S 8 RJ 344/00

Berufskundekategorie
Stellungnahme
Land
Freistaat Bayern
Aktenzeichen
S 8 RJ 344/00
Auskunftgeber
Landesarbeitsamt Bayern, Nürnberg
Anfrage
Der bei der erneuten Rentenantragstellung 50jährige Kläger hat vom 01.08.1963 - 31.01.1967 den Beruf des Elektroinstallateurs erlernt und bis 18.04.1971 ausgeübt. Ab 19.04.1971 war er als Fernmeldemonteur tätig.

In der sozialmedizinischen Leistungsbeurteilung im Reha - Entlassungsbericht vom 24.10.2001 (Bl. 30 Gerichtsakte) wird das Leistungsvermögen des Klägers wie folgt angegeben:
- sechs Stunden und mehr leichte Arbeiten
- überwiegend im Stehen
- überwiegend im Gehen
- zeitweise im Sitzen
- in Tagesschicht und Früh-/Spätschicht
- unter Vermeidung von langwährenden Zwangshaltungen der Wirbelsäule,
- ständigem Überkopfarbeiten
- andauernder kniende oder hockende Körperhaltung
- häufiges Bücken
- häufiges Erklettern oder Ersteigen von Leitern und Gerüsten

Die letzte berufliche Tätigkeit als Fernmeldemonteur kann nur noch unter drei Stunden ausgeübt werden.

Die körperliche Leistungsfähigkeit ist nach der sozialmedizinischen Epikrise im Reha - Entlassungsbericht vom 24.10.2001 (Bl. 37 Gerichtsakte) eingeschränkt. Folgende Tätigkeiten können noch verrichtet werden:
- vollschichtig leichte Tätigkeiten
- bei Vermeidung von
- Zwangshaltungen der Wirbelsäule
- andauernde Überkopfarbeiten
- ständig gebückte oder hockende Körperhaltung
- häufigem Erklettern oder Ersteigen von Leitern und Gerüsten

Diese Tätigkeiten sollten im Wechselrhythmus verrichtet werden.
Auskunft
Berufskundliche Stellungnahme

Im Bescheid vom 27.10.1999 verweist die Beklagte den Kläger auf die Tätigkeit eines Kontrolleurs in der Elektrobranche, eines Fachberaters im Elektro- und Elektronikbereich, eines Qualitätsprüfers und Registrators. Im Widerspruchsbescheid nennt die Beklagte die Tätigkeiten eines Qualitätsprüfers und Registrators weiterhin als zumutbare Verweisungstätigkeiten.

Kontrolleur in der Elektrobranche, Qualitätsprüfer

Durch die veränderten Qualitätsanforderungen in Industrie und Handwerk und die Einführung von Qualitätsmanagement- und Qualitätssicherungsnormen nach DIN ISO 9000 ff wird inzwischen der "Qualitätsfachmann" bzw. die "Qualitätsfachfrau" ausgebildet und auf dem Arbeitsmarkt nachgefragt.

Zu den Aufgabengebieten gehört die selbständige Planung und Umsetzung von Maßnahmen zur Sicherung der Qualität, von der Planung bis zur Endabnahme und Betreuung beim Kunden.

Die Ausführungen zeigen, daß es sich bei dieser Tätigkeit um eine anspruchsvolle Aufgabe handelt.

In der Metall- und Elektroindustrie, wo in der Vergangenheit noch häufig Kontroll- und Prüfarbeitsplätze vorhanden waren, hat sich die Arbeitsorganisation aufgrund moderner Techniken, flexibler Fertigungssysteme grundlegend verändert.

Facharbeiter in diesen Bereichen sind neben der Produktion auch für Instandhaltung, Montage und Qualitätssicherung mit verantwortlich. Sie überprüfen die Erzeugnisse nicht nur auf Mängel, sondern zeigen auch Wege auf, um den Ausschuß zu verringern. Auch über die Art des anzuwendenden Prüfverfahrens verständigen sie sich. Das heißt, daß Facharbeiter in der Metall- und Elektroindustrie in zunehmendem Maße in die Qualitätssicherung einbezogen werden.

Die Erfahrungen aus der Praxis belegen, daß Arbeitgeber überwiegend berufserfahrene Kräfte als Prüfer / Qualitätsfachmann, möglichst mit Abschlußprüfung vor der Industrie- und Handelskammer (z.B. nach einer Umschulung) oder mit Zertifikat (DGQ-Schein Güteprüfung - Weiterbildung bei der Deutschen Gesellschaft für Qualität) suchen bzw. beschäftigen.

Prüf-, Kontroll- und Messtätigkeiten kommen in der Elektroindustrie auf den verschiedensten Qualifikationsebenen vor. Elektrische Größen wie Stromstärke, Spannung, Leistung, Widerstand und elektrische Funktionen von Bauelementen, Bausteinen und fertigen Geräten und Einrichtungen sind mit den verschiedensten Messgeräten nach Schaltplänen, Prüfanweisungen, VDE-Bestimmungen etc. zu überprüfen.

Neben gutem Seh- und Farbunterscheidungsvermögen ist beidhändige feinmanuelle Geschicklichkeit, Genauigkeit und Konzentrationsfähigkeit erforderlich. Üblicherweise sind Elektronikkenntnisse, Kenntnisse in der Mikroprozessortechnik und ähnliches notwendig. Sofern es sich nicht um einfache Serienprüfungen und Abgleichaufgaben unterhalb der zumutbaren Qualifikationsebene handelt, ist, um mit dem raschen technischen Wandel mithalten zu können, erfahrungsgemäß Anpassungsbereitschaft an neue technische Entwicklungen und ständige Weiterbildung erforderlich.

Insgesamt ist dem Kläger unabhängig vom erforderlichen Einarbeitungszeitraum aufgrund seines beruflichen Werdeganges der Zugang zu einem Kontrollarbeitsplatz auf zumutbarer Qualifikationsebene nicht möglich.

In den Elektroberufen werden während der Ausbildung Grundkenntnisse der Metallbearbeitung vermittelt und auch während der Berufsausübung zum Teil angewendet. Ausgehend davon, dass der Kläger noch nicht in der metallverarbeitenden Industrie tätig war, kann jedoch nicht damit gerechnet werden, dass er sich innerhalb von drei Monaten in eine Kontrolltätigkeit in der Metallindustrie auf der Ebene der qualifizieren Anlerntätigkeiten einarbeiten könnte.

Fachberater im Elektro- und Elektronikbereich

a. Einzelhandel

Beratung ist nicht alleiniger Tätigkeitsinhalt, vielmehr liegt der Schwerpunkt erfahrungsgemäß auf dem Verkauf. Im Einzelhandel, speziell in Selbstbedienungsmärkten sind die Aufgaben eines Fachverkäufers die Bestandsüberwachung, die Bereitstellung und die Platzierung der Waren im Verkaufsraum einschließlich dem Auszeichnen, u.U. das Erstellen von Dekorations- und Demonstrationsmuster, meist außerdem die Warenannahme und Einlagerung und ggf. das Mitwirken bei der Sortimentsgestaltung, Disposition und Warenbeschaffung. In diesem Bereich sind üblicherweise 2jährig ausgebildete Verkäufer oder Facharbeiter, die jedoch eine längere als dreimonatige Einarbeitung benötigen, aus der entsprechenden Branche beschäftigt. Arbeitsplätze sind in nennenswertem Umfang vorhanden. Ein Fernmeldemonteur und gelernter Elektroinstallateur dürfte sich in eine Tätigkeit als Fachberater im Einzelhandel nicht innerhalb von maximal drei Monaten einarbeiten, obwohl nach Arbeitgeberauskunft auch Facharbeiter beschäftigt werden (Verkäufer ist ein Beruf mit 2jähriger Ausbildung und Einzelhandelskaufmann ein Beruf mit 3-jähriger Ausbildung). Nur lediglich leichte Belastbarkeit genügt für die Tätigkeit eines Fachberaters im Einzelhandel, vor allem im Hinblick auf die Lasten, die gehoben, getragen bzw. bewegt werden müssen, nicht. Die Tätigkeit ist (nahezu) ausschließlich im Gehen und Stehen zu verrichten und erfordert auch Bücken, Recken oder sogar Überkopfarbeit bzw. Hochhantierungen und Besteigen von Leitern. Vorausgesetzt wird außerdem persönliche Eignung für Verkaufstätigkeiten wie Kontaktfähigkeit, Höflichkeit, Flexibilität. Voraussichtliche Nichteignung für eine Tätigkeit als Fachberaters im Einzelhandel besteht bei Funktionsstörungen der Wirbelsäule, der Arme, der Hände und der Beine, nicht ausreichend korrigierbares Sehvermögen, Farbsehschwäche, Hörminderungen, erheblichen Sprachstörungen, schweren Herz-Kreislaufstörungen, chronischen Erkrankungen der Atemwege oder Allergien, chronische Hauterkrankungen besonders an den Händen, seelische Leiden, schwere Persönlichkeitsstörungen, Suchtkrankheiten und Anfallsleiden.

b. Fachberater im Großhandel

Kaufleute im Großhandel sind Bindeglieder zwischen Produktion und Verbrauch. Sie sorgen für den reibungslosen Warenfluss zwischen Herstellern, Weiterverarbeitern und Endverteilern. Die Tätigkeitsbereiche reichen vom Wareneingang über die Lagerung der Ware, die Überwachung der Lagerbestände, die Steuerung des Warenflusses bis zur Planung der Warenauslieferung.

Da nach Arbeitgeberbefragungen und vermittlerischen Erfahrungen zufolge den kaufmännischen Kenntnissen, Fertigkeiten und Fähigkeiten größere Bedeutung als dem produktbezogenen und anwendungsspezifischen Wissen zugemessen wird, ist üblicherweise kaufmännisch ausgebildetes Personal in diesem Bereich angesetzt; insbesondere werden Großhandelskaufleute (Beruf mit dreijähriger Ausbildung) beschäftigt. Ob der Kläger über die in diesem Bereich erforderlichen EDV-Kenntnisse verfügt, kann nicht beurteilt werden. Für einen Fachberater im Großhandel genügt es nicht, nur Kenntnisse über die Waren zu haben und Zahlen in den Terminal einzugeben, sondern Wissen über Anbieter und Kunden, Kalkulation und Preisgefüge, Liefermöglichkeiten und -kosten, Zahlungsweise bzw. Finanzierung, über Verkaufsstrategien und Verhandlungstechniken usw. ist zumindest in Grundzügen erforderlich. Die Tätigkeit eines Fachberaters im Großhandel ist eine geistig anspruchsvolle, körperlich leichte Tätigkeit die im Sitzen, zeitweise im Stehen bzw. Gehen verrichtet wird. Oft kommt es zu Zeit- und Termindruck. Es wird daher eine gute psychische Belastbarkeit und ausreichende Konzentrationsfähigkeit vorausgesetzt.

Unabhängig vom Leistungsvermögen verfügt der Kläger als Fernmeldemonteur und gelernter Elektroinstallateur nur über begrenzte bzw. sehr spezielle warenkundliche Kenntnisse. Für einen Ansatz auf zumutbarer Qualifikationsebene als Fachberater im Großhandel - auch wenn der Kläger über EDV-Kenntnisse verfügen sollte - ist ein Einarbeitungszeitraum aufgrund seines beruflichen Werdeganges bei weitem zu kurz.

Registrator

Registratoren führen eine differenziert gegliederte Registratur, die gründliche und umfangreiche Fachkenntnisse des Registraturwesens und eingehende Kenntnisse des verwalteten Schriftgutes erfordert. Sie sind verantwortlich für das Registrieren und Archivieren von Akten und anfallendem Schriftverkehr, Vergeben von Aktenzeichen nach fachlichen, organisatorischen, chronologischen u.a. Kriterien entsprechend den geltenden Aktenplänen und von fortlaufenden Aktennummern sowie das Anlegen von Neuakten unter Beachtung der Aktenordnung und Aussondern von Altakten unter Beachtung von Aufbewahrungsfristen. Ebenso werden die Terminüberwachung und allgemeine Verwaltungsarbeiten im Bereich der Aktenhaltung und Registratur von ihnen erwartet.

Arbeiten in einer Registratur können sowohl auf der kurzfristig Angelernten- bis hin zur qualifiziert Angelerntenebene erfolgen.

Im BAT sind Angestellte in Büro-, Registratur-, Buchhaltereidienst usw. mit vorwiegend mechanischer Tätigkeit in VergGr. X, mit einfacheren Tätigkeiten in VergGr IXb und mit - gemessen an den vorgenannten - schwierigeren Tätigkeiten in VergGr. VIII eingruppiert.

Dem Kläger genügt für eine Tätigkeit als Mitarbeiter in einer Registratur, die auch von einem Ungelernten innerhalb von drei Monaten erlernt werden kann, ebenfalls ein dreimonatiger Einarbeitungszeitraum.

Für eine qualifizierte Tätigkeit als Mitarbeiter einer Registratur würde auch der Kläger einen längeren Einarbeitungszeitraum als drei Monate benötigen.

Die Belastungen bei Arbeiten in einer Registratur sind üblicherweise zumindest zeitweise bis mittelschwer. Eine wechselnde Körperhaltung ist möglich, jedoch wird Bücken, Hantieren über Kopfhöhe und z.T. Besteigen von kleinen Leitern verlangt. Die Leistungseinschränkungen des Klägers können nicht ständig und in vollem Umfang berücksichtigt werden.

Zu meinen Stellungnahmen in anderen Fällen, die den Akten beigefügt sind, nehme ich unter Berücksichtigung der gesundheitlichen Leistungseinschränkungen des Klägers wie folgt Stellung:

Die Tätigkeit eines Hausmeisters, die noch auf zumutbarer Ebene liegen würde und in die sich der Kläger aufgrund seines beruflichen Werdeganges innerhalb eines maximal dreimonatigen Zeitraumes einarbeiten dürfte, ist ihm jedoch aufgrund seines Leistungsvermögens nicht mehr uneingeschränkt zumutbar, da die Belastungen bei einer Hausmeistertätigkeit nicht auf lediglich leicht zu beschränken sind, Zwangshaltungen (Bücken, Hocken, Knien, Überkopfarbeit) in der Regel ebensowenig sich ausschließen lassen wie Arbeiten auf Leitern und Gerüsten. Daher sollte ein Hausmeister über einen gesunden Stütz- und Bewegungsapparat verfügen.

Die Tätigkeit eines Kundendienstmonteurs ist dem Kläger ebenfalls aufgrund seiner gesundheitlichen Einschränkungen nicht mehr zumutbar, da sich die Arbeiten nicht auf lediglich leichte Belastungen beschränken lassen und Bücken, Arbeit in vornübergebeugter Haltung, z.T. Zwangshaltung, Heben, Tragen und Bewegen von Lasten sich nicht vermeiden lassen.

Die Tätigkeit eines Telefonisten ist dem Kläger ebenfalls aufgrund seines Leistungsvermögens nicht mehr uneingeschränkt zumutbar, da sie ausschließlich im Sitzen verrichtet wird.

Arbeiten überwiegend im Stehen und im Gehen und zeitweise im Sitzen bzw. im Wechselrhythmus sind bei einer Telefonistentätigkeit nicht möglich.

Weitere angelernte Tätigkeiten bzw. höher qualifizierte Tätigkeiten, die der Kläger nach seiner Vorbildung und seinen gesundheitlichen Möglichkeiten nach einer Einarbeitungszeit bis zu drei Monaten noch verrichten kann, sind aus berufskundlicher Sicht nicht erkennbar.
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Datum