S 4 RJ 1516/98

Berufskundekategorie
Stellungnahme
Land
Freistaat Bayern
Aktenzeichen
S 4 RJ 1516/98
Auskunftgeber
Landesarbeitsamt Bayern, Nürnberg
Anfrage
Die bei der Rentenantragstellung 37jährige Klägerin hat von 01.09.75 bis 30.07.78 den Beruf der Elektromechanikerin erlernt und war nach der Familienphase von 10.09.79 - 24.12.81 als Reinigungskraft tätig. Im Anschluss daran hat sie bis 13.01.88 eine Tätigkeit im erlernten Beruf verrichtet. Von 14.01.88 - 28.02.97 war die Klägerin als Hausmeisterin tätig. Ab 07.01.97 bestand Arbeitsunfähigkeit.

Nach dem Gutachten von Dr. ^Limbrunner^ vom 23.02.2000 ist von folgendem Leistungsvermögen auszugehen:
- vollschichtig leichte Frauenarbeiten
- im Wechsel zwischen Gehen, Stehen oder Sitzen
- ohne häufiges Bücken und andauernde Zwangshaltungen der Wirbelsäule

Die Klägerin kann sich noch auf andere, ihr aus ärztlicher Sicht zumutbare Tätigkeiten, umstellen.

Der GdB beträgt 40.
Auskunft
Berufskundliche Stellungnahme

Unstreitig ist, dass die Versicherte ihre zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Hausmeisterin nicht mehr verrichten kann. Die Beklagte verweist sie jedoch im Bescheid vom 12.08.98 und im Widerspruchsbescheid vom 22.10.98 auf Prüf- und Kontrolltätigkeiten in der Elektroindustrie.

Ihrer Anfrage zufolge ist die Klägerin nur auf Facharbeitertätigkeiten und Tätigkeiten im Bereich der sog. oberen Anlernebene verweisbar.

Prüf- und Kontrolltätigkeiten in der Elektroindustrie

Prüf-, Kontroll- und Messtätigkeiten kommen in der Elektroindustrie auf den verschiedensten Qualifikationsebenen vor.

Dabei sind Bauelemente, Baugruppen, Geräte oder Anlagen auf unterschiedliche Art und Weise z.B. optisch (u.a. unter der Lupe oder am Mikroskop), mit einfachen Messinstrumenten, an Messgeräten, komplexen Messplätzen oder mit Prüfcomputern nach Schaltplänen, Prüfanweisungen, mit Hilfe von Prüfprogrammen etc. zu kontrollieren.

Auf der Ebene der qualifizierten Anlerntätigkeiten gibt es Arbeitsplätze mit nur leichten Belastungen. Meist ist jedoch überwiegend bis nahezu ausschließlich im Sitzen zu arbeiten, wobei es z.B. durch Feinarbeit auf engem Raum, durch Arbeit am Mikroskop oder am Bildschirm zu gewissen Zwangshaltungen im Schulter-Nacken-Bereich und Rücken kommen kann. Bei ggf. erforderlichen Auf- oder Umbau des Messplatzes kann gelegentlich Bücken und Heben und Tragen anfallen.

Notwendig ist in der Regel gutes Nahseh-, Raum- und Farbensehvermögen, beidhändige feinmanuelle Geschicklichkeit und ein hohes Maß an Sorgfalt und Konzentration. Üblicherweise sind Elektronikkenntnisse, Kenntnisse in der Mikroprozessortechnik und ähnliches notwendig. Sofern es sich nicht um einfache Serienprüfungen und Abgleichaufgaben unterhalb der zumutbaren Qualifikationsebene handelt, ist, um mit dem raschen technischen Wandel mithalten zu können, erfahrungsgemäß Anpassungsbereitschaft an neue Entwicklungen und ständige Weiterbildung erforderlich. Anzumerken ist, dass auch die Inhalte der Ausbildung zum Elektromechaniker 1987 im Hinblick auf Mikroelektronik und vielfältige technische Veränderungen neu geordnet wurden.

Die Klägerin war zuletzt 1988 im erlernten Beruf als Elektromechanikerin tätig. Es ist daher nicht anzunehmen, dass die Klägerin im Rahmen einer höchstens dreimonatigen Einarbeitung auf zumutbarer Qualifikationsebene angesetzt werden könnte.

Unabhängig vom erforderlichen Einarbeitungszeitraum können bei einer Tätigkeit als Qualitätskontrolleurin in der Elektroindustrie die Leistungseinschränkungen des Klägerin nicht ständig und in vollem Umfang berücksichtigt werden.

Routinemäßige Kontrollen an in Serien gefertigten Geräten erfordern keine ausgebildeten Kräfte und stellen somit für die Klägerin keine sozial zumutbare Verweisungstätigkeit dar.

Reparatur von kleinen Elektrogeräten

Eine häufig genannte Verweisungstätigkeit für eine Elektromechanikerin ist die Reparatur von elektrischen Geräten.

Organisatorisch erfolgt oft keine Aufteilung nach Klein- und Großgerätereparatur, Innendienst in der Werkstatt und Außendienst beim Kunden. Bei Kleingeräten ist eine Reparatur vielfach schon von der Konstruktion her nicht vorgesehen oder aus Kostengründen unrentabel. Arbeitsplätze für ausschließlich Kleingerätereparaturen sind nur begrenzt denkbar, z.B. bei großen technischen Kundendiensten oder Geräteherstellern, wo sie dann jedoch teilweise eigenen leistungsgeminderten Mitarbeitern vorbehalten sind. Außerdem dürfte die Klägerin, die offenbar seit 1988 nicht mehr erlernten Beruf tätig war, im Rahmen einer maximal 3-monatigen Einarbeitung nicht ausreichend für eine Tätigkeit in der Reparatur von elektrischen Geräten qualifiziert werden.

Des weiteren ist bei tatsächlich ausschließlicher Kleingerätereparatur zwar nur mit leichten Belastungen, jedoch mit überwiegend sitzender Tätigkeit zu rechnen. Die Möglichkeit eines dem gesundheitlichen Erfordernis angepasster Wechsel der Körperhaltung ist nicht gegeben. Es kommt außerdem zu Zwangshaltungen im Rücken und Schulter-Nacken-Bereich. Vorauszusetzen ist neben gutem Sehvermögen wiederum ausgeprägte beidhändige Handgeschicklichkeit und Fingerfertigkeit für Fein- und Präzisionsarbeiten. Ein hohe Maß an Konzentration, Aufmerksamkeit, Geduld, Sorgfalt und Ausdauer wird vorausgesetzt.

Die Leistungseinschränkungen der Klägerin können nicht ständig und in vollem Umfang berücksichtigt werden.

Lagerverwalterin

Denkbar ist noch ein Ansatz als Verwalterin von Lagern mit elektrotechnischen Teilen.

Die Lagerverwalterin hat in der Regel sicherzustellen, dass die Warenannahme und Eingangskontrolle ordnungsgemäß erfolgt, die verschiedenen Waren fachgerecht unter Berücksichtigung der jeweiligen Eigenschaften gelagert, gepflegt und weiterbehandelt werden, eine betriebswirtschaftlich und produktionsbezogen optimale Lagerbestandsmenge vorgehalten wird, Lagervorschriften und Sicherheitsbestimmungen beachtet und alle Lagereinrichtungen ordnungsgemäß gehandhabt, gepflegt und instandgehalten werden. Je nach Lagergröße hat sie die dabei anfallenden Arbeiten in erster Linie zu planen, zu organisieren, zu steuern und zu überwachen oder auch selbst praktisch mitzuarbeiten oder sie in ihrer Gesamtheit allein zu verrichten. Wenn der Schwerpunkt auf verwaltenden und leitenden Aufgaben liegt, handelt es sich üblicherweise um eine Aufstiegsposition. Die dafür erforderlichen Kenntnisse und Fertigkeiten, insbesondere auch im kaufmännisch-betriebswirtschaftlichen und bürotechnischen Bereich können von der Klägerin, die überwiegend als Elektromechanikerin und Hausmeisterin tätig war, nicht im Rahmen einer maximal dreimonatigen-Einarbeitung vermittelt werden.

Obwohl es sich in einem solchen Lager weitgehend um leichte Kleinteile handelt, kann doch auch mit schwereren Lasten (z.B. Kabeltrommeln, Drahtrollen oder bei Zusammenfassung in größere Gebinde) umzugehen sein.

Regalarbeit erfordert meist doch häufiges Bücken und andere Zwangshaltungen.

Aus berufskundlicher Sicht ist im Lagerbereich keine für die Klägerin gesundheitlich uneingeschränkt zumutbare bzw. innerhalb von drei Monaten erlernbare Verweisungstätigkeit erkennbar.

Andere berufsnahe und zumutbare Verweisungstätigkeiten, die die Leistungseinschränkungen der Klägerin berücksichtigen und die sie innerhalb von drei Monaten erlernen kann, sind nicht erkennbar.

Telefonistin

Aus dem Kreis der hervorgehobenen ungelernten, tariflich mindestens wie Anlerntätigkeiten bewerteten Tätigkeiten wird oft noch die - berufsfremde - Telefonistinnentätigkeit in Erwägung gezogen. Diese ist
- wenn nicht andere Arbeiten mit erledigt werden müssen oder zur Auskunftserteilung umfangreiches Wissen erforderlich ist - in der Regel innerhalb von drei Monaten erlernbar.

Die Tätigkeit einer Telefonistin ist körperlich leicht und erfordert kein Bücken, wird aber ausschließlich im Sitzen, keinesfalls im Wechsel zwischen Gehen, Stehen oder Sitzen ausgeübt.

In der Regel erfolgt die Vermittlung der Gespräche per Tastatur und Bildschirm. Bildschirmarbeit wird u.U. in ausgeprägt statischer Haltung verrichtet. Zumindest eine Hand muss so geschickt und belastbar sein, dass die Verbindung schnell und korrekt hergestellt, ggf. Nachrichten notiert und z.T. Gebührenaufzeichnungen geführt bzw. Abrechnungen vorgenommen werden können. Neben Voraussetzungen wie Höflichkeit, Flexibilität, Merkfähigkeit, Sprachgewandtheit mit möglichst angenehmer Stimme etc. wird außerdem ein gewisses Maß an psychischer Belastbarkeit (u.a. für Arbeit unter Zeitdruck) erwartet. Ob die Klägerin die persönlichen Mindestanforderungen mitbringt, kann nicht beurteilt werden Aus berufskundlicher Sicht ist ihr Klägerin auch eine Telefonistentätigkeit aufgrund ihrer gesundheitlichen Einschränkungen nicht mehr uneingeschränkt zumutbar.

Pförtnerin

Die Beklagte verweist die Klägerin im Bescheid vom 12.08.98 auf die Tätigkeit einer einfachen Pförtnerin. Ihrer Anfrage zufolge ist die Klägerin nur auf Facharbeitertätigkeiten und Tätigkeiten im Bereich der sog. oberen Anlernebene verweisbar. Daher wurde der "gehobene Pförtner" noch in die Überlegungen miteinbezogen. Die Definition des gehobenen Pförtners orientiert sich u.a. am Tarifvertrag für die Arbeiter der Länder, in dem Pförtner, die in nicht unerheblichem Umfang mit schriftlichen Arbeiten beschäftigt werden, oder mit Fernsprechvermittlungsdienst bei mehr als einem Amtsanschluss in die Lohngruppe eingruppiert werden, die eine abgeschlossene Ausbildung in einem anerkannten Ausbildungsberuf mit kürzerer als 2 œ jähriger Ausbildungsdauer voraussetzt. Daneben gilt in der Regel Autorität, Gewandtheit, sicheres Auftreten und besondere Zuverlässigkeit als kennzeichnendes Merkmal und es wird vom Erfordernis einer längeren Einarbeitung, Einübung und Bewährung ausgegangen. Auch wenn die Klägerin die Anforderungen an die Person erfüllt, hat sie doch ohne Berufserfahrung in einer derartigen oder ähnlichen Tätigkeit und als Außenstehende ohne betriebsspezifische Vorkenntnisse üblicherweise keine Aussicht, einen solchen Arbeitsplatz unmittelbar auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu erhalten. Arbeitsplätze für qualifizierte Pförtner werden in der Regel innerbetrieblich besetzt.

Ein höchstens dreimonatiger Einarbeitungszeitraum reicht erfahrungsgemäß, zumal für eine Betriebsfremde nicht aus. Es ist daher auch in dieser Tätigkeit keine berufliche Alternative für die Klägerin zu sehen.

Weitere Verweisungstätigkeiten, die der Klägerin unter Berücksichtigung ihres beruflichen Werdeganges und ihrer Leistungseinschränkungen unter den üblichen Bedingungen des Arbeitslebens uneingeschränkt zumutbar und direkt zugänglich sind, können nicht aufgezeigt werden.
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