S 2 R 123/10

Berufskundekategorie
Stellungnahme
Land
Hessen
Aktenzeichen
S 2 R 123/10
Auskunftgeber
Landesarbeitsamt Hessen
Anfrage
In obigem Rechtsstreit wird um die Beantwortung der unter II. aufgeführten berufskundlichen Beweisfragen unter Berücksichtigung der nachfolgend aufgezeigten Anknüpfungstatsachen gebeten.

A) Beruflicher Werdegang und sonstige berufsbezogene Qualifikationen des Klägers:
1973-1976 abgeschlossene Ausbildung zum Landschaftsgärtner;
seit 01.01.1995 bis 08/2010 tätig als Verkäufer in einem Gartenbaumarkt; Ausscheiden aus gesundheitlichen Gründen; bitte gehen Sie davon aus, dass der Kläger die Kenntnisse eines augebildeten Verkäufers besitzt

B) Gesundheitliches Restleistungsvermögen des Klägers:
Diagnosen (Reihenfolge in der leistungseinschränkenden Relevanz):
a) Fortgeschrittene Handgelenkarthrose rechts stärker als links mit begleitender Handwurzelarthrose, rechts bei Z. n. Arthrodese und Teilresektion, links mit Zeichen einer scapho-lunären Instabilität, rechts im Übergang zur Wackelsteifigkeit.
b) Rezidivierendes Lumbalsyndrom bei lumbosacraler Übergangsstörung mit Ne-Arthrose links und Osteochondrose L 5/L 6 bei Hyperlordose und mäßiger skoliotischer Fehleinstellung, ohne radikuläre Symptomatik oder sensomotorisches Defizit.
c) Z. n. alter ACG-Verletzung mit Endzustand postoperativ links mit persistierender Eckgelenksinstabilität und subacromialem Reizzustand.
d) Chronische Dorsalsyndrom bei S-förmiger thorakalskoliotischer Fehleinstellung mit Begleitosteochondrose sowie myogenem HWS-Syndrom mit Begleitosteochondrose C5/6, jeweils ohne radikuläre Symptomatik.
e) Chondropathia patellae/Retropatellararthrose beidseits bei chronischem rezidivierendem Reizzustand der Bursa infrapatellaris profunda.

Aus den oben genannten Erkrankungen ergibt sich erwerbsmindernder Dauereinfluss und Einschränkung der Leistungsfähigkeit des Klägers, so dass nur noch leichte Tätigkeiten sechs Stunden täglich an fünf Tagen in der Woche, wie bereits ausführlich in den Erläuterungen dargestellt, zumutbar sind, wobei dauernde mittelschwere Tätigkeit komplett die Kompensationsfähigkeit des Klägers überfordern würde.

Neben der oben genannten eingeschränkten Leistungsfähigkeit mit quantitativem Bild zeigen sich, wie ausführlich in den Erläuterungen dargestellt, eine große Reihe von weiteren Leistungseinschränkungen.

Die Arbeitsbelastungen sind nur noch in wechselnden Körperhaltungen unter Meidung von Zwangshaltungen und Bücken bei einer maximalen Dauerhebebelastung von 7,5 kg (insbesondere wegen der Belastbarkeit der Handgelenke) zu fordern. Dauerhafte Überkopfarbeiten oder Arbeiten in Schulterhöhe sind zu vermeiden, insbesondere strenge Meidung von absturzgefärdenden Tätigkeiten, somit Tätigkeiten auf Leitern und Gerüsten, ebenso wie Kälte, Nässe, Zugluft. Kniende und ausschließlich stehende Tätigkeiten sollten gemieden werden. Besondere Anforderungen an die manuelle Tätigkeit, wie oben beschrieben, sind für grobes und zu festes Zupacken zu vermeiden, ausschließliche Beanspruchung der Feinmotorik ist als eingeschränkt zu sehen.

II. Beweisfragen

1. Welche berufsnahen oder berufsfremden Tätigkeiten kann der Kläger noch ausüben?

2. Welches fachliche und gesundheitliche Anforderungsprofil haben diese Tätigkeiten im Einzelnen?

3. Welche Ausbildungszeiten erfordern diese Tätigkeiten und wie werden diese Tätigkeiten tarifvertraglich eingestuft? – Bitte geben Sie auch an, welche Ausbildungszeit die letzte Tätigkeit des Klägers (Verkäufer in einem Baumarkt) üblicherweise voraussetzt.

4. Kann der Kläger unter Berücksichtigung der Anknüpfungstatsachen zu I.a nach einer bis zu 3 Monate dauernden Einarbeitung und Einweisung die für die in Betracht kommenden Tätigkeiten vollwertig verrichten?

5. Stehen die in Betracht kommenden Tätigkeiten (bitte einzeln bezeichnen) auf dem Arbeitsmarkt in nennenswertem Umfang (mehr als 300 Arbeitsplätze im Bundesgebiet) zur Verfügung?

6. Stehen die in Betracht kommenden Tätigkeiten auch Betriebsfremden zur Verfügung?
Auskunft
Stellungnahme:

Zu 1.) und 2.): Berufsnahe Verweistätigkeiten kommen aus berufskundlicher Sicht nicht in Betracht.

Bei Beachtung des beruflichen Werdeganges und des gesundheitlichen Leistungsvermögens halte ich den Kläger aus berufskundlicher Sicht für in der Lage, folgende Tätigkeiten ausüben zu können:

Telefonisten/Telefonistinnen
Diese Tätigkeit umfasst die Bedienung von Telefon-/Fernsprechzentralen. Dazu gehört die Erteilung von Auskünften, die Weiterleitung und Registrierung von Gesprächen, die Entgegennahme und Weitergabe von Telefonnotizen, Telefaxen, E-Mails u. ä ... Die Anforderungen an Telefonisten/Telefonistinnen sind aufgrund der Tatsache, dass diese in allen Bereichen von Wirtschaft und Verwaltung tätig sind, recht unterschiedlich.

Während sich in großen Wirtschaftsunternehmen und Verwaltungen die Tätigkeit in der Regel auf das Bedienen einer zum Teil recht umfangreichen Telefonanlage beschränkt, findet man in kleineren und mittleren Betrieben und Organisationen häufig eine Funktionskoppelung mit Bürotätigkeiten sowie Empfangs- und Pförtnertätigkeiten.

Oft sind allgemeine PC-Kenntnisse (Word, Excel, Outlook) erwünscht, im Einzelfall auch kaufmännische Grundkenntnisse.

Es handelt sich um eine körperlich leichte Arbeit in geschlossenen, temperierten Räumen. Die Tätigkeit kann in wechselnder Körperhaltung, überwiegend im Sitzen, zeitweise im Stehen und Gehen ausgeübt werden. Eine wechselnde Arbeitshaltung ist durch den Einsatz ergonomisch gestalteter Arbeitsplatzausstattungen möglich. Die Tätigkeit erfordert gute Sprech- und Hörfähigkeit. Gelegentlich ist Zeitdruck nicht auszuschließen.

Mitarbeiter/Mitarbeiterin in der Poststelle eines Betriebes oder einer Behörde
Die Tätigkeit umfasst die Entgegennahme und das Öffnen der täglichen Eingangspost (Postsäcke, Postkörbe, Pakete, Briefsendungen, u.a.) sowie der Hauspost, die Entnahme des Inhaltes von Postsendungen, die Überprüfung der Vollständigkeit, das Anbringen eines Posteingangsstempels bzw. eines Eingangs-/Weiterleitungsvermerkes, das Anklammern der Anlagen; das Auszeichnen, Sortieren und Verteilen der Eingangspost innerhalb der Poststelle in die Fächer der jeweils zuständigen Abteilungen. Poststellenmitarbeiter/innen bereiten die Ausgangspost vor. Dies geschieht durch Falzen und Kuvertieren, Wiegen und Feststellen des Brief-/Paketportos, Frankieren per Hand bzw. mit Frankiermaschinen, das Packen von Päckchen und Paketen, das Eintragen von Wert- und Einschreibesendungen in Auslieferungsbücher. Üblich ist der Umgang mit Bürokommunikationsmitteln, wie PC, Scanner, Faxgeräte und Kopierer sowie Brieföffnungsmaschinen, Kuvertiermaschinen, Frankiermaschinen

Es handelt sich dabei um eine körperlich leichte, gelegentlich mittelschwere Arbeit in geschlossenen, temperierten, oft klimatisierten Räumen, z.T. in Großraumbüros (Poststelle). Es wird überwiegend im Sitzen, zeitweise im Stehen und Gehen gearbeitet. Eine wechselnde Arbeitshaltung ist durch den Einsatz ergonomisch gestalteter Arbeitsplatzausstattungen möglich. Die Tätigkeit erfordert keine besonderen Anforderungen an das Seh- und Hörvermögen sowie die Feinmotorik der Hände. Die erforderlichen Lese- und Schreibkenntnisse sind als normal zu bewerten. Arbeiten unter gelegentlichem Stress und Zeitdruck sind nicht auszuschließen.

Pförtner/Tagespförtner
Pförtner/innen kontrollieren in Eingangshallen oder aus Pförtnerlogen den Zugang zu Gebäuden oder Betriebsgeländen. Sie sind erste Ansprechpartner für Besucher. Je nach Art des Betriebes oder der Behörde haben sie unterschiedliche Aufgabenschwerpunkte. Sie überwachen zeitliche bzw. örtliche Zugangsberechtigungen. Sie kontrollieren Werksausweise, stellen Besucherkarten/Passierscheine für Besucher aus und melden diese bei der zuständigen Stelle an. Zu ihren Aufgaben gehören teilweise auch das Aushändigen von Formularen, sowie das Aufbewahren von Fundsachen und Gepäck und das Verwalten von Schlüsseln und Schließanlagen. Auch die Kontrolle des Kfz- und Warenverkehrs gehört in manchen Betrieben zu ihrer Tätigkeit. Darüber hinaus können auch einfache Bürotätigkeiten, die Postverteilung im Betrieb sowie der Telefondienst zu ihren Aufgaben gehören. Pförtner/innen werden u. a. als Werkspförtner, Pförtner in Betrieben, Büro- und Geschäftshäusern und öffentlichen Gebäuden, Krankenhäusern, Heimen oder Museen eingesetzt.

Es handelt sich dabei meist um eine körperlich leichte Arbeit in geschlossenen, temperierten Räumen. Es wird überwiegend im Sitzen, zeitweise im Stehen und Gehen gearbeitet. Die Tätigkeit erfordert keine besonderen Anforderungen an das Seh- und Hörvermögen. Die erforderlichen Lese- und Schreibkenntnisse sind als normal zu bewerten. Die Tätigkeit beinhaltet keine ständige nervliche Belastung bzw. keinen dauernden Zeitdruck wie beispielsweise Akkordarbeit. Ganz sind Stress-Situationen erfahrungsgemäß jedoch nicht zu vermeiden. Je nach Arbeitsort kann Schichtdienst vorkommen.

Zu 3.) und 4.) Bei den vorgenannten Verweistätigkeiten handelt es sich um ungelernte Arbeiten, für die keine besondere Ausbildung erforderlich ist und die nach einer entsprechenden Einarbeitungs- bzw. Einweisungszeit verrichtet werden können.

Gleichwohl werden diese Tätigkeiten zu einem überwiegenden Teil von Arbeitnehmern mit einer abgeschlossenen Ausbildung ausgeübt.

Diese Einarbeitungs- bzw. Einweisungszeiten von bis zu 3 Monaten dürften - unter Zugrundelegung des mir derzeit nach Aktenlage bekannten beruflichen und gesundheitlichen Leistungsvermögens des Klägers - auch für ihn ausreichend sein.

Zu 5) Die genannten Tätigkeiten stehen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt des Bundesgebietes in nennenswertem Umfang zur Verfügung.

Zu 6) Die in Betracht kommenden Tätigkeiten stehen auch Betriebsfremden zur Verfügung.
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