L 6 RJ 404/99

Berufskundekategorie
Stellungnahme
Land
Freistaat Bayern
Aktenzeichen
L 6 RJ 404/99
Auskunftgeber
Landesarbeitsamt Bayern, Nürnberg
Anfrage
Der 1947 geborene Kläger gab an, seinen erlernten Beruf als Dreher 1977 (also im Alter von 30 Jahren) aus gesundheitlichen Gründen, nämlich wegen einer unfallbedingten Gehörschädigung, aufgegeben zu haben.

Ihrer Anfrage zufolge bitten Sie um Stellungnahme zu folgenden Fragen:

1. Welche gesundheitlichen Voraussetzungen müssen für den Beruf eines Drehers vorliegen?

2. Treten beim Beruf eines Drehers auf allen Arbeitsplätzen dieselben gesundheitlichen Belastungen - insbesondere auch für das Gehör - auf oder weisen Arbeitsplätze für Dreher diesbezüglich größere Unterschiede auf?

3. Kann der Beruf eines Drehers auch mit Gehörschutz ausgeübt werden?

4. Hat es für den Kläger 1977 noch eine nicht unerhebliche Zahl von Arbeitsplätzen für Dreher gegeben, auf denen er seinen Ausbildungsberuf ohne Gefahr der Verschlechterung seines Gesundheitszustandes hätte ausüben können?
Auskunft
Berufskundliche Stellungnahme

zu Frage 1:

Die körperlichen Voraussetzungen sind ein mindestens mittelkräftiger Körperbau, gute Stehfähigkeit und kräftige Arme. Das Sehvermögen mit gutem beidhändigen Sehakt ist wesentlich wichtiger als das Hörvermögen. Die Anforderungen an die Handgeschicklichkeit sind als Zweihandfertigkeit charakterisiert. Eine besondere körperliche Gewandtheit ist nicht vonnöten, dagegen ein ausgeprägter Tastsinn und trockene Hände.

Ausschließend oder hinderlich für den Dreherberuf sind Verkrüppelungen aller Art, Einarmigkeit, Einbeinigkeit, Fehlen mehrerer Finger, Bruchleiden, Plattfüsse, Krampfadern, Sehschwäche, starke Kurzsichtigkeit, auch Erkrankungen der Atmungsorgane, Anfallsleiden, insbesondere Epilepsie, mangelnder Tast- und Formensinn, fehlende Zweihandgeschicklichkeit, Schweißhände, Herzleiden. Nicht ausschließend sind leicht Hör- und Sprachfehler, leichte Hand- und Fingerverletzungen, die die Zweihandgeschicklichkeit nicht behindern (Fehlen von zwei Fingern), korrigierte Sehschwäche.

zu Frage 2:

Der Dreher verrichtet seine Arbeit fast ausschließlich in großen Werkhallen. Häufig sind in der Nachbarschaft noch weitere spanabhebende Maschinen aufgestellt, so dass der Dreher nicht selten einem entsprechenden Nachbarschaftslärm ausgesetzt ist. Seine Drehbank entwickelt im allgemeinen keinen gehörschädigenden Lärm (Erfahrungspegel 72-90 dB(A), am häufigsten gemessen 82 dB (A). Insgesamt ist der Maschinenlärm bei einem Arbeitsplatz in großen Werkhallen wesentlich höher als bei einem Einzelarbeitsplatz, der jedoch nur in Klein- und Mittelständischen Betrieben existiert.

zu Frage 3:

Der Unfallschutz ist in den Unfallverhütungsvorschriften der Berufsgenossenschaften und in Arbeitsschutzbestimmungen (z.B. Arbeitsstättenverordnung und -richtlinien) geregelt. Nach der Unfallverhütungsvorschrift Lärm (VBG 121), die am 01.01.1990 in Kraft getreten ist, ist Lärmgefährdung im Sinne dieser BG-Vorschrift die Einwirkung von Lärm auf Versicherte, die zur Beeinträchtigung der Gesundheit, insbesondere im Sinne einer Gehörgefährdung führen kann. Lärmbereiche im Sinne dieser BG-Vorschrift sind Bereiche, in denen Lärm auftritt, bei dem der ortsbezogene Beurteilungspegel 85 dB (A) oder der Höchstwert des nicht bewerteten Schalldruckpegels 140 dB erreicht oder überschreitet. Der Unternehmer hat den Versicherten, die im Lärmbereich beschäftigt werden, einen geeigneten Gehörschutz zur Verfügung zu stellen.

Auch nach der zwischenzeitlich außer Kraft gesetzten Unfallverhütungsvorschrift "Lärm" (VBG 121) vom 01.12.1974 in der Fassung vom 01.10.1984 hatte der Unternehmer ein persönliches Schallschutzmittel zur Verfügung zu stellen, wenn auf die Versicherten Lärm einwirkt, bei dem ein Beurteilungspegel von 85 dB (A) überschritten wird.

Grundsätzlich kann der Beruf eines Drehers mit Gehörschutz ausgeübt werden. Nach telefonischer Rücksprache mit einem Berufsbildungswerk für Hör- und Sprachgeschädigte werden dort leicht bis mittelgradig Schwerhörige zum Dreher ausgebildet. Da sich Schwerhörigkeit durch Lärm verschlechtern kann, wird bei der Ausübung der Tätigkeit ein Gehörschutz getragen oder das Hörgerät entfernt. Der Gehörschutz kann auf die Belange des Hörgeschädigten abgestimmt werden oder nach der Lärmemission am Arbeitsplatz ausgewählt werden.

zu Frage 4:

Ob es für den Kläger 1977 noch eine nicht unerhebliche Zahl von Arbeitsplätzen für Dreher gegeben hat, auf denen er seinen Ausbildungsberuf ohne Gefahr der Verschlechterung seines Gesundheitszustandes hätte ausüben können, kann aus berufskundlicher Sicht nicht beurteilt werden. Dies fällt meines Erachtens in die Zuständigkeit eines medizinischen Sachverständigen.

Wie jedoch bereits zu Frage 3 ausgeführt, kann der Beruf eines Drehers mit Gehörschutz ausgeübt werden. Es ist davon auszugehen, dass es auch bereits 1977 eine nicht unerhebliche Zahl von Arbeitsplätzen für Dreher gegeben hat, auf denen eine Gehörschutz getragen werden konnte.
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