L 6 RJ 564/02

Berufskundekategorie
Stellungnahme
Land
Freistaat Bayern
Aktenzeichen
L 6 RJ 564/02
Auskunftgeber
Landesarbeitsamt Bayern, Nürnberg
Anfrage
Der bei der erneuten Rentenantragstellung 52jährige Kläger war in Deutschland von 1971 bis Mai 1987 versicherungspflichtig beschäftigt. Von Mai bis August 1987 bestand Arbeitsunfähigkeit. Danach war der Kläger mit Unterbrechungen arbeitslos.

Nach dem Gutachten von Dr. ^Töpfner von Schütz^ vom 06.05.2002 ist von folgendem Leistungsvermögen auszugehen:
- leichte körperliche Arbeiten
- ohne Anforderungen an die Funktion der linken Hand
- ohne Überkopfarbeit

Zusammenfassend gibt Dr. ^Töpfner von Schütz^ in ihrem Gutachten vom 06.05.2002 an, dass beim Kläger Gesundheitsstörungen auf orthopädischen und internistischen Gebiet bestehen. Diese Gesundheitsstörungen führen weder für sich allein genommen noch in ihrer Gesamtheit zu einer zeitlichen Leistungseinschränkung. Weder unfallbedingt noch unfallunabhängig liegen Gesundheitsstörungen vor, welche zu einer Erwerbs- oder Berufsunfähigkeit des Klägers führen.
Auskunft
Berufskundliche Stellungnahme

Das Sozialgericht Landshut hat in der mündlichen Verhandlung am 12.09.2002 die Klage abgewiesen.

Ihrer Anfrage zufolge bitten Sie um berufskundliche Auskunft, ob der Kläger innerhalb einer Anlernzeit von höchstens drei Monaten unter den üblichen Bedingungen eines Arbeitsverhältnisses vollschichtig (mit der üblichen Arbeitszeit) als einfacher Pförtner, als Wachmann, als Bürobote oder in einem sonstigen einfachen Beruf vollwertig eingesetzt werden könnte.

einfacher Pförtner

Die Beklagte gibt in ihrem Schriftsatz vom 09.01.2003 an, dass der Kläger aufgrund der unfallbedingten Einschränkungen nicht daran gehindert war z.B. als einfacher Pförtner tätig zu sein.

Die Belastungen bei der Tätigkeitsausübung und die Anforderungen, die an das gesundheitliche Leistungsvermögen, die Vorkenntnisse und die Persönlichkeit gestellt werden, können sehr unterschiedlich sein.

Eine Pförtnertätigkeit kann Aufgaben aus den Bereichen Personalkontrolle und Ausweiswesen, Besucherempfang, Schlüsselverwahrung bzw. Verwaltung von Schließanlagen und Überwachung des Kfz.- und Warenverkehrs sowie sonstige Aufgaben in verschiedenen Kombinationen und mit unterschiedlichen Schwerpunkten beinhalten. Nicht selten handelt es sich um Arbeitsplätze, die die Rücksichtnahme auf diverse Leistungseinschränkungen gestatten, so daß sie auch für leistungsgeminderte Arbeitskräfte in Frage kommen. Sie sind zwar häufig der innerbetrieblichen Besetzung durch langjährige, leistungsgewandelte Beschäftige vorbehalten, in nennenswertem Umfang aber auch Außenstehenden zugänglich. Meist genügt Belastbarkeit für leichte körperliche Arbeiten. Weitaus überwiegend ist Schichtarbeit (zumindest Früh- und Nachmittagsschicht, zum Teil rund um die Uhr, auch am Wochenende, u.U. mit auf 12 Stunden verlängerter Arbeitszeit) anzutreffen. Sogar Zeitdruck ist - im Wechsel mit Zeiten relativ monotoner Tätigkeit - möglich (z.B. hoher Besucherandrang; Arbeitsbeginn, - ende, Schichtwechsel); auch andere Stressbelastungen (z.B. Gefahrensituationen, ggf. Auseinandersetzungen mit Besuchern oder Mitarbeitern o.ä.) sind nicht völlig zu vermeiden.

Vorausgesetzt wird üblicherweise Kontaktfähigkeit, Höflichkeit, Merkfähigkeit, Flexibilität, sicheres Auftreten oder sogar Durchsetzungskraft und die Fähigkeit zu situationsgerechtem und schnellem Handeln bei außergewöhnlichen Vorfällen, wozu auch ein gewisses Maß an neurovegetativer und psychischer Belastbarkeit erforderlich ist. Überwiegend handelt es sich um Alleinarbeit, so dass auf die ständige Anwesenheit und Aufmerksamkeit nicht verzichtet werden kann. Ob der Kläger diese persönlichen Mindestvoraussetzungen mitbringt, kann nicht beurteilt werden.

Beim Ausfüllen der Besucherscheine ist eine gewisse Fähigkeit zum Schreiben erforderlich. Da der Kläger selbst angibt mit rechts zu schreiben, dürfte sich aufgrund der Einschränkung der linken Hand in dieser Hinsicht keine Schwierigkeiten ergeben.

Anzumerken ist, dass ein Pförtner im Zuge der Ausübung des Hausrechtes
- nach Rücksprache mit einem großen Industriebetrieb - in der Lage sein muss, zur Gefahrenabwehr durch Einsatz geeigneter Mittel und Wahrung der Verhältnismäßigkeit körperlichen Einsatz durch den Gebrauch beider Hände vorzunehmen. Außerdem hat ein Pförtner bei gegebenen Anlass Feuerlöscher zu bedienen und Notausgänge zu öffnen. Inwieweit der Kläger dazu in der Lage ist, kann aus berufskundlicher Sicht ebenfalls nicht beurteilt werden.

Es existiert eine nennenswerte Zahl von auch Außenstehenden zugänglichen einfachen Pförtnerarbeitsplätzen.

Wachmann

Nach den Ausführungen der Beklagten im Schriftsatz vom 09.01.2003 kann der Kläger als Wachmann arbeiten, da hierbei die linke Hand nicht benötigt wird.

Sofern nicht der Abschluss "geprüfte Werkschutzfachkraft" (Abschluss in einem anerkannten Ausbildungsberuf, mindestens zwei Jahre Berufspraxis im Werkschutz und staatliche Prüfung vor der IHK) gefordert wird, genügt zur Einarbeitung in verschiedene begrenzte Wachaufgaben häufig ein Zeitraum von vier bis sechs Wochen. Schichtarbeit, häufig sogar Nachtschicht ist bei Wachtätigkeiten die Regel. Wachleute arbeiten teilweise im Wechsel von Gehen, Stehen und Sitzen. Der Wechsel der Körperhaltung kann allerdings in der Regel nicht den gesundheitlichen Erfordernissen entsprechend frei bestimmt werden. So sind z.B. auch längere Kontrollgänge oder Revierfahrten ohne Unterbrechung zu absolvieren. Bei der Alarmverfolgung oder Gefahrenabwehr kann es kurzfristig zu erheblichen, möglicherweise sogar das mittelschwere Maß übersteigenden Belastungen kommen (schnelles Gehen bis Laufen). Außerdem ist die volle Gebrauchsfähigkeit beider Hände erforderlich. Es kann daher nicht ausgeschlossen werden, dass es zeitweise zu einem Überschreiten des Leistungsvermögens des Klägers kommen kann.

Bürobote

Im Schriftsatz vom 09.01.2003 gibt die Beklagte an, dass dem Kläger einfache Tätigkeiten als Bürobote (z.B. Akten oder Post von einer Stelle zur anderen transportieren) nach ihrem Ermessen aufgrund der Einschränkungen ebenfalls nicht ausgeschlossen sind.

Büroboten müssen erfahrungsgemäß zumindest zeitweise bis mittelschwer belastbar sein. Häufiges Bücken, Recken, Heben und Tragen von schwereren Lasten ist trotz des Einsatzes von z.B. Aktenrollwagen nicht unüblich. Außerdem ist bei dieser Tätigkeit die volle Gebrauchsfähigkeit beider Hände erforderlich.

Platzanweiser

In ähnlichen Fällen wurde häufig die Tätigkeit eines Platzanweisers genannt.

Für das Anweisen von Plätzen in Theatern, Konzerthallen, Kinos, Stadien u. ä. sowie Öffnen und Schließen von Logen werden in der Regel keine Vollzeitkräfte angestellt.

In Kinos werden zu den Hauptzeiten Schüler und Rentner beschäftigt, die jedoch nur die Eintrittskarte kontrollieren. Die Plätze werden in größeren Kinos in der Regel telefonisch reserviert und sind numeriert, so dass das Anweisen von Plätzen nicht erforderlich ist. Auch in kleineren Kinos sind die Plätze üblicherweise mit Nummern versehen. Sollte in Theatern, Konzerthallen oder Stadien noch die Tätigkeit eines Platzanweisers existieren, ist davon auszugehen, dass es sich ebenfalls nicht um eine Vollzeitbeschäftigung handelt.

Telefonist

Da die Tätigkeit eines Telefonisten unter bestimmten Voraussetzungen auch ohne besondere Anforderungen an die Funktion der linken Hand zu verrichten ist, wurde sie auf Zumutbarkeit für den Kläger überprüft.

In der Regel erfolgt die Vermittlung der Gespräche per Tastatur und Bildschirm. Üblicherweise werden für die Tätigkeit einer Telefonistin beide Hände benötigt. Falls der Arbeitsplatz, wie in der Regel in größeren Telefonzentralen z.B. bei Behörden, mit einem Kopfhörer ausgestattet ist, kann aus berufskundlicher Sicht dies auch mit einer Hand erfolgen. Voraussetzung ist jedoch, dass die leistungsfähige Hand so geschickt und belastbar ist, dass die Verbindung schnell und korrekt hergestellt, ggf. Nachrichten notiert und z.T. Gebührenaufzeichnungen geführt bzw. Abrechnungen vorgenommen werden können. Neben Voraussetzungen wie Höflichkeit, Flexibilität, Merkfähigkeit, Sprachgewandtheit mit möglichst angenehmer Stimme etc. wird außerdem ein gewisses Maß an psychischer Belastbarkeit (u.a. für Arbeit unter Zeitdruck) erwartet. Ob der Kläger diese Mindestanforderungen mitbringt, kann nicht beurteilt werden. Arbeitsplätze sind in nennenswertem Umfang vorhanden.

Da der Kläger nur noch Arbeiten verrichten kann, die keine besonderen Anforderungen an die Funktion der linken Hand stellen, sind andere einfache Berufe, auf die der Kläger innerhalb einer Anlernzeit von höchstens drei Monaten unter den üblichen Bedingungen eines Arbeitsverhältnisse vollschichtig (mit der üblichen Arbeitszeit) vollwertig eingesetzt werden könnte, aus berufskundlicher Sicht nicht erkennbar.
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Datum