Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin
vom 6. Februar 2019 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin wendet sich gegen eine sachlich-rechnerische Berichtigung ihres Honorars für die Quartale I/10 bis IV/12.
Die Klägerin ist Fachärztin für Anästhesiologie und nimmt seit 1989 in einer Einzelpraxis an der vertragsärztlichen Versorgung teil. Im streitigen Zeitraum betrieb sie eine Praxisgemeinschaft mit dem Facharzt für Anästhesiologie Dr. A S in Form der gemeinsamen Nutzung von Operationsräumen, die sich im ambulanten Operationszentrum am S-G-Krankenhaus befinden.
Die Beklagte unterzog zunächst die Quartale II/10, IV/11, II/12 und IV/12 einer Plausibilitätsprüfung nach § 106a SGB V im Hinblick auf eine gemeinsame Behandlung von Patienten („Patientenidentität“). In einem Schreiben vom 28. Oktober 2013 teilte die Beklagte mit, dass das Auffälligkeitskriterium von 20 Prozent gemeinsamer Patientenbehandlungen bei fachgleichen Praxen mit Dr. S in diesen Quartalen überschritten sei (identischer Patientenanteil zwischen 25 und 31,25 Prozent).
Hierauf teilte die Klägerin telefonisch mit, sie teile sich die OP-Räume mit Dr. S. Grundsätzlich behandele jeder seine eigenen Patienten. In Ausnahmefällen könne es aber dazu kommen, dass bei ihren Patienten in ihrer Abwesenheit Vorgespräche oder Narkosen von Dr. S durchgeführt würden und umgekehrt.
Der Plausibilitätsausschuss der Beklagten gelangte nach stichprobenhafter Analyse von je fünf Doppelbehandlungsfällen je Prüfquartal zu der Einschätzung, dass eine vertragsarztwidrige gemeinsame Behandlungstätigkeit vorliege. Die gemeinsamen Patienten seien durch chirurgische Praxen zum Facharzt für Anästhesiologie überwiesen worden. Im Anschluss sei die anästhesiologische Betreuung durch die Klägerin und Dr. S gemeinsam übernommen worden. In sämtlichen überprüften Behandlungsfällen sei von einer der beiden Praxen die präanästhesiologische Untersuchung (GOP 05310) und von der anderen die eigentliche Narkose (GOP 31822) durchgeführt und abgerechnet worden. Die tatsächlich geführte Gemeinschaftspraxis sei nach § 33 Abs. 2 Ärzte-ZV besonders genehmigungsbedürftig. Ohne eine solche Genehmigung hätten die beiden Ärzte ihre Fallzahlen künstlich erhöht und damit ohne sachlichen Grund eine Steigerung ihrer Honorare herbeigeführt.
Auf dieser Grundlage hob die Beklagte die Honorarbescheide der Klägerin für die genannten vier Quartale mit Bescheid vom 18. März 2014 teilweise auf, nahm eine sachlich-rechnerische Berichtigung vor und kürzte das Honorar der Klägerin um insgesamt 7.268,89 Euro brutto (7.146,56 Euro netto, Vergütung für die Hälfte der gemeinsamen Patienten zu dem quartalsbezogenen arztindividuellen Fallwert):
Quartal |
Abgerechnete Patienten der Klägerin |
Gemeinsame Patienten mit Dr. S |
Gemeinsame Patienten in Prozent |
Hälfte des verbleibenden zu Unrecht behandelten Patientenanteils |
Quartalsbezogener arztindividueller Fallwert in Euro |
Rückforderungsbetrag brutto in Euro |
II/10 |
125 |
35 |
28 |
17 |
185,58 |
3.154,86 |
IV/11 |
96 |
24 |
25 |
12 |
193,30 |
2.319,60 |
II/12 |
48 |
15 |
31,25 |
7 |
200,63 |
1.404,41 |
IV/12 |
14 |
4 |
28,57 |
2 |
195,01 |
390,02 |
|
|
|
|
|
Summe brutto |
7.268,89 |
Mit ihrem hiergegen erhobenen Widerspruch führte die Klägerin an, das Aufgreifkriterium von 20 Prozent sei nicht überschritten, denn zur Berechnung hätte auf die Summe der Patienten beider Praxen abgestellt werden müssen. Hier sei auch zu berücksichtigen, dass Dr. S weitaus höhere Fallzahlen habe als die Klägerin und bei ihr daher nach der Berechnungsmethode der Beklagten das Aufgreifkriterium sehr viel früher und schon bei einer relativ geringen Anzahl von Patienten greife. Zudem habe die Beklagte die Besonderheiten im Facharztbereich der ambulanten Anästhesiologie unbeachtet gelassen. Es gebe hier schon keine festen Sprechzeiten. Gefragt sei gesteigerte Flexibilität, um kurzfristig auf Anfragen und den Zeitplan eines Operateurs reagieren zu können. Die Klägerin erbringe auch belegärztliche und ambulante Narkosen an anderen Standorten. Dr. S und sie hätten sich planmäßig vertreten, um den spezifischen Abläufen gerecht zu werden. Es greife der Tatbestand der Vertretung aus § 32 Ärzte-ZV. Schließlich sei auch grobe Fahrlässigkeit nicht zu erkennen, zumal es nur um wenige Behandlungsfälle pro Quartal gehe und ein planmäßiger Gestaltungsmissbrauch nicht zu erkennen sei. Die Rückforderungssumme sei ermessensfehlerhaft zu hoch festgesetzt worden.
Das Ergebnis der Plausibilitätsprüfung der Quartale II/10, IV/11, II/12 und IV/12 nahm die Beklagte zum Anlass, die (übrigen) Quartale von III/09 bis III/12 einer Abrechnungsprüfung zu unterziehen (Schreiben vom 23. Februar 2014, VV Bl. 503A); es bestehe ein aufklärungsbedürftiger Hinweis auf fehlerhafte Abrechnungen. Auf das Vorliegen von den für eine Plausibilitätsprüfung maßgeblichen Aufgreifkriterien komme es insoweit nicht an.
Mit Bescheid vom 14. Juli 2014 verfügte die Beklagte eine Honorarkürzung um insgesamt 16.380,64 Euro brutto (16.105,96 Euro netto). Eine stichprobenhafte und zufallsgesteuerte Überprüfung gemeinsam mit Dr. S behandelter Patienten, deren Versichertennummern im Einzelnen aufgeführt werden, habe ergeben, dass stets nach dem gleichen Muster behandelt worden sei. Auch hier sei durchweg von einer der beiden Praxen die präanästhesiologische Untersuchung (GOP 05310) und von der anderen die eigentliche Narkose (GOP 31822) durchgeführt und abgerechnet worden. Damit seien einzelne Patienten im Rahmen eines operativen Eingriffs wechselseitig behandelt worden. Vertreterscheine seien nicht abgerechnet worden, so dass dieses Argument der Klägerin ins Leere gehe. Es sei wie in einer Berufsausübungsgemeinschaft agiert worden. Da auch hier Anhaltspunkte für eine einzelfallbezogene Honorarschätzung fehlten und die einzelnen Patienten nicht eindeutig einer Praxis zuordenbar seien, orientiere sich die Rückforderung auch hier an der Vergütung für die Hälfte der gemeinsamen Patienten zu dem quartalsbezogenen arztindividuellen Fallwert.
Im Einzelnen lagen dieser Honorarkürzung folgende Werte zugrunde:
Quartal |
Gemeinsame Patienten mit Dr. S |
Hälfte des verbleibenden zu Unrecht behandelten Patientenanteils |
Quartalsbezogener arztindividueller Fallwert in Euro |
Rückforderungsbetrag brutto in Euro |
III/09 |
7 |
3 |
228,91 |
686,73 |
IV/09 |
15 |
7 |
213,19 |
1.492,33 |
I/10 |
25 |
12 |
227,78 |
2.733,36 |
III/10 |
29 |
14 |
171,22 |
2.397,08 |
IV/10 |
16 |
8 |
196,94 |
1.575,52 |
I/11 |
20 |
10 |
177,21 |
1.772,10 |
II/11 |
12 |
6 |
216,96 |
1.301,76 |
III/11 |
13 |
6 |
214,87 |
1.289,22 |
I/12 |
18 |
9 |
206,18 |
1.855,62 |
III/12 |
13 |
6 |
212,82 |
1.276,92 |
|
Summe: 168 |
|
Summe brutto |
16.380,64 |
|
|
|
Summe netto |
16.105,96 |
Zur Begründung ihres auch hiergegen eingelegten Widerspruchs führte die Klägerin an: Ein Wert von mindestens 20 Prozent Patientenidentität sei in diesen Quartalen nicht erreicht. Abrechnungsfehler seien nicht ersichtlich. Patientenidentitäten seien durch Vertretungen oder Notfälle gerechtfertigt. Eine kurzfristige Vertretung sei nicht anzeige- oder dokumentationspflichtig. Die Honorarkürzungen seien zu hoch veranschlagt. Auch hier sei der Kürzungsmodus ermessensfehlerhaft. Einer Kürzung hätten höchstens die doppelt abgerechnete Ordinations- bzw. Konsultationsgebühr unterzogen werden dürfen, woraus eine weitaus niedrigere Rückforderung resultiere. Die GOP 05310 und 31822 seien nicht doppelt abgerechnet worden. Sachlich-rechnerische Berichtigung dürfe keinen Sanktionscharakter annehmen.
Die Widersprüche wies die Beklagte durch einheitlichen Widerspruchsbescheid vom 14. April 2015 zurück. Gegeben sei ein Gestaltungsmissbrauch der Kooperationsform „Praxisgemeinschaft“ mit Dr. S. Für die Quartale II/10, IV/11, II/12 und IV/12 folge dies aus dem Anteil der gemeinsam behandelten Patienten, der zwischen 25 Prozent und 31,25 Prozent liege. Die Überprüfung exemplarischer Einzelfälle habe dies bestätigt. Die im Bescheid vom 14. Juli 2014 durchgeführte Abrechnungsprüfung sei unabhängig von den Erfordernissen einer Plausibilitätsprüfung. Die detaillierte Prüfung der übrigen Quartale III/09 bis III/12 belege die Verletzung vertragsärztlicher Pflichten in nahezu allen 168 Doppelbehandlungsfällen. Die Klägerin habe ihre vertragsärztliche Tätigkeit unzulässig gemeinsam mit der Praxis Dr. S ausgeübt. Es sei immer nach dem gleichen System behandelt worden. In der Regel habe ein Praxisgemeinschaftspartner die präanästhesiologische Untersuchung (Ziffer 05310 EBM) vorgenommen und der andere habe die Narkose durchgeführt und abgerechnet, ohne dass hierfür eine Notwendigkeit bestanden habe. Notfall- oder Vertreterscheine seien nicht ausgefüllt worden. Zudem seien an den entsprechenden Tagen stets beide Ärzte tätig gewesen, weshalb eine Vertretung unzulässig sei. Eine erneute Durchsicht und Analyse aller gemeinsamen Behandlungsfälle bestätige dies:
- Bei 117 gemeinsamen Patienten hätten beide Anästhesisten die Versorgung gemeinschaftlich übernommen, indem der eine die Voruntersuchung und der andere die Narkose erbracht habe. In zwei Fällen sei dies sogar am gleichen Tag erfolgt.
- Für insgesamt 96 Patienten sei anhand der Tagesprofile nachgewiesen, dass durch die Präsenz beider Anästhesisten die Versorgung auch von demjenigen, der die Behandlung begonnen habe, hätte fortgesetzt werden können. Für die übrigen 23 Patienten liege kein Nachweis vor, der die wechselseitige Behandlung rechtfertige.
- In 36 Fällen stehe fest, dass beide Anästhesisten am gleichen Tag und in zwölf Fällen an unterschiedlichen Tagen für denselben Patienten vorbereitend für nur einen operativen Eingriff jeweils die präanästhesiologische Untersuchung abgerechnet hätten. Diese Doppelabrechnung der GOP 05310 verstoße gegen den EBM, die Abrechnung dieser GOP dürfe nur einmal im Behandlungsfall erfolgen. Hieraus werde auch die gezielte Fallzahlvermehrung deutlich.
- Lediglich in einem Fall des Quartals III/10 habe sich eine ordnungsgemäße Doppelbehandlung gezeigt.
Auf die Darstellung Bl. 14 bis 22 des Widerspruchsbescheides sowie Bl. 556A bis 558A des Verwaltungsvorgangs wird insoweit Bezug genommen.
Anders als die Klägerin meine, sei die Nutzung von Vertreterscheinen im Falle einer Vertretung aufgrund der Regelungen im BMV-Ä in Verbindung mit der Vordruckvereinbarung zwingend. Im Gesamtbild hätten die Klägerin und Dr. S die Behandlung von Patienten arbeitsteilig und abwechselnd übernommen, wie dies nur in einer Berufsausübungsgemeinschaft, nicht aber in einer Praxisgemeinschaft zulässig sei. Die konkrete Praxisgestaltung habe die gemeinsame Behandlung von Patienten planmäßig und unausweichlich gemacht. Faktisch habe man ohne Erlaubnis eine Berufsausübungsgemeinschaft betrieben. Auf diese Weise habe sich die Klägerin ihr nicht zustehendes Honorar verschafft. Die behaupteten Besonderheiten der ambulanten Anästhesie fielen allein in den Verantwortungsbereich der beteiligten Ärzte. Weil die Patienten keiner Praxis klar zuordenbar seien, sei der Rückforderungsbetrag für alle Quartale so bemessen worden, dass, orientiert am quartalsbezogenen arztindividuellen Fallwert, die Vergütung für die Hälfte der gemeinsam behandelten Patienten geltend gemacht werde. Diese Kürzungsmethode sei auch gerichtlich unbeanstandet geblieben (Hinweis auf S 79 KA 497/09). Die vorzunehmende Kürzung müsse sich nicht an dem orientieren, was den Vertragsärzten im Falle einer genehmigten Berufsausübungsgemeinschaft an Honorar zustehe. Eine solche hypothetische Sichtweise sei nicht anzulegen, weil ansonsten vertragsarztwidriges Verhalten im Ergebnis wirtschaftlich gebilligt würde.
Zur Begründung ihrer hiergegen erhobenen Klage hat die Klägerin ihr Vorbringen aus dem Verwaltungsverfahren vertieft.
Am 6. Februar 2019 hat die Beklagte die Honorarkürzung wegen Überschreitung der vierjährigen Frist zur Honorarkorrektur aufgehoben, soweit es die Quartale III/09 und IV/09 betrifft (686,73 bzw. 1.492,33 Euro, zusammen 2.179,06 Euro brutto, abzüglich 1,4 Prozent Verwaltungsgebühr = 2.148,55 Euro netto).
Mit Urteil vom 6. Februar 2019 hat das Sozialgericht Berlin die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das Sozialgericht im Wesentlichen ausgeführt: Rechtsgrundlage für die Teilaufhebung und Berichtigung der Honorarbescheide aller noch streitigen Quartale sei § 106a Abs. 2 Satz 1 SGB V in der bis zum 31. Dezember 2016 geltenden Fassung. Einziges Tatbestandsmerkmal der sachlich-rechnerischen Richtigstellung sei die Rechtswidrigkeit von Honorarabrechnung bzw. Honorarbescheid. Zu Recht gehe die Beklagte von einer missbräuchlichen Nutzung der Kooperationsform Praxisgemeinschaft aus. Maßgeblich seien die auf der Grundlage von § 106a Abs. 6 SGB V a.F. erlassenen Richtlinien der KBV und des GKV-Spitzenverbandes zum Inhalt und zur Durchführung der Abrechnungsprüfungen der Kassenärztlichen Vereinigungen und der Krankenkassen. Nach deren § 11 Abs. 2 sei eine Abrechnungsauffälligkeit zu vermuten, wenn eine Patientenidentität von mehr als 20 Prozent bei versorgungsbereichsidentischen Vertragsarztpraxen vorliege. Deses Aufgreifkriterium sei in den vier Quartalen II/10, IV/11, II/12 und IV/12 unproblematisch erfüllt. Die Ermittlung der zwischen 25 und 31,25 liegenden Prozentsätze sei rechtlich nicht zu beanstanden, insbesondere habe allein auf die Fallzahlen der Klägerin und die darin enthaltenen gemeinsamen Patienten abgestellt werden dürfen. Die von der Beklagten vorgenommene stichprobenhafte Überprüfung von fünf gemeinsam behandelten Patienten pro Quartal habe die Vorwürfe untermauert. Die Honorarberichtigung habe auf dieser Grundlage ohne Weiteres erfolgen dürfen, auf Verschulden der Klägerin komme es nicht an. Weiter sei die Beklagte aus gegebenem Anlass befugt gewesen, auch das Honorar der übrigen Quartale im Zeitraum I/10 bis III/12 zu berichtigen, selbst wenn hier keine Patientenidentität von mindestens 20 Prozent habe festgestellt werden können. Hier habe die Beklagte nicht nur stichprobenartig geprüft, sondern alle 168 gemeinsamen Behandlungsfälle untersucht. Aus der vollständigen Analyse des Abrechnungsverhaltens ergebe sich, dass eine Praxisorganisation an den Tag gelegt worden sei, wie sie für eine Berufsausübungsgemeinschaft kennzeichnend sei. Regelhaft habe man gegenseitig für die Versorgung der Patienten des jeweils anderen zur Verfügung gestanden. Sofern die Klägerin Besonderheiten des anästhesiologischen Fachgebiets geltend mache, könne sie dem durch die Bildung einer Berufsausübungsgemeinschaft Rechnung tragen. Im Ergebnis habe die Klägerin in den Quartalen I/10, III/10 bis III/11, I/12 und III/12 in 167 Fällen gegen das Gebot der peinlich genauen Abrechnung verstoßen, was im Widerspruchsbescheid ins Einzelne gehend nachgewiesen worden sei. Sofern die Klägerin meine, es habe sich bei den gemeinsamen Behandlungsfällen um unzulässige Vertretungen gehandelt, gehe dies fehl. Denn eine berechtigte Vertretung bzw. eine Notfallbehandlung seien nicht nachgewiesen. Bloße „kollegiale Vertretung“, wie sie in einer Berufsausübungsgemeinschaft typisch sei, sei nicht aus den gemeinsamen Behandlungsfällen der Praxisgemeinschaft herauszurechnen. In Bezug auf die unrichtigen Abrechnungs-Sammelerklärungen für die Quartale I/10, III/10 bis III/11, I/12 sei der Klägerin auch grobe Fahrlässigkeit zur Last zu legen. Bereits die Anzahl der Pflichtverstöße spreche gegen ein schlichtes Versehen. Ihr Schätzungsermessen schließlich habe die Beklagte beanstandungsfrei ausgeübt.
Gegen das ihr am 25. Februar 2019 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 22. März 2019 Berufung eingelegt. Sie vertieft ihr Vorbringen aus Verwaltungs- und Klageverfahren und führt ergänzend an: Ein „Gestaltungsmissbrauch“ liege nicht vor, denn in keinem Quartal gebe es eine relevante Auffälligkeit. Das Berechnungsmodell der Beklagten sei nicht tragfähig. Es sei nicht angezeigt, der Klägerin die eigenen Patienten zur Last zu legen, wenn ein anderer verfügbarer Arzt die Vertretung übernehme. Zudem habe die Beklagte die Klägerin und Dr. S nur in unterschiedlichem Maße zur Rechenschaft gezogen. Die erforderliche Einzelfallprüfung habe die Beklagte in den Quartalen I/10, III/10 bis III/11, I/12 nicht vorgenommen. In unauffälligen Quartalen dürfe der Klägerin keine Darlegungslast aufgebürdet werden. Kurzfristige Vertretungen seien durchweg aufgrund von Terminverschiebungen bei den Operateuren erfolgt. Hierin liege ein Behandlerwechsel aus wichtigem Grund im Sinne von § 76 Abs. 3 SGB V. Von grober Fahrlässigkeit könne nicht die Rede sein. Teilweise lägen nur denkbar wenige doppelte Behandlungsfälle vor. Schließlich begegne auch die vorgenommene Honorarschätzung rechtlichen Bedenken, soweit die Quartale betroffen seien, in denen das Aufgreifkriterium nicht erfüllt sei. Zu berücksichtigen sei auch, dass die Narkoseleistungen nie doppelt abgerechnet worden seien. Es ergebe sich eine maximale Schadenssumme von 3.238,44 Euro.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 6. Februar 2019 sowie die Bescheide der Beklagten vom 18. März 2014 und 14. Juli 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. April 2015, dieser in der Fassung des Bescheides vom 6. Februar 2019, aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend. Die Klägerin habe den Regularien zuwider gehandelt, die sich aus dem Vorliegen einer Praxisgemeinschaft ergäben, indem sie mit Dr. S eine abwechselnde Behandlung identischer Patienten praktiziert habe. In der unzulässigen Aufspaltung einzelner Behandlungsfälle liege keine reguläre Vertretung. Eine Stichprobenprüfung sei nur in den „auffälligen“ Quartalen erfolgt; in den acht übrigen Quartalen seien dagegen alle 168 gemeinsamen Patienten überprüft worden. Hierin liege auch nicht nur eine „elektronische Auflistung“ der Patienten, sondern eine Beschreibung der jeweiligen Fallkomplexe, wobei teilweise sogar Tagesprofile der beiden Ärzte betrachtet worden seien.
Für den Vertragsarzt Dr. S hat die Beklagte das Honorar der Quartale I/12 und II/12 einer sachlich-rechnerischen Berichtigung unterzogen, begründet ebenfalls mit einem Missbrauch der Kooperationsform Praxisgemeinschaft. Die hiergegen erhobene Klage hatte keinen Erfolg (rechtskräftiges Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 14. November 2018, S 83 KA 1034/16).
Wegen des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichtsakte und des Verwaltungsvorgangs der Beklagten Bezug genommen, der, soweit wesentlich, Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Entscheidungsfindung war.
Entscheidungsgründe
Die Berufung der Klägerin ist zulässig, hat aber keinen Erfolg. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten.
Wegen der Begründung nimmt der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug auf die zutreffenden Gründe der erstinstanzlichen Entscheidung (§ 153 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz [SGG]).
Zu ergänzen bleibt:
1. Die im Zuge der Plausibilitätsprüfung für die Quartale II/10, IV/11, II/12 und IV/12 erhobene Honorarrückforderung in Höhe von 7.268,89 Euro brutto bzw. 7.146,56 Euro netto ist zur Überzeugung des Senats rechtlich beanstandungsfrei. Die Klägerin hat für diese Quartale das Aufgreifkriterium aus § 11 Abs. 2 Buchst. a) der Richtlinien der KBV und der Spitzenverbände der Krankenkassen zum Inhalt und zur Durchführung der Abrechnungsprüfungen der KV`en und der Krankenkassen (Abrechnungsprüfungsrichtlinie, ARL) erfüllt. Auch der Senat ist von einem Missbrauch der Kooperationsform „Praxisgemeinschaft“ überzeugt. Das Sozialgericht hat zutreffend dargestellt, dass die Beklagte insoweit von korrekten Voraussetzungen ausgegangen ist, insbesondere an die Fallzahlen allein der Praxis der Klägerin anzuknüpfen war, dass es auf Verschulden nicht ankommt und dass die Höhe der Honorarrückforderung im Wege der Schätzung ermittelt werden durfte. Dem ist nichts hinzuzufügen.
2. Zu Recht hat das Sozialgericht die Klage auch abgewiesen, soweit es die für die acht Quartale I/10, III/10 bis III/11, I/12 und III/12 durchgeführte Abrechnungsprüfung und die darauf entfallende Honorarrückforderung in Höhe von 14.201,58 Euro brutto bzw. 13.957,41 Euro netto betrifft. Zwar handelt es sich insoweit nicht um eine Plausibilitätsprüfung nach § 11 ARL und das dort definierte Aufgreifkriterium von 20 Prozent Patientenidentität ist jeweils nicht erfüllt.
Allerdings kann die Klägerin nicht beanspruchen, ohne jegliche Beanstandung gemeinsam mit dem Praxisgemeinschaftspartner Patienten zu behandeln, so lange das Aufgreifkriterium nicht erreicht ist (vgl. Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 25. Januar 2017, L 3 KA 16/14, zitiert nach juris, dort Rdnr. 28). Auf das Erreichen eines bestimmten prozentualen Anteils identischer Patienten kommt es nicht an, wenn im Einzelfall – wie hier – nach Art einer Berufsausübungsgemeinschaft agiert wurde und nur nach außen hin der Eindruck erweckt wurde, es handele sich um eine Praxisgemeinschaft. Über § 11 Abs. 2 ARL soll nicht geregelt werden, dass der Vorwurf des Missbrauchs der Kooperationsform bis zu einer Patientenidentität von 19,99 % überhaupt nicht greifen kann. Es handelt sich um ein Aufgreifkriterium und nicht ein Ausschlusskriterium für jegliche Beanstandung. Zutreffend verweist die Beklagte darauf, dass auch dann eine Abrechnungsprüfung durchzuführen ist, wenn konkrete Hinweise und Verdachtsmomente vorliegen. Die ARL nach § 106a Abs. 6 SGB V in der hier anzuwendenden Fassung vom 1. Juli 2008 macht zunächst deutlich, dass die Abrechnungsprüfung die rechtlich ordnungsgemäße Leistungserbringung und die formal richtige Abrechnung der Leistungen umfasst und bei den KV`en im Verfahren der sachlich-rechnerischen Richtigstellung durchgeführt wird. Bestandteil dieser Prüfung ist die Plausibilitätsprüfung (vgl. § 3 ARL). Diese kann, wie aus § 7 ARL hervorgeht, regelhaft, stichprobenhaft oder anlassbezogen durchgeführt werden. Dabei ist im Fall der Plausibilitätsprüfung der Anlass nicht auf die in § 11 Abs. 2 ARL genannten Grenzwerte beschränkt. Vielmehr ergibt sich aus § 20 Abs. 1 ARL, dass außerhalb der regulären Prüfungen eine Abrechnung in der vertragsärztlichen Versorgung geprüft wird, wenn ausreichende und konkrete Hinweise auf Abrechnungsauffälligkeiten bestehen.
Vorliegend hat die Beklagte darin, dass die Klägerin in den „Nachbarquartalen“ II/10, IV/11, II/12 und IV/12 den Grenzwert der gemeinsamen Patienten nach § 11 Abs. 2 ARL überschritten hatte, einen Verdachtsmoment dafür gesehen, dass auch in den Quartalen I/10, III/10 bis III/11, I/12 und III/12 ein Missbrauch der Kooperationsform gegeben sein könnte. Dies ist nicht zu beanstanden, vielmehr eine sehr naheliegende Schlussfolgerung.
Die Beklagte hat sich in diesem Zusammenhang nicht auf eine Stichprobenprüfung beschränkt, sondern nach Art einer umfassenden Abrechnungsprüfung jeden einzelnen der 168 Fälle, bei dem sowohl die Klägerin als auch der Arzt Dr. S Leistungen abgerechnet hatten, geprüft. Hierin liegt der Unterschied zu einer Plausibilitätsprüfung, die aufgrund des Überschreitens der Grenzwerte nach § 11 Abs. 2 ARL erfolgt. Während dort durch das Überschreiten der Grenzwerte der Anschein des Missbrauchs der Kooperationsform gesetzt ist und die Beklagte die Möglichkeit hat, diesen durch Stichproben zu überprüfen (vgl. § 11 Abs. 1 S. 2 ARL), sind bloße Stichprobenprüfungen bei einer anlassbezogenen Prüfung nach § 20 ARL nicht möglich. Dieses Erfordernis beruht auf dem Umstand, dass die Beweislast für eine Falschabrechnung bei der anlassbezogenen Prüfung nach § 20 ARL hinsichtlich jedes einzelnen Falles bei der Beklagten liegt. Liegt der Anteil der gemeinsamen Patienten unter dem Aufgreifkriterium, kann allein aus der Anzahl der gemeinsamen Patienten nicht auf die Missbräuchlichkeit der Kooperationsform geschlossen werden. Vielmehr muss die Beklagte für jeden Fall eine nicht gerechtfertigte Behandlung durch beide Ärzte nachweisen. Ist dies erfolgt, kann auch bei einer unter dem Aufgreifkriterium liegenden Anzahl gemeinsamer Patienten ein Missbrauch der Kooperationsform vorliegen.
Dies ist hier zur Überzeugung auch des Senats der Fall. Die Beklagte hat im Widerspruchsverfahren sorgfältig herausgearbeitet und damit nachgewiesen, dass, verteilt über alle acht streitigen Quartale und ausgehend von 168 gemeinsam behandelten und durch die Versicherungsnummer identifizierten Patienten, folgendes Zusammenwirken zu beobachten ist: Bei 117 konkret bezeichneten Patienten hat der eine Arzt die Voruntersuchung durchgeführt und der andere die Narkose erbracht, in zwei Fällen sogar am gleichen Tag. Für 96 konkret bezeichnete Patienten ist anhand einer Analyse der Tagesprofile nachgewiesen, dass durch die Präsenz beider Anästhesisten die Versorgung auch von demjenigen, der die Behandlung begonnen hatte, hätte fortgesetzt werden können. In 36 einzeln benannten Fällen ist belegt, dass beide Anästhesisten am gleichen Tag und in zwölf Fällen an unterschiedlichen Tagen für denselben Patienten vorbereitend für nur einen einzigen operativen Eingriff EBM-widrig jeweils die präanästhesiologische Untersuchung abgerechnet haben. Lediglich in einem konkret benannten Fall des Quartals III/10 (Vers.-Nr. 3114257894) hat sich eine ordnungsgemäße Doppelbehandlung gezeigt, die sich auf zwei unterschiedliche Operationen bezog.
Das wird letztlich auch von der Klägerin nicht bestritten. Sie ist vielmehr der Auffassung, dass es sich um rechtmäßige Vertretungen gehandelt habe und sich die gemeinsame Behandlung der Patienten aus den Besonderheiten des Fachbereichs der Anästhesiologie rechtfertige. Beiden Einwendungen ist nicht zu folgen.
Die Klägerin hat in keinem Fall einen rechtmäßigen bzw. beachtenswerten Vertretungsgrund dargelegt; praktiziert wurde vielmehr eine Art kollegialer Vertretung auf Zuruf und nach den täglichen Notwendigkeiten, wie sie nur in einer Berufsausübungsgemeinschaft üblich und unproblematisch wäre. Die praktizierte Form der Vertretung ist keine solche im Sinne eines „Praxisvertreters“ nach § 32 Abs. 1 S. 2 Ärzte-ZV, der in der Praxis des Vertretenen für diesen die Patienten behandelt. Zutreffend geht die Beklagte davon aus, dass ein Vertretungsfall nur dann angenommen werden kann, wenn der Vertragsarzt aus einem besonderen Grund „an der Ausübung seiner Praxis verhindert“ ist, d.h. nicht nur stundenweise abwesend ist und die Praxis insgesamt geschlossen bleibt. Bislang hat das Bundessozialgericht auch immer deutlich gemacht, dass eine Vertretung nur bei Vorliegen der in § 32 Abs. 1 S. 2 und 3 Ärzte-ZV genannten Gründe (Urlaub, Krankheit, Fortbildung, Wehrübung und Schwangerschaft) in Betracht kommt (Urteil vom 14. Dezember 2011, B 6 KA 31/10 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 30). Zwar hat das Bundessozialgericht später – ohne dass es für den dortigen Fall relevant war – angemerkt, dass außerhalb von § 32 Ärzte-ZV als rechtfertigende Gründe etwa gerichtliche Zeugenvorladungen und Hausbesuche in Betracht kämen (Urteil vom 30. November 2016, B 6 KA 38/15 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 33), was auch für die Möglichkeit einer stundenweisen Vertretung spricht. Insgesamt soll die Vertretung aber nur für die Fallkonstellationen greifen, in denen der Vertragsarzt nicht in der Lage ist, selbst (vertrags)ärztlich tätig zu werden. Eine Praxisgemeinschaft kann nicht unter Hinweis auf die generelle Vertretungsbefugnis wie eine Berufsausübungsgemeinschaft geführt werden; die Vertragsärztin hat in dem Umfang Sprechstundenzeiten anzubieten, in denen sie ihre Patienten das gesamte Quartal hindurch behandeln kann und diese nicht gehalten sind, einen „Vertreter“ aufzusuchen Insofern ist es die klare Aufgabe des Arztes, nicht nur auf die bestehende Kooperationsform der Praxisgemeinschaft hinzuweisen (vgl. u.a. Bundessozialgericht, Urteil vom 22. März 2006, B 6 KA 76/04 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 19) sondern gegebenenfalls auch die Behandlung des Patienten – abgesehen von Notfällen – abzulehnen und auf die bereits begonnene Behandlung durch den Praxisgemeinschaftspartner hinzuweisen und sich im Falle einer Vertretungsbehandlung auf die notwendige, d.h. keinen Aufschub zulassende Behandlung zu beschränken. Die Klägerin hat in keinem konkret benannten Fall geltend gemacht, dass ein Fall einer Erkrankung o.ä. vorlag, so dass ihr Vorbringen zu Dr. Sals „Vertreter“ insgesamt ins Leere geht.
Auch die Besonderheit der Praxisausrichtung als ambulant tätige Anästhesistin rechtfertigt das Abrechnungsgebaren der Klägerin nicht. Sie folgert aus dem Mangel an festen Sprechstundenzeiten und der Flexibilität, die sie gewährleisten müsse, dass für sie weder die allgemeinen Regeln der Vertretung gelten, noch dass der Wechsel des Arztes nur aus wichtigen Grund möglich ist (§ 76 Abs. 3 S. 1 SGB V). Zwar ist es richtig, dass Anästhesisten nicht die gleichen Sprechstundenzeiten anbieten müssen wie andere Vertragsärzte (§ 17 Abs. 1b Bundesmantelvertrag-Ärzte; BMV-Ä). Dass sich daraus aber auch eine Abweichung hinsichtlich der Vertretungsregelungen ergeben soll, ist nicht ersichtlich. In § 32 Ärzte-ZV ist dies zumindest nicht vorgesehen. Dabei ist zu beachten, dass § 32 Abs. 1 S. 2 Ärzte-ZV schon eine Ausnahme vom Grundsatz der persönlichen Leistungserbringung darstellt. Auch das Wechseln des Arztes soll innerhalb eines Kalendervierteljahres nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes erfolgen. Ein solcher Grund kann etwa vorliegen, wenn dem Versicherten eine weitere Behandlung nicht mehr zumutbar ist, weil etwa das Vertrauensverhältnis zu dem behandelnden Arzt objektiv zerstört. Dies war vorliegend ersichtlich nicht der Fall. Es ist nicht zu übersehen, dass die Situation der niedergelassenen Anästhesistin, die nahezu ausschließlich anästhesiologische Leistungen erbringt, Besonderheiten aufweist: Langjährige Kooperationen mit Operateuren können nur dann aufrechterhalten werden, wenn auch kurzfristig Narkoseleistungen übernommen werden können. Die Arzt-Patientenbindung ist zudem weitaus lockerer als beispielsweise zwischen einem Patienten und seinem Hausarzt. Der Anästhesist ist vielfach den zeitlichen Vorgaben des Operateurs unterworfen. All dies führt dazu, dass anberaumte Termine mit den Patienten oftmals kurzfristig nicht eingehalten werden können. Eine Kooperation mit einem anderen Anästhesisten, der in diesen Situationen auch kurzfristig einspringen und die jeweiligen Behandlungen übernehmen kann, ist sinnvoll und durchaus im Interesse der Patienten. Anders als die Klägerin meint, steht für ein solches kurzfristiges Einspringen außerhalb der Vertretungsgründe nach § 32 Abs. 1 S. 2 Ärzte-ZV aber gerade nicht die Organisationsform der Praxisgemeinschaft zur Verfügung. Denn die von der Klägerin praktizierte Vertretungsform entspricht, wie dargestellt, nicht den vertragsärztlichen Vorgaben. Die Konsequenz hieraus ist nicht, dass hinsichtlich der von der Klägerin gewählten Form der Berufsausübung Sonderregeln greifen müssen. Vielmehr muss sie sich die zulässige Kooperationsform suchen, die auf ihre Praxisausrichtung passt. Hier kommt eine Berufsausübungsgemeinschaft (§ 33 Abs. 2 Ärzte-ZV) in Betracht. Im Rahmen dieser Kooperationsform erfolgt die Ausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit gemeinsam und eröffnet den Ärzten genau die Flexibilität, die die Klägerin benötigt.
Der Senat hat keinen Zweifel, dass der Klägerin in Zusammenhang mit ihrem systematischen Abrechnungsgebaren, das sie über Jahre hinweg unter dem Mantel der Praxisgemeinschaft an den Tag legte, grobe Fahrlässigkeit zur Last zu legen ist, denn sie hat die im von einer Vertragsärztin zu erwartende Sorgfalt in besonderes schwerem Maße verletzt.
Danach ist auch der von der Beklagten festgesetzte Rückforderungsbetrag nicht zu beanstanden. Angesichts der Verstöße gegen die Regeln des Vertragsarztrechts konnte die Beklagte eine Honorarberichtigung im Wege der Schätzung vornehmen (Bundessozialgericht, Urteil vom 23. Juni 2010, B 6 KA 7/09 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 69). Dabei differenziert das Bundessozialgericht zwischen den Fällen der grob fahrlässig unrichtig abgegebenen Abrechnungs-Sammelerklärung und den Fällen einer nur pro forma bestehenden Kooperationsform; beide Konstellationen gestatten die Schätzung (Urteil vom 19. August 2015, B 6 KA 36/14 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 36). Zuletzt hat das Bundessozialgericht in einem Beschluss vom 25. November 2020 (B 6 KA 6/20 B, zitiert nach juris, dort Rdnr. 16) betont: „Jedenfalls aber ist es in der Rechtsprechung des Senats geklärt und deshalb nicht mehr klärungsbedürftig, dass in Fällen der Abrechnung nicht erbrachter Leistungen und einer grob fahrlässig falschen Abrechnungs-Sammelerklärung die KÄV zur umfassenden Berichtigung und Schätzung des dem Leistungserbringer überhaupt noch zustehenden Honorars berechtigt ist.“ Bei der gegebenen Sachlage hatte die Beklagte auch, wie ihr Sitzungsvertreter in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat nachvollziehbar erklärt hat, gar keine andere konkrete Möglichkeit der Honorarkürzung als diejenige der Schätzung, denn es ist im Verhältnis der Klägerin zu Dr. S gerade nicht ermittelbar, wer welche Leistungen im Einzelnen erbracht hat; die vorgenommene Schätzungs- bzw. Kürzungsmethode erscheint daher sogar überaus sachgerecht:
In schlüssiger Weise hat die Beklagte nämlich den gemeinsamen Patientenanteil, für den die Doppelbehandlung zu beanstanden war, zu dem quartalsbezogenen arztindividuellen Fallwert gekürzt. Dabei hat sie jeweils nur die Hälfte der gemeinsamen Fälle zugrunde gelegt. Die Beklagte war nicht verpflichtet, der Klägerin die konkrete Vergütung zu belassen, die sie im Fall des Tätigwerdens in einer Berufsausübungsgemeinschaft erreicht hätte. Auch ist es nicht ermessensfehlerhaft, wenn die Beklagte den arztindividuellen Fallwert zugrunde legt. Die Klägerin verkennt, dass es ihr durch den Missbrauch der Kooperationsform – neben der Abrechnung der konkreten Leistungen – möglich war, eine Fallzahl zu erreichen, die sie beim ordnungsgemäßen Führen der Praxisgemeinschaft nicht erlangt hätte.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a SGG i.V.m. § 154 Abs. 2 VwGO. Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich, § 160 Abs. 2 SGG.