Bundesland
Hessen
Sozialgericht
SG Gießen (HES)
Kategorie
Entscheidungen
Die Beweislast für den Zusammenhang eines während der versicherten Tätigkeit im öffentlichen Verkehrsraum zurückgelegten Weges mit der versicherten Tätigkeit als anspruchsbegründende Tatsache trägt der Versicherte.
Zwischen den Wegeunfällen nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII und den Wegen bei der Arbeit im öffentlichen Verkehrsraum nach § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII gibt es bezüglich der Beweislast mangels gesetzlicher Ermächtigungsgrundlage keine Unterschiede.
Der Sachverhalt
Der 1987 geborene Kläger arbeitete als Bodenverleger und Auslieferungsfahrer. In dieser Tätigkeit war er bei der beklagten Berufsgenossenschaft im Rahmen der gesetzlichen Unfallversicherung versichert. Am 04.03.2014 befuhr er die BAB 45 um Ware an eine Baudekorationsfirma auszuliefern. Nach ca. 9,1 km verließ der Kläger in Höhe einer Raststätte die Autobahn fuhr in die Raststätte und dort ungebremst in das Kassenhäuschen. Hierbei wurde ein 59-jähriger Mitarbeiter der Raststätte getötet. Direkt nach dem Unfall wurde bei dem Kläger eine THC-Konzentration von 4,7 ng/ml festgestellt. Des Weiteren bestand bei dem Kläger eine Epilepsie, wogegen er ständig ein Antiepileptikum einnahm. Mit Bescheid vom 27.11.2014 lehnte die Beklagte die Anerkennung des Ereignisses als Arbeitsunfall und die Gewährung von Entschädigungsleistungen ab und bezog sich im Wesentlichen auf die im Unfallzeitpunkt bestehende THC-Konzentration. Dieser Drogenkonsum stelle die allein wesentliche Unfallursache dar. Im Widerspruchsbescheid vom 28.08.2015 vertiefte die Beklagte ihr Vorbringen und führte aus, der gleichzeitige Einfluss des Medikaments und des Cannabis habe zu einer wesentlichen Beeinträchtigung der Verkehrstüchtigkeit geführt. Die Beklagte halte es nicht für voll bewiesen, dass ein unvermittelt aufgetretener Krampfanfall zum Unfall geführt habe. Es sei nicht voll bewiesen, dass der Kläger sich bei einer versicherten Tätigkeit befunden habe. Es kämen sowohl versicherte als auch unversicherte Motive für das Verlassen der Autobahn in Betracht.
Die Entscheidung
Die hiergegen gerichtete Klage hatte keinen Erfolg. Das Gericht hielt trotz des irrigen Ausgangspunktes der Berufsgenossenschaft die Verwaltungsentscheidungen. Im Rahmen der Kausalität komme der konkurrierenden Ursache des Cannabiskonsums keine überragende Bedeutung zu. Unzutreffend sei ebenfalls, dass der Cannabiskonsum in Wechselwirkung mit dem vom Kläger wegen seiner Epilepsieerkrankung einzunehmenden Medikament das Ereignis ausgelöst habe. Es fehle jedoch an der Unfallkausalität des Ereignisses. Für einen Arbeitsunfall eines Versicherten sei im Regelfall erforderlich, dass seine Verrichtung zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen sei (innerer oder sachlicher Zusammenhang), sie zu dem zeitlich begrenzten, von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis – dem Unfallereignis – geführt (Unfallkausalität) und dass das Unfallereignis einen Gesundheitserstschaden verursacht habe (haftungsbegründende Kausalität); das Entstehen von länger andauernden Unfallfolgen aufgrund des Gesundheitserstschadens (haftungsausfüllende Kausalität) sei keine Bedingung für die Feststellung eines Arbeitsunfalls. Ob die Verrichtung, bei der sich der Unfall ereignet habe, der versicherten Tätigkeit zuzurechnen sei (sogenannter innerer oder sachlicher Zusammenhang), sei wertend zu entscheiden, indem untersucht werde, ob die Tätigkeit innerhalb der Grenze liege, bis zu der nach dem Gesetz der Unfallversicherungsschutz reiche. Für die tatsächlichen Grundlagen dieser Wertentscheidung sei der volle Nachweis erforderlich. Maßgeblich für die Beurteilung des inneren oder sachlichen Zusammenhangs einer konkreten Verrichtung mit einer versicherten Tätigkeit sei die objektive Handlungstendenz, ob also der Betroffene eine versicherte Tätigkeit habe ausüben wollen und diese Handlungstendenz durch die objektiven Umstände des Einzelfalls bestätigt würden. Dabei müssten das Vorliegen einer versicherten Tätigkeit zurzeit des Unfalls, das Unfallereignis selbst sowie der Gesundheitserstschaden im Überzeugungsgrad des Vollbeweises, also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, nachgewiesen sein. Nach den Ermittlungen stehe fest, dass der Kläger auf der Rastanlage keinen Arbeitsauftrag auszuführen hatte. Es hätte keine Vereinbarung zwischen dem Firmeninhaber und der Raststätte gegeben, wonach ausschließlich das Betanken der Betriebswagen durchgeführt werden solle. Es stehe auch nicht fest, in welchem Zeitpunkt der Fahrt der Kläger wahrscheinlich einen Krampfanfall mit Bewusstlosigkeit erlitten habe. Im Ergebnis sei eine Handlungstendenz des Klägers zum Aufsuchen der Tank- und Rastanlage nachgewiesen. Nicht nachgewiesen sei, warum er vom versicherten Weg abgebogen sei und ob es hierzu gleichwohl dem Versicherungsschutz zuzurechnende Gründe gebe. Dies lasse sich nicht mehr aufklären. Die Beweislast hierfür habe der Kläger zu tragen.
Sozialgericht Gießen, Urteil vom 24.11.2017, Az.: S 1 U 139/15, nicht rechtskräftig.
www.lareda.hessenrecht.hessen.de
Zwischen den Wegeunfällen nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII und den Wegen bei der Arbeit im öffentlichen Verkehrsraum nach § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII gibt es bezüglich der Beweislast mangels gesetzlicher Ermächtigungsgrundlage keine Unterschiede.
Der Sachverhalt
Der 1987 geborene Kläger arbeitete als Bodenverleger und Auslieferungsfahrer. In dieser Tätigkeit war er bei der beklagten Berufsgenossenschaft im Rahmen der gesetzlichen Unfallversicherung versichert. Am 04.03.2014 befuhr er die BAB 45 um Ware an eine Baudekorationsfirma auszuliefern. Nach ca. 9,1 km verließ der Kläger in Höhe einer Raststätte die Autobahn fuhr in die Raststätte und dort ungebremst in das Kassenhäuschen. Hierbei wurde ein 59-jähriger Mitarbeiter der Raststätte getötet. Direkt nach dem Unfall wurde bei dem Kläger eine THC-Konzentration von 4,7 ng/ml festgestellt. Des Weiteren bestand bei dem Kläger eine Epilepsie, wogegen er ständig ein Antiepileptikum einnahm. Mit Bescheid vom 27.11.2014 lehnte die Beklagte die Anerkennung des Ereignisses als Arbeitsunfall und die Gewährung von Entschädigungsleistungen ab und bezog sich im Wesentlichen auf die im Unfallzeitpunkt bestehende THC-Konzentration. Dieser Drogenkonsum stelle die allein wesentliche Unfallursache dar. Im Widerspruchsbescheid vom 28.08.2015 vertiefte die Beklagte ihr Vorbringen und führte aus, der gleichzeitige Einfluss des Medikaments und des Cannabis habe zu einer wesentlichen Beeinträchtigung der Verkehrstüchtigkeit geführt. Die Beklagte halte es nicht für voll bewiesen, dass ein unvermittelt aufgetretener Krampfanfall zum Unfall geführt habe. Es sei nicht voll bewiesen, dass der Kläger sich bei einer versicherten Tätigkeit befunden habe. Es kämen sowohl versicherte als auch unversicherte Motive für das Verlassen der Autobahn in Betracht.
Die Entscheidung
Die hiergegen gerichtete Klage hatte keinen Erfolg. Das Gericht hielt trotz des irrigen Ausgangspunktes der Berufsgenossenschaft die Verwaltungsentscheidungen. Im Rahmen der Kausalität komme der konkurrierenden Ursache des Cannabiskonsums keine überragende Bedeutung zu. Unzutreffend sei ebenfalls, dass der Cannabiskonsum in Wechselwirkung mit dem vom Kläger wegen seiner Epilepsieerkrankung einzunehmenden Medikament das Ereignis ausgelöst habe. Es fehle jedoch an der Unfallkausalität des Ereignisses. Für einen Arbeitsunfall eines Versicherten sei im Regelfall erforderlich, dass seine Verrichtung zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen sei (innerer oder sachlicher Zusammenhang), sie zu dem zeitlich begrenzten, von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis – dem Unfallereignis – geführt (Unfallkausalität) und dass das Unfallereignis einen Gesundheitserstschaden verursacht habe (haftungsbegründende Kausalität); das Entstehen von länger andauernden Unfallfolgen aufgrund des Gesundheitserstschadens (haftungsausfüllende Kausalität) sei keine Bedingung für die Feststellung eines Arbeitsunfalls. Ob die Verrichtung, bei der sich der Unfall ereignet habe, der versicherten Tätigkeit zuzurechnen sei (sogenannter innerer oder sachlicher Zusammenhang), sei wertend zu entscheiden, indem untersucht werde, ob die Tätigkeit innerhalb der Grenze liege, bis zu der nach dem Gesetz der Unfallversicherungsschutz reiche. Für die tatsächlichen Grundlagen dieser Wertentscheidung sei der volle Nachweis erforderlich. Maßgeblich für die Beurteilung des inneren oder sachlichen Zusammenhangs einer konkreten Verrichtung mit einer versicherten Tätigkeit sei die objektive Handlungstendenz, ob also der Betroffene eine versicherte Tätigkeit habe ausüben wollen und diese Handlungstendenz durch die objektiven Umstände des Einzelfalls bestätigt würden. Dabei müssten das Vorliegen einer versicherten Tätigkeit zurzeit des Unfalls, das Unfallereignis selbst sowie der Gesundheitserstschaden im Überzeugungsgrad des Vollbeweises, also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, nachgewiesen sein. Nach den Ermittlungen stehe fest, dass der Kläger auf der Rastanlage keinen Arbeitsauftrag auszuführen hatte. Es hätte keine Vereinbarung zwischen dem Firmeninhaber und der Raststätte gegeben, wonach ausschließlich das Betanken der Betriebswagen durchgeführt werden solle. Es stehe auch nicht fest, in welchem Zeitpunkt der Fahrt der Kläger wahrscheinlich einen Krampfanfall mit Bewusstlosigkeit erlitten habe. Im Ergebnis sei eine Handlungstendenz des Klägers zum Aufsuchen der Tank- und Rastanlage nachgewiesen. Nicht nachgewiesen sei, warum er vom versicherten Weg abgebogen sei und ob es hierzu gleichwohl dem Versicherungsschutz zuzurechnende Gründe gebe. Dies lasse sich nicht mehr aufklären. Die Beweislast hierfür habe der Kläger zu tragen.
Sozialgericht Gießen, Urteil vom 24.11.2017, Az.: S 1 U 139/15, nicht rechtskräftig.
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