Privatärzte müssen Bereitschaftsdienst der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen vorläufig nicht mitfinanzieren

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Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
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Pressemitteilungen


Landessozialgericht sieht ernstliche Zweifel an Ermächtigungsgrundlage 

Ob die Kassenärztliche Vereinigung Hessen (KV) dazu ermächtigt ist, von Privatärzten Beiträge zur Finanzierung des Bereitschaftsdienstes der KV heranzuziehen, sei ernsthaft zu bezweifeln. Eine entsprechende Ermächtigungsgrundlage für die Bereitschaftsdienstverordnung der KV liege nach summarischer Prüfung nicht vor. Dies entschied in einem einstweiligen Rechtsschutzverfahren der 4. Senat des Hessischen Landessozialgerichts.  

Privatarzt widerspricht Beitragsforderung der KV  

Ein niedergelassener Arzt betreibt eine Privatpraxis in Frankfurt am Main. Von ihm forderte die KV Beiträge in Höhe von 7.500 € für die Jahre 2019 bis 2021 zur Finanzierung des ärztlichen Bereitschaftsdienstes. Der Arzt wandte dagegen ein, dass die von der KV per Satzung geregelte Bereitschaftsdienstordnung für Privatärzte nicht gelte. Er beantragte einstweiligen Rechtsschutz.

LSG: Ernstliche Zweifel an hinreichender Ermächtigungsgrundlage 

Die Richter des Landessozialgerichts ordneten die aufschiebende Wirkung der gegen die Beitragsbescheide erhobenen Widersprüche des Arztes bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache an. Es bestünden ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Beitragsbescheide. Nach summarischer Prüfung im Eilverfahren sei davon auszugehen, dass es an einer rechtmäßigen Rechtsgrundlage fehle.

Die Rechtssetzungskompetenz der KV sei auf die Konkretisierung der Rechte und Pflichten des Bereitschaftsdienstes der Vertragsärzte beschränkt. Die KV könne hingegen nicht über Satzungsrecht den Kreis der zur Teilnahme am Bereitschaftsdienst der KV verpflichteten Ärzte erweitern und daher Privatärzte nicht zur Finanzierung dieses Bereitschaftsdienstes heranziehen. 

Auch das Hessische Heilberufsgesetz enthalte keine taugliche Ermächtigungsgrundlage für die von der KV erlassene Regelung. Im Hinblick auf die verfassungsrechtlich geschützte Berufsausübungsfreiheit müssten die wesentlichen Voraussetzungen für eine Pflichtteilnahme von Privatärzten an dem Bereitschaftsdienst der KV bzw. der entsprechenden Befreiungsbedingungen und Beitragspflichten gesetzlich geregelt sein. Eine solche Regelung habe der hessische Gesetzgeber hingegen nicht vorgenommen. Insbesondere sei die Vorgaben für die Finanzierung des Ärztlichen Bereitschaftsdienstes nicht hinreichend gesetzlich geregelt.

Die Klagen (Hauptsacheverfahren) des Arztes sind vor dem Sozialgericht Marburg anhängig. Mehrere parallel gelagerten Streitigkeiten anderer Privatärzte sind sowohl in der Hauptsache als auch im einstweiligen Rechtsschutz am Sozialgericht Marburg (1. Instanz) und am Hessischen Landessozialgericht (Berufungs- oder Beschwerdeinstanz) anhängig.
 

Hinweise zur Rechtslage

§ 75 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V)
(1) Die Kassenärztlichen Vereinigungen und die Kassenärztlichen Bundesvereinigungen haben die vertragsärztliche Versorgung (…) Umfang sicherzustellen (…). 
(1b) Der Sicherstellungsauftrag nach Absatz 1 umfasst auch die vertragsärztliche Versorgung zu den sprechstundenfreien Zeiten (Notdienst), (…).

§ 77 SGB V
(1) Zur Erfüllung der ihnen durch dieses Buch übertragenen Aufgaben der vertragsärztlichen Versorgung bilden die Vertragsärzte für den Bereich jedes Landes eine Kassenärztliche und eine Kassenzahnärztliche Vereinigung (Kassenärztliche Vereinigungen). (…)

§ 81 SGB V 
(1) Die Satzung muss insbesondere Bestimmungen enthalten über (…)

§ 23 Hessisches Heilberufsgesetz (HeilBG) 
Die Kammerangehörigen, die ihren Beruf ausüben, haben insbesondere die Pflicht,
(…)
  2.   soweit sie als Berufsangehörige im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 in eigener 
        Praxis tätig sind, am Ärztlichen Bereitschaftsdienst der Kassenärztlichen 
        Vereinigung Hessen teilzunehmen und sich an den Kosten des Ärztlichen 
        Bereitschaftsdienstes der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen zu beteiligen,
(…)

§ 24 HeilBG 
Das Nähere zu § 23 regelt die Berufsordnung. Sie hat insbesondere zu § 23 Nr. 2 vorzusehen, dass die Teilnahmeverpflichtung nur für einen bestimmten regionalen Bereich gilt und von ihr aus wichtigem Grund, insbesondere wegen körperlicher Behinderung oder außergewöhnlicher familiärer Belastung sowie wegen Teilnahme an einem klinischen Bereitschaftsdienst mit Notfallversorgung, auf Antrag ganz, teilweise oder vorübergehend befreit werden kann.

Bereitschaftsdienstordnung der KV Hessen (BDO)

§ 3 BDO - Teilnahme am Ärztlichen Bereitschaftsdienstes (ÄBD) 
(3) Am ÄBD nehmen grundsätzlich die privat niedergelassenen Ärzte (Privatarzt) am Ort ihres Praxissitzes entsprechend ihrer Verpflichtung aus dem Hessischen Beilberufsgesetz teil (…)

§ 9 BDO – Finanzierung des ÄBD 
(3) Bei Privatärzten wird abweichend von Abs. 2 zur Deckung des Gesamtaufwandes nach Abs. 4 zusätzlich zu den Erträgen nach Abs. 1 als pauschaler ÄBD-Beitrag die Hälfte des in Abs. 2 genannten Höchstbeitrages je Quartal erhoben. (…)   
 

Landessozialgericht Darmstadt, Beschluss vom 17.03.2022, Az.  L 4 KA 3/22 B ER – Der Beschluss ist unanfechtbar.
www.lareda.hessenrecht.hessen.de 


 

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