L 4/12 RJ 93/04

Berufskundekategorie
Stellungnahme
Land
Hessen
Aktenzeichen
L 4/12 RJ 93/04
Auskunftgeber
Landesarbeitsamt Hessen
Anfrage
In obigem Rechtsstreit wird um die Beantwortung der unter II. aufgeführten berufskundlichen Beweisfragen unter Berücksichtigung der nachfolgend aufgezeigten Anknüpfungstatsachen gebeten.

I. Anknüpfungstatsachen:

a) Beruflicher Werdegang und sonstige berufsbezogene Qualifikationen des Klägers:

Ausbildung zum Bauschlosser in der Zeit vom 03.08.1965 bis 03.08.1968. Seit dem 02.01.1969 bei der X. beschäftigt im Gleisbau. 1985 eine Ausbildung zum Wagenmeister (Güter) absolviert. Zuletzt arbeitete der Kläger aus gesundheitlichen Gründen seit März 1999 als Materialherausgeber.

b) Gesundheitliches Restleistungsvermögen des Klägers:

Nach dem orthopädischen Sachverständigengutachten des Dr. A. vom 02.08.2003 ist der Kläger in der Lage regelmäßig mindestens sechs Stunden leichte Arbeiten zu verrichten. Diese Arbeiten sollen nur wechselnder Körperhaltung, ohne Überkopfarbeiten, mit Hebe- und Bückarbeiten bis fünf kg, nicht auf Leitern und Gerüsten und nur in geschlossenen, warmen Räumen ausgeübt werden. Nach dem neurologisch-psychiatrischen Gutachten des Dr. D. vom 12.01.2005 ist der Kläger in der Lage, mindestens sechs Stunden täglich unter den Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes erwerbsmäßig leichte Arbeiten zu verrichten. Aus neurologisch-psychiatrischer Sicht sind Arbeiten mit erhöhten Anforderungen an die seelische Belastbarkeit sowie Arbeiten unter beengenden räumlichen Bedingungen auszuschließen.

II. Beweisfragen:

1. Welche berufsnahen oder berufsfremden Tätigkeiten kann der Kläger noch ausüben?

2. Welches fachliche und gesundheitliche Anforderungsprofil haben diese Tätigkeiten im Einzelnen?

3. Welche Ausbildungszeiten erfordern diese Tätigkeiten und wie werden diese Tätigkeiten tarifvertraglich eingestuft?

4. Kann der Kläger unter Berücksichtigung der Anknüpfungstatsachen zu I.a nach einer bis zu 3 Monate dauernden Einarbeitung und Einweisung die für die in Betracht kommenden Tätigkeiten vollwertig verrichten?

5. Stehen die in Betracht kommenden Tätigkeiten (bitte einzeln bezeichnen) auf dem Arbeitsmarkt in nennenswertem Umfang (mehr als 300 Arbeitsplätze im Bundesgebiet) zur Verfügung?

6. Stehen die in Betracht kommenden Tätigkeiten auch Betriebsfremden zur Verfügung?
Auskunft
Stellungnahme:

zu 1.) Berufsnahe Tätigkeiten kommen für den Kläger nach dem vom Gericht festgestellten Restleistungsvermögen nicht mehr in Betracht. Auch die zuletzt ausgeübte Tätigkeit „Materialausgeber“ scheidet aus, diese wird seit Jahren als offene Stelle auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht mehr angeboten. Es handelt sich hier um sog. „Schonarbeitsplätze“, die ausschließlich langjährig beschäftigten eigenen Betriebsangehörigen zur Verfügung gestellt werden wenn diese infolge Krankheiten oder sonstigen Gebrechen für ihre frühere im Betrieb ausgeübte Berufstätigkeit nicht mehr zur Verfügung stehen.

Berufsfremde Tätigkeiten, die das vorhandene Restleistungsvermögen berücksichtigen, sind beispielsweise der Bürobote und Poststellenmitarbeiter, der Warenaufmacher/ Versandfertigmacher und der Pförtner/Tagespförtner.

zu 2.) Bürobote und Poststellenmitarbeiter
Büroboten und Poststellenmitarbeiter nehmen die eingehende Post in Empfang, versehen sie mit Eingangsstempel und verteilen sie ebenso wie die interne Post. Ausgehende Post wird von ihnen frankiert. Bei Botengängen überbringen sie mündliche oder schriftliche Benachrichtigungen oder Schriftstücke, Akten, Briefe, Material sowie Waren aller Art an verschiedene Referate, Sachbearbeiter und Sachbearbeiterinnen, Verwaltungsabteilungen (beispielsweise die Registratur). Für den Transport der Schriftstücke, Akten etc. stehen Hilfsmittel zur Verfügung Es handelt sich dabei um eine körperlich leichte Arbeit in geschlossenen, temperierten, oft klimatisierten Räumen. Es wird überwiegend im Sitzen, zeitweise im Stehen und Gehen gearbeitet. Üblich ist der Umgang mit Bürokommunikationsmitteln und Datenverarbeitung, zunehmend Arbeit am Bildschirm. Gelegentlich findet die Arbeit unter Zeitdruck statt.

Warenaufmacher/Versandfertigmacher
Die wesentlichen Aufgaben umfassen das verschönernde und zweckbedingte Aufmachen von Erzeugnissen der gewerblichen Wirtschaft und die vorbereitenden Arbeiten für deren Versand. Im einzelnen wären hier zu nennen: Das Entfernen produktionsbedingter Verschmutzungen durch Blankreiben, Polieren o.ä., das Aufkleben, Einnähen oder Befestigen von Reklame-, Prüf-, Waren- oder Gütezeichen, Etiketten, Preisauszeichnungen o.ä., das Abzählen, Abwiegen, Abmessen oder Abfüllen von Waren, das Einwickeln bzw. Einlegen von Waren in Papp- oder Holzschachteln, Kisten oder sonstigen Behältnissen, verkaufsfördernden Zierhüllen oder Zierkartons, das Verschließen dieser Behältnisse, das Anbringen von Kennzeichen oder Versandhinweisen o.ä.

Bei dieser Tätigkeit handelt es sich um körperlich leichte Arbeiten in geschlossenen Räumen, überwiegend sitzend mit gelegentlichem Gehen.

Pförtner/Tagespförtner
Diese Tätigkeit umfasst das Überwachen des Personenverkehrs in Eingangshallen oder aus Pförtnerlogen von Betrieben, Behörden oder Krankenhäusern, das Überprüfen von Ausweisen, das Anmelden von Besuchern, das Ausfüllen von Besucherzetteln und das Weiterleiten von Besuchern an die zu besuchenden Stellen oder Personen innerhalb des Betriebes, der Behörde oder des Krankenhauses.

Es handelt sich hierbei um körperlich leichte Tätigkeiten, überwiegend sitzend bzw. in gelegentlichem Wechsel der Körperhaltung zwischen Gehen, Stehen und Sitzen. Zwangshaltungen und Überkopfarbeiten, das Heben und Tragen von Lasten, fallen üblicherweise nicht an.

zu 3.) Bei den vorgenannten Verweistätigkeiten handelt es sich um ungelernte Arbeiten, für die keine besondere Ausbildung erforderlich ist und die nach einer entsprechenden Einarbeitungs- bzw. Einweisungszeit verrichtet werden können. Gleichwohl werden diese Tätigkeiten zu einem überwiegenden Teil von Arbeitnehmern mit einer abgeschlossenen Ausbildung ausgeübt. Die erbetene Auskunft über die tarifliche Einstufung kann ich nicht erteilen, da die Dienststellen der Bundesagentur für Arbeit keine Tarifsammlung führen. Entsprechende Anfragen bitte ich an die Tarifvertragsparteien zu richten.

zu 4) Für die unter Punkt 2. genannten Tätigkeiten sind im allgemeinen Einarbeitungs- bzw. Einweisungszeiten von maximal drei Monaten Dauer erforderlich. Diese Einarbeitungs- bzw. Einweisungszeiten dürften - unter Zugrundelegung des mir derzeit nach Aktenlage bekannten beruflichen und gesundheitlichen Leistungsvermögens des Klägers - auch für diesen ausreichend sein, um die Tätigkeiten vollwertig zu verrichten.

zu 5.) Die genannten Tätigkeiten Bürobote und Poststellenmitarbeiter, der Warenaufmacher/Versandfertigmacher und der Pförtner/ Tagespförtner stehen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt des Bundesgebietes in nennenswertem Umfang zur Verfügung.

zu 6.) Die genannten Tätigkeiten stehen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt des Bundesgebietes auch Betriebsfremden zur Verfügung.
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Datum