Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Duisburg (NRW)
Aktenzeichen
S 2 KN 149/98 U
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 2 KN 173/99 U
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 8 KN U 1/00 R
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 13. August 1999 geändert. Die Klage wird abgewiesen. Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt Hinterbliebenenleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung.
Sie ist die Witwe des am xxxxx.1997 verstorbenen Versicherten Gxxxxxx Wxxx. Dieser litt an einer chronischen obstruktiven Bronchitis sowie einem Lungenemphysem. Die Beklagte erkannte mit Bescheid vom 22.01.1997 beim Versicherten eine chronisch obstruktive Bronchitis oder Emphysem von Bergleuten unter Tage bei Nachweis der Einwirkung einer kumulativen Feinstaubdosis von in der Regel 100 ([mg/m³] x Jahre) an, die sie wie eine Berufskrankheit (BK) entschädigte (§ 551 Abs. 2 Reichsversicherungsordnung - RVO -). Den Versicherungsfall bestimmte sie auf den 26.06.1992 und gewährte eine Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von zunächst 60 und später 70 v.H. Dabei stützte sich die Beklagte auf die Ausführungen des Internisten Dr. Kxxxxxxxx. Dieser war in seinem Gutachten vom 16.10.1996 unter Berücksichtigung der bodyplethysmo- und spirographischen Lungenfunktionsprüfungen durch Dr. Kxxxxxx vom 26.06.1992 (Arztbrief vom 01.07.1992: Nicht reversible zentrale und ebenfalls nicht reversible schwere periphere Obstruktion mit mittelgradiger Lungenüberblähung) und Dr. Sxxxx (08.12.1995) zu der Einschätzung gelangt, daß die chronisch obstruktive Bronchitis und das Lungenemphysem spätestens am 26.06.1992 vorgelegen haben.
Der Versicherte verstarb im Juni 1997 an einem protrahierten Rechtsherzversagen bei schwergradiger respiratorischer Insuffizienz. Prof. Dr. Kxxxxxxx diagnostizierte nach Obduktion eine schwere chronisch-obstruktive Emphysembronchitis und stufte diese als wesentliche Teilursache des Todes ein.
Mit Bescheid vom 05.12.1997 lehnte die Beklagte die Gewährung von Hinterbliebenenleistungen ab. Zur Begründung führte sie aus, bei der Beurteilung des Anspruchs der Witwe sei unabhängig von früheren Feststellungen gegenüber dem Versicherten zu prüfen, ob dieser an den Folgen der BK Nr. 4111 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung (BKVO) verstorben ist. Dies sei zu verneinen, da ab 1.12.1997 nach § 6 Abs. 1 BKVO die BK nur anerkannt werden dürfe, wenn der Versicherungsfall nach dem 31.12.1992 eingetreten sei. Nach dem Gutachten von Dr. Kxxxxxxxx habe sowohl die chronisch obstruktive Bronchitis als auch das Lungenemphysem bereits am 26.06.1992 vorgelegen.
Zur Begründung ihres Widerspruchs trug die Klägerin vor, für den Anspruch auf Hinterbliebenenrente komme es nur darauf an, ob der Tod des Versicherten Folge der mit Bescheid vom 22.01.1997 anerkannten BK gewesen sei. Dies sei nach dem Gutachten des Prof. Dr. Kxxxxxxx zu bejahen. Die Beklagte wies den Rechtsbehelf mit Widerspruchsbescheid vom 28.07.1998 zurück. Seit Bekanntwerden des Referentenentwurfes einer Verordnung zur Neufassung der BKVO vom 13.05.1997 dürfe das Krankheitsbild einer chronisch obstruktiven Bronchitis bzw. eines Emphysems nur noch dann als BK anerkannt werden, wenn der Versicherungsfall auf einen Zeitpunkt nach dem 31.12.1992 datiert werden könne. Da der Versicherte bereits vor dem 01.01.1993 an einer solchen Erkrankung gelitten habe, komme deren Anerkennung als BK nicht mehr in Betracht. Dies folge aus der Rückwirkungsklausel des § 6 Abs. 1 BKVO.
Zur Begründung ihrer Klage hat die Klägerin auf ihr Vorbringen im Widerspruchsverfahren Bezug genommen.
Das Sozialgericht Duisburg hat mit Urteil vom 13.08.1999, auf dessen Gründe Bezug genommen wird, die Beklagte verurteilt, der Klägerin Hinterbliebenenleistungen zu gewähren.
Zur Begründung ihrer Berufung macht die Beklagte geltend, bei der Hinterbliebenenrente handele es sich um einen eigenen Anspruch der Witwe. Somit habe der gegenüber dem Versicherten erlassene Verwaltungsakt keine bindende Wirkung. Der Anspruch der Klägerin sei hier zu verneinen, da der Versicherungsfall vor dem 01.01.1993 eingetreten sei.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 13.08.1999 zu ändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie ist der Ansicht, die Stichtagsregelung stehe ihrem Anspruch nicht entgegen. Hierfür sprächen insbesondere das Wesen und die Funktion der Hinterbliebenenrente sowie der aus dem Rechtsstaatsgrundsatz entspringende Vertrauensschutzgedanke. Die Hinterbliebenenrente leite sich aus der orginären Verletztenrente ab. Sie habe die Funktion, den Unterhalt der Hinterbliebenen etwa auf der Stufe des bisherigen Lebensstandards zu sichern.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Streitakte und die Akte der Beklagten, deren wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung war, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 05.12.1997 ist rechtmäßig. Entgegen der Ansicht des Sozialgerichts und der Klägerin liegen die Voraussetzungen für die Gewährung von Hinterbliebenenleistungen nicht vor.
Gemäß § 63 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) haben Hinterbliebene Anspruch auf Hinterbliebenenrente, wenn der Tod infolge eines Versicherungsfalls, also eines Arbeitsunfalls oder - was hier allein in Betracht kommt - einer Berufskrankheit (§§ 7, 9 SGB VII) eingetreten ist. Nach dem Obduktionsgutachten des Prof. Dr. Kxxxxxxx vom 12.11.1997, das auch die Beteiligten für zutreffend halten, steht zur Überzeugung des Senats fest, daß die beruflich bedingte chronisch obstruktive Bronchitis bzw. das Emphysem den Tod des Versicherten wesentlich (mit)verursacht hat. Dennoch stehen der Klägerin die beanspruchten Leistungen nicht zu.
Der Tod des Ehemannes der Klägerin war nicht deshalb Folge eines Versicherungsfalles, weil die Beklagte das Lungenleiden nach § 551 Abs. 2 RVO wie eine Berufskrankheit entschädigt hat. Hinterbliebenenansprüche nach § 63 SGB VII sind selbständige, nicht vom Versicherten abgeleitete Ansprüche (vgl. Urteil des BSG vom 29.03.1984, 2 RU 23/83, Juris Dokument 15107; BSG SozR 2200 § 589 Nr. 8; Ricke in Kasseler Kommentar, § 63 Rdnr. 2; Riebel in Hauck/Haines, § 63 Anm. 14; Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, Band III, Rdnr. 586 d). Deshalb kann sich die Klägerin nicht auf den Inhalt des gegenüber dem Versicherten ergangenen Bescheides berufen. Eine Bindungswirkung entfaltet dieser Bescheid vom 22.01.1997 im Hinblick auf die Feststellung des Emphysems bzw. der chronisch obstruktiven Bronchitis und der Entschädigung wie eine BK nur im Verhältnis zwischen der Beklagten und dem Versicherten.
Der Anspruch läßt sich auch nicht aus §§ 63, 9 Abs. 1 SGB VII i.V.m. Nr. 4111 der Anlage zur BKVO vom 31.10.1997 ((BGBl. I 2623), chronische obstruktive Bronchitis oder Emphysem von Bergleuten unter Tage im Steinkohlenbergbau bei Nachweis der Einwirkung einer kumulativen Dosis von in der Regel 100 Feinstaubjahren [(mg(m³) x Jahre]) herleiten. Dem steht § 6 Abs. 1 der Verordnung entgegen. Leidet ein Versicherter am 01.12.1997 bereits an dieser Krankheit, ist sie hiernach nur dann auf Antrag als BK anzuerkennen, wenn der Versicherungsfall nach dem 31.12.1992 eingetreten ist. Die Vorschrift findet entsprechend ihrem Sinn und Zweck, Entschädigungsleistungen für Versicherungsfälle vor dem 01.01.1993 auszuschließen, auch Anwendung, wenn der Versicherte - wie hier - bereits vor dem 01.12.1997 verstorben ist. Sie greift im vorliegenden Fall ein, weil der Versicherungsfall, nämlich das Vorliegen der Voraussetzungen für den Anspruch des Versicherten auf Anerkennung einer BK i.S. der § 551 Abs. 1 RVO/§ 9 Abs. 1 SGB VII (vgl. Urteil des BSG vom 30.09.1999 - B 8 KN 1/98 UR -) vor dem Stichtag vorgelegen hat, nämlich spätestens im Juni 1992. Dies ergibt sich aus dem Gutachten des Dr. Kxxxxxxxx, der nach Auswertung der bodyplethysmographischen und spirographischen Lungenfunktionsprüfungen des Dr. Kxxxxxx, der bereits am 26.06.1992 eine zentrale und periphere Obstruktion mit mittelgradiger Lungenüberblähung diagnostiziert hatte, und des Dr. Sxxxx vom Dezember 1995 den Erkrankungsbeginn überzeugend auf (spätestens) den 26.06.1992 datiert hat.
Die in § 6 Abs. 1 BKVO normierte Rückwirkungsklausel ist rechtswirksam und verstößt (derzeit) nicht gegen höherrangiges Recht (Urteil des BSG vom 30.09.1999, a.a.O.). Der Verordnungsgeber hat für die BK Nr. 4111 BKVO nach seinem damaligen Kenntnisstand die Rückwirkung auf ausreichend weit in der Vergangenheit liegende Versicherungsfälle erstreckt und damit eine ausgewogene sachgerechte Lösung unter Berücksichtigung der Interessen von Versicherten, Unternehmen und Versicherungsträger gefunden (BSG SozR 3-2200 § 551 Nrn 3, 6; BSG, Urteil vom 30.09.1999, a.a.O., S. 8). Darüber hinaus entspricht § 6 Abs. 1 BKVO hinsichtlich des zeitlichen Umfangs der Rückwirkung den in den vorherigen Änderungsverordnungen getroffenen Regelungen (Art. 3 Abs. 2 der Verordnung zur Änderung der BKVO vom 22.03.1988 Bundesgesetzblatt -BGBl- (BGBl I 400) sowie Art. 2 Abs. 2 der zweiten Verordnung zur Änderung der BKVO vom 18.12.1992 (BGBl I 2343). Diese Fallkonstellationen sind jeweils dadurch gekennzeichnet, daß der Stichtag der Rückwirkung mit dem Datum des Inkrafttretens der vorherigen Ergänzung der BK-Liste übereinstimmt. Die Handhabung seitens des Verordnungsgebers diente somit der Rechtssicherheit und Gleichbehandlung der Versicherten. Schließlich bewegte sich der Verordnungsgeber innerhalb des ihm eingeräumten weiten normativen Ermessens nach § 9 Abs. 1 Satz 2 SGB VII (BSG, a.a.O., S. 9). Ein Verstoß gegen das Gleichheitsgebot des Art. 3 Abs. 1 GG ist derzeit ebenfalls zu verneinen. Der Verordnungsgeber, der an das Willkürverbot gebunden ist, bewegte sich mit der Regelung des § 6 Abs. 1 BKVO noch in nerhalb der Bandbreite seines normativen Ermessens.
Der Anspruch der Klägerin läßt sich auch nicht auf 9 Abs. 2 SGB VII stützen. Danach haben die Träger der Unfallversicherung im Einzelfall eine Krankheit, auch wenn sie nicht in der BKVO bezeichnet ist, wie eine BK als Versicherungsfall anzuerkennen, wenn nach neuen Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft die Voraussetzungen des § 9 Abs. 1 Satz 2 SGB VII erfüllt sind. Diese Vorschrift ist nicht mehr anzuwenden, wenn der Verordnungsgeber eine bestimmte Erkrankung in die Liste aufgenommen, die Gewährung einer Entschädigung aber durch eine Rückwirkung bis zu einem bestimmten, ausreichend weit zurückliegenden Zeitpunkt begrenzt hat. Die Rückwirkungsklausel des § 6 Abs. 1 BKVO überlagert mit ihrem Inkrafttreten den Anspruch auf Entschädigung wie eine BK (BSG, Urteil vom 30.09.1999, a.a.O., S. 12; BSG SozR 3-2200 § 551 Nrn. 3 und 6; Lauterbach, Kommentar zum SGB VII, § 9 Anm. 295).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Der Senat hat die Revision zugelassen, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG).
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt Hinterbliebenenleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung.
Sie ist die Witwe des am xxxxx.1997 verstorbenen Versicherten Gxxxxxx Wxxx. Dieser litt an einer chronischen obstruktiven Bronchitis sowie einem Lungenemphysem. Die Beklagte erkannte mit Bescheid vom 22.01.1997 beim Versicherten eine chronisch obstruktive Bronchitis oder Emphysem von Bergleuten unter Tage bei Nachweis der Einwirkung einer kumulativen Feinstaubdosis von in der Regel 100 ([mg/m³] x Jahre) an, die sie wie eine Berufskrankheit (BK) entschädigte (§ 551 Abs. 2 Reichsversicherungsordnung - RVO -). Den Versicherungsfall bestimmte sie auf den 26.06.1992 und gewährte eine Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von zunächst 60 und später 70 v.H. Dabei stützte sich die Beklagte auf die Ausführungen des Internisten Dr. Kxxxxxxxx. Dieser war in seinem Gutachten vom 16.10.1996 unter Berücksichtigung der bodyplethysmo- und spirographischen Lungenfunktionsprüfungen durch Dr. Kxxxxxx vom 26.06.1992 (Arztbrief vom 01.07.1992: Nicht reversible zentrale und ebenfalls nicht reversible schwere periphere Obstruktion mit mittelgradiger Lungenüberblähung) und Dr. Sxxxx (08.12.1995) zu der Einschätzung gelangt, daß die chronisch obstruktive Bronchitis und das Lungenemphysem spätestens am 26.06.1992 vorgelegen haben.
Der Versicherte verstarb im Juni 1997 an einem protrahierten Rechtsherzversagen bei schwergradiger respiratorischer Insuffizienz. Prof. Dr. Kxxxxxxx diagnostizierte nach Obduktion eine schwere chronisch-obstruktive Emphysembronchitis und stufte diese als wesentliche Teilursache des Todes ein.
Mit Bescheid vom 05.12.1997 lehnte die Beklagte die Gewährung von Hinterbliebenenleistungen ab. Zur Begründung führte sie aus, bei der Beurteilung des Anspruchs der Witwe sei unabhängig von früheren Feststellungen gegenüber dem Versicherten zu prüfen, ob dieser an den Folgen der BK Nr. 4111 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung (BKVO) verstorben ist. Dies sei zu verneinen, da ab 1.12.1997 nach § 6 Abs. 1 BKVO die BK nur anerkannt werden dürfe, wenn der Versicherungsfall nach dem 31.12.1992 eingetreten sei. Nach dem Gutachten von Dr. Kxxxxxxxx habe sowohl die chronisch obstruktive Bronchitis als auch das Lungenemphysem bereits am 26.06.1992 vorgelegen.
Zur Begründung ihres Widerspruchs trug die Klägerin vor, für den Anspruch auf Hinterbliebenenrente komme es nur darauf an, ob der Tod des Versicherten Folge der mit Bescheid vom 22.01.1997 anerkannten BK gewesen sei. Dies sei nach dem Gutachten des Prof. Dr. Kxxxxxxx zu bejahen. Die Beklagte wies den Rechtsbehelf mit Widerspruchsbescheid vom 28.07.1998 zurück. Seit Bekanntwerden des Referentenentwurfes einer Verordnung zur Neufassung der BKVO vom 13.05.1997 dürfe das Krankheitsbild einer chronisch obstruktiven Bronchitis bzw. eines Emphysems nur noch dann als BK anerkannt werden, wenn der Versicherungsfall auf einen Zeitpunkt nach dem 31.12.1992 datiert werden könne. Da der Versicherte bereits vor dem 01.01.1993 an einer solchen Erkrankung gelitten habe, komme deren Anerkennung als BK nicht mehr in Betracht. Dies folge aus der Rückwirkungsklausel des § 6 Abs. 1 BKVO.
Zur Begründung ihrer Klage hat die Klägerin auf ihr Vorbringen im Widerspruchsverfahren Bezug genommen.
Das Sozialgericht Duisburg hat mit Urteil vom 13.08.1999, auf dessen Gründe Bezug genommen wird, die Beklagte verurteilt, der Klägerin Hinterbliebenenleistungen zu gewähren.
Zur Begründung ihrer Berufung macht die Beklagte geltend, bei der Hinterbliebenenrente handele es sich um einen eigenen Anspruch der Witwe. Somit habe der gegenüber dem Versicherten erlassene Verwaltungsakt keine bindende Wirkung. Der Anspruch der Klägerin sei hier zu verneinen, da der Versicherungsfall vor dem 01.01.1993 eingetreten sei.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 13.08.1999 zu ändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie ist der Ansicht, die Stichtagsregelung stehe ihrem Anspruch nicht entgegen. Hierfür sprächen insbesondere das Wesen und die Funktion der Hinterbliebenenrente sowie der aus dem Rechtsstaatsgrundsatz entspringende Vertrauensschutzgedanke. Die Hinterbliebenenrente leite sich aus der orginären Verletztenrente ab. Sie habe die Funktion, den Unterhalt der Hinterbliebenen etwa auf der Stufe des bisherigen Lebensstandards zu sichern.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Streitakte und die Akte der Beklagten, deren wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung war, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 05.12.1997 ist rechtmäßig. Entgegen der Ansicht des Sozialgerichts und der Klägerin liegen die Voraussetzungen für die Gewährung von Hinterbliebenenleistungen nicht vor.
Gemäß § 63 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) haben Hinterbliebene Anspruch auf Hinterbliebenenrente, wenn der Tod infolge eines Versicherungsfalls, also eines Arbeitsunfalls oder - was hier allein in Betracht kommt - einer Berufskrankheit (§§ 7, 9 SGB VII) eingetreten ist. Nach dem Obduktionsgutachten des Prof. Dr. Kxxxxxxx vom 12.11.1997, das auch die Beteiligten für zutreffend halten, steht zur Überzeugung des Senats fest, daß die beruflich bedingte chronisch obstruktive Bronchitis bzw. das Emphysem den Tod des Versicherten wesentlich (mit)verursacht hat. Dennoch stehen der Klägerin die beanspruchten Leistungen nicht zu.
Der Tod des Ehemannes der Klägerin war nicht deshalb Folge eines Versicherungsfalles, weil die Beklagte das Lungenleiden nach § 551 Abs. 2 RVO wie eine Berufskrankheit entschädigt hat. Hinterbliebenenansprüche nach § 63 SGB VII sind selbständige, nicht vom Versicherten abgeleitete Ansprüche (vgl. Urteil des BSG vom 29.03.1984, 2 RU 23/83, Juris Dokument 15107; BSG SozR 2200 § 589 Nr. 8; Ricke in Kasseler Kommentar, § 63 Rdnr. 2; Riebel in Hauck/Haines, § 63 Anm. 14; Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, Band III, Rdnr. 586 d). Deshalb kann sich die Klägerin nicht auf den Inhalt des gegenüber dem Versicherten ergangenen Bescheides berufen. Eine Bindungswirkung entfaltet dieser Bescheid vom 22.01.1997 im Hinblick auf die Feststellung des Emphysems bzw. der chronisch obstruktiven Bronchitis und der Entschädigung wie eine BK nur im Verhältnis zwischen der Beklagten und dem Versicherten.
Der Anspruch läßt sich auch nicht aus §§ 63, 9 Abs. 1 SGB VII i.V.m. Nr. 4111 der Anlage zur BKVO vom 31.10.1997 ((BGBl. I 2623), chronische obstruktive Bronchitis oder Emphysem von Bergleuten unter Tage im Steinkohlenbergbau bei Nachweis der Einwirkung einer kumulativen Dosis von in der Regel 100 Feinstaubjahren [(mg(m³) x Jahre]) herleiten. Dem steht § 6 Abs. 1 der Verordnung entgegen. Leidet ein Versicherter am 01.12.1997 bereits an dieser Krankheit, ist sie hiernach nur dann auf Antrag als BK anzuerkennen, wenn der Versicherungsfall nach dem 31.12.1992 eingetreten ist. Die Vorschrift findet entsprechend ihrem Sinn und Zweck, Entschädigungsleistungen für Versicherungsfälle vor dem 01.01.1993 auszuschließen, auch Anwendung, wenn der Versicherte - wie hier - bereits vor dem 01.12.1997 verstorben ist. Sie greift im vorliegenden Fall ein, weil der Versicherungsfall, nämlich das Vorliegen der Voraussetzungen für den Anspruch des Versicherten auf Anerkennung einer BK i.S. der § 551 Abs. 1 RVO/§ 9 Abs. 1 SGB VII (vgl. Urteil des BSG vom 30.09.1999 - B 8 KN 1/98 UR -) vor dem Stichtag vorgelegen hat, nämlich spätestens im Juni 1992. Dies ergibt sich aus dem Gutachten des Dr. Kxxxxxxxx, der nach Auswertung der bodyplethysmographischen und spirographischen Lungenfunktionsprüfungen des Dr. Kxxxxxx, der bereits am 26.06.1992 eine zentrale und periphere Obstruktion mit mittelgradiger Lungenüberblähung diagnostiziert hatte, und des Dr. Sxxxx vom Dezember 1995 den Erkrankungsbeginn überzeugend auf (spätestens) den 26.06.1992 datiert hat.
Die in § 6 Abs. 1 BKVO normierte Rückwirkungsklausel ist rechtswirksam und verstößt (derzeit) nicht gegen höherrangiges Recht (Urteil des BSG vom 30.09.1999, a.a.O.). Der Verordnungsgeber hat für die BK Nr. 4111 BKVO nach seinem damaligen Kenntnisstand die Rückwirkung auf ausreichend weit in der Vergangenheit liegende Versicherungsfälle erstreckt und damit eine ausgewogene sachgerechte Lösung unter Berücksichtigung der Interessen von Versicherten, Unternehmen und Versicherungsträger gefunden (BSG SozR 3-2200 § 551 Nrn 3, 6; BSG, Urteil vom 30.09.1999, a.a.O., S. 8). Darüber hinaus entspricht § 6 Abs. 1 BKVO hinsichtlich des zeitlichen Umfangs der Rückwirkung den in den vorherigen Änderungsverordnungen getroffenen Regelungen (Art. 3 Abs. 2 der Verordnung zur Änderung der BKVO vom 22.03.1988 Bundesgesetzblatt -BGBl- (BGBl I 400) sowie Art. 2 Abs. 2 der zweiten Verordnung zur Änderung der BKVO vom 18.12.1992 (BGBl I 2343). Diese Fallkonstellationen sind jeweils dadurch gekennzeichnet, daß der Stichtag der Rückwirkung mit dem Datum des Inkrafttretens der vorherigen Ergänzung der BK-Liste übereinstimmt. Die Handhabung seitens des Verordnungsgebers diente somit der Rechtssicherheit und Gleichbehandlung der Versicherten. Schließlich bewegte sich der Verordnungsgeber innerhalb des ihm eingeräumten weiten normativen Ermessens nach § 9 Abs. 1 Satz 2 SGB VII (BSG, a.a.O., S. 9). Ein Verstoß gegen das Gleichheitsgebot des Art. 3 Abs. 1 GG ist derzeit ebenfalls zu verneinen. Der Verordnungsgeber, der an das Willkürverbot gebunden ist, bewegte sich mit der Regelung des § 6 Abs. 1 BKVO noch in nerhalb der Bandbreite seines normativen Ermessens.
Der Anspruch der Klägerin läßt sich auch nicht auf 9 Abs. 2 SGB VII stützen. Danach haben die Träger der Unfallversicherung im Einzelfall eine Krankheit, auch wenn sie nicht in der BKVO bezeichnet ist, wie eine BK als Versicherungsfall anzuerkennen, wenn nach neuen Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft die Voraussetzungen des § 9 Abs. 1 Satz 2 SGB VII erfüllt sind. Diese Vorschrift ist nicht mehr anzuwenden, wenn der Verordnungsgeber eine bestimmte Erkrankung in die Liste aufgenommen, die Gewährung einer Entschädigung aber durch eine Rückwirkung bis zu einem bestimmten, ausreichend weit zurückliegenden Zeitpunkt begrenzt hat. Die Rückwirkungsklausel des § 6 Abs. 1 BKVO überlagert mit ihrem Inkrafttreten den Anspruch auf Entschädigung wie eine BK (BSG, Urteil vom 30.09.1999, a.a.O., S. 12; BSG SozR 3-2200 § 551 Nrn. 3 und 6; Lauterbach, Kommentar zum SGB VII, § 9 Anm. 295).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Der Senat hat die Revision zugelassen, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG).
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