Bundesland
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Kategorie
Entscheidungen
Weiterbildung muss nicht wegen Arbeitslosigkeit notwendig sein
Personen, die nach dem Beruflichen Rehabilitierungsgesetz als Verfolgte anerkannt sind, erhalten die Kosten für Weiterbildungen erstattet, soweit diese Kosten nicht nach dem Sozialgesetzbuch Drittes Buch getragen werden. Dabei muss die Weiterbildung nicht wegen (drohender) Arbeitslosigkeit notwendig sein. Dies entschied in einem heute veröffentlichten Urteil der 6. Senat des Hessischen Landessozialgerichts.
Kraftfahrzeugsachverständiger beantragt Weiterbildung
Ein in der ehemaligen DDR aufgewachsener Mann durfte aufgrund seiner Zugehörigkeit zu den Zeugen Jehovas nicht das Abitur machen. Nach der Wiedervereinigung wurde ihm bescheinigt, dass er von Verfolgungsmaßnahmen im Sinne des Beruflichen Rehabilitierungsgesetzes betroffen war. In der Folgezeit absolvierte er die Meisterprüfung zum Kraftfahrzeugtechniker und schloss eine Fortbildung zum Betriebswirt ab. Im Rahmen seiner derzeitigen Tätigkeit als Kraftfahrzeugsachverständiger im Innendienst begutachtet er am Bildschirm Karosserieschäden.
Im Jahr 2005 beantragte der jetzt im Rheingau-Taunus-Kreis lebende Mann von der Bundesagentur für Arbeit die Förderung der beruflichen Weiterbildung zum staatlich geprüften Kraftfahrzeugtechniker. Er wolle beruflich vielseitiger einsetzbar sein. Auch sei ihm die derzeitige Tätigkeit am PC wegen seiner Augenprobleme auf Dauer nicht zumutbar. Die Bundesagentur lehnte eine Förderung ab. Das Sozialgericht wies die hiergegen erhobene Klage mit der Begründung ab, dass der berufstätige Kläger einen Berufsabschluss habe und nicht von Arbeitslosigkeit bedroht sei.
Landessozialgericht: Gesetzeswortlaut eindeutig
Anders entschied nun das Landessozialgericht und gab dem Mann Recht. Das Berufliche Rehabilitierungsgesetz sehe vor, dass den als Verfolgte anerkannten Personen die Kosten für Weiterbildungen erstattet werden. Dabei muss – anders als nach dem Recht der Arbeitsförderung (SGB III) - die Weiterbildung nicht zur Abwendung von Arbeitslosigkeit notwendig sein. Aufgrund des eindeutigen Wortlautes des Beruflichen Rehabilitierungsgesetzes könne die Bundesagentur die Förderung auch nicht mit dem Argument ablehnen, dass der Weiterbildungsanspruch uferlos sei.
Der Gesetzesbegründung - so die Darmstädter Richter – sei lediglich insoweit eine Einschränkung zu entnehmen, als die Weiterbildung für die Betroffenen im Hinblick auf deren Alter noch sinnvoll sein müsse. Da der 46-jährige Kläger bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze noch mindestens 20 Jahre Arbeit vor sich habe, sei hiervon auszugehen.
Hinweise zur Rechtslage
§ 1 Gesetz über den Ausgleich beruflicher Benachteiligungen für Opfer
politischer Verfolgung im Beitrittsgebiet - Berufliches Rehabilitierungsgesetz - (BerRehaG)
(1) Wer in der Zeit vom 8. Mai 1945 bis zum 2. Oktober 1990
1. infolge einer in dem in Artikel 3 des Einigungsvertrages genannten Gebiet (Beitrittsgebiet) zu Unrecht erlittenen Freiheitsentziehung,
2. infolge eines Gewahrsams nach § 25 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 oder 2 des Strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetzes,
3. durch eine hoheitliche Maßnahme nach § 1 des Verwaltungsrechtlichen Rehabilitierungsgesetzes oder
4. durch eine andere Maßnahme im Beitrittsgebiet, wenn diese der politischen Verfolgung gedient hat,
zumindest zeitweilig weder seinen bisher ausgeübten, begonnenen, erlernten oder durch den Beginn einer berufsbezogenen Ausbildung nachweisbar angestrebten noch einen sozial gleichwertigen Beruf ausüben konnte (Verfolgter), hat Anspruch auf Leistungen nach diesem Gesetz.
§ 7 BerRehaG
Verfolgte, die an nach den Vorschriften des Dritten Buches Sozialgesetzbuch für die Weiterbildungsförderung zugelassenen Maßnahmen der beruflichen Weiterbildung teilnehmen und für die Weiterbildungskosten nicht nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch übernommen werden, erhalten auf Antrag die Weiterbildungskosten in entsprechender Anwendung der §§ 83 bis 87 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch erstattet.
§ 81 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) – früher: § 77 SGB III
(1) Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer können bei beruflicher Weiterbildung durch Übernahme der Weiterbildungskosten gefördert werden, wenn
1. die Weiterbildung notwendig ist, um sie bei Arbeitslosigkeit beruflich einzugliedern, eine ihnen drohende Arbeitslosigkeit abzuwenden oder weil bei ihnen wegen fehlenden Berufsabschlusses die Notwendigkeit der Weiterbildung anerkannt ist,
2. die Agentur für Arbeit sie vor Beginn der Teilnahme beraten hat und
3. die Maßnahme und der Träger der Maßnahme für die Förderung zugelassen sind. (.)
Hessisches Landessozialgericht, Urteil vom 06.02.2013, Az.: L 6 AL 107/10
www.lareda.hessenrecht.hessen.de
Personen, die nach dem Beruflichen Rehabilitierungsgesetz als Verfolgte anerkannt sind, erhalten die Kosten für Weiterbildungen erstattet, soweit diese Kosten nicht nach dem Sozialgesetzbuch Drittes Buch getragen werden. Dabei muss die Weiterbildung nicht wegen (drohender) Arbeitslosigkeit notwendig sein. Dies entschied in einem heute veröffentlichten Urteil der 6. Senat des Hessischen Landessozialgerichts.
Kraftfahrzeugsachverständiger beantragt Weiterbildung
Ein in der ehemaligen DDR aufgewachsener Mann durfte aufgrund seiner Zugehörigkeit zu den Zeugen Jehovas nicht das Abitur machen. Nach der Wiedervereinigung wurde ihm bescheinigt, dass er von Verfolgungsmaßnahmen im Sinne des Beruflichen Rehabilitierungsgesetzes betroffen war. In der Folgezeit absolvierte er die Meisterprüfung zum Kraftfahrzeugtechniker und schloss eine Fortbildung zum Betriebswirt ab. Im Rahmen seiner derzeitigen Tätigkeit als Kraftfahrzeugsachverständiger im Innendienst begutachtet er am Bildschirm Karosserieschäden.
Im Jahr 2005 beantragte der jetzt im Rheingau-Taunus-Kreis lebende Mann von der Bundesagentur für Arbeit die Förderung der beruflichen Weiterbildung zum staatlich geprüften Kraftfahrzeugtechniker. Er wolle beruflich vielseitiger einsetzbar sein. Auch sei ihm die derzeitige Tätigkeit am PC wegen seiner Augenprobleme auf Dauer nicht zumutbar. Die Bundesagentur lehnte eine Förderung ab. Das Sozialgericht wies die hiergegen erhobene Klage mit der Begründung ab, dass der berufstätige Kläger einen Berufsabschluss habe und nicht von Arbeitslosigkeit bedroht sei.
Landessozialgericht: Gesetzeswortlaut eindeutig
Anders entschied nun das Landessozialgericht und gab dem Mann Recht. Das Berufliche Rehabilitierungsgesetz sehe vor, dass den als Verfolgte anerkannten Personen die Kosten für Weiterbildungen erstattet werden. Dabei muss – anders als nach dem Recht der Arbeitsförderung (SGB III) - die Weiterbildung nicht zur Abwendung von Arbeitslosigkeit notwendig sein. Aufgrund des eindeutigen Wortlautes des Beruflichen Rehabilitierungsgesetzes könne die Bundesagentur die Förderung auch nicht mit dem Argument ablehnen, dass der Weiterbildungsanspruch uferlos sei.
Der Gesetzesbegründung - so die Darmstädter Richter – sei lediglich insoweit eine Einschränkung zu entnehmen, als die Weiterbildung für die Betroffenen im Hinblick auf deren Alter noch sinnvoll sein müsse. Da der 46-jährige Kläger bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze noch mindestens 20 Jahre Arbeit vor sich habe, sei hiervon auszugehen.
Hinweise zur Rechtslage
§ 1 Gesetz über den Ausgleich beruflicher Benachteiligungen für Opfer
politischer Verfolgung im Beitrittsgebiet - Berufliches Rehabilitierungsgesetz - (BerRehaG)
(1) Wer in der Zeit vom 8. Mai 1945 bis zum 2. Oktober 1990
1. infolge einer in dem in Artikel 3 des Einigungsvertrages genannten Gebiet (Beitrittsgebiet) zu Unrecht erlittenen Freiheitsentziehung,
2. infolge eines Gewahrsams nach § 25 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 oder 2 des Strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetzes,
3. durch eine hoheitliche Maßnahme nach § 1 des Verwaltungsrechtlichen Rehabilitierungsgesetzes oder
4. durch eine andere Maßnahme im Beitrittsgebiet, wenn diese der politischen Verfolgung gedient hat,
zumindest zeitweilig weder seinen bisher ausgeübten, begonnenen, erlernten oder durch den Beginn einer berufsbezogenen Ausbildung nachweisbar angestrebten noch einen sozial gleichwertigen Beruf ausüben konnte (Verfolgter), hat Anspruch auf Leistungen nach diesem Gesetz.
§ 7 BerRehaG
Verfolgte, die an nach den Vorschriften des Dritten Buches Sozialgesetzbuch für die Weiterbildungsförderung zugelassenen Maßnahmen der beruflichen Weiterbildung teilnehmen und für die Weiterbildungskosten nicht nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch übernommen werden, erhalten auf Antrag die Weiterbildungskosten in entsprechender Anwendung der §§ 83 bis 87 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch erstattet.
§ 81 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) – früher: § 77 SGB III
(1) Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer können bei beruflicher Weiterbildung durch Übernahme der Weiterbildungskosten gefördert werden, wenn
1. die Weiterbildung notwendig ist, um sie bei Arbeitslosigkeit beruflich einzugliedern, eine ihnen drohende Arbeitslosigkeit abzuwenden oder weil bei ihnen wegen fehlenden Berufsabschlusses die Notwendigkeit der Weiterbildung anerkannt ist,
2. die Agentur für Arbeit sie vor Beginn der Teilnahme beraten hat und
3. die Maßnahme und der Träger der Maßnahme für die Förderung zugelassen sind. (.)
Hessisches Landessozialgericht, Urteil vom 06.02.2013, Az.: L 6 AL 107/10
www.lareda.hessenrecht.hessen.de
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