S 8 R 291/02

Berufskundekategorie
Stellungnahme
Land
Freistaat Bayern
Aktenzeichen
S 8 R 291/02
Auskunftgeber
Regionaldirektion Bayern, Nürnberg
Anfrage
Der im Zeitpunkt der Antragstellung auf Rente wegen Erwerbsminderung am 20.11.2001 46-jährige Kläger hat den Beruf eines Maurers erlernt und war nach der von ihm erstellten Beschäftigungsübersicht danach in diesem Beruf sowie des Weiteren als Pflasterer, Baggerführer und Polier tätig gewesen. Anschließend bezog er Krankengeld bzw. Arbeitslosengeld.

Die gesundheitliche Leistungsfähigkeit des Klägers wird in dem fachorthopädischen Gutachten von Dr. vom 18.01.2004 wie folgt beschrieben:
- zu den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes ist eine mindestens sechsstündige Tätigkeit zumutbar
- leichte bis gelegentlich mittelschwere körperliche Tätigkeiten in wechselnder Stellung sowohl im Freien als auch in geschlossenen Räumen
- keine Tätigkeiten in überwiegendem Stehen oder Gehen
- keine Tätigkeiten in Zwangshaltungen, welche die unteren Extremitäten betreffen, somit auch keine Tätigkeiten in kniender oder hockender Haltung
- kein häufiges Treppensteigen, Steigen auf Leitern oder Gerüsten
- kein häufiges Bücken. Diese geminderte Erwerbsfähigkeit bestehe dauernd.

Aus berufskundlicher Sicht schließe ich mich der Auffassung der Beklagten in ihrem Schreiben vom 02.03.2004 an, dass der Kläger die Tätigkeit eines Maurers bzw. Poliers und Baggerführers nicht mehr ausüben kann. Auch die frühere Berufsausübung als Pflasterer ist ihm aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr zumutbar, weil diese Arbeiten häufig im Bücken, Knien und Hocken verrichtet werden müssen. Zu untersuchen bleibt, ob die von der Beklagten benannten beruflichen Verweisungstätigkeiten, nämlich Fachberater im Baustoffhandel, Disponent in einer großen Baustofffirma oder Lagerleiter in der Bau(zubehör)industrie, für den Kläger nach seinem Restleistungsvermögen zumutbar sind.
Auskunft
Fachverkäufer/-berater für Bau-/Heimwerkerbedarf

Bei der Ausbildung zum Fachberater in Bau- und Handwerkermärkten handelt es sich zum einen um eine berufliche Fortbildung nach dem Berufsbildungsgesetz (BBiG) im Anschluss an einen einschlägigen anerkannten Ausbildungsberuf. Zuständige Stelle für diese Fortbildungsprüfung ist die Industrie- und Handelskammer. Zum anderen kann die Ausbildung zum Fachberater in Bau- und Heimwerkermärkten als berufliche Fortbildung durchgeführt werden, die mit einem internen Zertifikat des jeweiligen Lehrgangsträgers abgeschlossen wird. Die Dauer der Fortbildungslehrgänge ist unterschiedlich. Vollzeitfortbildungen liegen zwischen 5 Monaten und 1 Jahr, berufsbegleitende Teilzeitlehrgänge dauern zwischen 4 Monaten und 1 Jahr.

Fachberater für Bau- und Heimwerkerbedarf beraten sowohl Laien als auch Fachleute über die richtige Verwendung von Baustoffen aller Art sowie über die Anwendung von Arbeitstechniken und Maschinen bzw. Werkzeugen. In Baumärkten und im Baustoffhandel bietet sich eine breite Palette von Spezialisierungen, ausgerichtet auf die jeweiligen Produkte. So beschäftigen sich die Fachberater beispielsweise mit Fragen und Produkten der Heizungs- und Sanitärinstallation ebenso wie mit der Elektrotechnik, mit Maler- und Tapezierarbeiten, Fliesenlegen oder Holz- und Metallbearbeitung, mit Kraftfahrzeugzubehör und Kraftfahrzeugpflege, aber auch mit Garten- oder mit Heimtierbedarf. Aufgrund ihrer Ausbildung übernehmen sie neben der reinen Kundenberatung Tätigkeiten in der Warenbeschaffung und Lagerverwaltung, im Abrechnungs- und Bestellwesen oder in Marketing und Werbung. Außerdem kann bei einiger Berufserfahrung Mitarbeiterführung zu ihrem Aufgabenbereich gehören.

Verlangt wird nahezu ausschließlich Stehen und Gehen. Bücken ist durchaus häufig erforderlich, auch Recken, gelegentliche Überkopfarbeit bzw. Hochhantierungen und das Besteigen von Leitern ist nicht auszuschließen. Heben und Tragen von Lasten sind nicht zu vermeiden. Die zu bewegenden Gewichte können sogar das mittelschwere Maß übersteigen. Zusätzlich wird vorausgesetzt die persönliche Eignung für Verkaufstätigkeiten wie Kontaktfähigkeit, Höflichkeit, Flexibilität.

Unabhängig von den gesundheitlichen Einschränkungen des Klägers, die einer vollwertigen und uneingeschränkten Berufsausübung entgegenstehen, würde er eine mehr als dreimonatige Einarbeitungszeit benötigen. Arbeitsplätze wären im Übrigen innerhalb des Bundesgebietes in nennenswerter Anzahl vorhanden.

Disponent in einer großen Baustofffirma

In der Regel wird für den Zugang zur Tätigkeit eine abgeschlossene Ausbildung beispielsweise als Fachkaufmann für Vorratswirtschaft, Kaufmann im Eisenbahn- und Straßenverkehr oder Hafenarbeiter erwartet. Beschäftigte mit einschlägiger Berufserfahrung können die Tätigkeiten ebenfalls ausüben. Auch die Einarbeitung von Fachkräften zum Beispiel aus der Logistik-Branche ist denkbar.

Disponenten - Lager sind für die bedarfsgerechte Materialanforderung im Warenlager zuständig. Sie bearbeiten, kontrollieren und dokumentieren die Lagerzu- und -abgänge und überwachen die Einhaltung der Sicherheitsbestände. In Abstimmung mit der Produktionsplanung und Fertigungssteuerung führen sie Materialanforderungen und Nachbestellungen durch oder geben die Information über drohende Materialengpässe an die Produktion weiter. Um den Überblick über den gesamten Bestand zu behalten, gehört es zu ihrem Beruf, Statistiken zu führen und auszuwerten sowie Inventuren durchzuführen.

Aus berufskundlicher Sicht erscheint dieser Verweisungsberuf für den Kläger nicht geeignet, weil seine gesundheitlichen Leistungseinschränkungen bei einer derartigen Berufsausübung nicht gebührend berücksichtigt werden könnten. Auch wäre aufgrund seiner ausschließlich bisher im gewerblichen Bereich ausgeübten beruflichen Tätigkeiten eine mehr als dreimonatige Einarbeitungszeit wahrscheinlich.

Lagerleiter in der Bau(zubehör)industrie

Lagerleiter organisieren Warenlager und stimmen die Lagerorganisation mit vor- und nachgelagerten Abteilungen wie dem Einkauf oder Vertrieb ab. Sie sind sowohl für die praktisch-technische Lagerorganisation (Wareneingang, Lagerhaltung, Warenausgang, Versand, Entsorgung) zuständig als auch für einen optimalen Personaleinsatz und für die Personalführung. Sie arbeiten mittlerweile verstärkt mit modernen EDV-Systemen und berücksichtigen umweltschutz- und sicherheitsrechtliche Gesichtspunkte. Sie arbeiten überwiegend in Lagerhallen, meist bei künstlicher Dauerbeleuchtung. Je nach Einsatzbereich sind sie auch Witterungseinflüssen wie Nässe, Kälte, Hitze und Zugluft ausgesetzt. Vielfach ist die Lärmeinwirkung durch Förder- und Hebezeuge, Transporteinrichtungen und Maschinen hoch. Oft arbeiten Lagerleiter unter Zeitdruck, gilt es doch Termine einzuhalten. Und auch der möglichen Schichtarbeit müssen sie sich anpassen. Zum Teil ist körperlicher Einsatz und/oder Einsatz technischer Arbeitsmittel erforderlich. Die Arbeit ist körperlich leicht bis mittelschwer, zum Teil auch schwer und erfolgt im Wechsel zwischen Sitzen, Stehen und Gehen. Teilweise sind Zwangshaltungen wie Bücken, Hocken, Knien, Überkopfarbeit oder das Klettern, Steigen auf Leitern, Gerüste, Laderampen notwendig. Es handelt sich um eine selbständige Aufgabenerledigung im Rahmen des zugewiesenen Tätigkeitsbereichs, das heißt Einzelarbeit, eingebunden in das betriebliche Geschehen. Für den Zugang zur Erwerbstätigkeit wird in der Regel eine Fortbildung bzw. Qualifizierung als Lagerverwalter gefordert. In Abhängigkeit von der Arbeitsaufgabe ist auch Beschäftigten mit Berufsabschlüssen im Material- und Lagerwesen der Zugang möglich.

Aus berufskundlicher Sicht ist diese berufliche Verweisungstätigkeit dem Kläger aufgrund seines körperlichen Restleistungsvermögens nicht zumutbar und könnte mit Blick auf seinen bisherigen beruflichen Werdegang auch nicht innerhalb einer maximalen dreimonatigen Einarbeitungszeit vollwertig ausgeübt werden. Arbeitsplätze wären in nennenswerter Anzahl vorhanden.

Folgende weitere berufliche Alternativen wurden geprüft:

Magaziner in größeren Bauunternehmen

Ein Baustellenmagaziner muss auf Baustellen das Baumaterial und die Arbeitsgeräte nicht nur verwalten, sondern auch ausgeben. Es fallen dabei leichte bis mittelschwere, unter Umständen auch schwere körperliche Arbeiten an; insbesondere im Hinblick auf die auftretenden Hebe- und Tragebelastungen. Auch wenn für größere und schwere Teile technische Hilfsgeräte zur Verfügung stehen, bleibt es doch nicht aus, dass der Magaziner Baumaterialien und Arbeitsgeräte wie Bohrhämmer, Schalungsbretter, Kompressoren etc. selbst abladen und ausgeben muss. Die Tätigkeit wird im Gehen und Stehen verrichtet. Eine Möglichkeit zum Sitzen besteht selten. Bücken ist häufig erforderlich (z. B. auch bei kleineren Reparaturen an den eingesetzten Arbeitsgeräten), auch Klettern und Steigen auf Leitern und Gerüsten mit damit zusammenhängender Absturzgefahr. Zusätzliche Belastungen treten auf, wenn im Freien unter Witterungseinflüssen und baustellenüblichen Umgebungsbedingungen gearbeitet werden muss. In größeren Baumagazinen, in denen Hilfskräfte zur Verfügung stehen, wird der Baustellenmagaziner überwiegend schriftliche und organisatorische Aufgaben zu erledigen haben.

Die gesundheitlichen Leistungseinschränkungen des Klägers könnten bei dieser Berufsausübung nicht gebührend berücksichtigt werden. Für schriftliche und organisatorische Aufgabenerledigungen würde aufgrund seiner Berufsbiografie eine Einarbeitungszeit von bis zu drei Monaten nicht ausreichend sein. Im Übrigen beschäftigen Bauunternehmen im Baumagazin meist Arbeitskräfte mit langjähriger Betriebszugehörigkeit, insbesondere gute Kräfte aus dem Helferbereich. In anderen Branchen werden in der Werkzeug- und Materialausgabe - unabhängig vom Leistungsvermögen des Klägers - keinesfalls gelernte Maurer, sondern einschlägig ausgebildete Fachkräfte wie z. B. Metallfacharbeiter oder Elektriker bevorzugt. Außerdem werden entsprechende Arbeitsplätze häufig innerbetrieblich mit gesundheitlich leistungsgeminderten Beschäftigten besetzt, da die Belastungen im Vergleich zum Ausgangsberuf geringer sind.

Bauhofverwalter

In der Regel wird für den Zugang zur Tätigkeit eine abgeschlossene Ausbildung als Baumaschinenführer oder Baugeräteführer gefordert. Personen mit einschlägiger Berufserfahrung und Berufsabschlüssen im Bereich Fahrzeugtechnik können ebenfalls in Frage kommen. Bauhofverwalter übernehmen die Leitung des Parks von Baumaschinen, Baugeräten, Bau- bzw. Baugerätefahrzeugen und der Reparaturwerkstatt sowie des Ersatzteillagers. Zu ihren Aufgaben gehören die Überwachung der Reparatur-, Wartungs- und Instandhaltungsarbeiten und des Lagerbestandes einschließlich Bestellungen von Ersatzteilen, Werkzeugen, Schmierstoffen, Ölen, Kraftstoffen und Ähnliches sowie das Veranlassen des Gerätetransports. In großen Betrieben handelt es sich üblicherweise um eine weitgehend im Sitzen am Schreibtisch/PC zu verrichtende körperlich leichte Tätigkeit. In kleineren Bauhöfen ist es aber durchaus üblich, dass vom Verwalter zumindest gelegentlich Mithilfe bei Be- und Entladearbeiten oder Lagerarbeiten mit zum Teil schwereres Heben und Tragen sowie Bücken verlangt wird.

Auch für diese berufliche Verweisungstätigkeit erscheint der Kläger aus hiesiger Sicht nicht geeignet zu sein. Für eine uneingeschränkte berufliche Betätigung wäre eine mehr als dreimonatige Einarbeitungszeit erforderlich und den gesundheitlichen Leistungseinschränkungen des Klägers würde nicht ständig und in vollem Umfange gebührend Rechnung getragen werden.

Hausmeister

Hausmeister stellen den bestimmungs- und ordnungsgemäßen pfleglichen Gebrauch von Gebäuden, Grundstücken und technischen Anlagen/Einrichtungen sicher. Sie warten die gesamte Haustechnik (soweit dies rechtlich zulässig ist) und führen bei kleineren Schadensfällen Reparaturarbeiten durch. Hausmeister überwachen die Versorgung mit Heizöl, Kohle, Koks, Strom oder Gas. Sie reinigen regelmäßig gemeinsam benutzte Räumlichkeiten der zu betreuenden Objekte (zum Beispiel Keller, Garagen, Flure, Sanitärräume), falls dies nicht Aufgabe der Mieter bzw. Nutzer oder Aufgabe von Reinigungsdiensten ist. Hausmeister kümmern sich auch um die Reinigung und Pflege von Grünanlagen, Wegen, Bürgersteigen oder Höfen. Sie führen ebenfalls kleinere Umzugs-, Renovierungs-, Reparatur- und Umbauarbeiten in den zu betreuenden Räumlichkeiten durch. Es handelt sich hierbei um eine körperlich leichte bis mittelschwere Arbeit im Gehen und Stehen, bei Reparatur und Wartung aber auch zum Teil um Zwangshaltungen (Bücken, Knien, Hocken und Überkopfarbeit) sowie zeitweise Arbeit auf Leitern. Mit Nässe, Kälte und Zugluft muss gerechnet werden; ebenso das Heben und Tragen von Ersatzteilen (über 5 kg). Bei der Tätigkeit als Hausmeister ist das Reinigen (Kehren) der Außenanlagen, das Mähen vorhandener Grasflächen wie auch die Schneebeseitigung und Streuen im Winter nicht auszuschließen.

Das im fachorthopädischen Gutachten vom 18.01.2004 beschriebene Leistungsvermögen des Klägers lässt unter berufskundlichen Aspekten eine Berufsausübung als Hausmeister nicht als zumutbar erscheinen. Zudem sind die beruflichen Kenntnisse und Fertigkeiten eines Maurers eher begrenzt verwertbar.
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