L 1 RA 137/02

Berufskundekategorie
Gutachten
Land
Niedersachsen-Bremen
Aktenzeichen
L 1 RA 137/02
Auskunftgeber
Agentur für Arbeit, Diepholz
Anfrage
Der Kläger hat nach Volksschulbesuch und angelernten Tätigkeiten bei der Bundeswehr eine Ausbildung zum Masseur und medizinischen Bademeister durchlaufen und abgeschlossen. In diesem Beruf arbeitet er nach Aktenlage bis heute. Aufgrund vielfältiger gesundheitlicher Störungen, die in den Gerichtsakten sehr ausführlich beschrieben werden, sieht er sich nicht mehr in der Lage, seinen Beruf vollschichtig wettbewerbsfähig auszuüben. Sein Antrag auf Gewährung einer EU-/BU-Rente wurde von der BfA abschlägig beschieden und ebenfalls im Widerspruchswege verneint, Hiergegen richtete sich die Klage, die erstinstanzlich vom SG Aurich abgewiesen wurde. Unstrittig ist demnach, dass der Kläger seinen Beruf als Masseur und medizinischer Bademeister nicht mehr wettbewerbsfähig ausüben kann. Dies wird auch von der Beklagten eingeräumt. Allerdings müsse sich der Kläger auf die Tätigkeit einer Empfangskraft in einem Massage und Badebetrieb oder eine Tätigkeit als Obermasseur mit verwaltenden und organisatorischen Aufgaben verweisen lassen.

Vor diesem Hintergrund und der zwischenzeitlich erfolgten weiteren medizinischen und psychologischen Sachverhaltsaufklärung wird die Frage nach der Zumutbarkeit der Ausübung des erlernten Berufes und der benannten Verweisungstätigkeiten gestellt. Weiterhin ist aus berufskundlicher Sicht zu beurteilen, ob es noch andere Verweisungsmöglichkeiten gibt.

Der berufskundliche Sachverständige hat in seinem Gutachten (Bl. 102 ff.) sehr plastisch dargelegt, dass der Beruf des Masseurs und medizinischen Bademeisters eine körperlich sehr schwere Tätigkeit ist. Sie erfordert viel Körperkraft und einen ohne Einschränkung funktionierenden Bewegungs- und Stützapparat. Dies ist bei dem Kläger nicht mehr gegeben, wie aus den gutachterlichen Stellungnahmen eindeutig hervorgeht. Insofern ist eine weitere Berufsausübung wettbewerbsfähig nicht möglich.

Weitere berufskundliche Betrachtungen nehmen regelmäßig auf den bisherigen beruflichen Werdegang, die erworbenen Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten sowie auf die erkennbar vorhandenen extrafunktionalen Qualifikationen eines Menschen Bezug. Im vorliegenden Fall wurden demnach vor allem Berufe und Tätigkeiten im so genannten medizinischen Hilfsbereich geprüft. Außerdem wurden die Ergebnisse der verschiedenen psychologischen Begutachtungen hinsichtlich der Eignung für organisierende, verwaltende und kaufmännische Tätigkeiten in die Überlegungen einbezogen. Hier sind beim Kläger andere Voraussetzungen gegeben, als in dem vom Gutachter abgegeben Gutachten (a.a.O., S. 109). Der Kläger führt selbständig eine eigene Massagepraxis. Selbst unter Berücksichtigung der Tatsache, dass verwaltende und kaufmännische Tätigkeiten nicht Bestandteil der Berufsausausbildung gewesen sind und eine schriftsprachliche und lesende Minderleistung im Gutachten der Dipl. Psychologin diagnostiziert wurde, muss im vorliegenden Fall davon ausgegangen werden, dass der Kläger mit grundlegenden betriebswirtschaftlichen Fragen der Betriebsführung in seinem eigenen Betrieb vertraut ist. Dies gilt um so mehr, als die eigene Massagepraxis über Jahre hinweg die finanzielle Grundlage des Familieneinkommens bildete. Insofern ist der Berufserfolg (und die dafür bestimmenden Faktoren) für einen Selbständigen von existenzieller Bedeutung, während ein angestellter Masseur primär auf seine regelmäßige Gehaltszahlung angewiesen ist.
Auskunft
Berufskundliches Gutachten

Unter Würdigung dieser Gesamtumstände beantworte ich die Beweisfragen des Gerichts wie folgt:

1. Mit den festgestellten und gerichtsaktlich bekannten gesundheitlichen Einschränkungen kann der Kläger nicht mehr vollschichtig und wettbewerbsfähig in seinem erlernten Beruf als Masseur und medizinischer Bademeister arbeiten.

2. Mit seinem vorhandenen Leistungsvermögen kann der Kläger in folgenden Berufen tätig sein:

Gesundheitsberater

Gesundheitsberater sind in der Gesundheitsförderung und Gesundheitsvorsorge tätig. Sie planen, koordinieren und verwirklichen Maßnahmen der Gesundheitsförderung, beispielsweise mit Kursprogrammen, Beratungsangeboten oder Vorträgen. Häufig sind sie auf Ernährungsberatung spezialisiert. Daneben werden jedoch auch andere präventive gesundheitsfördernde Maßnahmen angeboten, zum Beispiel Entspannungstraining, Rückenschule am Arbeitsplatz, Wirbelsäulengymnastik oder Suchtprävention. Gesundheitsberater sind auch in der Öffentlichkeitsarbeit tätig und in der Aus- und Fortbildung von Multiplikatoren und Multiplikatorinnen. Sie erstellen Tätigkeitsberichte sowie Statistiken, arbeiten auch mit an der Pflege von Datenbanken und erledigen Verwaltungsarbeiten. Zum Teil arbeiten sie auch bei medizinischen Dienstleistern, die gesetzlichen und privaten Krankenversicherungen medizinische Serviceleistungen zur effizienten Betreuung ihrer Versicherten bieten. Hier betreuen Gesundheitsberater die Kunden der jeweiligen Versicherungen - meist über Telefon - in allen Fragen rund um Gesundheit und Medizin. Bei Patienten mit chronischen Erkrankungen nehmen sie aktiv Kontakt auf, unterstützen sie individuell mit allen relevanten medizinischen Informationen, begleiten sie durch alle Phasen des Krankheitsverlaufes und helfen somit den Betroffenen, diesen durch Eigeninitiative positiv zu beeinflussen. Auch an der Gestaltung und Optimierung krankheitsbezogener Betreuungsprogramme sind sie beteiligt. Wesentlicher Inhalt der Tätigkeit ist die Arbeit an und mit dem Patienten oder der Patientengruppe. Verwaltende Tätigkeiten beschränken sich (auch zeitlich) auf ordnende und registrierende Tätigkeiten, die keine speziellen Kenntnisse erfordern. Vielmehr werden diese, wie auch die anderen fehlenden Kenntnisse in einer Weiterbildung vermittelt, die regelmäßig weniger als drei Monate dauert. Der Abschluss wird bundesweit durch die GBB zertifiziert und stellt die einzige bundesweit anerkannte Maßnahme dar. Es handelt sich bei dieser Tätigkeit um eine leichte körperliche Arbeit, die im Wechsel von Stehen, Gehen und Sitzen ausgeübt wird. Die Körperhaltung kann dabei weitgehend selbst bestimmt werden. Zwangshaltungen, Heben und Tragen kommen nicht vor. Die Exposition in Nässe, Kälte und Temperaturschwankungen ist nicht gegeben. Die Vergütung bewegt sich bei öffentlich-rechtlichen Trägern in den Vergütungsgruppen BAT VI bis Vb (Spanne: 2.600 - 2.800 Euro/Monat).

Saunameister

Saunameister beraten und betreuen Saunabesucher und stellen den ordnungsgemäßen Zustand der Saunaeinrichtungen sicher. Sie sorgen für einen gesundheitsfördernden Ablauf der Saunagänge, sowohl für gesunde Menschen, die nur zur Entspannung und Erholung saunieren, als auch für Besucher und Besucherinnen mit Beschwerden, denen die Sauna als therapeutische Maßnahme bzw. als Maßnahme im Rahmen einer Rehabilitation ärztlich verordnet wird. Des weiteren klären sie die Saunabesucher über gesundheitliche Auswirkungen des Saunierens auf, weisen auf medizinische Zusatzbehandlungen sowie ihre therapeutischen Wirkungen hin und warnen vor den Gefahren des Saunierens bei Patienten mit körperlichen Beeinträchtigungen. Saunameister bedienen und überwachen technische Anlagen sowie die Temperaturen der Saunaeinrichtungen oder kontrollieren das Wasser sowie die Saunaeinrichtungen nach hygienischen Vorschriften. Sie führen verwaltungstechnische Arbeiten aus, zum Beispiel das legen sie die Saunabadezeiten fest oder das erstellen Abrechnungen und Besuchsstatistiken. Beschäftigungsmöglichkeiten bieten sich Saunameistern und Saunameisterinnen vor allem bei Saunabädern, Kurbädern, Sanatorien, Kliniken, Reha-Zentren oder in Freizeit-, Sport- und Ferieneinrichtungen. Bei Saunameistern handelt es sich nicht um eine Qualifikation auf Meister-Ebene, sondern um eine Anlerntätigkeit. Zugang zur Tätigkeit eines Saunameisters haben beispielsweise Fachangestellte für Bäderbetriebe, aber auch erfahrende Fachkräfte aus anderen Bereichen, wie zum Beispiel Schwimmmeister, Rettungsschwimmer oder Sportlehrer. Üblicherweise wird eine bis zu dreimonatige Einarbeitung (insbesondere hinsichtlich der Hygienebestimmungen) vorausgesetzt. Bei öffentlich-rechtlichen Trägern erfolgt die Vergütung nach VergGr 7 bis 6. Die Gutachten der Frau Dr. (Bl. 216) und Dr. (Bl. 86) attestieren dem Kläger, dass er leichte Tätigkeiten in wechselnden Körperhaltungen in geschlossenen Räumen ausüben kann. Dabei sollen extreme Temperaturschwankungen wie auch der Einfluss von Nässe vermieden werden. Der Saunameister übt seine Tätigkeit in beheizten Räumen aus. Kälteeinwirkungen ist er nicht ausgesetzt. Hitze ist ebenfalls nicht außerhalb der Saunen selbst anzutreffen. Während der Saunabenutzung durch die Besucher ist der Saunameister keinen besonderen Hitzeeinwirkungen ausgesetzt. Eine gelegentliche kurzfristige Nässeeinwirkung kann bei Reinigungstätigkeiten auftreten. Sie ist jedoch zeitlich sehr begrenzt. Die Vergütung bewegt sich bei öffentlich-rechtlichen Trägern in den Vergütungsgruppen BAT VII bis Vb (Spanne: 2.400 - 2.800 Euro/Monat).

Fitness-Fachwirt

Fitnessfachwirte leiten den Übungsbetrieb in Fitness-Studios und Fitness-Centern und übernehmen kaufmännische und organisatorische Leitungsaufgaben. Kommerzielle Fitness-Studios und Fitness-Center erfreuen sich einer großen Beliebtheit, und das nicht nur bei Body-Buildern. Körperliche Fitness nimmt mittlerweile bei vielen Menschen einen hohen Stellenwert ein. Die steigende Zahl entsprechender Studios in Deutschland, deren Angebote vom traditionellen Bodybuilding mit unterschiedlichen Trainingsgeräten über Body-Styling, Aerobic- und Gymnastikkurse, Wirbelsäulengymnastik, Sonnenstudio bis hin zu Massagen reicht, belegt diesen Trend. Mit der Zahl der Betriebe und der damit zunehmenden Konkurrenz wuchs auch die Nachfrage nach qualifizierten Fachkräften, die Leitungsfunktionen im sportlichen und gelegentlich auch im kaufmännischen und verwaltenden Bereich übernehmen können. Die Fortbildung zum Fitnessfachwirt und zur Fitnessfachwirtin ( 250 - 500 Unterrichtsstunden) bereitet sowohl kaufmännisch, sportlich oder medizinisch vorgebildete Fachkräfte auf entsprechende Leitungsfunktionen vor. Die Zugangsvoraussetzungen sind nicht geregelt. Fitnessfachwirte kümmern sich auch um Fragen, die mit dem wirtschaftlichen Betrieb eines Fitnessstudios zusammenhängen. Sie übernehmen Managementaufgaben, koordinieren die Arbeitsabläufe, planen das spezielle Kursangebot und die darüber hinausgehenden Dienstleitungen wie zum Beispiel Sonnenbänke, Massagen oder Kinderbetreuung. Die Beschaffung neuer Trainingsgeräte und die Kundengewinnung durch geeignete Werbemaßnahmen gehören auch zu ihrem Tätigkeitsbereich. Hierfür müssen sie den Fitnessmarkt beobachten, um auf neue Trends schnell reagieren zu können und die Kundenwünsche zu berücksichtigen. Im sportlichen Bereich führen Fitnessfachwirte die funktionelle und anatomische Übungsunterweisung von Einzelpersonen und Gruppen im Training mit freien Hanteln und mit Trainingsmaschinen durch. Bei neu hinzukommenden Kunden ist in der Regel erst einmal ein Fitness-Eingangs-Check angebracht, zur Beurteilung der jeweiligen körperlichen Verfassung. Danach werden auf den Kunden abgestimmte Übungspläne zusammengestellt. Fitnessfachwirte informieren auch über die richtige Gerätebedienung, sorgen für die optimale Trainingsdosierung, um Über- oder Unterforderung zu vermeiden und überprüfen die Trainingsfortschritte. Auch die Durchführung von Gruppenkursen, zum Beispiel Aerobic, Gymnastik, Stretching, Wirbelsäulengymnastik, gehört zu ihrem Tätigkeitsbereich. Die Beratung von Kunden in Ernährungsfragen sowie deren gesamte Betreuung und Motivation im Fitness-Center runden die Tätigkeit ab. Neben der Tätigkeit in Fitness-Centern können Fitnessfachwirte auch in Reha- und Vorsorgeeinrichtungen oder in der Tourismusbranche arbeiten. Große Sporthotels, Ferienanlagen und Schönheitsfarmen verfügen meist über ein breit gefächertes Angebot im Sport- und Fitnessbereich. Fitness-Center sind Dienstleistungsbetriebe der Freizeitwirtschaft, und deshalb sind die Öffnungszeiten weitgehend von den Bedürfnissen und Wünschen der Kunden abhängig. Arbeit in den Nachmittags- und Abendstunden und am Wochenende ist üblich. Die körperlichen Belastungen variieren mit der konkreten Tätigkeit (Büroarbeiten oder Leiten von Fitnesskursen), stellen aber grundsätzlich eine nur eine leichte körperliche Arbeit ohne besondere Belastungen des Bewegungsapparates dar. Mit Hilfe der einschlägigen Fachzeitschriften und -bücher halten sich Fitnessfachwirte stets über neue Trends auf dem Laufenden. Für das Erstellen von Statistiken, Aufstellungen, Kalkulationen, Bilanzen und Berichten verwenden sie die üblichen kaufmännischen Arbeitsmittel, wie Rechenmaschine, einschlägige Software und die entsprechenden Vordrucke und Formulare.

Kaufmännisches Denken, organisatorisches Geschick und Kommunikationsfähigkeit sind wichtige Voraussetzungen für die Tätigkeit von Fitnessfachwirten. Auch müssen sie sich immer wieder auf neue Kunden unterschiedlichen Alters und unterschiedlicher Leistungsstärke einstellen können. Die Tätigkeit eines Fitness-Fachwirtes entspricht im kaufmännisch - verwaltenden Bereich in vielerlei Hinsicht der beruflichen Vorerfahrung des Klägers. Von grundsätzlichem Vorteil sind seine gutachterlich beschriebene sprachliche Kompetenz, seine medizinischen und anatomischen Fachkenntnisse und seine betriebsorientierte Denkweise. Managementtätigkeiten beziehen sich in diesem Zusammenhang weniger auf verrichtungsorientierte, praktische kaufmännische Tätigkeiten, sondern auf konzeptionelle Arbeit sowie die Bereiche des Personaleinsatzes und der Personalführung. Fortbildungen zum Fitness-Fachwirt werden von freien Trägern bundesweit in verschiedenen Formen (Teilzeit oder Vollzeit) angeboten. Der Fortbildungsumfang umfasst mindestens 250 Unterrichtsstunden, so dass ein Zeitraum von drei Monaten für das Absolvieren realistisch ist. Entsprechende Kursangebote sind bundesweit vorhanden. Die Bezahlung richtet sich nach der Schwierigkeit der Aufgaben, Verantwortung und der beruflichen Erfahrung. Daneben sind regionale Unterschiede sowie Abweichungen zwischen den verschiedenen Branchen und Unternehmen Gründe dafür, dass die folgend genannten Grundvergütungen nur als Anhaltspunkt für die Einkommenshöhe dienen können. Die Vergütung bewegt sich bei öffentlich-rechtlichen Trägern in den Vergütungsgruppen BAT VI bis Vb (Spanne: 2.600 - 2.800 Euro/Monat).
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