S 3 RA 204/00

Berufskundekategorie
Stellungnahme
Land
Freistaat Bayern
Aktenzeichen
S 3 RA 204/00
Auskunftgeber
Landesarbeitsamt Bayern, Nürnberg
Anfrage
Ihrer Anfrage zufolge bitten Sie um Beantwortung folgender Fragen:

1. Kann eine einhändige Person den Beruf der Telefonistin ausüben?
2. Wie ist der Tätigkeitsbereich einer Telefonistin (ggf. unterschieden nach Branchen) zu beschreiben?
3. Wie wird die Tätigkeit einer Telefonistin vergütet?
Auskunft
Berufskundliche Stellungnahme

zu Frage 1:

Grundsätzlich kann nicht ausgeschlossen werden, dass eine einhändige Person den Beruf der Telefonistin ausübt.

zu Frage 2:

In der Regel erfolgt die Vermittlung der Gespräche per Tastatur und Bildschirm. Üblicherweise werden für die Tätigkeit einer Telefonistin beide Hände benötigt. Falls der Arbeitsplatz, wie in der Regel in größeren Telefonzentralen z.B. bei Behörden, mit einem Kopfhörer ausgestattet ist, kann aus berufskundlicher Sicht auch eine einarmige Person eine "reine" Telefonistinnentätigkeit verrichten. Voraussetzung ist jedoch, dass die verbliebene Hand so geschickt und belastbar ist, dass die Verbindung schnell und korrekt hergestellt, ggf. Nachrichten notiert und z.T. Gebührenaufzeichnungen geführt bzw. Abrechnungen vorgenommen werden können. Neben Voraussetzungen wie Höflichkeit, Flexibilität, Merkfähigkeit, Sprachgewandtheit mit möglichst angenehmer Stimme etc. wird außerdem ein gewisses Maß an psychischer Belastbarkeit (u.a. für Arbeit unter Zeitdruck) erwartet.

Bei Arbeitsplätzen für Telefonistinnen in Unternehmen, die in Kombination mit Auskunfts-, Informations- oder Besucherempfangsstellen existieren, werden üblicherweise keine Kopfhörer, sondern Telefonhörer benutzt. Aus berufskundlicher Sicht kommt eine einarmige Person für solche Mischtätigkeiten nicht infrage. Anzumerken ist, dass Telefonistinnen, die auch für den Besucherempfang zuständig sind, die "Visitenkarte" eines Unternehmens darstellen. Es wird daher ein ansprechendes Erscheinungsbild vorausgesetzt.

zu Frage 3:

Wenn nicht andere Arbeiten mit erledigt werden müssen oder zur Auskunftserteilung umfangreiches Wissen erforderlich ist, ist die Tätigkeit einer Telefonistin zwar von einer Ungelernten in der Regel innerhalb von drei Monaten erlernbar, jedoch aufgrund ihrer Einstufung in verschiedenen Tarifverträgen mindestens der qualifiziert Angelerntenebene zuzuordnen.

Die Tätigkeit einer Telefonistin ist u.a. in folgenden Tarifverträgen zu finden:

a. Gehaltstarifvertrag für die Angestellten im Einzelhandel in Bayern, Beschäftigungsgruppe II
= abgeschlossene kaufmännische Ausbildungszeit mit bestandener Abschlussprüfung oder eine abgeschlossene Berufsausbildung in einem artverwandten auch gewerblichen Beruf mit bestandener Abschlussprüfung, wenn die Tätigkeit im Zusammenhang mit dieser Berufsausbildung steht.
= Angestellte mit einfachen kaufmännischen Tätigkeiten, z.B. Telefonistin

b. Bundesentgelttarifvertrag für die chemische Industrie, Entgeltgruppe E4
= Arbeitnehmer, die Tätigkeiten verrichten, für die Kenntnisse und Fertigkeiten erforderlich sind, die durch eine abgeschlossene 2-jährige Berufsausbildung erworben werden oder Arbeitnehmer, die gleich zu bewertende Tätigkeiten verrichten, z.B. das Herstellen von Fernsprechverbindungen in einer Telefonzentrale.

c. Tarifvertrag der bayerischen Metallindustrie, Gehaltsgruppe II
= Tätigkeiten unterschiedlicher Art, die nach Anweisung ausgeübt werden, z.B. Bedienen von Fernsprechanlagen. Sie erfordern Kenntnisse, wie sie in der Regel durch eine einschlägige 2jährige Berufsausbildung mit Abschluss erworben werden oder gleichwertige auf andere Weise erworbene Kenntnisse.

d. Gehaltstarifvertrag für die Angestellten des Speditions- und Transportgewerbe in Bayern, Gehaltsgruppe 2
= Angestellte, die Kenntnisse und Fähigkeiten haben, wie sie im allgemeinen durch eine kaufmännische oder technische Berufsausbildung erworben werden, z.B. Telefonist.

Anzumerken ist noch, dass verbindliche Tarifauskünfte nicht zum Aufgabengebiet der Bundesanstalt für Arbeit gehören.

Sie konnten bisher von den jeweiligen Tarifpartnern, den Auskunfts- und Beratungsstellen der Arbeitsgerichte und den Tarifauskunftsstellen der Bezirksregierung eingeholt werden.

Die bei den Bezirksregierungen angesiedelten Tarifauskunftsstellen wurden zum 01.07.2000 aufgelöst. Bei den Arbeitsgerichten werden Auskünfte über den Inhalt von Tarifverträgen nur noch im Vorfeld einer beabsichtigten Klage erteilt. Nach Mitteilung des Bayerischen Staatsministerium vom 05.07. und 5.10.2000 werden Tarifauskünfte zukünftig vom Deutschen Gewerkschaftsbund/Landesbezirk Bayern und der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft ausschließlich deren Mitgliedern erteilt. Es besteht jedoch die Möglichkeit, Tarifauskünfte bei einem Rechtsanwalt gegen Gebühr einzuholen.
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Datum