weiteren, dass der Antragsteller bis zum 01.07.2006 gegenüber dem Strom- und Gasversorger RWE als Vertragspartner auftrat, obwohl er das Einfamilienhaus (I-weg 00 in E) bereits im Jahr 1997 - nach seinem Konkurs im Jahr 1996 - an Frau L verkaufte und diese im Jahr 2002 selbst in das Objekt einzog. Ein derartiges Gebaren ist für eine reine Wohngemeinschaft untypisch.
Gleiches gilt für den Umstand, dass Frau L dem Antragsteller nicht nur gestattet, den nach Angaben des Antragstellers in ihrem Eigentum stehenden PKW des Fabrikats "Jaguar" zu nutzen, sondern der Antragsteller insoweit auch als Versicherungsnehmer für Frau L eintritt.
Auch der Umstand, dass der Sohn des Antragstellers monatlich 150,00 Euro auf ein Konto von Frau L einzahlt, um auf diese Weise nach seinen Angaben Geld für Steuern und Versicherung seines PKW anzusparen, spricht ebenfalls gegen das Vorliegen einer reinen Wohn- bzw. Zweckgemeinschaft. Er dokumentiert vielmehr als weiteres Element, dass der Antragsteller und Frau L Verantwortung füreinander tragen, und zwar auch hinsichtlich ihres familiären Umfeldes.
Der Antragsteller (und Kläger) wird im Hauptsacheverfahren Gelegenheit haben, andere Hinweistatsachen darzulegen, die die durch § 7 Abs. 3a SGB II ausgelöste Vermutung ggf. entkräften. Eine entsprechende Glaubhaftmachung ist ihm im einstweiligen Rechtsschutzverfahren - wie aufgezeigt - nicht gelungen.
Ein Anordnungsanspruch ist damit nicht glaubhaft gemacht. Denn bei der Prüfung des Hilfebedarfs sind gemäß § 9 Abs. 2 Satz 1 SGB II Einkommen und Vermögen des Partners zu berücksichtigen. Es sprechen hinreichende Indizien dafür, dass der aus dem Antragsteller und Frau L bestehenden Bedarfsgemeinschaft ausreichendes Einkommen zur Deckung ihres Lebensbedarfs zur Verfügung steht. Frau L ist offenbar in der Lage, die laufenden Kosten ihres Einfamilienhauses eigenständig zu bestreiten. Nach ihrer Zeugenaussage im Erörterungstermin vor dem SG vom 15.03.2007 hat sie dem Antragsteller die Zahlung der Miete gestundet. Des Weiteren unterhält sie zwei Mittelklasse- bzw. Oberklasse-PKW ("BMW" und "Jaguar"), deren Unterhaltskosten sie offenbar selbst trägt; in ihrer Zeugenaussage vor dem SG hat sie angegeben, dass sie die beiden Autos aus Liebhaberei habe.
Es konnte deshalb dahinstehen, ob der Antragsteller auch mit seinem Sohn Q T eine Bedarfsgemeinschaft bildet. Die endgültige Klärung dieser Frage bleibt gegebenenfalls dem Hauptsacheverfahren vorbehalten. Dort wird möglicherweise auch zu klären sein, welche Einkünfte der Antragsteller (sowie gegebenenfalls Frau L) gegenüber dem Finanzamt angab; unter dem 27.11.2006 richtete die Antragsgegnerin ein entsprechendes Amtshilfeersuchen an das Finanzamt H (Blatt 233 Verwaltungsakte).
Die Kostenentscheidung folgt aus einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Gründe:
Mit dem angegriffenen Beschluss vom 15.03.2007 hat das Sozialgericht (SG) die Antragsgegnerin zu Unrecht im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller ab dem 21.02.2007 vorläufig bis zur Entscheidung in der Hauptsache Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) ohne Einbeziehung von Frau T L und Herrn Q T als Mitglieder einer Bedarfsgemeinschaft zu gewähren.
Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint (Regelungsanordnung). Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt das Bestehen eines Anordnungsanspruchs, d.h. des materiellen Anspruchs, für den vorläufiger Rechtsschutz begehrt wird, sowie das Vorliegen eines Anordnungsgrundes, d. h. die Unzumutbarkeit voraus, bei Abwägung aller betroffenen Interessen die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten. Können ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen entstehen, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären, sind die Erfolgsaussichten der Hauptsache nicht nur summarisch, sondern abschließend zu prüfen. Scheidet eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren aus, ist auf der Grundlage einer an der Gewährung eines effektiven Rechtsschutzes orientierten Folgenabwägung zu entscheiden (BVerfG, Beschluss vom 12.05.2005 - 1 BvR 569/05 -).
Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt. Der Antragsteller hat einen Anordnungsanspruch nicht hinreichend glaubhaft gemacht. Das SG ist zu Unrecht davon ausgegangen, der Kläger und Frau L bildeten keine Bedarfsgemeinschaft i.S.d. § 7 Abs. 3 SGB II, so dass dieser Umstand einem Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nicht entgegenstehe (§ 9 Abs. 2 Satz 1 SGB II).
Denn entgegen der Rechtsauffassung des SG liegen die tatbestandlichen Voraussetzungen der Vermutungsregelung des § 7 Abs. 3a Nr. 1 SGB II vor. Die Regelung des § 7 Abs. 3a SGB II wurde durch das Gesetz zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20.07.2007 (BGBl. I S. 1706) mit Wirkung vom 01.08.2006 in das SGB II eingefügt. Sie ordnet an, dass ein wechselseitiger Wille, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen, insbesondere dann vermutet wird, wenn Partner länger als ein Jahr zusammenleben (§ 7 Abs. 3a Nr. 1 SGB II). Liegen die tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Vermutungsregelung vor, kehrt sich im Ergebnis die objektive Beweislast zu Lasten des Arbeitsuchenden um. Denn der Arbeitsuchende muss dann den Beweis des Gegenteils führen (§ 202 SGG i.V.m. § 292 Zivilprozessordnung (ZPO)). Will der Arbeitsuchende die gesetzliche Vermutung widerlegen, muss er damit einen Vollbeweis dahingehend erbringen, dass entweder die von der Vermutungsregelung vorausgesetzten Hinweistatsachen nicht vorliegen, oder aber andere Hinweistatsachen vorliegen, die die Vermutung entkräften, es sei der wechselseitige Wille vorhanden, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen (vgl. Wenner, Soziale Sicherheit 2006, Seite 146, 149; Wersig, info also 2006, Seite 246, 248; Spellbrink, NZS 2007, Seite 121, 126). Im einstweiligen Rechtsschutzverfahren setzt dies die entsprechende Glaubhaftmachung (anstatt Vollbeweis) voraus.
Der Vortrag des Beschwerdeführers ist nicht geeignet, die durch § 7 Abs. 3a Nr. 1 SGB II ausgelöste Vermutung zu widerlegen. Der Senat konnte dabei offen lassen, ob die Vermutung des § 7 Abs. 3a SGB II nur dann greift, wenn zwischen den Mitbewohnern ein "gemeinsamer Haushalt" i.S.v. § 7 Abs. 3 Nr. 3c SGB II besteht (so Landessozialgericht (LSG) NRW vom 07.02.2007, L 1 B 45/06 AS ER; ferner LSG Baden-Württemberg vom 16.01.2007, L 13 AS 3747/06 ER - B; anders SG Reutlingen vom 18.12.2006, S 2 AS 4271/06 ER: "wenn zwei Personen in einer räumlich nicht getrennten Wohneinheit ihren gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt haben"; vgl. auch Spellbrink, NZS 2007, Seite 121, 125 f. mit Hinweis auf die Bedürftigkeitsfiktion des § 9 Abs. 2 Satz 3 SGB II). Hierfür könnte sprechen, dass § 7 Abs. 3 Nr. 3 SGB II definiert, wer als Partner des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen zur Bedarfsgemeinschaft gehört. Nach § 7 Abs. 3 Nr. 3c SGB II ist dies insbesondere eine Person, die mit dem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen in einem gemeinsamen Haushalt so zusammenlebt, dass nach verständiger Würdigung der wechselseitige Wille anzunehmen ist, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen. Die Vermutungsregelung des § 7 Abs. 3a SGB II könnte möglicherweise voraussetzen, dass auch die in § 7 Abs. 3 Nr. 3c SGB II genannte (weitere) Voraussetzung des Zusammenlebens in einem gemeinsamen Haushalt erfüllt sein muss, um die anspruchsvernichtende Einwendung des Vorliegens einer Bedarfsgemeinschaft auszulösen. Die Vermutungsregelung des § 7 Abs. 3a SGB II würde dann nicht den gesamten Tatbestand des § 7 Abs. 3 Nr. 3c SGB II "ersetzen", sondern nur eine der beiden dort genannten Tatbestandsvoraussetzungen, nämlich den wechselseitigen Willen, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen. Auf der anderen Seite dürfte zu berücksichtigen sein, dass das Merkmal des "Zusammenlebens", an das die Vermutungsregelung des § 7 Abs. 3a Nr. 1 SGB II anknüpft, materiell nicht überfrachtet werden darf, weil dies die vom Gesetzgeber gewollte Beweislastumkehr konterkarieren bzw. leerlaufen lassen würde (vgl. SG Reutlingen a.a.O.).
Der Senat konnte diese Frage, wie bereits erwähnt, offen lassen, weil nach derzeitigem Sach- und Streitstand zwischen dem Antragsteller und der Zeugin L eine Haushaltsgemeinschaft besteht. Denn beide bewohnen gemeinsam ein Einfamilienhaus. In diesem Einfamilienhaus befindet sich zwar eine eigenständige Einliegerwohnung. Diese wird nach dem Vortrag des Antragstellers aber nicht von ihm genutzt. Eine weitere räumlich abgetrennte Wohnung oder Wohneinheit existiert in dem Einfamilienhaus nach dem Vortrag des Antragstellers nicht. Er bewohnt vielmehr eines der Zimmer des architektonisch offen gestalteten Hauses. Dieses Haus verfügt über nur eine (gemeinsame) Türklingel. Um in sein Zimmer zu gelangen, muss der Antragsteller die Räume von Frau L durchqueren und über die Treppe das erste Obergeschoss aufsuchen. Der von der Antragsgegnerin durchgeführte Hausbesuch hat im Übrigen gezeigt, dass der Antragsteller über keine vollständig eingerichtete Küche verfügt bzw. diese jedenfalls nicht in einem Maße nutzt, wie dies bei der Führung eines eigenständigen Haushalts regelmäßig zu erwarten wäre.
Es ist somit von einer Haushaltsgemeinschaft zwischen dem Antragsteller und Frau L auszugehen. Der Antragsteller und Frau L leben in einer Gemeinschaft, die es rechtfertigt, dass die Rechtsordnung wechselseitige Unterhalts- und Unterstützungspflichten (widerleglich) unterstellt (vgl. auch Spellbrink, a.a.O., Seite 126). Entgegen der Rechtsauffassung des SG setzt die Vermutungsregelung des § 7 Abs. 3a Nr. 1 SGB II das Vorliegen einer Beziehung als Liebespaar nicht voraus. Bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzung des § 7 Abs. 3a Nr. 1 SGB II wird der wechselseitige Wille, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen, wie bereits ausgeführt vielmehr vermutet.
Diese gesetzliche Vermutung ist nicht widerlegt. Gegen ihre Widerlegung spricht, dass die Lebensläufe des Antragstellers und von Frau L seit (mindestens) einem Jahrzehnt eng miteinander verbunden sind. Dies betrifft sowohl das Wohnen als auch Beruf und Familie.
Der Antragsteller und Frau L lernten sich Anfang der 90iger Jahre im Rahmen einer beruflichen Tätigkeit bei der Firma C kennen. Frau L bewohnte zu dieser Zeit eine Wohnung in der C-straße 0 in C. Ab Januar 1996 war der Antragsteller unter derselben Anschrift gemeldet (mit Nebenwohnsitz). Im Jahr 1997 verkaufte der Antragsteller sein Einfamilienhaus (I 00 in E) sodann an Frau L, um es von ihr sodann bis zum Jahr 2001 zu mieten. Nach Angaben des Antragstellers ist Frau L dann im Jahr 2002 in dieses Haus eingezogen. Allerdings war sie unter dieser Adresse bereits seit dem 01.03.1999 gemeldet, und zwar nach der von der Antragsgegnerin eingeholten Einwohnermeldeauskunft mit Hauptwohnsitz.
Auch in beruflicher Hinsicht sind die Lebensläufe des Antragstellers und Frau L eng miteinander verwoben. Die Hauptniederlassung des im Jahr 1996 von dem Antragsteller gegründeten Einzelunternehmens mit dem Tätigkeitsbereich Industrie- und Bauberatung befand sich ebenfalls in der C-straße 0 in C. Gleiches gilt für die Firma T Gesellschaft für schlüsselfertige Bauten mbH, die am 01.02.1997 neu gegründet wurde. Die T GmbH wurde am 01.07.2003 in die Betriebsstätte I 00 in E verlegt. Bei dieser Gesellschaft war Frau L vom 01.01.1998 bis zum 31.01.2001 als Assistentin der Geschäftsführung beschäftigt, ferner vom 01.04.2003 bis zum 29.02.2004 als Sekretärin. Derzeit ist sie die Geschäftsführerin (und offenbar Alleingesellschafterin) dieses Unternehmens. Der Antragsteller selbst war in der Zeit von 1996 bis 2002 verschiedentlich in unterschiedlichen Positionen bei der T GmbH beschäftigt; nähere Einzelheiten hierzu hat der Antragsteller nicht vorgetragen. Die Telefonnummer, die der Antragsteller in seinem Erstantrag vom 30.09.2004 angab, stimmt überdies mit der geschäftlichen Telefonnummer der T GmbH überein.
Gegen die Annahme, der Antragsteller und Frau L bildeten eine reine Wohngemeinschaft, spricht des Weiteren, dass der Antragsteller bis zum 01.07.2006 gegenüber dem Strom- und Gasversorger RWE als Vertragspartner auftrat, obwohl er das Einfamilienhaus (I-weg 00 in E) bereits im Jahr 1997 - nach seinem Konkurs im Jahr 1996 - an Frau L verkaufte und diese im Jahr 2002 selbst in das Objekt einzog. Ein derartiges Gebaren ist für eine reine Wohngemeinschaft untypisch.
Gleiches gilt für den Umstand, dass Frau L dem Antragsteller nicht nur gestattet, den nach Angaben des Antragstellers in ihrem Eigentum stehenden PKW des Fabrikats "Jaguar" zu nutzen, sondern der Antragsteller insoweit auch als Versicherungsnehmer für Frau L eintritt.
Auch der Umstand, dass der Sohn des Antragstellers monatlich 150,00 Euro auf ein Konto von Frau L einzahlt, um auf diese Weise nach seinen Angaben Geld für Steuern und Versicherung seines PKW anzusparen, spricht ebenfalls gegen das Vorliegen einer reinen Wohn- bzw. Zweckgemeinschaft. Er dokumentiert vielmehr als weiteres Element, dass der Antragsteller und Frau L Verantwortung füreinander tragen, und zwar auch hinsichtlich ihres familiären Umfeldes.
Der Antragsteller (und Kläger) wird im Hauptsacheverfahren Gelegenheit haben, andere Hinweistatsachen darzulegen, die die durch § 7 Abs. 3a SGB II ausgelöste Vermutung ggf. entkräften. Eine entsprechende Glaubhaftmachung ist ihm im einstweiligen Rechtsschutzverfahren - wie aufgezeigt - nicht gelungen.
Ein Anordnungsanspruch ist damit nicht glaubhaft gemacht. Denn bei der Prüfung des Hilfebedarfs sind gemäß § 9 Abs. 2 Satz 1 SGB II Einkommen und Vermögen des Partners zu berücksichtigen. Es sprechen hinreichende Indizien dafür, dass der aus dem Antragsteller und Frau L bestehenden Bedarfsgemeinschaft ausreichendes Einkommen zur Deckung ihres Lebensbedarfs zur Verfügung steht. Frau L ist offenbar in der Lage, die laufenden Kosten ihres Einfamilienhauses eigenständig zu bestreiten. Nach ihrer Zeugenaussage im Erörterungstermin vor dem SG vom 15.03.2007 hat sie dem Antragsteller die Zahlung der Miete gestundet. Des Weiteren unterhält sie zwei Mittelklasse- bzw. Oberklasse-PKW ("BMW" und "Jaguar"), deren Unterhaltskosten sie offenbar selbst trägt; in ihrer Zeugenaussage vor dem SG hat sie angegeben, dass sie die beiden Autos aus Liebhaberei habe.
Es konnte deshalb dahinstehen, ob der Antragsteller auch mit seinem Sohn Q T eine Bedarfsgemeinschaft bildet. Die endgültige Klärung dieser Frage bleibt gegebenenfalls dem Hauptsacheverfahren vorbehalten. Dort wird möglicherweise auch zu klären sein, welche Einkünfte der Antragsteller (sowie gegebenenfalls Frau L) gegenüber dem Finanzamt angab; unter dem 27.11.2006 richtete die Antragsgegnerin ein entsprechendes Amtshilfeersuchen an das Finanzamt H (Blatt 233 Verwaltungsakte).
Die Kostenentscheidung folgt aus einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
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