L 16 RJ 289/99

Berufskundekategorie
Stellungnahme
Land
Freistaat Bayern
Aktenzeichen
L 16 RJ 289/99
Auskunftgeber
Landesarbeitsamt Bayern, Nürnberg
Anfrage
Der bei der Rentenantragstellung 44jährige Kläger war im Bundesgebiet ca. 5 Jahre als Schleifer und Maschinenarbeiter tätig. In der Schweiz hat er eine Beschäftigung als Bauhelfer verrichtet und im ehemaligen Jugoslawien ca. 5-6 Jahre in der Tabakindustrie eine Tätigkeit ausgeübt (Bl. 112 LSG-Akte).

Ihrer Anfrage zufolge ist von folgenden qualitativen Leistungseinschränkungen auszugehen:
- nur leichte, kurzfristig mittelschwere körperliche Arbeiten
- ohne andauernde Wirbelsäulenzwangshaltungen
- ohne häufiges Knien und Bücken,
- ohne Arbeiten auf Leitern und Gerüsten
- ohne Kälte- und Nässeexposition
- ohne physikalische und chemische Reizstoffe
- ohne vermehrten Staubanfall
- ohne Erfordernis eines kompletten Hörvermögens
- ohne besondere intellektueller Flexibilität und Wendigkeit

Dr. ^Kiefer^ gibt in seinem nervenfachärztlichen Gutachten vom 08.12.2000 außerdem an, dass dem Kläger Heben und Tragen von Lasten von mehr als 10 kg nicht mehr möglich ist.
Auskunft
Berufskundliche Stellungnahme

1. Ihrer Anfrage zufolge bitten Sie um Stellungnahme, ob die qualitativen Einschränkungen des Klägers mit den Anforderungen der von der Beklagten genannten Arbeiten (Pack- und Abpackarbeiten, Etikettierarbeiten und Montierarbeiten) in Einklang zu bringen sind.

2. Gleichzeitig bitten Sie um Erläuterung, ob und ggf. aus welchen Gründen an der auf Blatt 213 dokumentierten Ansicht festgehalten wird, derartige Tätigkeiten würden in der Regel unter akkordähnlichen Bedingungen verrichtet, wenn auf Blatt 223 eine andere berufskundliche Ansicht vertreten wird.

zu Frage 1:

Weil Frauen häufig über besseres Feinhandgeschick bei höherer Arbeitsgeschwindigkeit verfügen, werden mit diesen Arbeiten, insbesondere wenn sie körperlich leicht sind, bevorzugt Frauen beschäftigt.

Es gibt jedoch Arbeitsplätze in nennenswerter Zahl im Bundesgebiet, auf denen bis mittelschwere Arbeiten von Männern verrichtet werden und auch ein gelegentlicher Wechsel zwischen Sitzen und Stehen möglich ist. Heben und Tragen von mehr als 10 kg kann beim An- und Abtransport der z.B. zu sortierenden/sortierten Waren, die in Behältern oder auf Paletten transportiert werden, jedoch dann nicht ausgeschlossen werden. Bücken ergibt sich beim Anheben und auf Arbeitshöhe bringen sowie beim Ablegen. Auch vermehrter Staubanfall ist nicht immer und überall zu vermeiden. Insgesamt wird bei Pack- und Abpackarbeiten, Etikettierarbeiten und Montierarbeiten ein hohes Maß an Arbeitsgeschwindigkeit, Konzentration und Genauigkeit vorausgesetzt. Ein nicht komplettes Hörvermögen steht derartigen Arbeiten in der Regel nicht entgegen. Lediglich für Arbeitsplätze, die Teamarbeit erfordern, Arbeitsplätze, auf denen durch akustische Signale auf Gefahren hingewiesen wird und solche, auf denen Arbeiten auf ständig wechselnde Anweisung hin durchzuführen sind, ist der Kläger nicht mehr geeignet.

Unter Berücksichtigung der in Ihrer Anfrage genannten qualitativen Einschränkungen ist das Leistungsvermögen des Klägers weitgehend ausreichend, um Pack- und Abpackarbeiten, Etikettierarbeiten und Montierarbeiten auf der ungelernten bzw. kurzfristig Angelerntenebene zu verrichten. Ob der Kläger die notwendigen Anforderungen an Arbeitsgeschwindigkeit, Konzentration und Genauigkeit mitbringt, kann aus berufskundlicher Sicht nicht beurteilt werden.

Sollte die Aussage von Dr. ^Kiefer^, der Kläger könne Lasten von mehr als 10 kg nicht mehr heben und tragen, zu berücksichtigen sein, kann nicht ausgeschlossen werden, dass das Restleistungsvermögens des Klägers überschritten wird.

zu Frage 2:

In dem Sachverständigengutachten vom 12.09.2000 (Bl. 223 Gerichtsakte) wird angegeben, dass Pack-, Montier-, Produktions-, Prüf-, Etikettier-, Muster- und Kommissionierungsarbeiten zu den besonders leichten angelernten Tätigkeiten gehören. Diese Tätigkeiten seien u.a. in Normalarbeitszeit ohne besonderen Zeitdruck- und Stressbelastungen (Akkord, Schicht-, Nachtschicht etc.) zu verrichten.

In meiner Stellungnahme vom 16.03.2000 (Bl. 213 Gerichtsakte) wurde ausgeführt, dass die in der industriellen Fertigung vorkommenden Tätigkeiten wie Montier-, Verpackungs-, Sortier- und Kontrollarbeiten nicht selten Schichtarbeit erfordern und in der Regel im Akkord oder unter akkordähnlichen Bedingungen bzw. am Fließband verrichtet werden.

Erneute und ausführliche Recherchen meiner Aussagen bei verschiedenen Firmen z.B. der Lebensmittelbranche, Verpackungsbranche haben ergeben, dass Montier-, Verpackungs-, Sortier- und Kontrollarbeiten auf der ungelernten bzw. kurzfristig angelernten Ebene in der Regel einem vorbestimmten Arbeitsrhythmus unterliegen. Wenn diese Arbeiten nicht im Akkord zu erledigen sind, dann bestimmt die Maschine bzw. das Fließband die Geschwindigkeit der zu erledigenden Arbeiten oder es sind Mindeststückzahlen vorgegeben. Zeitdruck kann daher nicht vermieden werden. Insofern bleibt es bei meiner Aussage, wie in der Ihren Akten beigefügten Stellungnahme vom 16.03.2000 beschrieben, dass die in der industriellen Fertigung vorkommenden Tätigkeiten wie Montier-, Verpackungs-, Sortier- und Kontrollarbeiten nicht selten Schichtarbeit erfordern und in der Regel im Akkord oder unter akkordähnlichen Bedingungen bzw. am Fließband verrichtet werden.
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Datum