S 8 RJ 397/99

Berufskundekategorie
Stellungnahme
Land
Freistaat Bayern
Aktenzeichen
S 8 RJ 397/99
Auskunftgeber
Landesarbeitsamt Bayern, Nürnberg
Anfrage
Der bei der Rentenantragstellung 43jährige Kläger hat von 01.09.76 - 16.08.79 den Beruf des Kfz-Mechanikers erlernt und anschließend bis 23.09.1982 ausgeübt. Im Anschluss daran war er als Kraftfahrer und Mechaniker tätig. Von 01.12.95 - 29.07.97 hat er eine Tätigkeit als Lademeister/Mechaniker in einer Brauerei verrichtet.

Dr. ^Schwedhelm^ beschreibt die Leistungsfähigkeit in seinem orthopädischen Fachgutachten vom 05.10.2000 wie folgt:
- vollschichtig leichte, teils mittelschwere körperliche Tätigkeiten
- im Wechselrhythmus unter günstigen äußeren Bedingungen
- ohne Arbeiten mit besonderer nervlicher Belastung wie Akkord, Fliesbandarbeit, Wechsel- oder Nachtschicht
- ohne Arbeiten an laufenden Maschinen mit voller Gebrauchsfähigkeit der rechten Hand (der Kläger ist Rechtshänder)
- ohne Tätigkeiten auf Leitern oder Gerüsten mit Absturzgefahr sowie häufiges Treppensteigen
- ohne Tätigkeiten, die mit häufigem Heben und Tragen von Lasten über 15 kg verbunden sind
- ohne häufigem Bücken oder Arbeiten unter Körperzwangshaltungen
- ohne Tätigkeiten unter ungünstigen äußeren Bedingungen, wie Kälte, Nässe oder Zugluft

Nach dem fachärztlichen neurologisch-psychiatrischen Gutachten von Dr. ^Oehler^ vom 23.11.2000 stellt sich die Leistungsfähigkeit des Klägers wie folgt dar:
- vollschichtig Tätigkeiten unter wechselnden Bedingungen mit sitzender Tätigkeit, halb- bis untervollschichtig auch mittelschwere Tätigkeiten im Sitzen, wenn eine Möglichkeit besteht, gelegentlich die Stellung zu wechseln und aufzustehen
- ohne Tätigkeiten, die schweres Heben erfordern
- ohne Arbeiten an schweren Maschinen
- ohne sämtliche Arbeiten, die besondere nervliche Belastung beinhalten
- ohne Tätigkeiten an unfallgefährdeten Arbeitsplätzen
- ohne Tätigkeiten mit besonderer Belastung des Bewegungs- und Stützsystems oder unter ungünstigen äußeren Bedingungen
Auskunft
Berufskundliche Stellungnahme

Unstreitig ist, dass der Kläger seine zuletzt verrichtete Tätigkeit als Lademeister nicht mehr ausüben kann. Die Beklagte verweist den Kläger im Bescheid vom 07.04.99 und im Widerspruchsbescheid vom 17.06.99 auf die Tätigkeit eines Pförtners, eines Poststellenmitarbeiters, eines Fachberaters im Kfz-Zubehörgroßhandel.

Pförtner

Pförtnerarbeitsplätze gelten vielfach als Schonarbeitsplätze, die für die innerbetriebliche Umsetzung leistungsgeminderter Beschäftigter geeignet sind. In nennenswertem Umfang sind Arbeitsplätze für einfache Pförtner allerdings auch Außenstehenden zugänglich. Die Tätigkeit eines Pförtners beinhaltet teilweise tatsächlich nur leichte Arbeiten. Ein gewisser Wechsel der Körperhaltung ist gleichfalls möglich, wobei Gehen im Vergleich zu Sitzen und/oder Stehen jedoch meist nur einen geringen Anteil hat. Arbeit in Zwangshaltungen, Bücken, schweres Heben und Tragen ist in der Regel nicht zu erwarten. Belastungen durch Witterungseinflüsse, Zugluft oder Temperaturschwankungen sind aber nicht immer ganz zu vermeiden. Auch Zeitdruck ist (z.B. bei Arbeitsbeginn und -ende, Schichtwechsel, größerem Besucherandrang) nicht auszuschließen. Gleiches gilt außerdem für nervliche Belastungen, z.B. in außergewöhnlichen Situationen, in denen Handeln vom Pförtner verlangt wird. Die Aufgaben eines Pförtners stellen gewisse persönliche Mindestanforderungen wie z.B. Flexibilität, Merk- und Kontaktfähigkeit, Umgangsformen und Durchsetzungsvermögen. Ob der Kläger diese persönlichen Mindestanforderungen erfüllt, kann nicht beurteilt werden.

Qualifiziert im Sinne einer für einen Facharbeiter zumutbaren Verweisungstätigkeit ist eine Pförtnertätigkeit jedoch in der Regel erst dann, wenn zusätzliche Aufgaben wie z.B. die Erteilung von Auskünften, die weiterreichende Kenntnisse erfordern, schriftliche Arbeiten, umfangreiche Kontroll- und Sicherheitsaufgaben, die meist körperliche Belastung beinhalten, oder die Bedienung von Telefonanlagen mit mehreren Amtsleitungen zu erfüllen sind. Derartige Arbeitsplätze existieren in sehr viel geringerer Zahl als solche für einfache Pförtner. Sie werden in der Regel innerbetrieblich besetzt. Ein höchstens dreimonatiger Einarbeitungszeitraum reicht erfahrungsgemäß, zumal für einen Betriebsfremden nicht aus. Es ist daher auch in dieser Tätigkeit keine berufliche Alternative für den Kläger zu sehen.

Poststellenmitarbeiter

Sofern die Post nicht zusätzlich vom Postamt geholt werden muss, sind die eingehenden Sendungen (z.B. Postsäcke, - körbe, -pakete) einschließlich der Hauspost (z.B. auch Akten) anzunehmen und zu öffnen. Der Inhalt muss entnommen, auf Vollständigkeit geprüft, großteils mit einem Eingangvermerk sowie - nach Feststellung des Empfängers - mit einem Weiterleitungsvermerk versehen und entsprechend sortiert werden. Die Verteilung im Haus wie auch das Einsammeln der Ausgangspost kann von den Mitarbeitern der Post miterledigt werden oder Boten übertragen sein. Üblicherweise ist jedoch die Ausgangspost zu sortieren, zu kuvertieren bzw. zu verpacken, korrekt zu frankieren und zur Abholung in Säcken, Körben o.ä. bereitzustellen oder ggf. auch selbst zum Postamt zu befördern. Verschiedentlich sind bei der Tätigkeit Maschinen (z.B. Brieföffnungs-, Kuvertier-, Frankiermaschinen) zu bedienen. Die Arbeiten erfordern in der Regel gelegentlich mittelschwere Belastbarkeit, vor allen Dingen im Hinblick auf die zu bewegenden Lasten. In diesem Zusammenhang wird auch Bücken verlangt. Ein Wechsel der Körperhaltung ist möglich, wobei Gehen sogar in beachtlichem Umfang, u.U. einschließlich Treppensteigen, anfällt, wenn die Post auch ausgetragen und eingesammelt wird. Die Tätigkeit eines Mitarbeiters in einer Poststelle ist sowohl in der Wirtschaft als auch im öffentlichen Dienst keinesfalls grundsätzlich auf der Ebene der qualifizierten Anlerntätigkeiten angesiedelt, sondern nach Schwierigkeitsgrad gestaffelt ab der untersten Ebene der Angestelltenberufe zu finden, z.B.
- Bundesentgelttarifvertrag für die Chemische Industrie: Entgeltgruppe
E 1 = kurze Einweisung = Verteilen von Post,
E 2 = Berufspraxis von bis zu 13 Wochen = Sortieren und Verteilen von Post,
E 3 = Berufspraxis von 6 bis 15 Monaten = Postabfertigen;
- Gehaltstarifvertrag für die Angestellten des Speditions- und Transportgewerbes in Bayern:
Gehaltsgruppe 1 = Einweisung am Arbeitsplatz = Postabfertiger,
Gehaltsgruppe 2 = Berufsausbildung = Postabfertiger
- BAT VerGr X = Hilfsleistung bei der Postabfertigung, VerGr IXb = Postabfertigen, VerGr VIII = schwierigere Tätigkeit (im Vergleich zu den vorgenannten).

Unabhängig davon verfügt der Kläger über keinerlei verwertbare Vorkenntnisse. Daher ist aus berufskundlicher Sicht davon auszugehen, dass er die Ebene der qualifizierten Anlerntätigkeiten nicht im Rahmen einer maximal dreimonatigen Einarbeitung erreichen kann.

Fachberater im Kfz-Zubehörgroßhandel.

Für Kundenberatung im Kfz-Zubehörgroßhandel trifft es vielfach zu, dass der Verkauf im Verkaufsraum oder sogar am Schreibtisch anhand von Listen, Katalogen oder über ein Computer-Terminal abgewickelt und eine strikte Trennung zum Lager eingehalten wird. Arbeitgeberbefragungen und vermittlerische Erfahrungen zufolge wird jedoch üblicherweise den kaufmännischen Kenntnissen, Fertigkeiten und Fähigkeiten größere Bedeutung als dem produktbezogenen und anwendungsspezifischen Wissen zugemessen und kaufmännisch ausgebildeten Personal (vor allem Groß- oder u.U. auch Einzelhandelskaufleute) beschäftigt.

Unabhängig vom Leistungsvermögen reicht ein Zeitraum von maximal drei Monaten trotz der verwertbaren kraftfahrzeugtechnischen Vorkenntnisse des Klägers erfahrungsgemäß nicht aus, da kaufmännische, Verwaltungs-, Büro- und inzwischen in der Regel EDV-Kenntnisse erworben werden müssen.

Lagerverwalter

Ausgehend vom Beruf des Kfz-Mechanikers könnte an die Verwaltung eines Ersatzteillagers gedacht werden.

Je nach Größe, Sortimentsumfang und Aufgabenstellung finden Arbeitskräfte unterschiedlicher Qualifikation - vom qualifiziert Angelernten bis zum Meister - Ansatz (z.B. Beschäftigungsgruppe II oder III des Tarifvertrages des Bayerischen Kfz-Gewerbes). Zu seinen Aufgaben gehört u.a. die Lagerung von Kfz-Ersatzteilen und Zubehör, die Abgabe an die Kfz-Handwerker in der Werkstatt, aber auch der Verkauf an Außenstehende. Die Tätigkeit ist im Wechsel von Sitzen, Gehen und Stehen zu verrichten, erfordert aber bei Regalarbeit auch Bücken und Besteigen von Leitern sowie Heben und Tragen von Lasten.

Auch für eine Tätigkeit in einem Ersatzteillager müssen kaufmännische, Verwaltungs-, Büro- und in der Regel EDV-Kenntnisse erworben werden. Trotz der verwertbaren kraftfahrzeugtechnischen Vorkenntnisse des Klägers, genügt ein maximal dreimonatiger Einarbeitungszeitraum erfahrungsgemäß nicht, um auf zumutbarer Qualifikationsebene angesetzt werden zu können.

Autoverkäufer

In ähnlich gelagerten Fällen wird häufig die Tätigkeit eines Autoverkäufers als zumutbare Verweisungsmöglichkeit genannt. Diese Tätigkeit ist körperlich leicht und kann im Wechselrhythmus ausgeübt werden und entspricht somit weitgehend dem Leistungsvermögen des Klägers. Als Autoverkäufer werden in der Regel jedoch Kaufleute beschäftigt. Neben Branchen- und kaufmännischen Kenntnissen sind vor allem sicheres Auftreten im Bedienen und Beraten von Kunden, gutes äußeres Erscheinungsbild und Verhandlungsgeschick gefragt. Von Autoverkäufern wird nicht nur die Erteilung von technischen Auskünften, sondern auch Information über die Finanzierung, Preisnachlässe, Sonderausstattungen, Kaufverträge etc. erwartet.

Ob der Kläger die persönlichen Mindestanforderungen mitbringt, kann nicht beurteilt werden. Unabhängig davon ist aus berufskundlicher Sicht keine geeignete berufliche Alternative in der Tätigkeit eines Autoverkäufers für den Kläger zu sehen, da ihm ein dreimonatiger Einarbeitungszeitraum nicht ausreicht.

Hausmeister

Gedacht werden könnte noch an eine Hausmeistertätigkeit. Hausmeister ist kein Ausbildungsberuf, es gibt kein einheitliches, verbindliches Berufsbild. Gute handwerkliche Kenntnisse und Fertigkeiten werden vorausgesetzt, eine verwertbare handwerkliche Ausbildung (Sanitär-, Heizungs- oder Elektroinstallateur, Schlosser, ggf. auch Schreiner) häufig gewünscht, zum Teil auch verlangt. Die Tätigkeit liegt auf der Ebene der Anlern- und Facharbeiterberufe. Beim Vorliegen einer verwertbaren Ausbildung ist die Tätigkeit oft auch auf Facharbeiterebene entlohnt. Je nach Aufgabenstellung und Vorkenntnissen ist von einer Einarbeitungszeit von zwei Monaten bis zu einem Jahr auszugehen.

Die Aufgaben eines Hausmeisters variieren je nach Art des zu betreuenden Objekts (Wohnhaus oder -anlage, Büro- und Fabrikgebäude, Schule, Theater, Heime usw.). Dazu gehören: Mängel feststellen und beheben (z.B. an allen elektrischen Anlagen einschließlich Beleuchtungs-, Heizungs- und Sanitäranlagen, an Türen, Fenstern, Möbeln, Aufzügen), ggf. Fremdfirmen einschalten, deren Arbeit überwachen und abnehmen, Wartungsarbeiten und Schönheitsreparaturen durchführen, Reinigungsarbeiten im, ggf. auch außerhalb des Gebäudes vornehmen (z.B. auch Schneeräumen, Streudienst) oder Garten, Grün- und Sportanlagen pflegen, für die Einhaltung von Feuerschutz und sonstigen Sicherheitsbestimmungen sorgen, Mithilfe bei Umzügen, Aufstellen von Sitzgelegenheiten in Sälen etc., Beschilderungen anbringen, auch Botendienste, Wohnungsbesichtigungen mit Mietinteressenten durchführen usw. Abhängig von der Größe des Objekts und der Arbeitsorganisation ist vielfach eine Verschiebung möglich zwischen dem eigentlichen Durchführen der Arbeit und dem Veranlassen der Ausführung durch Fremdfirmen und deren Überwachung. Es handelt sich aber immer um eine selbständige, eigenbestimmte und -verantwortliche Tätigkeit.

Die körperlichen Belastungen sind überwiegend leicht bis mittelschwer, gelegentlich unter Umständen auch schwer. Gehen und Stehen überwiegt bei weitem, Zwangshaltungen (Bücken, Hocken, Knien, Überkopfarbeit) lassen sich in der Regel ebenso wenig ausschließen wie Arbeiten auf Leitern und Gerüsten. Auch Heben, Tragen und Bewegen von schwereren Lasten wird üblicherweise verlangt. Ein Hausmeister sollte daher über einen gesunden Stütz- und Bewegungsapparat verfügen. Die Leistungsfähigkeit des Klägers entspricht nicht mehr den Anforderungen, die üblicherweise an einen Hausmeister gestellt werden.

Telefonist

In die Überlegungen miteinbezogen wurde noch die berufsfremde Tätigkeit eines Telefonisten, die zwar von einem Ungelernten - wenn nicht andere Arbeiten mit erledigt werden müssen oder zur Auskunftserteilung umfangreiches Wissen erforderlich ist - in der Regel innerhalb von drei Monaten erlernbar ist, jedoch aufgrund ihrer Einstufung in verschiedenen Tarifverträgen mindestens der oberen Anlernebene zuzuordnen ist. Die Tätigkeit eines Telefonisten ist körperlich leicht, wird aber ausschließlich im Sitzen verrichtet. In der Regel erfolgt die Vermittlung der Gespräche per Tastatur und Bildschirm. Bildschirmarbeit wird u.U. in ausgeprägt statischer Haltung verrichtet. Zumindest eine Hand muss so geschickt und belastbar sein, dass die Verbindung schnell und korrekt hergestellt, ggf. Nachrichten notiert und z.T. Gebührenaufzeichnungen geführt bzw. Abrechnungen vorgenommen werden können. Neben Voraussetzungen wie Höflichkeit, Flexibilität, Merkfähigkeit, Sprachgewandtheit mit möglichst angenehmer Stimme etc. wird außerdem ein gewisses Maß an psychischer Belastbarkeit (u.a. für Arbeit unter Zeitdruck) erwartet. Ob der Kläger die persönlichen Mindestvoraussetzungen mitbringt, kann aus berufskundlicher Sicht nicht beurteilt werden. Da die Tätigkeit eines Telefonisten ausschließlich im Sitzen in u.U. ausgeprägt statischer Haltung verrichtet wird und üblicherweise die Möglichkeit gelegentlich die Stellung zu wechseln und aufzustehen nicht besteht ist auch hier keine geeignete berufliche Alternative erkennbar.

Andere Verweisungsmöglichkeiten mindestens auf der Anlernebene, die in nennenswertem Umfang existieren und auch Außenstehenden zugänglich sind, die dem Kläger gesundheitlich uneingeschränkt zumutbar sind und von ihm nach einer Einarbeitungszeit von maximal drei Monaten ausgeübt werden können, sind aus berufskundlicher Sicht nicht erkennbar.
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