S 8 RJ 137/02

Berufskundekategorie
Stellungnahme
Land
Freistaat Bayern
Aktenzeichen
S 8 RJ 137/02
Auskunftgeber
Regionaldirektion Bayern, Nürnberg
Anfrage
Der bei der Rentenantragstellung 44jährige Kläger hat von 1972 bis 1975 den Beruf des Fliesenlegers erlernt und anschließend ausgeübt.
Ab 04.01.2001 bestand Arbeitsunfähigkeit und ab 22.02.2001 erhielt der Kläger Krankengeld.

Der GdB beträgt 30.

Nach dem orthopädischen Gutachten von Dr.^Kraus^ vom 09.12.2003 stellt sich das Leistungsvermögen des Klägers wie folgt dar:
- mindestens 6-stündige Tätigkeit
- mittelschwere und schwere körperliche Arbeiten nur noch unter 2-stündig
- unter Vermeidung von Arbeiten wie
o Tätigkeiten an unfallgefährdeten Arbeitsplätzen,
o Arbeiten auf Leitern und Gerüsten mit Absturzgefahr
o Arbeit an laufenden Maschinen

- ohne Tätigkeiten mit besonderer Belastung des Bewegungs- und Stützsystems wie
o überwiegendes Stehen oder Gehen
o jegliches Heben und Tragen von Lasten
o Bücken
o häufigen Überkopfarbeiten
o Arbeiten in Zwangshaltungen
o häufiges Steigen
- ohne Tätigkeiten mit ungünstigen äußeren Bedingungen wie
o Tätigkeiten unter Einfluss von Zugluft, Temperaturschwankungen und Nässe sowie Kälte
Auskunft
Berufskundliche Stellungnahme Die Beklagte verweist den Kläger im Bescheid vom 31.10.2001 und im Widerspruchsbescheid vom 01.02.2002 auf die Tätigkeit eines Fachberaters in einem Bau- bzw. Heimwerkermarkt und eines Hausmeisters.

Fachberater in einem Bau- bzw. Heimwerkermarkt
In Betrieben, die Waren überwiegend in Selbstbedienung anbieten (Bau-, Heimwerkermärkte) stellen Aufgaben wie Warenannahme, Lagerung, Bereitstellung und Platzierung im Verkaufsraum, Auszeichnung, Bestandsüberwachung und Mitwirkung bei der Sortimentsgestaltung und Beschaffung die Tätigkeitsschwerpunkte dar. Kundenkontakte, z.B. Orientierungshilfen, Auskünfte zu Qualität, Verarbeitungstipps, Preisangaben und -berechnungen stellen eine besondere, obgleich unverzichtbare Serviceleistung dar. Der Umgang mit Kunden setzt Höflichkeit, Kontaktfähigkeit, Flexibilität usw. und auch ein gewisses Maß an psychischer Belastbarkeit voraus. Bei größerem Kundenandrang kann es auch zu Zeitdruck kommen.

Arbeitgeberbefragungen bestätigen, dass auch Facharbeiter bei persönlicher Eignung und nach Einarbeitung als Fachverkäufer beschäftigt werden. Eine vollständige Einarbeitung ist jedoch üblicherweise nicht in einem Zeitraum von höchstens drei Monaten möglich. Der Kläger, der ausschließlich als Fliesenleger beschäftigt war, benötigt für eine Tätigkeit als Fachverkäufer in Bau- oder Heimwerkermärkten mindestens einen Einarbeitungszeitraum von drei Monaten. Verlangt wird nahezu ausschließlich Stehen und Gehen. Bücken ist durchaus häufig erforderlich, auch Recken, gelegentlich Überkopfarbeit bzw. Hochhantierungen und Besteigen von Leitern ist nicht auszuschließen. Heben und Tragen von Lasten ist keineswegs zu vermeiden. Unabhängig vom erforderlichen Einarbeitungszeitraum entspricht das Leistungsvermögen des Klägers nicht mehr den üblichen Anforderungen.

Für Kundenberatung im Baustoff-Fachhandel trifft es vielfach zu, dass der Verkauf im Verkaufsraum oder sogar am Schreibtisch anhand von Listen, Katalogen oder über ein Computer-Terminal abgewickelt und eine strikte Trennung zum Lager eingehalten wird. Arbeitgeberbefragungen und vermittlerischen Erfahrungen zufolge wird jedoch üblicherweise den kaufmännischen Kenntnissen, Fertigkeiten und Fähigkeiten größere Bedeutung als dem produktbezogenen und anwendungsspezifischen Wissen zugemessen und kaufmännisch ausgebildeten Personal (vor allem Groß- oder u.U. auch Einzelhandelskaufleute) beschäftigt. Aufgrund seines beruflichen Werdeganges verfügt der Kläger nur über begrenzte bzw. sehr spezielle warenkundliche Kenntnisse. Ein Einarbeitungszeitraum von drei Monaten ist daher bei weitem zu kurz.

Hausmeister
Die Aufgaben eines Hausmeisters variieren je nach Art des zu betreuenden Objekts (Wohnhaus oder -anlage, Büro- und Fabrikgebäude, Schule, Theater, Heime usw.). Dazu gehören: Mängel feststellen und beheben (z.B. an allen elektrischen Anlagen einschließlich Beleuchtungs-, Heizungs- und Sanitäranlagen, an Türen, Fenstern, Möbeln, Aufzügen), ggf. Fremdfirmen einschalten, deren Arbeit überwachen und abnehmen, Wartungsarbeiten und Schönheitsreparaturen durchführen, Reinigungsarbeiten im, ggf. auch außerhalb des Gebäudes vornehmen (z.B. auch Schneeräumen, Streudienst) oder Garten, Grün- und Sportanlagen pflegen, für die Einhaltung von Feuerschutz und sonstigen Sicherheitsbestimmungen sorgen, Mithilfe bei Umzügen, Aufstellen von Sitzgelegenheiten in Sälen etc., Beschilderungen anbringen, auch Botendienste, Wohnungsbesichtigungen mit Mietinteressenten durchführen usw. Abhängig von der Größe des Objekts und der Arbeitsorganisation ist vielfach eine Verschiebung möglich zwischen dem eigentlichen Durchführen der Arbeit und dem Veranlassen der Ausführung durch Fremdfirmen und deren Überwachung.

Erforderlich ist üblicherweise Verständnis für technische Dinge und handwerkliches Geschick mit z.T. vielfältigen handwerklichen Kenntnissen und Fertigkeiten.

Eine Hausmeistertätigkeit würde noch auf zumutbarer Qualifikationsebene liegen. Hausmeister ist kein Ausbildungsberuf, es gibt kein einheitliches, verbindliches Berufsbild. Eine abgeschlossene Ausbildung ist nicht immer Voraussetzung, jedoch meist erwünscht. Besonders eignen sich Berufe wie Sanitär-, Heizungs- oder Elektroinstallateur, Schlosser, ggf. auch Schreiner. Die Tätigkeit liegt auf der Ebene der Anlern- und Facharbeiterberufe. Beim Vorliegen einer verwertbaren Ausbildung ist die Tätigkeit oft auch auf Facharbeiterebene entlohnt. Je nach Aufgabenstellung und Vorkenntnissen ist von einer Einarbeitungszeit von zwei Monaten bis zu einem Jahr auszugehen. Dem Kläger dürfte ein maximal dreimonatiger Einarbeitungszeitraum genügen, um die qualifizierte Angelerntenebene zu erreichen. Jedoch ist die Einsatzbreite eines Fliesenlegers relativ gering und entspricht nur auf Arbeitsplätzen den fachlichen Anforderungen, bei denen Instandsetzungsarbeiten, Reparaturarbeiten an Bauwerken, Bauwerksteilen u.ä. durchzuführen sind. Die Arbeiten eines Hausmeisters sind in der Regel leicht bis mittelschwer, können u.U. aber auch gelegentlich schwer sein. Stehen und Gehen überwiegt deutlich, ein Wechsel der Arbeitshaltung ist jedoch möglich (90% Stehen und Gehen mit Treppensteigen und 10% Sitzen). Heben und Tragen von schweren Lasten ist zwar in der Regel nicht täglich oder häufig erforderlich, lässt sich meist aber nicht ganz ausschließen. Zwangshaltungen (Bücken, Hocken, Knien) lassen sich ebenso wenig ausschließen wie Arbeiten auf Leitern und Überkopfarbeiten. Ein Hausmeister sollte daher über einen gesunden Stütz- und Bewegungsapparat verfügen. Das Leistungsvermögen des Klägers entspricht nicht den üblichen Anforderungen.

Lagerverwalter
In ähnlich gelagerten Fällen wurde häufig die Tätigkeit eines Lagerverwalters genannt. Der Lagerverwalter hat in der Regel sicherzustellen, dass die Warenannahme und Eingangskontrolle ordnungsgemäß erfolgt, die verschiedenen Waren fachgerecht unter Berücksichtigung der jeweiligen Eigenschaften gelagert, gepflegt und weiterbehandelt werden, eine betriebswirtschaftliche und produktionsbezogene optimale Lagerbestandsmenge vorgehalten wird, Lagervorschriften und Sicherheitsbestimmungen beachtet und alle Lagereinrichtungen ordnungsgemäß gehandhabt, gepflegt und instand gehalten werden. Je nach Lagergröße hat er die dabei anfallenden Arbeiten in erster Linie zu planen, zu organisieren, zu steuern und zu überwachen oder auch selbst praktisch mitzuarbeiten oder sie in ihrer Gesamtheit allein zu verrichten. Wenn der Schwerpunkt auf verwaltenden und leitenden Aufgaben liegt, handelt es sich üblicherweise um eine Aufstiegsposition. Die dafür erforderlichen Kenntnisse und Fertigkeiten, insbesondere auch im aufmännisch-betriebswirtschaftlichen und bürotechnischen Bereich können vom Kläger, der ausschließlich als Fliesenleger tätig war, nicht im Rahmen einer maximal dreimonatigen Einarbeitung vermittelt werden. Die bis zur Facharbeiterebene in der Regel erforderlichen, eigentlichen Lagerarbeiten beinhalten dagegen erfahrungsgemäß mindestens mittelschwere, u.U. auch schwere Belastungen, insbesondere entsprechende Hebe- und Tragebelastungen, Bücken und andere Zwangshaltungen, Klettern auf Lkw-Ladeflächen, u.U. auch Besteigen von Leitern, teilweise im Freien bzw. unter Witterungseinflüssen. Aus berufskundlicher Sicht ist im Lagerbereich keine für den Kläger uneingeschränkt zumutbare bzw. innerhalb von drei Monaten erlernbare Verweisungstätigkeit erkennbar.

Telefonist
In die Überlegung wurde noch die in ähnlichen Fällen genannte berufsfremde Tätigkeit eines Telefonisten miteinbezogen, die zwar von einem Ungelernten - wenn nicht andere Arbeiten mit erledigt werden müssen oder zur Auskunftserteilung umfangreiches Wissen erforderlich ist, in der Regel innerhalb von drei Monaten erlernbar ist, jedoch aufgrund ihrer Einstufung in verschiedenen Tarifverträgen mindestens der qualifiziert Angelerntenebene zuzuordnen ist. Die Telefonistentätigkeit ist körperlich leicht, wird aber ausschließlich im Sitzen, ausgeübt. In der Regel erfolgt die Vermittlung der Gespräche per Tastatur und Bildschirm. Bildschirmarbeit wird u.U. in ausgeprägt statischer Haltung verrichtet. Zumindest eine Hand muss so geschickt und belastbar sein, dass die Verbindung schnell und korrekt hergestellt, ggf. Nachrichten notiert und z.T. Gebührenaufzeichnungen geführt bzw. Abrechnungen vorgenommen werden können. Neben Voraussetzungen wie Höflichkeit, Flexibilität, Merkfähigkeit, Sprachgewandtheit mit möglichst angenehmer Stimme etc. wird außerdem ein gewisses Maß an psychischer Belastbarkeit (u.a. für Arbeit unter Zeitdruck) erwartet. Wenn der Kläger die persönlichen Mindestanforderungen mitbringt und wenn ausschließliches Sitzen und Arbeiten in u.U. ausgeprägt statischer Haltung das Restleistungsleistungsvermögen nicht gefährdet oder auf Dauer schädigt, könnte der Kläger aus berufskundlicher Sicht auf die Tätigkeit eines Telefonisten verwiesen werden. Arbeitsplätze sind in nennenswertem Umfang vorhanden.

Andere angelernte Tätigkeiten (Anlernzeit ohne Vorbildung mindestens drei Monate) bzw. höher qualifizierte Tätigkeiten, die der Kläger nach seiner Vorbildung und seinen gesundheitlichen Möglichkeiten nach einer Einarbeitungszeit bis zu drei Monaten noch verrichten kann, sind aus berufskundlicher Sicht nicht erkennbar.
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