S 12 RJ 451/99

Berufskundekategorie
Stellungnahme
Land
Freistaat Bayern
Aktenzeichen
S 12 RJ 451/99
Auskunftgeber
Landesarbeitsamt Bayern, Nürnberg
Anfrage
Ihrer Anfrage zufolge bitten Sie um ergänzende Stellungnahme zu meinem berufskundlichen Gutachten vom 13.11.2001.
Auskunft
Berufskundliche Stellungnahme

Die Beklagte hat die Tätigkeit eines Anlagenführers in der industriellen Fertigung als Verweisungstätigkeit benannt. Sie bitten um Mitteilung, ob diese Tätigkeit der Gruppe des Mehrstufenschemas mit dem Leitberuf des Facharbeiters entspricht, welche gesundheitlichen und fachlichen Anforderungen an diese Tätigkeit gestellt werden und ob der Kläger diesen Anforderungen als berufskundlicher Sicht genügt. Außerdem ist zu beurteilen, ob die notwendigen Kenntnisse und Fähigkeiten innerhalb einer Einarbeitungszeit von höchstens drei Monaten erworben werden können und ob die genannten Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt des Bundesgebietes in nennenswertem Umfang zur Verfügung stehen.

In der industriellen Fertigung existiert der dreijährige Ausbildungsberuf der Fachkraft für Lebensmitteltechnik. Ein Ansatz als Anlagenführer in der Nährmittelindustrie ist möglich.

Hergestellt werden in diesem Bereich insbesondere Fertigsuppen und Fertigsoßen in Pulver-, Pasten- oder flüssiger Form, Puddingpulver, Backpulver, Backhilfsstoffen, Gewürze und Gewürzmischungen/Fertigwürzen, fertige Salatsoßen, Dressings, Tomatenketchup und vergleichbare Tafelsoßen, Mayonnaisen und anderen Feinkostsoßen, Feinkostsalate in konservierter Form, Babynahrung.

In der "gabi" (Grundwerk ausbildungs- und berufskundlicher Informationen) wird für einen Metzger die Tätigkeit eines Anlagenführers im Bereich der industriellen Herstellung bzw. Verarbeitung von Fleisch- und Wurstwaren, Schlachtnebenprodukten, Gewürzen, Zusatzstoffen und anderen Nahrungs- und Genussmitteln als Beschäftigungsalternative genannt.

Beschäftigungsalternativen sind eine nicht erschöpfende Zusammenstellung von Möglichkeiten, die im Einzelfall bei Vermittlungs-/ Umschulungs- u.ä. Bemühungen in enger Zusammenarbeit mit Betrieben, Bildungseinrichtungen und anderen Stellen initiativ geprüft werden sollen.

Die Tätigkeit eines Anlagenführers beinhaltet das Bedienen von Anlagen und Produktionslinien, die das jeweilige Produkt unter Anwendung unterschiedlicher mechanischer, chemischer und thermischer Bearbeitungsschritte mit unterschiedlichem Anteil an manuellen Arbeiten fertig stellen, abfüllen und verpacken. Für die Tätigkeit eines Anlagenführers ist umfangreiches Fachwissen über Verfahrenstechniken wie z.B. computergesteuerter Produktionsmethoden zur Herstellung von Lebensmittelprodukten z.B. Gewürzen erforderlich. Obwohl dem Kläger als Metzger bzw. Metzgermeister der Umgang mit bzw. die Verwendung von Gewürzen vertraut ist, verfügt er über keinerlei Kenntnisse hinsichtlich der Herstellung von Gewürzen.

Eine Einarbeitung bzw. Zusatzausbildung ist daher für die Tätigkeit eines Anlagenführers erforderlich. Dem Kläger dürfte ein Ansatz auf der Facharbeiterebene nach maximal dreimonatiger Einarbeitungszeit nicht möglich sein.

Nach Rücksprache mit dem Marktführer der Gewürzeanbieter im Bundesgebiet, der weltweit zu den größten Unternehmen der Branche gehört, werden für die Tätigkeit eines Anlagenführers ausgebildete Kräfte aus dem Lebensmittelbereich wie z.B. Fachkraft für Lebensmitteltechnik, Bäcker, Metzger etc. beschäftigt. Jedoch ist mit einer Einarbeitungszeit von ca. sechs Monaten zu rechnen. Gerade im Gewürzmittelbereich, in dem in Deutschland nur wenige Hersteller existieren, handelt es sich üblicherweise nicht um standardisierte Produktionsanlagen. Diese werden teilweise selbst konstruiert und gefertigt.

Die Tätigkeit eines Anlagenführers ist mittelschwer und wird im Gehen und Stehen ausgeführt. Bei Reinigungsarbeiten sind aber auch Zwangshaltungen wie Bücken, Knien und Hocken erforderlich. Schichtarbeit (3-Schicht-Betrieb) ist in der industriellen Fertigung, auch in der Gewürzmittelherstellung, üblich.

Voraussichtliche Nichteignung besteht u.a. bei folgenden körperlichen bzw. psychischen Gegebenheiten: Funktionseinschränkungen der Wirbelsäule, der Arme, Hände oder Beine, fehlender Fähigkeit für beidhändiges Arbeiten und mangelnde neurovegetative Belastbarkeit.

Aus berufskundlicher Sicht entspricht das Leistungsvermögen des Klägers für die Tätigkeit eines Anlagenführers in der industriellen Fertigung (im Bereich der Gewürz- und Zusatzstoffherstellung) nicht mehr den üblichen Anforderungen, da der Kläger insbesondere nicht mehr in der Lage ist, Arbeiten in Wechselschicht zu verrichten und Belastbarkeit nur für leichte bis zeitweilig mittelschwere Arbeiten vorliegt. Außerdem wird die Tätigkeit eines Anlagenführers nicht in wechselnder Körperhaltung, sondern ausschließlich im Stehen und Gehen verrichtet.
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