L 2 R 209/11

Berufskundekategorie
Stellungnahme
Land
Hessen
Aktenzeichen
L 2 R 209/11
Auskunftgeber
Landesarbeitsamt Hessen
Anfrage
In obigem Rechtsstreit wird um die Beantwortung der unter II. aufgeführten berufskundlichen Beweisfragen unter Berücksichtigung der nachfolgend aufgezeigten Anknüpfungstatsachen gebeten.

I. Anknüpfungstatsachen:

a) Beruflicher Werdegang und sonstige berufsbezogene Qualifikationen d. Kl.:
Die 1959 in Italien geborene Klägerin kam während ihres 13. Lebensjahrs mit ihren Eltern nach Deutschland. Nach dem Besuch der 6. Klasse in Italien wurde sie in Deutschland nicht mehr eingeschult, sondern fand Arbeit in einer Lederfabrik. Später arbeitete sie mehr als 10 Jahre als Montiererin. In der Folge führte sie zusammen mit ihrem Ehemann von 1990 bis 1995 in selbständiger Tätigkeit ein Restaurant. Danach war sie von 1999 bis 31. Oktober 2002 als Postarbeiterin beschäftigt. In der Folge übte sie bis Oktober 2005 eine versicherungsfreie geringfügige Beschäftigung als Hausmeisterin aus. Seitdem ist die Klägerin nicht mehr erwerbstätig, ohne dabei Sozialleistungen zu beziehen.

b) Gesundheitliches Restleistungsvermögen d. Kl:
Maßgeblich ist für das Gericht das Leistungsvermögen der Klägerin bis September 2007. Die Klägerin leidet insbesondere unter Gesundheitsbeeinträchtigungen im Bereich der Stimmbänder. Es bestanden seinerzeit konkret folgende Diagnosen: Dyspnoe, Dysphonie, Dysphagie, Laryngospasmen, eine strumiprive Kehlkopfparese rechts in Medianposition, eine parathyreoprive postoperative Hypocalcämie einer generalisierten Osteochondrose und Gelenksarthrose, eine nicht folgenlos ausgeheilte Ruptur des vorderen Kreuzbandes im rechten Knie nach Skiunfall (April 2006) sowie eine psychovegetative Erschöpfung. Seinerzeit wurden folgende qualitativen Leistungseinschränkungen angegeben: Wegen eingeschränkter Schriftsprachlichkeit keine Eignung für Büroarbeiten, nur Tätigkeiten in wechselnder Körperhaltung, ohne toxische und reizende Gase, Stäube und Dämpfe, z.B. Reinigungschemikalien, Farbdämpfe, ohne verstärkte Anforderungen an Stimme und Sprache, ohne viel und lautes Sprechen, ohne Sprechen gegen Umgebungsgeräusche, keine Sprechberufe im weiteren Sinne, ohne Publikumsverkehr, atemnotbedingt ohne großen Bewegungsaufwand, z.B. Tragen und Gehen, Laufen und Sprechen verrichten. Zudem dürften nur Tätigkeiten ohne Zeitdruck, ohne Einwirkungen von Kälte, Hitze, Temperaturschwankungen, Zugluft und Nässe, ohne überwiegend einseitige Körperhaltung, ohne häufiges Heben und Tragen (zumutbar 5 kg) und ohne besondere Anforderungen an die nervliche Belastung und die Umstellungs- und Anpassungsfähigkeit ausgeübt werden.

II. Beweisfragen

1. Welche berufsnahen oder berufsfremden Tätigkeiten konnte d. Kl. noch ausüben?
Konnte die Klägerin insbesondere noch die Tätigkeit einer Warenaufmacherin/Versandfertigmacherin ausüben?

2. Welches fachliche und gesundheitliche Anforderungsprofil haben diese Tätigkeiten im Einzelnen?

3. Welche Ausbildungszeiten erfordern diese Tätigkeiten und wie werden diese Tätigkeiten tarifvertraglich eingestuft?

4. Kann d. Kl. unter Berücksichtigung der Anknüpfungstatsachen zu I.a nach einer bis zu 3 Monate dauernden Einarbeitung und Einweisung die für die in Betracht kommenden Tätigkeiten vollwertig verrichten?

5. Stehen bzw. standen die in Betracht kommenden Tätigkeiten (bitte einzeln bezeichnen) bis September 2007 auf dem Arbeitsmarkt in nennenswertem Umfang (mehr als 300 Arbeitsplätze im Bundesgebiet) zur Verfügung?

6. Stehen die in Betracht kommenden Tätigkeiten auch Betriebsfremden zur Verfügung?
Auskunft
Stellungnahme:

Zu 1.) und 2.): Unter Berücksichtigung der gesundheitlichen Einschränkungen halte ich die Klägerin nicht mehr für in der Lage, die bisher ausgeübten Tätigkeiten als Montiererin und Postarbeiterin zu verrichten. Berufsnahe Tätigkeiten kommen keine in Betracht.

Ich halte die Klägerin jedoch noch für in der Lage, folgende berufsfremde Verweistätigkeiten zu verrichten.

Warenaufmacher/in - Versand
Die wesentlichen Aufgaben umfassen das verschönernde und zweckbedingte Aufmachen von Erzeugnissen der gewerblichen Wirtschaft und die vorbereitenden Arbeiten für deren Versand. Im einzelnen wären hier zu nennen: Das Entfernen produktionsbedingter Verschmutzungen durch Blankreiben, Polieren, das Aufkleben, Einnähen oder Befestigen von Reklame-, Prüf-, Waren- oder Gütezeichen, Etiketten, Preisauszeichnungen, das Abzählen, Abwiegen, Abmessen oder Abfüllen von Waren, das Einwickeln bzw. Einlegen von Waren in Papp- oder Holzschachteln, Kisten oder sonstigen Behältnissen, verkaufsfördernden Zierhüllen oder Zierkartons, das Verschließen dieser Behältnisse, das Anbringen von Kennzeichen oder Versandhinweisen. Schließlich gehört zu ihren Aufgaben auch, die Waren in geeigneter Form manuell oder maschinell zu verpacken und für den Versand auszuzeichnen.

Warenaufmacher-Versand können in Unternehmen unterschiedlicher Wirtschaftsbereiche tätig sein. Eine vollständige Auflistung ist nicht möglich. Nachfolgend finden Sie eine exemplarische Auswahl: Handel, Nahrung und Genussmittel, Chemie, Pharmazie, Metall- und Elektroindustrie, Herstellung und Reparatur von Büromaschinen und Computern, Textil, Bekleidung, Leder, Kunststoff, Holz und Möbel, Glas, Keramik, Feinmechanik, Optik.

Bei dieser Tätigkeit handelt es sich um körperlich leichte Arbeiten in geschlossenen Räumen oder Lagerhallen, überwiegend sitzend mit gelegentlichem Gehen. Ein Wechsel zwischen Sitzen und Stehen ist meist möglich. Funktionstüchtigkeit beider Arme und Hände sollte gegeben sein (z.B. für beidhändiges Arbeiten). Für diese Tätigkeiten sind meist keine Lese- und Rechtschreibkenntnisse erforderlich.

zu 3.): Bei den vorgenannten Verweistätigkeiten handelt es sich um ungelernte Tätigkeiten, für die keine besondere Ausbildung erforderlich ist und die nach einer entsprechenden Einarbeitungs- bzw. Einweisungszeit verrichtet werden können. Gleichwohl werden diese Tätigkeiten zu einem überwiegenden Teil von Arbeitnehmern mit einer abgeschlossenen Ausbildung ausgeübt.

zu 4.): Für die genannten Verweistätigkeiten Warenaufmacher / Versandfertigmacher sind im allgemeinen Einarbeitungs- bzw. Einweisungszeiten von maximal drei Monaten Dauer erforderlich. Diese Einarbeitungs- bzw. Einweisungszeiten dürften - unter Zugrundelegung des mir derzeit nach Aktenlage bekannten beruflichen und gesundheitlichen Leistungsvermögens des Klägers - auch für ihn ausreichend sein.

zu 5.): Die genannten Verweistätigkeiten Warenaufmacher / Versandfertigmacher stehen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt des Bundesgebietes in nennenswertem Umfang zur Verfügung. Dies gilt auch für den Zeitraum bis 2007.

zu 6.): Die genannten Verweistätigkeiten stehen auch Betriebsfremden zur Verfügung.
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