Krankenkasse muss nach falscher Beratung Kosten tragen

Bundesland
Hessen
Sozialgericht
SG Darmstadt (HES)
Kategorie
Pressemitteilungen


Lehnt eine Krankenkasse den Antrag eines erkrankten Versicherten auf eine bestimmte Behandlungsleistung ab, ohne auf naheliegende Alternativen hinzuweisen, kann der Versicherte nachträglich verlangen, dass die Krankenkasse ihm die Behandlungskosten erstattet. Dies hat die 13. Kammer des Sozialgerichts Darmstadt am 5. Juli 2021 unter dem Aktenzeichen S 13 KR 462/20 entschieden.

Klaustrophobischer Kläger brauchte offenes MRT
Ein 59-jähriger Versicherter aus dem Landkreis Darmstadt-Dieburg, benötigte zur Behandlung seiner akuten Rückenschmerzen eine MRT-Untersuchung. Aufgrund seiner Klaustrophobie kam aber nur die Untersuchung in einem sog. offenen MRT in Betracht. Selbst unter Sedierung war es dem Kläger nicht möglich, sich in der Röhre eines konventionellen MRT untersuchen zu lassen. Er suchte daher im Internet nach ortsansässigen Radiologen mit einem offenen MRT und beantragte bei seiner Krankenkasse die Kostenübernahme. Dies lehnte die Krankenkasse aber ab, weil der vom Kläger im Internet gefundene Radiologe über keine Kassenzulassung verfügte. Die Beklagte verwies den Kläger darauf, sich von einem Vertragsarzt untersuchen zu lassen, dies müsse unter Sedierung möglich sein. Erst im Laufe des Rechtsstreits legte die Krankenkasse eine Liste mit Vertragsärzten vor, die dazu befugt sind, auch zulasten der Gesetzlichen Krankenversicherung eine Untersuchung in einem offenen MRT durchzuführen.

Verletzung der Pflicht zur Spontanberatung
Die 13. Kammer des Sozialgerichts Darmstadt sah in dem Bescheid der Krankenkasse eine Verletzung ihrer Pflicht zur Spontanberatung. Ein Sozialleistungsträger müsse einem Versicherten nicht nur ausdrücklich gestellte Fragen beantworten. Der Leistungsträger sei unabhängig von einem konkreten Beratungsbegehren gehalten, bei Vorliegen eines konkreten Anlasses auf klar zu Tage tretende Gestaltungsmöglichkeiten hinzuweisen. Insbesondere dann, wenn sich diese offensichtlich als zweckmäßig aufdrängen und von jedem verständigen Versicherten mutmaßlich genutzt würden. Hier hätte die Krankenversicherung daher den Kläger darauf hinweisen müssen, dass zwar bei dem von ihm gefundenen Radiologen eine Abrechnung zulasten der Gesetzlichen Krankenversicherung nicht möglich sei, weil diesem Behandler die Kassenzulassung fehlte, dass aber andere Ärzte hierzu berechtigt gewesen wären. Aufgrund der Antwort der Krankenkasse sei bei dem Kläger der Irrtum erzeugt worden, dass kein Vertragsarzt zur Abrechnung einer offenen MRT-Untersuchung berechtigt gewesen wäre. 

Aber Achtung beim Verlassen des Sachleistungsprinzips
Das Sozialgericht mahnt aber, dass ein Kostenerstattungsanspruch gegen eine gesetzliche Krankenkasse stets nur dann in Betracht kommt, wenn die Leistung zuvor bei der Krankenkasse beantragt und von dieser zu Unrecht abgelehnt worden ist. Nur in besonderen Notfällen könne etwas Anderes gelten. Denn das Recht der Gesetzlichen Krankenversicherung sei vom Sachleistungsprinzip geprägt. Grundsätzlich erhielten Versicherte daher medizinische Leistungen durch Vorlage ihrer Gesundheitskarte ohne dafür eine Rechnung zu erhalten oder gar in Vorleistung zu treten.

Hinweise zur Rechtslage
§ 13 Abs. 3 Satz 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V)
Konnte die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen oder hat sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch Versicherten für die selbst beschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war.

§ 14 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I)
Jeder hat Anspruch auf Beratung über seine Rechte und Pflichten nach diesem Gesetzbuch. Zuständig für die Beratung sind die Leistungsträger, denen gegenüber die Rechte geltend zu machen oder die Pflichten zu erfüllen sind.

Sozialgericht Darmstadt, Urteil vom 05.07.2021, Az.: S 13 KR 462/20
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