S 13 R 453/08

Berufskundekategorie
Stellungnahme
Land
Hessen
Aktenzeichen
S 13 R 453/08
Auskunftgeber
Landesarbeitsamt Hessen
Anfrage
In obigem Rechtsstreit wird um die Beantwortung der unter II. aufgeführten berufskundlichen Beweisfragen unter Berücksichtigung der nachfolgend aufgezeigten Anknüpfungstatsachen gebeten.

I. Anknüpfungstatsachen:

a) Beruflicher Werdegang und sonstige berufsbezogene Qualifikationen der Klägerin/des Klägers:

geboren 1957
08/1965-07/1973 Mittelpunktschule 08/1973-07/1976 Ausbildung zum Kfz-Mechaniker
08/1976-12/1977 Wehrdienst (Motorengast)
01/1978-06/1978 Kfz-Mechaniker
07/1978-11/1978 arbeitslos
11/1978-06/1979 Produktionsmitarbeiter Schmelztiegelwerk in Schichtarbeit
07/1979-08/1986 Kfz-Mechaniker und Sachbearbeiter
09/1986-01/1990 Schweißer
02/1990-10/1990 selbständiger Fachberater für Vorwerk-Artikel
10/1990-01/1992 Machinist
04/1992-11/1994 Zimmermannsgehilfe 11/1994-09/1995 Schweißer und Maschinenführer
10/1995-2008 Kfz-Mechaniker

Schulungen in:
Verkauf, Kundenbetreuung und -beratung PKW- & LKW-Reifenreparaturen Schweißen (Sigma, Elektro, Schutzgas)

b) Gesundheitliches Restleistungsvermögen d. Kl.:

Krankheiten nach orthopädischem Gutachten:
- pseudoradikulär degen. LWS-Syndrom mit Bewegungseinschränkung, paravertebralem Hartspann der Lendenstreckmuskulatur ohne Hinweise auf Nervenwurzelkompression oder Nervenwurzelreizung trotz BS-Vorfälle
- degen. Veränderungen linkes Kniegelenk (Gonarthrose) und Zustand nach Innen- und Außenmeniskusglättung wegen degen. Meniskusveränderung
- beginnende degen. HWS-Veränderungen mit geringer Bewegungsmünderung

Restleistungsvermögen nach orthopädischem Gutachten:
- Tätigkeiten sollten im Wechselrhythmus von Sitzen, Gehen und Stehen erfolgen, wobei der sitzende Tätigkeit der zeitliche Hauptanteil zukommen sollte
- rückenbelastende Zwangshaltungen, z.B. Arbeiten in vorgeneigter Oberkörperhaltung, verbunden mit statischer Haltearbeit seien ebenso zu vermeiden wie konstante Überkopfarbeiten, Tätigkeiten im Knien, Bücken und Hocken, Dauerexpositeion von Kälte, Nässe und Zugluft
- die maximale Hebeleistung sei als Einzelleistung (maximal 5% der Arbeitszeit oder zweimal pro Stunde) auf 8kg zu beschränken
- ohne Absturzgefahr, nicht auf Leitern oder Gerüsten
- keine Einschränkung für Schichtarbeit, Akkordarbeit wünschenswert zu vermeiden
- keine Einschränkung der Gebrauchsfähigkeit der Hände
- Sehvermögen durch Brille kompensiert, keine Einschränkungen des Hörvermögens
- Gefährdung durch Reizstoffe (Staub, Rauch, Gas, Dampf, Lärm) nicht erkennbar
- Arbeiten auf durchschnittlich intellektuellem Niveau mit durchschnittlicher nervlicher Belastung
- keine Einschränkung der Anpassungs- und Umstellungsfähigkeit
- keine Störung von Konzentration und Aufmerksamkeit

II. Beweisfragen:

1. Welche berufsnahen oder berufsfremden Tätigkeiten kann der Kläger noch ausüben?

Kann der Kläger insbesondere noch die Tätigkeiten eines Ersatzteilspezialisten im Kfz-Gewerbe, eines Kundendienstberaters / Garantiesachbearbeiters im Kfz-Handwerk, eines Prüf- und Qualitätskontrolleurs in der Metallindustrie oder eines Werkzeugherausgeber in der Eisen-, Metall- und Elekotrindustrie oder auch eines Pförtners, eines Warenaufmacher/Versandfertigmacher, einer Büro- und Verwaltungshilfskraft oder eines Telefonisten ausüben?

2. Welches fachliche und gesundheitliche Anforderungsprofil haben diese Tätigkeiten im Einzelnen?

3. Welche Ausbildungszeiten erfordern diese Tätigkeiten und wie werden diese Tätigkeiten tarifvertraglich eingestuft?

4. Kann die Klägerin/der Kläger unter Berücksichtigung der Anknüpfungstatsachen zu I.a nach einer bis zu 3 Monate dauernden Einarbeitung und Einweisung die für die in Betracht kommenden Tätigkeiten vollwertig verrichten?

5. Stehen die in Betracht kommenden Tätigkeiten (bitte einzeln bezeichnen) auf dem Arbeitsmarkt in nennenswertem Umfang (mehr als 300 Arbeitsplätze im Bundesgebiet) zur Verfügung?

6. Stehen die in Betracht kommenden Tätigkeiten auch Betriebsfremden zur Verfügung?
Auskunft
Stellungnahme:

Zu 1.) und 2.) Aufgrund der ärztlicherseits festgestellten gesundheitlichen Einschränkungen halte ich den Kläger nicht mehr für in der Lage im erlernten bzw. zuletzt ausgeübten Beruf eines Kfz-Mechanikers zu arbeiten. Berufsnahe Tätigkeiten kann er ebenfalls nicht mehr ausüben.

Ich halte ihn jedoch noch für in der Lage, die folgenden berufsfremden Tätigkeiten auszuüben:

Pförtner/Tagespförtner
Pförtner/innen kontrollieren in Eingangshallen oder aus Pförtnerlogen den Zugang zu Gebäuden oder Betriebsgeländen. Sie sind erste Ansprechpartner für Besucher. Je nach Art des Betriebes oder der Behörde haben sie unterschiedliche Aufgabenschwerpunkte. Sie überwachen zeitliche bzw. örtliche Zugangsberechtigungen. Sie kontrollieren Werksausweise, stellen Besucherkarten/Passierscheine für Besucher aus und melden diese bei der zuständigen Stelle an. Zu ihren Aufgaben gehören teilweise auch das Aushändigen von Formularen, sowie das Aufbewahren von Fundsachen und Gepäck und das Verwalten von Schlüsseln und Schließanlagen. Auch die Kontrolle des Kfz- und Warenverkehrs gehört in manchen Betrieben zu ihrer Tätigkeit. Darüber hinaus können auch einfache Bürotätigkeiten, die Postverteilung im Betrieb sowie der Telefondienst zu ihren Aufgaben gehören. Pförtner/innen werden u. a. als Werkspförtner, Pförtner in Betrieben, Büro- und Geschäftshäusern und öffentlichen Gebäuden, Krankenhäusern, Heimen oder Museen eingesetzt.

Es handelt sich dabei meist um eine körperlich leichte Arbeit in geschlossenen, temperierten Räumen. Es wird überwiegend im Sitzen, zeitweise im Stehen und Gehen gearbeitet. Die Tätigkeit erfordert keine besonderen Anforderungen an das Seh- und Hörvermögen. Die erforderlichen Lese- und Schreibkenntnisse sind als normal zu bewerten. Die Tätigkeit beinhaltet keine ständige nervliche Belastung bzw. keinen dauernden Zeitdruck wie beispielsweise Akkordarbeit. Ganz sind Stress-Situationen erfahrungsgemäß jedoch nicht zu vermeiden. Je nach Arbeitsort kann Schichtdienst vorkommen.

Warenaufmacher/in - Versand
Die wesentlichen Aufgaben umfassen das verschönernde und zweckbedingte Aufmachen von Erzeugnissen der gewerblichen Wirtschaft und die vorbereitenden Arbeiten für deren Versand. Im einzelnen wären hier zu nennen: Das Entfernen produktionsbedingter Verschmutzungen durch Blankreiben, Polieren, das Aufkleben, Einnähen oder Befestigen von Reklame-, Prüf-, Waren- oder Gütezeichen, Etiketten, Preisauszeichnungen, das Abzählen, Abwiegen, Abmessen oder Abfüllen von Waren, das Einwickeln bzw. Einlegen von Waren in Papp- oder Holzschachteln, Kisten oder sonstigen Behältnissen, verkaufsfördernden Zierhüllen oder Zierkartons, das Verschließen dieser Behältnisse, das Anbringen von Kennzeichen oder Versandhinweisen. Schließlich gehört zu ihren Aufgaben auch, die Waren in geeigneter Form manuell oder maschinell zu verpacken und für den Versand auszuzeichnen.

Warenaufmacher-Versand können in Unternehmen unterschiedlicher Wirtschaftsbereiche tätig sein. Eine vollständige Auflistung ist nicht möglich. Nachfolgend finden Sie eine exemplarische Auswahl: Handel, Nahrung und Genussmittel, Chemie, Pharmazie, Metall- und Elektroindustrie, Herstellung und Reparatur von Büromaschinen und Computern, Textil, Bekleidung, Leder, Kunststoff, Holz und Möbel, Glas, Keramik, Feinmechanik, Optik.

Bei dieser Tätigkeit handelt es sich um körperlich leichte Arbeiten in geschlossenen Räumen oder Lagerhallen, überwiegend sitzend mit gelegentlichem Gehen. Ein Wechsel zwischen Sitzen und Stehen ist meist möglich. Funktionstüchtigkeit beider Arme und Hände sollte gegeben sein (z.B. für beidhändiges Arbeiten). Für diese Tätigkeiten sind meist keine Lese- und Rechtschreibkenntnisse erforderlich.

Mitarbeiter/Mitarbeiterin in der Poststelle eines Betriebes oder einer Behörde
Die Tätigkeit, für die keine besondere Ausbildung erforderlich ist, kann wechselweise im Sitzen, Stehen und Umhergehen verrichtet werden. Sie umfasst das Öffnen der täglichen Eingangspost, die Entnahme des Inhaltes von Postsendungen, das Anbringen eines Posteingangsstempels; das Verteilen der Eingangspost innerhalb der Poststelle in die Fächer der jeweils zuständigen Abteilungen bzw. Sachbearbeiter (üblicherweise mehrmals täglich unter Zuhilfenahme eines Postverteilerwagens) und Mitnahme der zur Weiterleitung an andere Fachabteilungen/Sachgebiete oder zum Versand bestimmten Vorgänge; das Kuvertieren, Wiegen und Frankieren der Ausgangspost, das Packen von Päckchen und Paketen, das Eintragen von Wert- und Einschreibesendungen in Auslieferungsbücher.

Es handelt sich dabei um eine körperlich leichte Arbeit in geschlossenen, temperierten, oft klimatisierten Räumen, z.T. in Großraumbüros. Es wird überwiegend im Sitzen, zeitweise im Stehen und Gehen gearbeitet. Üblich ist der Umgang mit Bürokommunikationsmitteln und zunehmend Arbeit am Bildschirm. Gelegentlich findet die Arbeit unter Zeitdruck statt.

Telefonisten/Telefonistinnen
Diese Tätigkeit umfasst die Bedienung von Telefon-/Fernsprechzentralen. Dazu gehört die Erteilung von Auskünften, die Weiterleitung und Registrierung von Gesprächen, die Entgegennahme und Weitergabe von Telefonnotizen, Telefaxen, E-Mails u. ä ... Die Anforderungen an Telefonisten/Telefonistinnen sind aufgrund der Tatsache, dass diese in allen Bereichen von Wirtschaft und Verwaltung tätig sind, recht unterschiedlich.

Während sich in großen Wirtschaftsunternehmen und Verwaltungen die Tätigkeit in der Regel auf das Bedienen einer zum Teil recht umfangreichen Telefonanlage beschränkt, findet man in kleineren und mittleren Betrieben und Organisationen häufig eine Funktionskoppelung mit Bürotätigkeiten sowie Empfangs- und Pförtnertätigkeiten.

Oft sind allgemeine PC-Kenntnisse (Word, Excel, Outlook) erwünscht, im Einzelfall auch kaufmännische Grundkenntnisse.

Es handelt sich um eine körperlich leichte Arbeit in geschlossenen, temperierten Räumen. Die Tätigkeit kann in wechselnder Körperhaltung, überwiegend im Sitzen, zeitweise im Stehen und Gehen ausgeübt werden. Eine wechselnde Arbeitshaltung ist durch den Einsatz ergonomisch gestalteter Arbeitsplatzausstattungen möglich. Die Tätigkeit erfordert gute Sprech- und Hörfähigkeit. Gelegentlich ist Zeitdruck nicht auszuschließen

Die Tätigkeit eines Ersatzteilspezialisten im KFZ-Gewerbe ist in der einschlägigen berufskundlichen Literatur nicht beschrieben. Insbesondere lässt sich von dieser Berufsbezeichnung nicht ableiten, ob es sich um eine Tätigkeit mit technischem oder kaufmännischem Schwerpunkt handelt. Kundendienstberater/Garantiesachbearbeiter im KFZ-Handwerk verfügen in der Regel über eine abgeschlossene Meisterprüfung. Die Tätigkeiten eines Prüf- und Qualitätskontrolleurs in der Metallindustrie können sehr unterschiedlich sein. Dementsprechend können in diesem Bereich angelernte Arbeitskräfte bis zu Ingenieuren tätig sein. Die angelernten Arbeitskräfte werden in der Regel aus erwerbsgeminderten betriebsinternen Arbeitskräften rekrutiert. Darüber hinaus ist üblicherweise eine mindestens zweijährige Ausbildung zum Güteprüfer erforderlich. Werkzeugausgeber werden seit Jahren als offene Stellen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht mehr angeboten. Es handelt sich hier um sogenannte Schonarbeitsplätze, die ausschließlich langjährig beschäftigten eigenen Betriebsangehörigen zur Verfügung gestellt werden, wenn diese infolge Krankheiten oder sonstigen Gebrechen für ihre frühere im Betrieb ausgeübte Berufstätigkeit nicht mehr zur Verfügung stehen.

Zu 3.) Bei den vorgenannten Verweistätigkeiten handelt es sich um ungelernte Arbeiten, für die keine besondere Ausbildung erforderlich ist und die nach einer entsprechenden Einarbeitungs- bzw. Einweisungszeit verrichtet werden können. Gleichwohl werden diese Tätigkeiten zu einem überwiegenden Teil von Arbeitnehmern mit einer abgeschlossenen Ausbildung ausgeübt.

Die erbetene Auskunft über die tarifliche Einstufung kann ich nicht erteilen, da die Dienststellen der Bundesagentur für Arbeit keine Tarifsammlung führen. Entsprechende Anfragen bitte ich an die Tarifvertragsparteien oder an die Tarifregisterstelle im Hessischen Ministerium für Frauen, Arbeit und Sozialordnung zu richten.

Zu 4.) Für die genannten Tätigkeiten sind im Allgemeinen Einarbeitungs- bzw. Einweisungszeiten von maximal drei Monaten Dauer erforderlich. Diese Einarbeitungs- bzw. Einweisungszeiten dürften - unter Zugrundelegung des mir derzeit nach Aktenlage bekannten beruflichen und gesundheitlichen Leistungsvermögens des Klägers - auch für diesen ausreichend sein.

Zu 5.) Die genannten Tätigkeiten stehen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt des Bundesgebietes in nennenswertem Umfang zur Verfügung.

Zu 6.): Die in Betracht kommenden Tätigkeiten stehen auch Betriebsfremden zur Verfügung.
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