Bundesland
Hessen
Sozialgericht
SG Gießen (HES)
Kategorie
Entscheidungen
Das Auftreten eines Geruchs (sogenannter: „Fume"Event“) bei Verkehrsflügen der zivilen Luftfahrt stellt für sich allein keine Einwirkung im Sinne des § 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII dar. Vielmehr ist zur Erfüllung des Tatbestandes eines Arbeitsunfalls eine mit diesem Geruch verbundene chemisch-toxische Belastung im Vollbeweis zu sichern.
Als anspruchsbegründende Tatsache trägt hierfür im Zweifelsfall der bzw. die Versicherte die Beweislast.
Eine Beweiserleichterung oder Beweislastumkehr kommt bei Flügen mit vielen Besatzungsmitgliedern und mehreren hundert Passagieren höchstens dann in Betracht, wenn eine Vielzahl von Versicherten oder Passagieren in engem zeitlichen Zusammenhang mit dem Flug erkrankt.
Der Hintergrund
Seit einigen Jahren berichten Piloten, Stewardessen und Flugbegleiter vermehrt über Erkrankungen aufgrund Kabinenluft. In Flugzeugen treten immer wieder und aus unterschiedlichen Ursachen Gerüche auf, die die Betroffenen als unangenehm empfinden und denen sie im Flugzeug auch nicht ausweichen können. Bei den meisten Verkehrsflugzeugen wird die Frischluft für Kabine und Cockpit an den Triebwerken als sogenannte Zapfluft abgegriffen. Hierbei kann es zum Eintrag von geringen Mengen von Ölen oder deren Zersetzungsprodukten in die Luftströmung kommen. Besondere Vorkommnisse, bei denen in der Kabine plötzlich ein beißender, miefiger Geruch wahrgenommen wird, bezeichnet die Wissenschaft dabei als „Fume(Event“. Umstritten ist, ob aus diesem Vorgang oder aus Gerüchen anderer Ursache Gefährdungen für die Gesundheit von Crewmitgliedern und Passagieren erwachsen können. Als Ursache wird Trikresylphosphat (TCP), ein Organophosphat und chemischer Zusatzstoff des Turbinenöls, der im Verdacht steht, gesundheitliche Beschwerden auszulösen, genannt.
Der Sachverhalt
Die 1979 geborene, in Gießen lebende Klägerin war bei der Lufthansa AG als Flugbegleiterin tätig. Im Oktober 2011 begab sie sich in ärztliche Behandlung. Ihren Angaben zufolge war es am 09.10.2011 bei einem Langstreckenflug zu einem Fume(Event an Bord ihres Flugzeugs gekommen. Im Juni 2012 beantragte die Klägerin bei der zuständigen Unfallversicherung, der Berufsgenossenschaft Verkehrswirtschaft Post(Logistik Telekommunikation, die Anerkennung eines Arbeitsunfalls. Mit Bescheiden vom 28.05.2013 und 14.11.2013 lehnte die Beklagte den Antrag ab, weil nicht feststehe, dass gesundheitsgefährdende Gefahrstoffe in das Flugzeug eingetreten seien. Mit ihrer im Dezember 2012 erhobenen Klage machte die Klägerin geltend, dass bei ihr ein Arbeitsunfall vorliege.
Die Entscheidung
Nach weiteren umfassenden medizinischen Ermittlungen wies die 1. Kammer des Sozialgerichts Gießen die Klage ab. Es könne nicht festgestellt werden, dass eine toxische Einwirkung auf dem Flug stattgefunden habe. Voraussetzung für die Feststellung eines Arbeitsunfalles sei, dass die versicherte Tätigkeit, die schädigenden Einwirkungen sowie die Erkrankung, wegen der Entschädigungsleistungen beansprucht werden, nachgewiesen seien. Dagegen genüge für die Anerkennung einer Gesundheitsstörung als
Folge schädigender Einwirkungen die Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs. Der Vollbeweis sei dann geführt, wenn die beweisbedürftige Tatsache mit Gewissheit nachgewiesen sei. Hieran fehle es. Das Gericht übersehe nicht, dass zahlreiche Aspekte dieses Themenkomplexes wie etwa die Möglichkeit, dass das Auftreten von sogenannten Fume(Events mit im Verfahren zur Gewinnung der Kabinenluft in Zusammenhang stehe, bisher ungeklärt oder umstritten seien. Dies führe aber nicht dazu,
dass bei sämtlichen subjektiv oder objektiv wahrgenommenen Geruchsveränderungen während eines Fluges eine Beweiserleichterung oder sogar eine Beweislastumkehr eintrete. Dies sei lediglich dann denkbar, wenn auf einem solchen Flug Passagiere und Versicherte in größerer Zahl nachweislich erkranken würden, was hier jedoch nicht der Fall gewesen sei. Fest stehe lediglich, dass ein unangenehmer Geruch von der Klägerin und anderen Crewmitgliedern wahrgenommen worden sei. Eine chemisch(toxische Belastung sei weder während des Fluges noch danach gesichert worden.
Sozialgericht Gießen, Urteil vom 01.02.2019, Az.: S 1 U 61/15
www.lareda.hessenrecht.hessen.de
Als anspruchsbegründende Tatsache trägt hierfür im Zweifelsfall der bzw. die Versicherte die Beweislast.
Eine Beweiserleichterung oder Beweislastumkehr kommt bei Flügen mit vielen Besatzungsmitgliedern und mehreren hundert Passagieren höchstens dann in Betracht, wenn eine Vielzahl von Versicherten oder Passagieren in engem zeitlichen Zusammenhang mit dem Flug erkrankt.
Der Hintergrund
Seit einigen Jahren berichten Piloten, Stewardessen und Flugbegleiter vermehrt über Erkrankungen aufgrund Kabinenluft. In Flugzeugen treten immer wieder und aus unterschiedlichen Ursachen Gerüche auf, die die Betroffenen als unangenehm empfinden und denen sie im Flugzeug auch nicht ausweichen können. Bei den meisten Verkehrsflugzeugen wird die Frischluft für Kabine und Cockpit an den Triebwerken als sogenannte Zapfluft abgegriffen. Hierbei kann es zum Eintrag von geringen Mengen von Ölen oder deren Zersetzungsprodukten in die Luftströmung kommen. Besondere Vorkommnisse, bei denen in der Kabine plötzlich ein beißender, miefiger Geruch wahrgenommen wird, bezeichnet die Wissenschaft dabei als „Fume(Event“. Umstritten ist, ob aus diesem Vorgang oder aus Gerüchen anderer Ursache Gefährdungen für die Gesundheit von Crewmitgliedern und Passagieren erwachsen können. Als Ursache wird Trikresylphosphat (TCP), ein Organophosphat und chemischer Zusatzstoff des Turbinenöls, der im Verdacht steht, gesundheitliche Beschwerden auszulösen, genannt.
Der Sachverhalt
Die 1979 geborene, in Gießen lebende Klägerin war bei der Lufthansa AG als Flugbegleiterin tätig. Im Oktober 2011 begab sie sich in ärztliche Behandlung. Ihren Angaben zufolge war es am 09.10.2011 bei einem Langstreckenflug zu einem Fume(Event an Bord ihres Flugzeugs gekommen. Im Juni 2012 beantragte die Klägerin bei der zuständigen Unfallversicherung, der Berufsgenossenschaft Verkehrswirtschaft Post(Logistik Telekommunikation, die Anerkennung eines Arbeitsunfalls. Mit Bescheiden vom 28.05.2013 und 14.11.2013 lehnte die Beklagte den Antrag ab, weil nicht feststehe, dass gesundheitsgefährdende Gefahrstoffe in das Flugzeug eingetreten seien. Mit ihrer im Dezember 2012 erhobenen Klage machte die Klägerin geltend, dass bei ihr ein Arbeitsunfall vorliege.
Die Entscheidung
Nach weiteren umfassenden medizinischen Ermittlungen wies die 1. Kammer des Sozialgerichts Gießen die Klage ab. Es könne nicht festgestellt werden, dass eine toxische Einwirkung auf dem Flug stattgefunden habe. Voraussetzung für die Feststellung eines Arbeitsunfalles sei, dass die versicherte Tätigkeit, die schädigenden Einwirkungen sowie die Erkrankung, wegen der Entschädigungsleistungen beansprucht werden, nachgewiesen seien. Dagegen genüge für die Anerkennung einer Gesundheitsstörung als
Folge schädigender Einwirkungen die Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs. Der Vollbeweis sei dann geführt, wenn die beweisbedürftige Tatsache mit Gewissheit nachgewiesen sei. Hieran fehle es. Das Gericht übersehe nicht, dass zahlreiche Aspekte dieses Themenkomplexes wie etwa die Möglichkeit, dass das Auftreten von sogenannten Fume(Events mit im Verfahren zur Gewinnung der Kabinenluft in Zusammenhang stehe, bisher ungeklärt oder umstritten seien. Dies führe aber nicht dazu,
dass bei sämtlichen subjektiv oder objektiv wahrgenommenen Geruchsveränderungen während eines Fluges eine Beweiserleichterung oder sogar eine Beweislastumkehr eintrete. Dies sei lediglich dann denkbar, wenn auf einem solchen Flug Passagiere und Versicherte in größerer Zahl nachweislich erkranken würden, was hier jedoch nicht der Fall gewesen sei. Fest stehe lediglich, dass ein unangenehmer Geruch von der Klägerin und anderen Crewmitgliedern wahrgenommen worden sei. Eine chemisch(toxische Belastung sei weder während des Fluges noch danach gesichert worden.
Sozialgericht Gießen, Urteil vom 01.02.2019, Az.: S 1 U 61/15
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