S 8 RJ 210/00

Berufskundekategorie
Stellungnahme
Land
Freistaat Bayern
Aktenzeichen
S 8 RJ 210/00
Auskunftgeber
Landesarbeitsamt Bayern, Nürnberg
Anfrage
Der bei der Rentenantragstellung 47jährige Kläger hat von 01.08.1965 - 31.07.1968 den Beruf des Schriftsetzers erlernt und anschließend bis Juli 1972 ausgeübt. Ab August 1972 hat er eine betriebsinterne Schulung zum Offsetdrucker mit Lehrgängen in Heidelberg durchlaufen und war im Anschluss daran als Offsetdrucker tätig.

Dr. ^Franke^ beschreibt in seinem nervenärztlichen und psychotherapeutischen Fachgutachten vom 09.08.2001 das Leistungsvermögen des Klägers wie folgt:
- vollschichtig bzw. mindestens sechsstündige leichte und mittelschwere Tätigkeiten
- im Sitzen, im Stehen und in wechselnder Stellung
- vorwiegend in geschlossenen Räumen
- ohne Tätigkeiten mit besonderer nervlicher Belastung wie Zeitdruck, Wechsel- und Nachschicht
- ohne Tätigkeiten mit voller Anforderung an das Sehvermögen (z.B. Bildschirmarbeit, Führen von Kfz, Tätigkeiten mit besonderer Anforderung an die Präzision, Tätigkeiten mit direkter Sonneneinstrahlung auf dem Kopf)

Außerdem gibt Dr. ^Franke^ in seinem Gutachten (Bl. 92 Klageakte) an, dass auch keine Tätigkeiten mit besonderen Anforderungen an das Konzentrationsvermögen und an die Ausdauer, insbesondere aber auch keine Tätigkeiten unter Zeitdruck zumutbar sind.
Auskunft
Berufskundliche Stellungnahme

Unstreitig ist, dass der Kläger den erlernten Beruf des Schriftsetzers und die zuletzt verrichtete Tätigkeit des Offsetdruckers nicht mehr ausüben kann. Die Beklagte verweist den Kläger im Bescheid vom 09.08.1999 auf die Tätigkeiten eines Hausmeisters, Pförtners und Registrators.

Im Widerspruchsbescheid vom 22.02.2000 nennt sie weiterhin die Tätigkeit eines Registrators und eines gehobenen Pförtners.

Hausmeister

Hausmeister ist kein Ausbildungsberuf, es gibt kein einheitliches, verbindliches Berufsbild. Eine abgeschlossene Ausbildung ist nicht immer Voraussetzung, jedoch meist erwünscht. Besonders eignen sich Berufe wie Sanitär-, Heizungs- oder Elektroinstallateur, Schlosser, ggf. auch Schreiner. Die Tätigkeit liegt auf der Ebene der Anlern- und Facharbeiterberufe. Beim Vorliegen einer verwertbaren Ausbildung ist die Tätigkeit oft auch auf Facharbeiterebene entlohnt. Die Erfahrungen eines Schriftsetzers bzw. Offsetdruckers sind nicht verwertbar, so dass ein Einarbeitungszeitraum von drei Monaten zu kurz sein dürfte.

Hausmeister können in unterschiedlichen Funktionsformen zum Einsatz kommen. Entsprechend vielfältig und unterschiedlich können die Aufgaben und Tätigkeiten sein. Aufgaben/Tätigkeiten eines Hausmeisters von z.B. größeren Wohnanlagen sind:
- Durchführung von Sichtkontrollen (z.B. Heizung, Lüftung, Feuchtigkeit, äußere Gebäudeschäden wie Risse u.ä.)
- Behebung erkennbarer Schäden bzw. Veranlassung der erforderlichen Reparaturen, Beaufsichtigung und Abrechnung derselben, Dokumentation der Abläufe
- Schlüsselverwaltung
- Wartung und Instandhaltung der haustechnischen Anlagen
- Organisation der Entsorgung
- Pflege der Außenanlagen, Winterdienst
- Kontaktpflege und Umgang mit den Bewohnern des Gebäudes
- Organisation und Überwachung der Gebäudereinigung: Einteilung und Beaufsichtigung der Reinigung, Einweisung der Reinigungskräfte, Bestimmung der Reinigungsverfahren und der Häufigkeit der Reinigung, Verwaltung und Lagerung der Reinigungsmittel.

Erfahrungsgemäß sind die Aufgaben eines Hausmeisters zu 70 % handwerkliche Instandhaltungs- und Reparatur - sowie gärtnerische und reinigende Außenarbeiten, zu 20 % Mieterbetreuung und zu 10% Verwaltungsarbeiten.

Heben und Tragen von schweren Lasten ist zwar in der Regel nicht täglich oder häufig erforderlich, lässt sich meist aber nicht ganz ausschließen. Dabei ist nicht nur an das Bewegen von Möbeln (außer in Schulen z.B. in Bürohäusern, Heimen, Krankenhäusern, Tagungsstätten usw.) gedacht, sondern auch z.B. an den Umgang mit Abfallcontainern, größeren Mengen an Hilfs- und Betriebsstoffen (Streusand, Gips- oder Zementsäcke, Farbkübel u.ä.). Die Ausstattung mit anderen als einfachen Geräten (z.B. Sack- oder Schubkarre, unterlegbare Transportrollen o.ä.), die doch den körperlichen Einsatz fordern, lohnt sich oft nicht oder sie können, wo sie vorhanden sind, aufgrund der örtlichen Gegebenheiten oder der Art der Arbeit teilweise nicht eingesetzt werden

Voraussichtliche Nichteignung für eine Tätigkeit als Hausmeister besteht u.a. bei nicht genügend korrigierbarer Einschränkung der Sehschärfe (u.a. Unfallgefahr) und bei Gemütsleiden. Üblicherweise wird von einem Hausmeister ausreichende neurovegetative Belastbarkeit und psychische Stabilität für z.B. häufig wechselnde dringliche Aufgaben und den Umgang mit "schwierigen" Hausbewohnern vorausgesetzt. Auch das Führen eines Kfz kann erforderlich sein, wenn von einem Hausmeister mehrere Wohnkomplexe zu betreuen sind.

Da sich bei einer Tätigkeit als Hausmeister die Belastungen nicht lediglich auf leicht bis mittelschwer begrenzen lassen, sie nicht vorwiegend in geschlossenen Räumen verrichtet wird und daher auch Tätigkeiten mit direkter Sonneneinstrahlung auf dem Kopf nicht zu vermeiden sind, entspricht das Leistungsvermögen des Klägers, wie im Gutachten von Dr. ^Franke^ angegeben, nicht mehr den üblichen Anforderungen.

Anzumerken ist, dass seit September 1996 eine 12monatige Fortbildungsmaßnahme in Vollzeit mit dem Abschluss "Staatlich geprüfter Hauswart" nach der Handwerksordnung existiert, da die Haustechnik in den letzten Jahren immer komplexer geworden ist.

Zugangsvoraussetzungen sind:
- Hauptschulabschluss und Gesellen- oder Facharbeiterbrief in einem gewerblich-technischen Beruf sowie eine mindestens einjährige Berufspraxis oder
- Hauptschulabschluss und Gesellen- oder Gehilfenbrief in einem nichttechnischen Beruf sowie eine mindestens zweijährige Berufspraxis oder
- Hauptschulabschluss und eine mindestens fünfjährige Berufserfahrung in einem gewerblich-technischen Beruf

Pförtner

Pförtnerarbeitsplätze gelten vielfach als Schonarbeitsplätze, die für die innerbetriebliche Umsetzung leistungsgeminderter Beschäftigter geeignet sind. In nennenswertem Umfang sind Arbeitsplätze für einfache Pförtner allerdings auch Außenstehenden zugänglich. Sie beinhaltet teilweise tatsächlich nur leichte Arbeiten. Ein gewisser Wechsel der Körperhaltung ist gleichfalls möglich, wobei Gehen im Vergleich zu Sitzen und/oder Stehen jedoch meist nur einen geringen Anteil hat. Arbeit in Zwangshaltungen, Bücken, schweres Heben und Tragen sind in der Regel nicht zu erwarten. Belastungen durch Witterungseinflüsse, Zugluft oder Temperaturschwankungen sind aber nicht immer ganz zu vermeiden. Auch Zeitdruck ist (z.B. bei Arbeitsbeginn und -ende, Schichtwechsel, größerem Besucherandrang) nicht auszuschließen. Gleiches gilt außerdem für nervliche Belastungen, z.B. in außergewöhnlichen Situationen, in denen Handeln vom Pförtner verlangt wird. Die Aufgaben eines Pförtners stellen gewisse persönliche Mindestanforderungen wie z.B. Flexibilität, Merk- und Kontaktfähigkeit, Umgangsformen und Durchsetzungsvermögen.

Dr. ^Franke^ gibt in seinem Gutachten (Bl. 93 der Klageakte) an, dass der Beruf eines Pförtners in Anbetracht der heutzutage vielfach hiermit verbundenen Bildschirmarbeit eine nicht mehr zumutbare Tätigkeit für den Kläger ist. Häufig sind insbesondere in größeren Firmen oder Behörden, bei denen auch eine Vielzahl der Pförtner beschäftigt sind, Daten wie z.B. Zimmernummer, Telefonnummer, Organisationszeichen bzw. Aufgabengebiet nur noch über den Bildschirm mit Hilfe der EDV zu ermitteln.

Qualifiziert im Sinne einer für einen Facharbeiter zumutbaren Verweisungstätigkeit ist eine Pförtnertätigkeit jedoch in der Regel erst dann, wenn zusätzliche Aufgaben wie z.B. die Erteilung von Auskünften, die weiterreichende Kenntnisse erfordern, schriftliche Arbeiten, umfangreiche Kontroll- und Sicherheitsaufgaben, die meist körperliche Belastung beinhalten, oder die Bedienung von Telefonanlagen mit mehreren Amtsleitungen zu erfüllen sind. Derartige Arbeitsplätze existieren in sehr viel geringerer Zahl als solche für einfache Pförtner. Sie werden in der Regel innerbetrieblich besetzt. Ein höchstens dreimonatiger Einarbeitungszeitraum reicht erfahrungsgemäß, zumal für einen Betriebsfremden nicht aus. Es ist daher auch in dieser Tätigkeit keine berufliche Alternative für den Kläger zu sehen.

Registrator

Registratoren führen eine differenziert gegliederte Registratur, die gründliche und umfangreiche Fachkenntnisse des Registraturwesens und eingehende Kenntnisse des verwalteten Schriftgutes sowie organisatorischer Hintergründe erfordert. Sie sind verantwortlich für das Registrieren und Archivieren von Akten und anfallendem Schriftverkehr, Vergeben von Aktenzeichen nach fachlichen, organisatorischen, chronologischen u.a. Kriterien entsprechend den geltenden Aktenplänen und von fortlaufenden Aktennummern sowie das Anlegen von Neuakten unter Beachtung der Aktenordnung und Aussondern von Altakten unter Beachtung von Aufbewahrungsfristen. Ebenso werden die Terminüberwachung und allgemeine Verwaltungsarbeiten im Bereich der Aktenhaltung und Registratur von ihnen erwartet.

Arbeiten in einer Registratur können sowohl auf der kurzfristig Angelernten- bis hin zur qualifiziert Angelerntenebene erfolgen.

Im BAT sind Angestellte in Büro-, Registratur-, Buchhaltereidienst usw. mit vorwiegend mechanischer Tätigkeit in VergGr. X, mit einfacheren Tätigkeiten in VergGr IXb und mit - gemessen an den vorgenannten - schwierigeren Tätigkeiten in VergGr. VIII eingruppiert.

Dem Kläger genügt für eine Tätigkeit als Mitarbeiter in einer Registratur, die auch von einem Ungelernten innerhalb von drei Monaten erlernt werden kann, ein dreimonatiger Einarbeitungszeitraum.

Für eine qualifizierte Tätigkeit als Mitarbeiter einer Registratur würde auch der Kläger einen längeren Einarbeitungszeitraum als drei Monate benötigen.

Die Belastungen bei Arbeiten in einer Registratur sind üblicherweise zumindest zeitweise bis mittelschwer. Eine wechselnde Körperhaltung ist möglich, jedoch wird Bücken, Hantieren über Kopfhöhe und z.T. Besteigen von kleinen Leitern verlangt. Bildschirmarbeit kann zwischenzeitlich auch in Registratur erforderlich sein.

Unabhängig vom Leistungsvermögen des Klägers, ist in der Tätigkeit eines Registrators keine geeignete berufliche Alternative erkennbar, da ein maximal dreimonatiger Einarbeitungszeitraum für einen Ansatz auf zumutbarer Qualifikationsebene nicht ausreicht.

Andere Verweisungsmöglichkeiten mindestens auf der Ebene der Anlernberufe, die in nennenswertem Umfang existieren und auch Außenstehenden zugänglich sind, die dem Kläger gesundheitlich uneingeschränkt zumutbar sind und von ihm nach einer Einarbeitungszeit von maximal drei Monaten ausgeübt werden können, sind aus berufskundlicher Sicht nicht erkennbar.
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