S 15 KN 145/98

Berufskundekategorie
Stellungnahme
Land
Freistaat Bayern
Aktenzeichen
S 15 KN 145/98
Auskunftgeber
Landesarbeitsamt Bayern, Nürnberg
Anfrage
Der bei der Rentenantragstellung 48jährige Kläger hat die Berufe des Aufbereiters und Maurers erlernt und anschließend ausgeübt. Außerdem war er Laufe seines Berufslebens auch als Großgerätefahrer tätig.

Der Kläger hat vom 15.02.93 - 17.02.95 eine Fortbildung zum "Staatlich geprüften Bautechniker" absolviert, jedoch keinen Abschluss erreicht. Die Nachprüfung im Juli 1995 wurde ebenfalls nicht bestanden.

Nach dem Gutachten des sozialmedizinischen Dienstes der Beklagten vom 25.10.96 stellt sich die Leistungsfähigkeit des Klägers wie folgt dar:
- vollschichtig leichte Arbeiten
- im Wechselrhythmus
- überwiegend im Sitzen
- ohne Kälte
- ohne starke Temperaturschwankungen
- ohne Zugluft
- ohne Nässe
- ohne überwiegend einseitige Körperhaltung
- ohne häufiges Bücken
- ohne häufiges Klettern oder Steigen
- ohne häufiges Heben, Tragen oder Bewegen von Lasten (ohne mech. Hilfsmittel)
Auskunft
Berufskundliche Stellungnahme

Die Beklagte verweist den Kläger im Bescheid vom 18.07.96 auf leichte Maurertätigkeiten. Im Widerspruchsbescheid vom 17.04.97 nennt sie als zumutbare Verweisungstätigkeiten den Baustoffprüfer in Laboratorien der Baustoffindustrie oder der Forschung, den Magaziner in größeren Bauunternehmen, den Arbeitvorbereiter und Bauabrechner in den Bereichen Planung/Kalkula- tion privater oder staatlicher Einrichtungen, den Fachberater in Baustoff- und Baustoffzubehörhandel, den Bauhofverwalter, den Bauzeichner oder auch den Vermessungstechniker.

Ihrer Anfrage zufolge bitten Sie außerdem um Mitteilung, ob auf dem Arbeitsmarkt eine Aussicht besteht, ohne Prüfungsabschluss einen Arbeitsplatz zu erhalten.

Baustoffprüfer in Laboratorien der Baustoffindustrie oder der Forschung

Baustoffprüfer (drei Fachrichtungen: Boden, Mörtel und Beton, Massen) ist ein eigenständiger dreijährige industrieller Ausbildungsberuf, in die sich der Kläger nicht innerhalb von drei Monaten einarbeiten kann. Arbeitnehmer aus Bauberufen mit Vorkenntnissen in der Herstellung, Verarbeitung und Prüfung von Beton können jedoch auch zum Betonprüfer angelernt werden und/oder sich die erforderlichen vertieften Kenntnisse im Rahmen eines mehrwöchigen Lehrganges aneignen. Auch hier dürfte allerdings im Fall des Klägers allein eine Einarbeitung von max. drei Monaten Dauer nicht genügen. Betonprüfung findet vor, während und nach der Verarbeitung, d.h. auf der Baustelle im Freien und im Labor statt; bei großen Baubetrieben mit einem Zentrallabor oder bei Betonfertigteilwerken ist u.a. auch ein Ansatz ausschließlich im Labor bzw. im Betrieb möglich. Die in Normen geregelten Prüfungen sind erfahrungsgemäß überwiegend im Gehen und Stehen durchzuführen, erlauben üblicherweise aber auch zeitweises Sitzen. Zur Prüfung der Druckfestigkeit müssen Probekörper hergestellt und unter bestimmten Bedingungen gelagert werden; die Probekörper sind im allgemeinen Würfel mit einer Kantenlänge von 20 cm und einem Gewicht von ca. 18 - 20 kg. Insgesamt ist aus berufskundlicher Sicht auch in diesem Bereich keine für den Kläger geeignete berufliche Alternative zu sehen.

Magaziner in größeren Bauunternehmen

Ein Baustellenmagaziner arbeitet auf kleinen und großen Baustellen und muss dort das Baumaterial und die Arbeitsgeräte nicht nur verwalten, sondern auch ausgeben. Es fallen leichte bis mittelschwere, u.U. auch schwere Arbeiten an, insbesondere im Hinblick auf die auftretenden Hebe- und Tragebelastungen. Auch wenn für größere und schwere Teile oft technische Geräte zur Verfügung stehen, bleibt es nicht aus, dass er Materialien und Geräte wie Bohrhämmer, Schalungsbretter, Kompressoren etc. selbst abladen und ausgeben muss. Die Tätigkeit wird im Gehen und Stehen verrichtet. Eine Möglichkeit zum Sitzen besteht selten. Bücken ist häufig erforderlich, auch Klettern und Steigen bzw. Absturzgefahr kann nicht immer vermieden werden. Zusätzliche Belastungen treten dadurch auf, dass z.T. im Freien unter Witterungseinflüssen und baustellenüblichen Umgebungsbedingungen gearbeitet werden muss.

In größeren Baumagazinen, in denen Hilfskräfte zur Verfügung stehen und der Baustellenmagaziner überwiegend schriftliche und organisatorische Aufgaben erledigt, kann der Kläger die hierfür erforderlichen Kenntnisse nicht innerhalb von drei Monaten erwerben.

Da bei der Tätigkeit des Baustellenmagaziners entweder die Leistungseinschränkungen des Klägers nicht ständig und in vollem Umfang berücksichtigt werden können oder die erforderlichen Kenntnisse nicht innerhalb einer dreimonatigen Einarbeitungszeit erworben werden können, ist aus berufskundlicher Sicht in der Tätigkeit des Baustellenmagaziners keine uneingeschränkt geeignete berufliche Alternative zu sehen.

Anzumerken ist, dass Arbeitgeber außerdem meist leistungsgewandelte Fachkräfte ihres Betriebes oder Arbeitskräfte aus dem Helferbereich mit langjähriger Betriebszugehörigkeit im Baumagazin beschäftigen. Eine Einstellung von Betriebsfremden für diese Tätigkeit kommt nur ganz selten vor.

In anderen Branchen werden in der Werkzeug- und Materialausgabe - unabhängig vom Leistungsvermögen des Klägers - keinesfalls Maurer oder Bautechniker ohne Abschluss, sondern einschlägig ausgebildete Fachkräfte bevorzugt (im Metallbereich Metallfacharbeiter, im Elektrobereich Elektriker etc.). Außerdem werden entsprechende Stellen nicht selten innerbetrieblich mit leistungsgeminderten Beschäftigten besetzt, da die Belastungen im Vergleich zum Ausgangsberuf doch geringer sind.

Arbeitvorbereiter und Bauabrechner in den Bereichen Planung/Kalkulation privater oder staatlicher Einrichtungen

Der Kläger hat nach dem Jahreszeugnis (Bl.18 der Klageakte) die Prüfung im Fach "Baubetrieb" nicht bestanden. Das Fach Baubetrieb ist das klassische Unterrichtsfach für die Arbeitsvorbereitung, Kalkulation und Bauleitung.

Dem Kläger dürften daher für eine Tätigkeit in der Arbeitsvorbereitung maximal drei Monate Einarbeitung nicht ausreichen.

Die Tätigkeit eines Bauabrechners ist in der Regel nur bei großen Baufirmen (Hoch-/Tiefbau) anzutreffen. Üblicherweise übernimmt bei kleineren bis mittleren Baugeschäften, Fertighausfirmen - aber mitunter auch bei Großfirmen - der zuständige Bauleiter, je nach Größe der Firma der Chef, der Polier, ein Vorarbeiter, ein Techniker oder Ingenieur, neben seinen sonstigen Aufgaben auch die Bauabrechnung, da
- außer bei Großfirmen - Bauabrechnung allein eine Fachkraft nicht auslastet.

Bauabrechner ist ein häufiger Einstieg für Bautechniker mit Abschluss, die dann zur Bauleitung hingeführt werden. Ein Ansatz als Bauleiter ist für den Kläger aufgrund seines mangelhaften Ergebnis im Fach Baubetrieb nicht möglich. Außerdem könnten die Leistungseinschränkungen bei einer Tätigkeit als Bauleiter nicht ständig und in vollem Umfang berücksichtigt werden.

Aufgabe des Bauabrechners ist es, Mengen zu ermitteln, Aufmaße zu erstellen, um die erbrachte Bauleistung nach den Bestimmungen der VOB (Verdingungsordnung für Bauleistungen) abrechnen zu können. Der Bauabrechner entnimmt die für die Abrechnung erforderlichen Daten/Angaben aus den ihm zur Verfügung stehenden Ausführungsplänen (z.B. Schal- und Bewehrungspläne für Maurer-, Beton- und Stahlbetonarbeiten). Direkt auf der Baustelle (außerhalb des Baustellenbüros) ist der Bauabrechner nur dann tätig, wenn es Zweifelsfragen zu klären gilt und um erbrachte Bauleistungen durch Aufmessen selbst zu ermitteln, z.B. bei Erdarbeiten (Graben-, Baugrubenaushub), für die in der Regel keine Ausführungspläne gefertigt werden. Seine Aufgabe endet meist mit der Erstellung des Rechnungskonzeptes nach dem Leistungsverzeichnis, (Maße x Einheitspreis), das zur weiteren Bearbeitung der kaufmännischen Abteilung zugeleitet wird. Die Bauabrechnung erfolgt in der Regel mit EDV. Ob der Kläger über entsprechend verwertbare DV-Kenntnisse verfügt, kann den Akten nicht entnommen werden. Der Bauabrechner arbeitet zu ca. 95% am Schreibtisch, d.h. meist im Sitzen, allerdings häufig in dem Baustellenbüro der Baustelle, um erforderlichenfalls sofort vor Ort nachprüfen zu können. Da jedoch der Aufenthalt im Freien erforderlich sein kann und Witterungseinflüsse nicht vermieden werden können, ist eine ständige Rücksichtnahme auf alle Leistungseinschränkungen des Klägers nicht möglich.

Fachberater in Baustoff- und Baustoffzubehörhandel

Für Kundenberatung im Baustoff-Fachhandel trifft es vielfach zu, dass der Verkauf im Verkaufsraum oder sogar am Schreibtisch anhand von Listen, Katalogen oder über ein Computer-Terminal abgewickelt und eine strikte Trennung zum Lager eingehalten wird. Arbeitgeberbefragungen und vermittlerische Erfahrungen zufolge wird jedoch üblicherweise den kaufmännischen Kenntnissen, Fertigkeiten und Fähigkeiten größere Bedeutung als dem produktbezogenen und anwendungsspezifischen Wissen zugemessen und kaufmännisch ausgebildetes Personal (vor allem Groß- oder u.U. auch Einzelhandelskaufleute) beschäftigt. Aufgrund seines beruflichen Werdeganges verfügt der Kläger nur über begrenzte bzw. sehr spezielle warenkundliche Kenntnisse. Ein Einarbeitungszeitraum von drei Monaten ist daher zu kurz.

Bauhofverwalter

Bei z.B. Kommunen oder großen Baufirmen obliegt Bauhofverwaltern die Verwaltung des zentralen Material- und Gerätelagers (Sortimentsumfang bis zu einigen Tausend Artikeln, z.T. Millionenwerte), außerdem die Mitwirkung bei der Material- und Geräteeinsatzplanung und -beschaffung, die Veranlassung von Reparaturen, die Organisation, Überwachung und Registrierung des Material- und Geräteein- und -ausgangs usw. Die Tätigkeit setzt üblicherweise eine kaufmännische Ausbildung oder eine einschlägige Meister- oder ähnliche Qualifikation voraus. Aber auch dann wird der zur Einarbeitung von Betriebsfremden noch erforderliche Zeitraum erfahrungsgemäß mit mehr als 3 Monaten beziffert. Erst recht gilt das, wenn - soweit im Einzelfall überhaupt möglich - von schlichter Facharbeiterqualifikation auszugehen ist. In großen Betrieben handelt es sich üblicherweise um eine weitgehend im Sitzen am Schreibtisch bzw. Computer zu verrichtende, körperlich leichte Tätigkeit. In kleineren Bauhöfen mit wenigen weiteren, dem Bauhof zugeteilten Arbeitskräften ist es aber durchaus üblich, dass auch vom Verwalter zumindest gelegentlich Mithilfe bei z.B. Be- und Entlade- oder Lagerarbeiten (d.h. dass schwereres Heben und Tragen, Bücken usw.) verlangt wird. Auch Aufenthalte im Freien sind nicht immer völlig zu vermeiden.

Im Lagerbereich können aus berufskundlicher Sicht und vermittlerischer Erfahrung auch keine anderen Tätigkeiten benannt werden, bei denen alle Leistungsminderungen des Klägers berücksichtigt werden können und gleichzeitig eine nicht mehr als 3-monatige Einarbeitung erforderlich ist.

Bauzeichner

Bauzeichner fertigen maßstabgerechte Zeichnungen und Pläne i.d.R. mit Hilfe des Computers (CAD) nach zeichnerischen Vorlagen, Entwürfen, schriftlichen oder mündlichen Anweisungen der Architekt(en/innen) oder Bauingenieur(e/innen) unter Beachtung einschlägiger Vorschriften an. Sie tragen Maße und Hinweise für die Bauausführung ein, beschriften Zeichnungen und Pläne nach Gesetzes- und Fachnormen, erstellen Zeichnungsänderungen nach Anweisungen, bewahren sachgemäß Zeichnungen und Pläne auf und vervielfältigen Skizzen, Zeichnungen und Pläne.

Bauzeichner ist ein 3jähriger industrieller Ausbildungsberuf (mögliche Schwerpunkte: Hochbau, einschließlich raumbildender Ausbau, Ingenieurbau und Tief-, Straßen- und Landschaftsbau). Ausgehend vom Beruf des Bauzeichners ist die Fortbildung zum Bautechniker möglich. Der Kläger ist gelernter Maurer und hat eine Fortbildung zum Bautechniker, jedoch ohne Abschluss, absolviert. Für einen Ansatz als Bauzeichner auf zumutbarer Qualifikationsebene kann nicht ausgeschlossen werden, dass dem Kläger ein maximal dreimonatiger Einarbeitungszeitraum ausreicht, wenn er über verwertbare CAD-Kenntnisse verfügt. Ob die erforderlichen Kenntnisse vorhanden sind, kann den Akten nicht entnommen werden.

In der Regel handelt es sich um eine körperlich leichte Tätigkeit, die überwiegend bis nahezu ausschließlich im Sitzen oder zum Teil noch überwiegend im Stehen ausgeübt wird. Teilweise ist fast ausschließlich am Zeichenbrett, zum Teil nur am Bildschirm, zum Teil sowohl am Brett als auch am Bildschirm zu arbeiten.

Gerade die Arbeit an Bildschirmarbeitplätzen (EDV,CAD) wird in einseitiger Körperhaltung im Sitzen u.U. in ausgeprägt statischer Haltung verrichtet. Der Schulter-Nacken-Bereich wird bei Tätigkeiten am Bildschirm besonders belastet. Kurzzeitiges Stehen in vornübergebeugter Haltung beim Rüsten und Überwachen des Plotters ist möglich. Gelegentlich müssen Arbeiten unter Zeitdruck (Terminzwang) verrichtet werden, um Einzugs-, Eröffnungs-, Fertigstellungstermin einzuhalten, ggf. um Konventionalstrafen vermeiden zu können.

Es gibt auch Arbeitsplätze, auf denen Außendienst einschließlich des Besuchs von Baustellen (Maße ermitteln, bestehende Einrichtungen aufnehmen usw.) erforderlich ist, wobei Belastungen wie Bücken, Hocken, Überkopfarbeit, Besteigen von Leitern und Gerüsten, Witterungseinflüsse etc. auftreten können. Für die Mehrzahl der Arbeitsplätze trifft dies jedoch nicht zu.

Eine wesentliche körperliche Eignungsvoraussetzungen ist eine intakte Wirbelsäule.

Die Leistungseinschränkungen des Klägers können bei einer Tätigkeit als Bauzeichner nicht ständig und in vollem Umfang berücksichtigt werden.

Vermessungstechniker.

Vermessungstechniker wählen Messgeräte aus und stellen sie bereit, beschaffen notwendige Arbeitsunterlagen (Karten, Katasterauszüge, Risse, Register u.ä.), führen Vermessungen (Aufmessen von Gebäuden, sonstigen topographischen Gegenständen, ggf. auch von Grenzen) durch, sichern Vermessungspunkte (Einbringen von Vermarkungen), werten aus, verarbeiten und verwalten die erhobenen Daten (Innendienst) und stellen zeichnerisch und numerisch Messergebnisse dar.

Vermessungstechniker ist ebenfalls ein eigenständiger dreijähriger Ausbildungsberuf. Für einen Ansatz als Vermessungstechniker reichen dem Kläger - trotz der durchlaufenen Fortbildung zum Bautechniker - drei Monate Einarbeitungszeit nicht aus.

Die Arbeiten bestehen aus dem Wechsel von Schreibtischtätigkeit und Tätigkeit im Gelände. Es handelt sich um körperlich leichte, gelegentlich mittelschwere Arbeiten. - Im Innendienst werden die Tätigkeiten im Sitzen und Stehen verrichtet. Im Außendienst ist ausschließliches Stehen und Gehen, auch auf unebenem Boden im Freien unter Witterungseinflüssen erforderlich.

Auch in diesem Bereich ist keine geeignete Verweisungstätigkeit für den Kläger erkennbar.

Auf dem Arbeitsmarkt bestehen ohne Prüfungsabschluss sehr ungünstige Aussichten einen Arbeitsplatz zu erhalten. Das Angebot an Bewerber mit erfolgreich abgeschlossener Ausbildung zum staatlich geprüften Bautechniker ist erheblich größer als die Nachfrage. Anzumerken ist, dass sich beim Kläger zusätzlich noch wettbewerbsmindernd die gesundheitlichen Einschränkungen und das fortgeschrittene Alter auswirken.
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