- Bei der Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs der Angemessenheit sind wegen dessen normativer Vorprägung die gesetzgeberischen Entscheidungen zur Sicherung angemessenen Wohnraums für Hilfebedürftige zu beachten, um sicherzustellen, dass der Vergleich mit der Referenzgruppe gelingt. Dazu gehört in angespannten Wohnungsmärkten der Vergleich mit den Mieten im sozialen Wohnungsbau.
- Wohnraum der nach den Vorgaben des sozialen Wohnungsbaus und des WoGG angemessen ist, kann jedenfalls in angespannten Wohnungsmärkten nicht grundsicherungsrechtlich unangemessen sein.
- Auch wenn sich das Gericht nicht in der Lage sieht, eine Angemessenheitsgrenze zu bestimmen, ist bei einem Vergleich mit Sozialmieten die Feststellung zulässig, dass die konkrete Bruttokaltmiete im Einzelfall angemessen war.
- Das Sozialrechtsoptimierungsgebot des § 2 Abs. 2 SGB I schließt in seiner verfahrensrechtlichen Wirkung bei der Anwendung des unbestimmten Rechtsbegriffs der Angemessenheit die Verortung der Darlegungs- und Beweislast auf Seiten des Leistungsberechtigten aus.
- Ein Rückgriff auf die um den Faktor 1,1 erhöhten Werte der Wohngeldtabelle im Hinblick auf das verfassungsrechtliche Realitätsgebot erscheint für 2015/2016 im Land Berlin nicht sachgerecht.
Der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 2. August 2017 und der Bescheid des Beklagten vom 6. November 2015 sowie der Bescheid vom 29. November 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Dezember 2015 werden geändert.
Der Beklagte wird verurteilt, der Klägerin unter Anrechnung der bereits bewilligten Leistungen weitere Leistungen nach dem SGB II für die Kosten der Unterkunft und Heizung einschließlich zur Erzeugung von Warmwasser unter Zugrundelegung angemessener Kosten dafür in Höhe von 620,53 Euro monatlich zu gewähren.
Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Der Beklagte hat der Klägerin deren außergerichtliche Kosten des Rechtsstreits zu sieben Achteln zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über höhere Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II für Kosten der Unterkunft und Heizung (KdUH) und die Warmwasseraufwendungen für den Zeitraum von Dezember 2015 bis Mai 2016.
Die 1967 geborene Klägerin bewohnte seit Juli 1997 die Wohnung Rstraße im Zuständigkeitsbereich des Beklagten in einem Mehrfamilienhaus mit einer Gesamtfläche von 1.044,47 m2 mit einer im Mietvertrag vom 11. Juli 1997 angegebenen und bei den Nebenkosten jeweils berücksichtigten Fläche von 90 m² (3 Zimmer Dachgeschoss, eine Küche, ein Bad, ein Kellerraum) und mit Fernwärme und zentraler Warmwasserversorgung. Bei Antragstellung im November 2015 betrugen die KdUH 641,36 Euro (Bruttokaltmiete 551,36 Euro + Heizkosten 90,00 Euro) auf der Grundlage der zum Februar 2014 erfolgten Mieterhöhung. Eine Auftrennung der Bruttokaltmiete in eine Nettokaltmiete und Betriebskosten erfolgte für die Wohnung der Klägerin nicht, auch keine Betriebskostenabrechnungen.
Der Beklagte hörte die Klägerin wiederholt im Hinblick auf nach seiner Ansicht überhöhte Unterkunftskosten und eine Verpflichtung der Klägerin zur Kostensenkung an (Schr. vom 29.06.2011: Der Richtwert für angemessene KdUH – Bruttowarmmiete - betrage im Fall der Klägerin 378,00 Euro, Schr. vom 23.01.2013: Mietobergrenze 445,50 Euro mit Hinweis auf Absenkung auf diesen Betrag nach 12 Monaten, Schr. vom 20.05.2014: Mietobergrenze 463,10 Euro mit Hinweis auf Absenkung auf diesen Betrag nach 6 Monaten). Mit Bescheid vom 14 November 2014 bewilligte der Beklagte für den Zeitraum von Dezember 2014 bis November 2015 Leistungen für KdUH nur noch in Höhe von 463,10 Euro. Die Klägerin übte vom 21. Oktober bis 6. November 2015 eine Beschäftigung aus, für die ihr für den Monat Oktober 2015 ein Gehalt von 616,34 Euro netto, 1.039,39 Euro gesamtbrutto, und für November 2015 ein Gehalt von 336,18 Euro netto, 566,94 Euro gesamtbrutto, jeweils im November 2015 ausgezahlt wurden.
Die Klägerin beantragte am 22. Oktober 2015 die Weiterbewilligung von Leistungen und gab KdUH i.H.v. 641, 36 Euro an. Der Beklagte bewilligte mit Bescheid vom 6. November 2015 für den Zeitraum vom 1. Dezember 2015 bis 31. Mai 2016 Grundsicherungsleistungen monatlich für den Regelbedarf i.H.v. 399,00 Euro und für Bedarfe für Unterkunft und Heizung von 481,25 Euro, insgesamt 880,25 Euro. Einkommen hatte der Beklagte dabei nicht angerechnet. Mit Bescheid vom 29. November 2015 hob der Beklagte den Bewilligungsbescheid vom 6. November 2015 ab 1. Januar auf und gewährte ab diesem Zeitpunkt bis 31. Mai 2016 im Hinblick auf die zum Jahreswechsel erfolgte Erhöhung des Regelbedarfs Grundsicherungsleistungen mit einem Regelbedarf von 404,00 Euro, Bedarfe für Unterkunft und Heizung von 481,25 Euro, gesamt 885,25 Euro.
Gegen beide Bescheide wandte sich die Klägerin mit ihren Widersprüchen vom 2. Dezember 2015 und vom 21. Dezember 2015 (betreffend den Änderungsbescheid vom 29. November 2015). Sie begründete dies damit, dass sie der Meinung sei, dass zum 1. Juli 2015 die geltende Richtlinie im Land Berlin zu den Angemessenheitsgrenzen nicht wirksam sei und die Wohn- und Heizkosten voll übernommen werden müssten.
Den Widerspruch vom 2. Dezember 2015 wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 16. Dezember 2015 zurück. Seit dem 1. Juli 2015 richte sich die Angemessenheit der Unterkunftskosten nach den Ausführungsvorschriften zur Gewährung von Leistungen gemäß § 22 SGB II und §§ 35 und 36 SGB XII (AV-Wohnen). Die Angemessenheitsprüfung der Kosten für die Unterkunft erfolge getrennt von den Kosten für Heizung und Warmwasserbereitung. Im Falle der Klägerin sei als begründeter Einzelfall wegen längerer Wohndauer (mindestens 15 Jahre) die individuelle Höchstgrenze von 400,95 Euro (364,50 Euro + 36,45 Euro) berücksichtigt. Der Grenzwert für die Heiz- und Warmwasserbereitungskosten einer mit Gas beheizten Wohnung mit zentraler Warmwasserversorgung betrage unter Zugrundelegung einer Gesamtgebäudefläche von über 1000 m² vorliegend 73,00 Euro. Dieser Grenzwert sei der Anlage 2 zur AV-Wohnen zu entnehmen. Somit seien Bedarfe für Unterkunft und Heizung in Höhe von insgesamt 471,95 Euro monatlich als angemessen anzuerkennen. Im angefochtenen Bescheid seien jedoch fehlerhaft Bedarfe i.H.v. 481,25 Euro berücksichtigt. Da für die getroffene Entscheidung Vertrauensschutz bestehe, sei sie insoweit zu bestätigen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 10. Februar 2016 wies der Beklagte den Widerspruch vom 21. Dezember 2015 betreffend den Änderungsbescheid vom 29. November 2015 als unzulässig zurück. Der angefochtene Bescheid sei gemäß § 86 SGG Gegenstand des Widerspruchsverfahrens gegen den Bescheid vom 6. November 2015 geworden.
Am 15. Januar 2016 erhob die Klägerin Klage gegen den Bescheid vom 6. November 2015 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 29. November 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Dezember 2015. Schon vor dem 18. November 2014 seien viele auch externe Begründungen beim Jobcenter eingereicht worden, die die Mietkosten und die persönliche Situation erläuterten. Die angefochtenen Bescheide seien nicht korrekt für die sehr schnell steigenden Mietpreise der Stadt.
Das Sozialgericht Berlin hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 2. August 2017 abgewiesen. Es lege den Antrag der Klägerin unter Würdigung ihres gesamten Vorbringens dahingehend aus, dass diese neben der Anfechtungsklage auch eine auf höhere Grundsicherungsleistungen unter Berücksichtigung eines Bedarfs für KdUH in Höhe von 641,36 Euro gerichtete Leistungsklage verfolge. Dabei sei die Klage auf die Leistungen für KdUH beschränkt. Die zulässige Klage sei unbegründet. Die Klägerin erfülle zwar die Leistungsvoraussetzungen für den Bezug von Arbeitslosengeld II. Sie könne jedoch nicht beanspruchen, die tatsächlichen monatlichen Aufwendungen zu erhalten, sondern nur die angemessenen. Diesen Anspruch erfülle der Beklagte, denn er habe 481,25 Euro anerkannt. Angemessen sei im Falle der Klägerin eine Bruttowarmmiete von 437,42 Euro. Der Beklagte habe die Angemessenheitsgrenze gemäß der AV-Wohnen vom 16. Juni 2015 zugrunde gelegt. Diese begegneten – mit Ausnahme der Bestimmung der angemessenen Wohnfläche für Haushalte mit mehr als drei Personen – keinen rechtlichen Bedenken. Für Einpersonenhaushalte sei Wohnraum mit bis zu 50 m2 angemessen (BSG, Urt. v. 19.10.2010, B 14 AS 50/10 R RdNr. 21 f.). Zur Bestimmung der angemessenen Nettokaltmiete stütze sich das Gericht wie auch die Beklagte auf den qualifizierten Mietspiegel des Landes Berlin 2015. Heranzuziehen seien die Grundlagendaten in der Wohnlage „einfach“ (Schifferdecker/Irrgang/Silbermann: Einheitliche Kosten der Unterkunft in Berlin, in Archiv für Wissenschaft und Praxis der sozialen Arbeit 2010, 28, 30). Als räumlicher Vergleichsmaßstab sei das gesamte Stadtgebiet von Berlin heranzuziehen. Die Herangehensweise des Beklagten in der AV-Wohnen sei von der Rechtsprechung als schlüssig im Sinne eines schlüssigen Konzepts nach der Rechtsprechung des BSG erachtet. Dem schließe sich die Kammer an. Danach sei für einen Einpersonenhaushalt eine Quadratmetermiete (nettokalt) von 5,71 Euro als abstrakt angemessen anzusehen. Auch hinsichtlich der Bestimmung der Angemessenheit der kalten Betriebskosten sei das Vorgehen des Beklagten als schlüssig anzuerkennen. Danach sei für die kalten Betriebskosten ein monatlicher Betrag von 1,58 Euro/m2 als angemessen zugrunde zu legen. Die angemessene Bruttokaltmiete betrage daher 364,50 Euro/m2 (50 x [5,71 + 1,58]). Die separat und nach anderen Maßstäben vorzunehmende Prüfung der Angemessenheit der Heizkosten erfolge nach der Rechtsprechung des BSG unter Heranziehung des bundesweiten Heizspiegels. Danach ergebe sich bei der Heizung mit Gas und einer angemessenen Wohnfläche von 50 m2 ein Grenzwert von 72,92 Euro/m2 monatlich. Der Heizkostenspiegel 2015 weise sogar noch einen niedrigeren Wert (69,17 Euro/m2) aus. Insgesamt errechne sich ein Grenzwert der abstrakten Angemessenheit von 437,42 Euro. Bei Anwendung eines qualifizierten Mietspiegels ergebe sich aus der daraus abgeleiteten abstrakten Angemessenheit die Vermutung der Verfügbarkeit von Wohnraum und der konkreten Angemessenheit. Es sei der Klägerin nicht gelungen, diese Vermutung zu erschüttern. Sie habe lediglich pauschal behauptet, dass die Mieten in Berlin schnell gestiegen seien, ohne ausreichend darzulegen, dass im gesamten Stadtgebiet einschl. der Außenbezirke keine Wohnungen zum angemessenen Mietpreis für sie verfügbar gewesen seien. Mit der Erhöhung der Angemessenheitsgrenze um 10 % habe die Beklagte auch die lange Wohndauer der Klägerin ausreichend berücksichtigt. Die Klägerin habe nicht vorgetragen, dass ihr ein Wohnungswechsel nicht zuzumuten gewesen sei. Die Berufung bedürfe nicht der Zulassung, weil die Klägerin für sechs Monate monatlich höhere Leistung von weiteren 160,11 Euro monatlich (641,36 – 481,25) begehrt habe und damit insgesamt in Höhe von 960,66 Euro unterliege.
Gegen den am 8. August 2017 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 4. September 2017 Berufung eingelegt. Die Begründung und Tatsachen blieben bestehen. Sie könne nur sagen, dass es in Berlin nicht möglich sei, auch nur eine Einzimmer-Wohnung zum Preis der ihrigen zu bekommen. Ihr Mietvertrag sei jetzt schon 21 Jahre alt. Sie habe schon lange Zeit die Aufforderung gehabt, sich eine billigere Wohnung zu suchen. Die Mieten seien ins Unermessliche gestiegen, was sie seit Jahren über Immoscout24 verfolgt habe. Die EG-Einzimmer-Wohnung im Hinterhaus hinter den Mülltonnen sei in der Gesamtmiete höher als ihre Wohnung.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 2. August 2017 aufzuheben,
den Bescheid des Beklagten vom 6. November 2015 und den Bescheid vom 29. November 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Dezember 2015 zu ändern und
den Beklagten zu verurteilen, der Klägerin neben den bereits bewilligten Leistungen weitere Leistungen nach dem SGB II für die Kosten der Unterkunft und Heizung einschließlich zur Erzeugung von Warmwasser unter Berücksichtigung der tatsächlichen Höhe dieser Kosten von monatlich 641,36 Euro zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält die Ausführungen im Gerichtsbescheid für zutreffend. Die zuerkannten angemessenen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung seien auf der Grundlage der ihn bindenden AV-Wohnen ermittelt worden. Der Beklagte sei weder verpflichtet noch befugt, ein eigenes schlüssiges Konzept zu erstellen, was dem kommunalen Grundsicherungsträger, dem Land Berlin, obliege. Er verweise auf das durch das Berliner Sozialgericht erstellte und durch das BSG bestätigte eigene schlüssige Konzept (Produkttheorie). Auch danach würde sich kein höherer Leistungsanspruch der Klägerin ergeben.
Auf die Aufforderung des Senats, durch eine entsprechende Stellungnahme des kommunalen Trägers zu belegen, inwieweit der Klägerin im Streitzeitraum eine nach Auffassung des Beklagten angemessene Wohnung habe nachgewiesen werden können, führte der Beklagte aus, er könne dazu nicht Stellung nehmen. Dies könne nur die Klägerin oder das Wohnungsamt. Er gehe davon aus, dass die AV-Wohnen hinreichend Bezug zum Berliner Wohnungsmarkt aufgewiesen habe; daran sei er gebunden. Es werde erneut auf das „Schifferdecker-Modell“ verwiesen.
Der Senat hat dem Beklagten mit Schreiben vom 4. April 2019 u.a. unter Hinweis auf das Senatsurteil vom 30. Januar 2018, L 32 AS 1223/15, Bedenken zur Wirksamkeit der AV-Wohnen als schlüssigem Konzept mitgeteilt und Gelegenheit zur Nachbessrung gegeben.
Mit Schreiben vom 7. Juli 2022 hat der Beklagte die vom Verordnungsgeber zur Verfügung gestellten Verfügbarkeitsbetrachtungen anhand statistischer Auswertungen (Leerstandsquote) des BBU-Monitors für die Zeiträume 2015/2016 vorgelegt. Die Auswertung sei aufgrund der BSG-Rechtsprechung erfolgt, wonach insbesondere die Verfügbarkeit von anmietbarem Wohnraum heranzuziehen sei. Es wurde die Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales (SenIAS) zitiert, wonach diese an dem „Berliner Schlüssigkeitskonzept“ festhalte, welches in der AV-Wohnen verortet sei. Das derzeitige Schlüssigkeitskonzept sei gerade die Folge der vom BSG am 4. Juni 2014 für rechtswidrig erklärten Wohnaufwendungenverordnung (WAV). Für zurückliegende Zeiträume erfolge eine Auswertung nur in – insbesondere klagebefangenen – Einzelfällen. Der Beklagte weise darauf hin, dass es sich beim BBU-Marktmonitor um eine statistische Auswertung anhand eines Teilbestandes des gesamten Wohnungsmarktes handele, welcher jedoch aufgrund seiner Größe von rund 36 % die tatsächlichen Verhältnisse hinreichend exakt abbilden solle. Im vorliegenden Einzelfall (Einpersonenhaushalt) sei anzumerken, dass eine Zahl von anmietbaren Wohnungen verzeichnet sei, welche unterhalb der durch Mietsenkungsmaßnahmen Betroffenen liege. Dies sei jedoch unschädlich, da nach der BSG-Rechtsprechung eine „ausreichende“ Anzahl anmietbaren Wohnraums vorhanden sein müsse. Nicht gefordert sei eine für jeden potenziellen Bewerber tatsächlich verfügbare Wohnung. Abzubilden sei lediglich gewesen, dass die Klägerin sich z.B. in 2015 auf 2287/365 Tage = 6,2 Wohnungen täglich hätte bewerben können., dies im BBU-Wohnungsbestand, hochgerechnet insgesamt wohl 6353 Wohnungen. Mithin sei dargestellt, dass sich die Klägerin bei intensiver Suche hätte in einem Umfang um angemessenen Wohnraum hätte bewerben können, der eine ausreichende Erfolgsaussicht beinhaltet habe, jedenfalls im Sinne einer ausreichend erfolgslosen Wohnungssuche. Geschuldet sei nicht ein Umzug, sondern der Nachweis ansatzweiser eigener, ggf. erfolgloser Bemühungen. Dies sei vorliegend eben nicht erfolgt. Wegen der Einzelheiten der Anlagen zum Schreiben wird gemäß §§ 153 Abs. 1, 136 Abs. 2 SGG auf den Inhalt der Gerichtsakte (Bl. 136 ff.) Bezug genommen.
Der Senat hat die Auskunft der SenIAS vom 9. April 2018 zum Konzept zur Bestimmung der Höhe der angemessenen Aufwendungen für die Unterkunft der AV-Wohnen 2015 sowie das ergänzende Schreiben vom 26. April 2018 mit den beigelegten Grundlagendaten im Endbericht zum Mietspiegel 2015 eingeholt. Er hat das Gutachten des Dr. C von M vom 12. Juni 2018 (Beiakte) aus dem Verfahren vor dem Sozialgericht Berlin, S 37 AS 2967/16, sowie die Auskünfte der Investitionsbank Berlin (IBB) vom 4. Januar 2021 – auf die ebenfalls beigezogene Anfrage des Senats vom 25. November 2020 im Verfahren L 32 AS 946/17 – beigezogen. Darin führt die IBB aus, dass den Datenerhebungen zu den Sozialwohnungen für das Jahr 2019 Daten von etwa 68.600 Wohnungen zugrunde gelegen hätten und die Datenerhebungen in den Vorjahren vergleichbare Datenbestände betroffen hätten. Gründe für unterschiedliche Miethöhen seien u.a. der Bindungswegfall älterer und eher günstigere Wohnungsbestände. Auch die Reduzierung von Mietverzichten, die eine Differenz zwischen der zulässigen Miete und der Ist-Miete abfederten, sei als Grund zu benennen. Weiterhin könnten bei Neuvermietungen in den Sozialwohnungsmietbeständen ggf. höhere Mieten unter Einhaltung der Objektdurchschnittsmiete erzielt werden. Bezirkliche Lage und Zeitpunkt der ursprünglichen Förderung spielten ebenfalls eine Rolle. Stadtweite Mietobergrenzen für die Sozialwohnungsbestände existierten nicht. Die preisrechtlich zulässigen Durchschnittsmieten, die Vermieter von Sozialwohnungen verlangen könnten, ergäben sich aus objektbezogenen Wirtschaftlichkeitsberechnungen. In der ergänzenden Äußerung vom 4. Juni 2021 führte die IBB aus, die Angaben für das Jahr 2016 hätten eine Datengrundlage von rund 111.500 Wohneinheiten.
Der Senat hat die Auskünfte der IBB vom 11. November 2022 und die ergänzende Stellungnahme vom 13. Januar 2023 eingeholt. Danach gelte im Bereich des Sozialen Wohnungsbaus das Prinzip der Kostenmiete und die Miethöhen ergäben sich aus den objektbezogenen Wirtschaftlichkeitsberechnungen. Sie stellten eine Soll-Miete dar. Weil diese oft aber sehr hoch und nicht durchsetzbar sei, „verzichtet die Mehrzahl der Vermieter:innen freiwillig auf einen Teil“ und verlange stattdessen eine günstigere Ist-Miete. Diese Ist-Mieten würden von der IBB abgefragt. Eine weitere Quelle sei die Mietenauswertung, die aus den von der IBB geprüften Soll-Mieten bestehe. Für 2015 hätten die durchschnittlichen Mietenwerte aus der Befragung der Vermietenden 2015 gestammt. Die Mietenwerte 2016 seien jedoch eine Hochrechnung der IBB Mietenauswertungen 2016, daher würden nur die Werte 2015 mitgeteilt. Die Angaben für die tatsächlichen Ist-Mieten 2015 wurden aus 81.112 Wohnungen mit Anschlussförderung (WmA) mit Mietenangaben und 15.572 Wohnungen ohne Anschlussförderung (WoA) mit Mietenangaben ermittelt. Dabei betrug das Maximum der Nettokaltmiete 8,84 Euro/m2 (WmA) bzw. 12,27 Euro/m2 (WoA), das Maximum der Bruttokaltmiete 10,85 Euro/m2 (WmA) bzw. 14,56 Euro/m2 (WoA). In der ergänzenden Stellungnahme vom 13. Januar 2023 teilte die IBB die Unterschiede zwischen den durchschnittlichen Ist-Mieten und den Soll-Mieten für 2015 mit. Bei den WmA waren die Ist-Mieten durchschnittlich 0,62 Euro/m2 und bei den WoA durchschnittlich 6,35 Euro/m2 günstiger als die Soll-Mieten – jeweils nettokalt, wobei die preisrechtlich zulässigen Mieten (Soll-Mieten) bei WmA 6,73 Euro/m2 und bei den WoA 13,21 Euro/m2 jeweils im Durchschnitt und nettokalt betrugen. Perzentile oder Durchschnitte der oberen 10 % hätten wegen der Datenerhebungen nicht mitgeteilt werden können.
Wegen der weiteren Inhalte der genannten Beweismittel wird gemäß §§ 153 Abs. 1, 136 Abs. 2 SGG auf den Inhalt der Gerichtsakte Bezug genommen.
Der Beklagte hat auf die Ermittlungsergebnisse bei der IBB mitgeteilt, dass sich ihm der Zusammenhang mit der im vorliegenden Fall aufgeworfenen Fragestellung nicht erschließe. Allerdings habe der Verordnungsgeber (SenIAS) seine Bewertungsmaßstäbe erneut überarbeitet und das Bewertungskriterium der Konkurrenzfrage in seine Auswertungen aufgenommen. Im Hinblick auf die Ermittlungen der Gerichte (u.a. über die Empirica GmbH, SG Berlin, Urt. v. 10.09.2021, S 134 AS 7559/17, RdNr. 8 f.) werde von der Herleitung der verfügbaren Anzahl anhand der Leerstandsquote der BBU Abstand genommen. Die für den Berliner Mietspiegel erhobenen Daten seien jedoch geeignet, um eigene Berechnungen zu belegen. Die Vorgabe des BSG, eine hinreichende Anzahl anmietbarer Wohnungen nachzuweisen und damit auch eine Konkurrenzgruppe zu ermitteln, bringe die kommunalen Träger an die Grenze des Leist- und Machbaren. Dies erkenne auch ein Teil der Instanzrechtsprechung an, die sich mit dem geschätzten Wert von 20 bis 30 % behelfe, wonach diese Quote den Anteil darstelle, für den unterstellt werden könne, dass Wohnungen im relevanten Preissegment hinreichend verfügbar seien (SG Berlin, Urt. S 144 AS 8191/18 20 %, Empirica Gutachten 30 %). Dabei werde eine Anmietbarkeit von 30 % der tatsächlichen Neuvermietungen zugrunde gelegt. Durch einen Rückgriff auf die Datengrundlagen des Mietspiegels könnten sämtliche neuvermieteten, nicht preisgebundenen Wohnungen und deren Miethöhe berücksichtigt werden. Dazu würden die Datensätze der Wohnungen berücksichtigt, deren Mietvertrag im Erhebungsstichtag weniger als 12 Monate bestanden habe, womit die Neuvermietungen erfasst würden. Sodann würden daraus die Bruttokaltmieten und anhand der Wohnungsgröße die mögliche BG-Größe festgestellt. Abschließend könne der Richtwert ermittelt werden/verglichen werden. Daraus ergebe sich, dass seit 2009 mindestens 33 % der neuangemieteten Wohnungen innerhalb der Richtwerte gelegen hätten. Die Berücksichtigung von Angebotsmieten habe verschiedene näher ausgeführte Nachteile. Eine weitere Annäherung an die tatsächliche Zahl der angebotenen Wohnungen könne über die sog. Fluktuationsrate (die Zahl der durch Vermietungen erfolgten Wiederbelegungen im Jahr) erfolgen. Sie habe im Jahr 2020 4,9 % laut BBU-Marktmonitor betragen. Danach wäre mit dem Gesamtwohnungsbestand mit einer Angebotszahl von ca. 80.000 Wohnungen zu rechnen. Im BBU-Bericht 2021 werde deutlich, dass die Hälfte aller Neuverträge bis 30. Juni 2021 mit einer durchschnittlichen Nettokaltmiete von 7,66 Euro/m2 geschlossen worden seien. Das schlüssige Konzept stelle auf Grundlage des Mietspiegels 2021 auf eine angemessene Nettokaltmiete von 6,53 Euro/m2 ab, so dass der Richtwert schätzungsweise fast 40 % der neuvermieteten Wohnungen der BBU-Mitglieder umfasse, mithin ca. 12.500 Wohnungen. Dies lasse sich auch zweifelsfrei auf den Streitzeitraum übertragen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird Bezug genommen auf den Inhalt der vorliegenden Gerichtsakten und der Aktenauszüge des Beklagten gemäß (§§ 153 Abs. 1, 136 Abs. 2 SGG), die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe
Der Senat konnte in Abwesenheit der Klägerin entscheiden (§ 126 SGG), weil diese in der Ladung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden ist (§ 110 Abs. 1 Satz 2 SGG).
Der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 2. August 2017 ist auf die Berufung der Klägerin zu ändern. Die Berufung ist – wie das Sozialgericht zutreffend ausgeführt hat – im Hinblick auf den Streitgegenstand mit einem Beschwerdewert von über 750 Euro statthaft, wurde fristgerecht eingelegt und ist auch im Übrigen zulässig. Sie ist auch in der Sache überwiegend begründet.
Gegenstand des Rechtsstreites ist eine Anfechtungsklage gegen den Bescheid des Beklagten vom 6. November 2015 und den Bescheid vom 29. November 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Dezember 2015, kombiniert mit der Leistungsklage auf höhere Leistungen für die KdUH und die Warmwasseraufwendungen dem Grunde nach. Dies ist zulässig. Zum einen dürfen die Leistungen für KdUH nach zutreffender ständiger Rechtsprechung des BSG und auch des Senats eigenständig angefochten werden (BSG, Urteil vom 29.08.2019, B 14 AS 43/18 R, RdNr. 10 m.w.N.). Für die Leistungen für die Warmwasseraufwendungen bei Warmwassererzeugung mit der Heizungsanlage gilt nichts anderes, denn auch diese Leistungen bestimmen sich wie diejenigen für die KdUH nach § 22 Abs. 1 SGB II und sollen nach der Vorstellung des Gesetzgebers nur mit den KdUH zusammen geleistet werden (dazu weiter unten). Zum anderen ist die Leistungsgrundklage wegen § 130 SGG zulässig und hinsichtlich des geltend gemachten Klagebegehrens hinreichend bestimmt. Angefochten sind der Bescheid des Beklagten vom 6. November 2015 sowie der Bescheid vom 29. November 2015, weil dieser ausdrücklich den Bescheid vom 6. November 2015 für die Zeiträume ab 1. Januar 2016 aufgehoben hat und bei Auslegung des Widerspruchsbegehrens unmittelbar schon Gegenstand des durch den Widerspruch vom 2. Dezember 2015 begonnenen Rechtsbehelfsverfahrens geworden ist; er ist jedenfalls analog § 86 SGG Gegenstand des Widerspruchsverfahrens geworden. Beide Bescheide haben ihre Gestalt für das Klageverfahren durch den Widerspruchsbescheid vom 16. Dezember 2015 erhalten.
Die Klage ist auch im Übrigen zulässig. Sie ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang überwiegend begründet.
Die Klägerin hat Anspruch auf Änderung des Bescheides vom 6. November 2015 und des Bescheides vom 29. November 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Dezember 2015, soweit mit diesen Bescheiden höhere Grundsicherungsleistungen für KdUH und die Warmwasseraufwendungen abgelehnt werden und für den Zeitraum vom 1. Dezember 2015 bis 31. Mai 2016 höhere Leistungen unter Berücksichtigung des Bedarfs für KdUH sowie für die Warmwasseraufwendungen von der Klägerin gefordert werden können. Die angefochtenen Bescheide sind daher hinsichtlich der Bemessung der Leistungen für die KdUH und die Warmwasseraufwendungen nicht rechtmäßig und unterliegen der Änderung.
Rechtsgrundlage des Anspruchs der Klägerin auf höhere Leistungen für die Unterkunft und Heizung für den Zeitraum vom 1. Dezember 2015 bis 31. Mai 2016 gegen das beklagte Jobcenter sind §§ 19 Abs. 1, 7 Abs. 1, 2, 22 Abs. 1 SGB II in der ab 1. April 2011 geltenden Fassung (der Bekanntmachung vom 13.05.2011 – BGBl. I 850). Denn in Rechtsstreitigkeiten über schon abgeschlossene Bewilligungszeiträume ist das damals geltende Recht anzuwenden (Geltungszeitraumprinzip, vgl. BSG, Urteil vom 19.10.2016, B 14 AS 53/15 R, RdNr. 14 f.; BSG, Urteil vom 30.01.2019, B 14 AS 24/18 R, RdNr. 13).
Die Klägerin hat für diesen Zeitraum die Voraussetzungen für die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II erfüllt.
Nach § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II erhalten Leistungen nach diesem Buch Personen, die das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a SGB II (also mindestens das 65. Lebensjahr) noch nicht erreicht haben (Nr. 1), erwerbsfähig sind (Nr. 2), hilfebedürftig sind (Nr. 3) und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (Nr. 4) (erwerbsfähige Leistungsberechtigte).
Die Klägerin ist erwerbsfähige Leistungsberechtigte i.S. dieser Regelung. Sie ist 1967 geboren und befand sich hinsichtlich ihres Lebensalters innerhalb der nach §§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 7a SGB II vorgegebenen Altersgrenzen. Sie war erwerbsfähig. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass sie – gemäß § 8 Abs. 1 SGB II – nicht unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig sein konnte. Die Erwerbstätigkeit im Oktober/November 2015 unmittelbar vor dem hier zu beurteilenden Zeitraum bestätigt dies. Die Klägerin übte vom 21. Oktober bis 6. November 2015 vollschichtig eine Beschäftigung aus, mit der sie für den Monat Oktober 2015 ein Gehalt von 1039,39 Euro brutto und für November 2015 von 566,94 Euro brutto, erzielte. Sie war auch hilfebedürftig (§§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, 9 Abs. 1, 2 SGB II), denn sie konnte ihren Lebensunterhalt nicht ausreichend aus zu berücksichtigendem Einkommen oder Vermögen sichern (§ 9 Abs. 1 SGB II). Aus den bei Antragstellung sowie für den Weiterbewilligungsantrag für den Folgezeitraum vorgelegten Kontoauszügen ergibt sich, dass sie weder über Einkommen noch über anrechenbares Vermögen verfügte. Ihren Wohnsitz hatte sie in Berlin und damit im Sinne von §§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB II, 30 Abs. 3 SGB I im Bundesgebiet. Die Klägerin hatte folglich Anspruch auf Arbeitslosengeld II dem Grunde nach, denn sie hatte auch den nach § 37 Abs. 1 SGB II erforderlichen Antrag auf Leistungen gestellt. Für eine anspruchsschädliche Ortsabwesenheit (§ 7 Abs. 4a SGB II a.F.) gibt es keine Anhaltspunkte.
Nach § 19 Abs. 1 Satz 3 SGB II umfassen die Leistungen des Arbeitslosengeldes II den Regelbedarf, Mehrbedarfe und den Bedarf für Unterkunft und Heizung.
Die Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden gemäß § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind. Die Prüfung der Angemessenheit des Bedarfs für die Unterkunft und des Bedarfs für die Heizung (und die Warmwasseraufwendungen) haben grundsätzlich getrennt voneinander zu erfolgen (vgl. BSG, Urteil vom 02.07.2009, B 14 AS 36/08 R, RdNr. 18 m.w.N.; BSG, Urteil vom 30.01.2019, B 14 AS 24/18 R, RdNr. 14), unbeschadet der Wirtschaftlichkeitsprüfung bei Kostensenkungsaufforderungen (§ 22 Abs. 1 Satz 4 SGB II) und der erst nach dem hier streitbefangenen Bewilligungszeitraum eingeführten Gesamtangemessenheitsgrenze nach § 22 Abs. 10 SGB II in der Fassung des Gesetzes vom 26. Juli 2016 (BGBl. I 1824).
Zur Bestimmung des anzuerkennenden Bedarfs für die Unterkunft ist von den tatsächlichen Aufwendungen auszugehen (BSG, Urteile vom 22.09.2009, B 4 AS 8/09 R - Staffelmiete, RdNr. 15 ff.; vom 30.01.2019, B 14 AS 24/18 R, RdNr. 15; vom 05.08.2021, B 4 AS 82/20 R, RdNr. 17). Will das Jobcenter nicht die tatsächlichen Aufwendungen als Bedarf anerkennen, weil es sie für unangemessen teuer hält, muss es grundsätzlich ein Kostensenkungsverfahren durchführen und der leistungsberechtigten Person den der Besonderheit des Einzelfalls angemessenen Umfang der Aufwendungen mitteilen (§ 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II; so schon BSG vom 07.11.2006, B 7b AS 10/06 R, RdNr. 29; BSG, Urteil vom 30.01.2019, B 14 AS 24/18 R, RdNr. 15 m.w.N.; BSG, Urteil vom 05.08.2021, B 4 AS 82/20 R, RdNr. 17). Dabei ist es ausreichend, wenn keine nach Netto-/Bruttokaltmiete und Heizkosten differenzierende, sondern auf eine Unangemessenheit der Bruttowarmmiete bezogene Kostensenkungsaufforderung ergeht (BSG, Urteil 20.08.2009, B 14 AS 41/08 R, RdNr. 33). Die Klägerin wurde wirksam jedenfalls mit Schreiben vom 23. Januar 2013 (Mietobergrenze 445,50 Euro mit Hinweis auf Absenkung auf diesen Betrag nach 12 Monaten) und mit Schreiben vom 20. Mai 2014 unter Hinweis auf die von dem Beklagten als angemessen angesehene Bruttowarmmiete, zur Kostensenkung aufgefordert. Zu diesen Zeitpunkten musste der Beklagte noch nicht abschließend davon ausgehen, dass die von ihm angewandte und erst mit Urteil des BSG vom 4. Juni 2014, B 14 AS 53/13 R, rechtskräftig aufgehobene WAV nicht wirksam war (Rudnik in ZFSH/SGB 2021, 127, 143). Insofern kommt es nicht darauf an, ob die Kostensenkungsaufforderung vom 29. Juni 2011 (nachdem das BSG die damalige AV-Wohnen ausdrücklich nicht als schlüssiges Konzept bewertet hatte und noch bevor die WAV in Kraft trat) als wirksam anzusehen war.
Die Bruttokaltmiete der Klägerin war im hier relevanten Zeitraum angemessen. Bei dem entscheidenden gesetzlichen Tatbestandsmerkmal der „Angemessenheit“ handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff (st. Rspr.: vgl. BSG, Urteil vom 19.02.2009, B 4 AS 30/08 R - München I, RdNr. 12; BSG, Urteil vom 12.12.2017, B 4 AS 33/16 R - Fortschreibung schlüssiges Konzept, RdNr. 14; BSG, Urteil vom 30.01.2019, B 14 AS 24/18 R, RdNr. 16). Gegen die Verwendung dieses unbestimmten Rechtsbegriffs bestehen keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken, zumal zur Konkretisierung des Tatbestandsmerkmals der Angemessenheit des § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II auch die Regelungen der §§ 22a bis 22c SGB II zu berücksichtigen sind (BVerfG, Beschluss vom 06.10.2017, 1 BvL 2/15, 1 BvL 5/15, RdNr. 17; BSG, Urteil vom 12.12.2017, B 4 AS 33/16 R - Fortschreibung schlüssiges Konzept, RdNr. 17 f.; BSG, Urteil vom 30.01.2019, B 14 AS 24/18 R, RdNr. 17).
Das BVerfG geht davon aus, dass § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II in ein Regelungssystem eingebunden ist. Die Regelungen der §§ 22a bis 22c SGB II sind im direkten Zusammenhang mit der Norm des § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II in das Gesetz eingefügt worden, um den Bedarf für KdUH transparent und rechtssicher zu regeln (vgl. BT-Drucks. 17/3404, S. 44). Dabei ist der Gesetzgeber von der Rechtsprechung des BSG zu § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II ausgegangen und hat teils übereinstimmende, teils davon abweichende Vorgaben an den Satzungsgeber normiert (BVerfG, Beschluss vom 06.10.2017, 1 BvL 2/15, 1 BvL 5/15, RdNr. 17). Er hat mit §§ 22a bis 22c SGB II die Auslegung des § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II durch das BSG gesetzlich nachvollzogen, wonach die Angemessenheit der Kosten der Unterkunft nach Maßgabe der Produkttheorie auf Grundlage eines schlüssigen Konzepts zu bestimmen ist (BVerfG ebd.). Damit bleiben Behörden und Gerichten zwar durchaus Entscheidungsspielräume insbesondere mit Blick auf das schlüssige Konzept, doch ist die Auslegung der hier in Frage gestellten Norm gesetzlich begrenzt (BVerfG ebd.). Das BVerfG weist im Hinblick auf eine verfassungskonforme Auslegung der Ausgangsregelung des § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II darauf hin, dass der Gesetzgeber dadurch, dass er in § 22a Abs. 1 SGB II für Länder, Kreise und kreisfreie Städte lediglich die Möglichkeit einer näheren Ausgestaltung auf Satzungsebene einräumt, zu erkennen gibt, dass er die gesetzliche Regelung in § 22 SGB II vor dem Hintergrund der sozialgerichtlichen Rechtsprechung für hinreichend bestimmt hält (BVerfG ebd. RdNr. 18).
Aus § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II folgt, dass für die Angemessenheit die Umstände des Einzelfalls maßgeblich sind. Es ist also der konkrete Bedarf der Leistungsberechtigten einzelfallbezogen zu ermitteln. § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II verfolgt damit anders als § 20 SGB II im Ausgangspunkt einen Individualisierungsgrundsatz (BVerfG, Beschluss vom 10.10.2017, 1 BvR 617/14, RdNr. 15). Was angemessen ist, kann nach Auffassung des BVerfG des Weiteren in Anknüpfung an die sozialhilferechtliche Vorgängerregelung bestimmt werden, an die der Gesetzgeber mit § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II anschließen wollte (BVerfG ebd. unter Hinweis auf BT-Drucks. 15/1516, S. 57). Der zu ordnende Lebenssachverhalt ist nach Auffassung des BVerfG von so unterschiedlichen Faktoren beeinflusst, dass die Vorgabe einer angemessenen Kostenerstattung als hinreichend bestimmt anzusehen ist (BVerfG ebd. RdNr. 17). So muss die Ermittlung der marktüblichen Wohnungsmieten zur Bestimmung des Betrages, der eine menschenwürdige Existenz hinsichtlich dieser Bedarfe tatsächlich sichert, immer die Besonderheiten des Einzelfalls berücksichtigen. Dabei ist die Heterogenität des jeweils lokal unterschiedlichen Wohnungsmarktes ebenso zu beachten wie die Tatsache, dass zu den Kosten der Unterkunft regional in unterschiedlichem Maße belastbare Informationen vorliegen. Vor diesem Hintergrund – so das BVerfG (ebd.) – durfte sich der Gesetzgeber darauf beschränken, die Deckung eines existenzsichernden Bedarfs durch den unbestimmten Rechtsbegriff der Angemessenheit zu gewährleisten, um so der Vielfältigkeit der betroffenen Lebenssachverhalte gerecht zu werden. Dem Ziel der Konkretisierungspflicht, dass Normadressaten sich auf Entscheidungen der Verwaltung einstellen können, ist verfahrensrechtlich Rechnung zu tragen (BVerfG ebd. RdNr. 18). Die Reduzierung der Leistung auf die angemessenen Kosten der Unterkunft setzt eine vorherige Aufforderung voraus, sich binnen einer angemessenen Frist eine neue Unterkunft zu suchen. Die Begrenzung der Übernahme auf angemessene KdUH sei auch im Hinblick auf die Höhe des Leistungsanspruchs verfassungsrechtlich zulässig (BVerfG ebd. RdNr. 19). Aus verfassungsrechtlicher Sicht ist insoweit entscheidend, dass die Untergrenze eines menschenwürdigen Existenzminimums nicht unterschritten wird, die gesetzlichen Regeln also tatsächlich eine menschenwürdige Existenz sichern (BVerfG ebd. m.w.N.). Zwar handelt es sich bei den KdUH um eine der grundrechtsintensivsten Bedarfspositionen, denn sie betreffen die grundlegende Wohn- und Lebenssituation eines Menschen (BVerfG ebd. m.w.N.). Doch ergibt sich daraus keine Verpflichtung, jedwede Unterkunft im Falle einer Bedürftigkeit staatlich zu finanzieren und insoweit Mietkosten unbegrenzt zu erstatten. Die grundrechtliche Gewährleistung bezieht sich nur auf das Existenzminimum.
Wie zur Bestimmung des Regelbedarfs (BVerfG, Urteil vom 09.02.2010, 1 BvL 1/09, und Beschluss vom 25.07.2014, 1 BvL 10/12 u.a., RdNr. 102 m.w.N.) hat auch die Bestimmung des menschenwürdigen Existenzminimums hinsichtlich des Unterkunftsbedarfs durch einen Vergleich mit solchen einkommensschwachen Haushalten, in denen der Lebensunterhalt nicht aus Mitteln der staatlichen Existenzsicherung bestritten wird, zu erfolgen (st. Rspr. BSG, Urteil vom 19.02.2009, B 4 AS 30/08 R, RdNr. 17; Urteil vom 29.08.2019, B 14 AS 43/18 R, RdNr. 31). Durch diesen Vergleich mit der Referenzgruppe wird sowohl dem Teilhabeaspekt der Grundsicherung auch im Bereich des Unterkunftsbedarfs wie auch der Begrenzung der staatlich finanzierten Grundsicherungsleistungen Rechnung getragen. Aus diesem Vergleich leiten sich die weiteren Maßstäbe zur Beurteilung der Angemessenheit der Unterkunftskosten ab, wie etwa die, dass es auf Unterkünfte einfachen Standards auf dem örtlichen Wohnungsmarkt und auf die im unteren Preissegment für vergleichbare Wohnungen am Wohnort der Leistungsberechtigten marktüblichen Wohnungsmieten ankommt. Der Vergleich ist auch Grundlage dafür, unterschiedliche Wohnungsmarktsituationen entsprechend den verfassungsrechtlichen Vorgaben realitätsgerecht zu erfassen. Im entspannten Wohnungsmarkt (mit einem günstigen Wohnungsangebot für Wohnungssuchende) kommt es typischerweise auf den Wohnungsbestand an, in dem die Referenzgruppe tatsächlich wohnt, während es im angespannten Wohnungsmarkt, in dem das Wohnungsangebot den Bedarf wesentlich unterschreitet, darauf ankommt, welche Wohnungen von der Referenzgruppe bei der Wohnungssuche tatsächlich angemietet werden (Senatsurteil vom 02.12.2021, L 32 AS 579/16, juris-RdNr. 33 – in juris ist das Urteil mit dem unzutreffenden Datum 01.12.2021 eingetragen; vgl. Rudnik in ZFSH/SGB 2021, 127, 130).
Die Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs hat zu beachten, dass wesentliche Aspekte durch normative Entscheidungen bestimmt oder vorgeprägt sind (vgl. BSG, Urteil vom 03.09.2020, B 14 AS 37/19 R, RdNr. 26 m.w.N.). Die Konkretisierung unbestimmter Rechtsbegriffe durch die Verwaltung ist grundsätzlich gerichtlich voll überprüfbar (BSG, Urteil vom 30.01.2019, B 14 AS 24/18 R, RdNr. 18 m.w.N. zur h.M.) Das gilt auch für den Rechtsbegriff der Angemessenheit nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II (BSG ebd.). Eine Rechtsgrundlage oder dogmatische Herleitung für eine von Jobcentern in diesem Zusammenhang zum Teil beanspruchte „nicht justiziable Einschätzungsprärogative“ oder „gerichtlich nicht überprüfbare politische Entscheidung“ sind im Lichte von Art. 19 Abs. 4 GG nicht ersichtlich (BSG ebd. m.w.N.).
Die Ermittlung des angemessenen Umfangs der Aufwendungen für die Unterkunft hat in „zwei größeren Schritten“ zu erfolgen: Zunächst sind die abstrakt angemessenen Aufwendungen für die Unterkunft, bestehend aus Nettokaltmiete und kalten Betriebskosten (= Bruttokaltmiete), zu ermitteln; dann ist die konkrete (= subjektive) Angemessenheit dieser Aufwendungen im Vergleich mit den tatsächlichen Aufwendungen zu prüfen (st. Rspr. BSG ebd. RdNr. 19 m.w.N.; BSG, Urteil vom 05.08.2021, B 4 AS 82/20 R, RdNr. 18). Auf der ersten Ebene werden danach die Gegebenheiten und zugleich die Besonderheiten des jeweils relevanten örtlichen Wohnungsmarktes erfasst und insofern die für den Einzelfall maßgebenden tatsächlichen Umstände der örtlichen Wohnungssituation, allerdings noch abstrakt berücksichtigt. Erst auf der nächsten Ebene, mit dem zweiten „größeren Schritt“ vervollständigt sich die Einzelfallprüfung der Angemessenheit im Sinne des Individualisierungsgrundsatzes durch Berücksichtigung individueller Umstände, insbesondere auch im Hinblick auf die Zumutbarkeit der notwendigen Einsparungen, einschließlich eines Umzugs oder auf Besonderheiten im Wohnbedarf, etwa durch den Umgang von Sorgeberechtigten mit ihren Kindern (vgl. BSG, Urteil vom 29.08.2019, B 14 AS 43/18 R, RdNr. 24).
Die Ermittlung der abstrakt angemessenen Aufwendungen hat unter Anwendung der Produkttheorie („Wohnungsgröße in Quadratmeter multipliziert mit dem Quadratmeterpreis“) in einem mehrstufigen Verfahren zu erfolgen, welches das BSG in der Entscheidung vom 30. Januar 2019, B 14 AS 24/18 R, RdNr. 20 ff., ausgehend von der bisherigen Rechtsprechung unter Einbeziehung der Rechtsentwicklung wie folgt zusammengefasst und konkretisiert und in der Folgezeit bestätigt hat (BSG, Urteil vom 05.08.2021, B 4 AS 82/20 R, RdNr. 18):
(1) Bestimmung der (abstrakt) angemessenen Wohnungsgröße für die leistungsberechtigte(n) Person(en),
(2) Bestimmung des angemessenen Wohnungsstandards,
(3) Ermittlung der aufzuwendenden Nettokaltmiete für eine nach Größe und Wohnungsstandard angemessene Wohnung in dem maßgeblichen örtlichen Vergleichsraum nach einem schlüssigen Konzept,
(4) Einbeziehung der angemessenen kalten Betriebskosten.
Der Ermittlung der angemessenen Nettokaltmiete in dem maßgeblichen örtlichen Vergleichsraum nach einem schlüssigen Konzept ist ausgehend von der zuvor angeführten Rechtsprechung zugrunde zu legen: Der Vergleichsraum ist der Raum, für den ein grundsätzlich einheitlicher abstrakter Angemessenheitswert zu ermitteln ist (BSG, Urteil vom 30.01.2019, B 14 AS 24/18 R, RdNr. 22; BSG, Urteil vom 19.02.2009, B 4 AS 30/08 R - München I, RdNr. 21), innerhalb dessen einer leistungsberechtigten Person ein Umzug zur Kostensenkung grundsätzlich zumutbar ist (vgl. auch BSG vom 17.12.2009, B 4 AS 27/09 R – Essen, RdNr. 32 ff.) und ein nicht erforderlicher Umzug nach § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II zu einer Deckelung der Aufwendungen auf die bisherigen führt (BSG, Urteil vom 05.08.2021, B 4 AS 82/20 R, RdNr. 21; vgl. in Abgrenzung hierzu BSG vom 01.06.2010, B 4 AS 60/09 R - Umzug in anderen Vergleichsraum, RdNr. 18 ff.). Der Vergleichsraum ist ein ausgehend vom Wohnort der leistungsberechtigten Person bestimmter ausreichend großer Raum der Wohnbebauung, der aufgrund räumlicher Nähe, Infrastruktur und insbesondere verkehrstechnischer Verbundenheit einen insgesamt betrachtet homogenen Lebens- und Wohnbereich bildet (BSG, Urteil vom 30.01.2019, B 14 AS 24/18 R, RdNr. 22 m.w.N.; BSG, Urteil vom 05.08.2021, B 4 AS 82/20 R, RdNr. 21).
Für Berlin hat das BSG geklärt, dass das Stadtgebiet einen Vergleichsraum bildet (BSG, Urteil vom 19.10.2010, B 14 AS 50/10 R, RdNr. 24; Urteil vom 13.04.2011, B 14 AS 32/09 R, RdNr. 19). Davon ist das Sozialgericht zutreffend ausgegangen.
Das schlüssige Konzept soll die Gewähr dafür bieten, dass die aktuellen Verhältnisse des Mietwohnungsmarkts im Vergleichsraum dem Angemessenheitswert zugrunde liegen und dieser realitätsgerecht ermittelt wird (BSG, Urteil vom 30.01.2019, B 14 AS 24/18 R, RdNr. 24; BSG, Urteil vom 05.08.2021, B 4 AS 82/20 R, RdNr. 32). Schlüssig ist ein Konzept, wenn es neben rechtlichen zudem bestimmte methodische Voraussetzungen erfüllt und nachvollziehbar ist (BSG, Urteil vom 05.08.2021, B 4 AS 82/20 R, RdNr. 32). Es muss gewährleisten, dass danach angemessene Wohnungen tatsächlich verfügbar, also anmietbar sind (BSG, Urt. vom 03.09.2020, B 14 AS 37/19 R, RdNr. 24).
Dies erfordert trotz Methodenvielfalt insbesondere eine Definition der untersuchten Wohnungen nach Größe und Standard, Angaben über die Art und Weise der Datenerhebung, Angaben über den Zeitraum, auf den sich die Datenerhebung bezieht, Repräsentativität und Validität der Datenerhebung, Einhaltung anerkannter mathematisch-statistischer Grundsätze bei der Datenauswertung, Vermeidung von „Brennpunkten“ durch soziale Segregation sowie eine Begründung, in der die Ermittlung der Angemessenheitswerte aus den Daten dargelegt wird (grundlegend BSG vom 22.9.2009, B 4 AS 18/09 R - Wilhelmshaven, RdNr. 18 f; BSG, Urteil vom 30.01.2019, B 14 AS 24/18 R, RdNr. 24 m.w.N.; BSG, Urteil vom 05.08.2021, B 4 AS 82/20 R, RdNr. 32). Auch insoweit sind bei der Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs der Angemessenheit die Reglungen und Wertungen der §§ 22a Abs. 3, 22b Abs. 1, 2 und 22c Abs. 1 SGB II zu integrieren.
Es kann verschiedene Methoden geben, um ein schlüssiges Konzept in diesem Sinne zu erstellen und den damit unmittelbar zusammenhängenden Vergleichsraum oder ggf. mehrere Vergleichsräume zu bilden, weil weder aus § 22 SGB II noch aus §§ 22a bis 22c SGB II die Anwendung eines bestimmten Verfahrens rechtlich zwingend ableitbar ist (BSG, Urteil vom 30.01.2019, B 14 AS 24/18 R, RdNr. 25 m.w.N., insbesondere unter Bezug auf IWU, Institut Wohnen und Umwelt, Forschungsbericht 478, Ermittlung der existenzsichernden Bedarfe für die Kosten der Unterkunft und Heizung in der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch und in der Sozialhilfe nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch, erstellt von v. Malottki u.a., hrsg. vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales, 2017 – im Folgenden: FB Unterkunftsbedarfe, S. 207 ff.).
Die volle gerichtliche Überprüfung des Angemessenheitswerts und des Verfahrens zu seiner Ermittlung schließt nicht aus, dass bei dieser Kontrolle der Verwaltung deren in der Methodenvielfalt zum Ausdruck kommenden Eigenverantwortung Rechnung getragen und die gerichtliche Kontrolle als eine nachvollziehende Kontrolle ausgestaltet wird (BVerfG vom 31.05.2011, 1 BvR 857/07, BVerfGE 129, 1, RdNr. 70; vgl. zu den Grenzen gerichtlicher Kontrolle zudem: BVerfG vom 23.10.2018, 1 BvR 2523/13, 1 BvR 595/14; BSG, Urteil vom 30.01.2019, B 14 AS 24/18 R, RdNr. 26 m.w.N.; BSG, Urteil vom 05.08.2021, B 4 AS 82/20 R, RdNr. 34).
Zur Umsetzung der gerichtlichen Kontrolle ist es auf eine entsprechende Klage hin zunächst Aufgabe des Gerichts, die Rechtmäßigkeit des vom beklagten Jobcenter ermittelten abstrakten Angemessenheitswerts sowohl im Hinblick auf die Festlegung des Vergleichsraums als auch die Erstellung eines schlüssigen Konzepts zu überprüfen (BSG, Urteil vom 30.01.2019, B 14 AS 24/18 R, RdNr. 27). Dabei kann es auch ausreichen, unter Auswertung der mittlerweile vorliegenden wissenschaftlichen Erkenntnisse zur Erstellung schlüssiger Konzepte (vgl. insbesondere FB Unterkunftsbedarfe) und allgemeiner Publikationen zum örtlichen Wohnungsmarkt die gewählte Methode zu identifizieren und ihre fachliche Umsetzung im Allgemeinen – ggf. unter besonderer Würdigung der mit ihr verbundenen Schwächen - zu überprüfen (BSG, Urteil vom 05.08.2021, B 4 AS 82/20 R, RdNr. 34). Ist die Ermittlung dieses abstrakten Angemessenheitswerts rechtlich zu beanstanden, ist dem Jobcenter Gelegenheit zu geben, diese Beanstandungen durch Stellungnahmen, ggf. nach weiteren eigenen Ermittlungen, auszuräumen (BSG ebd. RdNr. 28 m.w.N., BSG, Urt. vom 03.09.2020, B 14 AS 37/19R, RdNr. 22). Gelingt es dem Jobcenter nicht, die Beanstandungen des Gerichts auszuräumen, ist das Gericht zur Herstellung der Spruchreife der Sache (vgl. zu dieser Pflicht des Gerichts § 131 Abs. 2, 3 SGG sowie dessen Abs. 5 mit der Zurückverweisung an die Verwaltung nur unter bestimmten Voraussetzungen; BSG vom 28.6.2001, B 3 P 9/00 R, JURIS-RdNr. 42) nicht befugt, seinerseits eine eigene Vergleichsraumfestlegung vorzunehmen oder ein schlüssiges Konzept – ggf. mit Hilfe von Sachverständigen – zu erstellen (BSG, Urteil vom 30.01.2019, B 14 AS 24/18 R, RdNr. 29, Urteil vom 03.09.2020, B 14 AS 37/19 R, RdNr. 23 f).
Zur Herstellung der Spruchreife bei der Bestimmung abstrakt angemessener Aufwendungen für Unterkunft kann das Gericht nur auf schon vorhandene Datengrundlagen zurückgreifen (BSG, Urteil vom 03.09.2020, B 14 AS 37/19 R, RdNr. 24). Diese Datengrundlagen müssen die vergleichsraumbezogene, zeit- und realitätsgerechte Bestimmung abstrakter Angemessenheitswerte gewährleisten können (BSG ebd.). Wesentliche Faktoren sind durch normative Entscheidungen bestimmt oder vorgeprägt (BSG, Urteil vom 03.09.2020, B 14 AS 37/19 R, RdNr. 26 m.w.N.). Die möglichen Erkenntnisquellen sind mit der Regelung des § 22c Abs. 1 SGB II beispielhaft vorgegeben (BSG ebd.). Insoweit nennt der Katalog des § 22c Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II als Erkenntnisquellen für die Bestimmung des Angemessenheitswerts Mietspiegel, qualifizierte Mietspiegel und Mietdatenbanken. Dass der Gesetzgeber diese Erkenntnisquellen allgemein für geeignet angesehen hat, Grundlage der Festlegung von Angemessenheitswerten zu sein, ergibt sich aus der Formulierung des § 22c Abs. 1 Satz 1 SGB II (BSG, Urteil vom 03.09.2020, B 14 AS 37/19 R, RdNr. 26 m.w.N.).
Schließlich sollen in die Bestimmung der abstrakt angemessenen Miete sowohl Neuvertrags- als auch Bestandsmieten einfließen (§ 22c Abs. 1 Satz 3 SGB II). Zudem ist auch bei der Prüfung nach § 22 Abs. 1 SGB II letztlich entscheidend, ob im konkreten Vergleichsraum eine angemessene Wohnung anzumieten wäre für den Fall, dass die Bestandswohnung unangemessen teuer ist (BSG, Urteil vom 19.10.2010, B 14 AS 2/10 R, RdNr. 22). Die tatsächliche Verfügbarkeit von angemessenem Wohnraum ist nach § 22a Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 SGB II und nach der Rechtsprechung des BSG bereits während des ersten größeren Schritts, der Bestimmung der abstrakt angemessenen Miete, zu berücksichtigen. Dies hat die verfassungsrechtliche Vorgabe zur Grundlage, dass die für eine Vielzahl von Betroffenen maßgeblichen Wertungen und Bestimmungen realitätsgerecht für den jeweiligen Leistungszeitraum sein müssen.
Das Sozialrechtsoptimierungsgebot des § 2 Abs. 2 SGB I schließt in seiner verfahrensrechtlichen Wirkung (vgl. BSG, Urteil vom 16.03.2021, B 2 U 7/19 R, RdNr. 19 m.w.N.; Senatsurteil vom 02.12.2021, L 32 AS 579/16, juris-RdNr. 50) bei der Anwendung des unbestimmten Rechtsbegriffs der Angemessenheit die Verortung der Darlegungs- und Beweislast auf Seiten des Leistungsberechtigten aus. Vielmehr hat die Sozialverwaltung den Nachweis zu erbringen, dass für den Betroffenen konkret verfügbarer Wohnraum vorhanden ist (Senatsurteil vom 02.12.2021, L 32 AS 579/16 ebd.; Rudnik in ZFSH/SGB a.a.O. S. 130), zumal die Unangemessenheit der KdUH eine Einwendung der Behörde ist (vgl. den Wortlaut der Parallelregelung des § 35 SGB XII; Senatsurteil vom 02.12.2021, L 32 AS 579/16, juris-RdNr. 50; Rudnik a.a.O. S. 130). Dies gilt ungeachtet dessen, dass die Behörde nicht verpflichtet ist, den Betroffenen angemessenen Wohnraum zu verschaffen.
Ein Ansatz der Angemessenheitsprüfung, der die reale Wohnungsmarktsituation im Bereich des verfügbaren, also gerade verteilbaren, nicht dauerhaft belegten Wohnraums nicht auf dem ersten größeren Schritt (abstrakte Angemessenheit), sondern erst im zweiten größeren Schritt (subjektive Angemessenheit) prüfen will, verkennt das verfassungsrechtliche Realitätsgebot, das auch dem Begriff der abstrakten Angemessenheit innewohnt. Sie übersieht eine weitere Vorgabe des Gesetzgebers, nämlich § 22a Abs. 3 Nr. 1 SGB II, wonach die Auswirkungen auf den örtlichen Wohnungsmarkt im Hinblick auf Mietpreis erhöhende Wirkungen zu berücksichtigen sind. Dabei gilt es zu bedenken, dass eine zu niedrig angesetzte Angemessenheitsobergrenze die betroffenen Leistungsberechtigten zur Wohnungssuche zwingt und damit zusätzliche Nachfrage schafft, was Auswirkungen auf die Marktmieten haben kann (Urteil des Senats vom 2. Dezember 2021, L 32 AS 579/16, juris-RdNr. 51; zur Anzahl der Kostensenkungsaufforderungen in Berlin weiter unten und Rudnik a.a.O. S. 127 m.w.N.). Das BSG verlangt in ständiger Rechtsprechung dementsprechend auch für den Senat überzeugend die realistische Verfügbarkeit von Wohnraum bei der Bestimmung der abstrakt angemessenen Mietobergrenzen (BSG, Urteil vom 19.10.2010, B 14 AS 50/10 R, RdNr. 27; Urteil vom 19.10.2010, B 14 AS 2/10 R, RdNr. 22; Urteil vom 03.09.2020, B 14 AS 37/19 R, RdNr. 24, 27).
Treten bei zutreffender Bestimmung der abstrakten Angemessenheit im Einzelfall weitere Wohnraumvermittlungshemmnisse hinzu, wie Verschuldung, Schwerbehinderung, Familiengröße etc., sind diese im zweiten größeren Schritt auf der subjektiven Prüfebene zu berücksichtigen.
Bei Anwendung dieser Maßstäbe in dem von der höchstrichterlichen Rechtsprechung vorgegebenen mehrstufigen Verfahren zur Ermittlung der abstrakt angemessenen Aufwendungen unter Anwendung der Produkttheorie („Wohnungsgröße in Quadratmeter multipliziert mit dem Quadratmeterpreis“) lassen sich zwar die abstrakt angemessene Wohnungsgröße für die leistungsberechtigten Personen (§ 22b Abs. 1 Nr. 1 SGB II) und der angemessene Wohnungsstandard bestimmen. Der Senat vermag jedoch nicht, die aufzuwendende Nettokaltmiete für eine nach Größe und Wohnungsstandard angemessene Wohnung im maßgeblichen örtlichen Vergleichsraum auf ein schlüssiges Konzept der Sozialverwaltung zu stützen, das diesen Anforderungen genügt.
Der Senat sieht mit der ganz herrschenden Rechtsprechung für einen Einpersonenhaushalt eine Wohnungsgröße von 50 m2 als angemessen an (Senatsurteil vom 2. Dezember 2021, L 32 AS 579/16, juris-RdNr. 54). Hierzu ist auf die anerkannte Wohnraumgröße für Wohnberechtigte im sozialen Mietwohnungsbau abzustellen, die zur Referenzgruppe zählen. Hinsichtlich der Überlassung von gefördertem Mietwohnungsraum gilt § 27 Abs. 1 bis 5 Wohnraumförderungsgesetz (WoFG) i.V.m. § 5 Wohnungsbindungsgesetz (WoBindG). Wegen der maßgeblichen Wohnungsgröße verweist § 27 Abs. 4 WoFG auf die nach § 10 WoFG von den Ländern festgelegten Wohnungsgrößen. Da das Land Berlin zu § 10 WoFG keine Ausführungsvorschriften erlassen hat, kann zur Bestimmung der örtlichen Angemessenheitsgrenze an die (unveröffentlichten) Arbeitshinweise der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung vom 15.12.2004 (Mitteilung Nr. 8/2004 vom 15.12.2004, Hinweis 8) zu § 5 WoBindG und § 27 WoFG angeknüpft werden, die ihrerseits auf die Bekanntmachung der Senatsverwaltung für Bau- und Wohnungswesen vom 20.10.1995 (Amtsblatt für Berlin Nr. 57 vom 10.11.1995, S. 4462) zurückgreifen. Danach darf an Einpersonenhaushalte Wohnraum von bis zu 50 m2 und an Zweipersonenhaushalte Wohnraum von bis zu 60 m2 überlassen werden (so auch für Einpersonenhaushalte in Berlin: BSG, Urteile v. 19.10.2010, B 14 AS 2/10 R, RdNr. 17, und B 14 AS 65/09 R, RdNr. 22 f.).
Die Wohnung der Klägerin mit 90 m2 Wohnfläche liegt daher hinsichtlich ihrer Größe deutlich über dem angemessenen Standard. Unerheblich ist insofern auch, dass die Klägerin in ihrem Erstantrag darauf hingewiesen hat, dass die Wohnfläche wegen der Dachschrägen nur mit ca. 74 m2 zu berücksichtigen sei, weil auch diese Fläche knapp 50 % über der Wohnfläche für einen angemessenen Standard liegen würde. Darauf kommt es indes wegen der anzuwendenden Produkttheorie im Ergebnis nicht an, weil nach dieser Vorgabe des BSG eine Wohnung mit günstigem Mietpreis auch bei einer größeren Fläche angemessen sein kann.
Nach der dargestellten Rechtsprechung von BVerfG und BSG und unter Berücksichtigung der Vorgaben des § 22a Abs. 3 Satz 1 SGB II ist ein einfacher, im unteren Marktsegment liegender Standard zugrunde zu legen. Die Wohnung muss hinsichtlich ihrer Ausstattung, Lage und Bausubstanz einfachen und grundlegenden Bedürfnissen entsprechen, ohne einen gehobenen Wohnstandard aufzuweisen. Mit diesen Vorgaben, hat das BSG insbesondere geklärt, dass Wohnungen, die nicht den einfachen, sondern den untersten Stand abbilden, von vornherein nicht zu dem Wohnungsbestand gehören, der überhaupt für die Bestimmung einer Vergleichsmiete heranzuziehen ist (BSG, Urt. v. 18.11.2014, B 4 AS 9/14 R - Dresden, RdNr. 18). Solche Wohnungen mit besonders niedrigem Ausstattungsgrad sind insbesondere Wohnungen mit Ofenheizung und Wohnungen ohne Bad (mit Innen-WC), in denen sich die Bewohner nur mit fließendem Wasser am Waschbecken (sei es in WC-Raum oder Küche) waschen, aber nicht duschen können (BSG, Urteil vom 19.10.2010, B 14 AS 2/10 R, RdNr. 24), Wohnungen ohne Heizung, ohne Bad, ohne Warmwasser im Bad (BSG, Urteil vom 12.2011, B 4 AS 19/11 R - Duisburg, RdNr. 28); Wohnungen, deren Toilette, Küche oder Bad von anderen Mietparteien mitbenutzt werden, die nicht über Küche und Toilette verfügen und Wohnungen im Untergeschoss (BSG, Urteil vom 10.09.2013, B 4 AS 77/12 R - München, RdNr. 21). Ein „verfahrensrechtliches Erfordernis“, sämtliche Wohnwertmerkmale regelmäßig und unabhängig von der Art des schlüssigen Konzepts in einem vorgeschalteten Schritt abschließend (positiv) zu definieren, hat das BSG nicht formuliert (BSG, Urteil vom 18.11.2014, B 4 AS 9/14 R - Dresden, RdNr. 19). Dabei kann dahinstehen, ob einzelne Faktoren wie Ausstattung oder Lage isoliert als angemessen anzusehen sind, solange nicht unangemessen hohe Kosten vorliegen (BSG, Urteil vom 18.06.2008, B 14/11b AS 61/06 R, RdNr. 18), weshalb das BSG der Produkttheorie folgt. Nur in diesem Sinne versteht das BSG den Maßstab von Wohnungen im unteren Marktsegment. Diesem Kriterium kommt daher kein besonderer Erkenntniswert zu – auch nicht etwa dahingehend, dass sich die Mietpreise im unteren Drittel der Marktpreise zu bewegen hätten (Senatsurteil vom 02.12.2021, L 32 AS 579/16, juris-RdNr. 56; so auch Berlit, LPK SGB II, 6. Aufl. § 22 RdNr. 71).
Der Berliner Mietspiegel unterscheidet zwischen einfachen, mittleren und guten Wohnlagen und bestimmt für diese Wohnlagen, bestimmte Baualtersklassen und Wohnungsgrößen Mittelwerte jeweils als Median-Werte. Für bestimmte – wenige – Ausstattungsvarianten sieht er konkrete Auf- bzw. Abschläge vor. Im Übrigen erlaubt er im Rahmen von Unter- und Oberspannen pauschale Ab- und Zuschläge bei vom angesetzten Standard nach unten oder nach oben abweichenden Qualitätsmerkmalen der Wohnungen. Diese Spanneneinordnung als Schätzgrundlage zählt jedoch nicht zum qualifizierten Teil des Mietspiegels. Aussagekraft haben die Merkmale, die nach dem Mietspiegel zu pauschalen Ab- und Zuschlägen führen, dennoch, weil sie einen Rückschluss auf die Bestimmung des maßgeblichen Standards für den Mittelwert erlauben. Danach markieren die Mittelwerte aller Wohnlagen recht genau den für die Angemessenheit zugrunde zu legenden einfachen Standard (Senatsurteil vom 02.12.2021, L 32 AS 579/16, juris-RdNr. 57). Dies zeigt sich daran, welche wohnwertmindernden Merkmale zu Abschlägen vom Mittelwert führen, wie beispielsweise: kein Handwaschbecken in Bad oder WC, Bad nicht beheizbar oder Holz-/Kohleheizung, keine ausreichende Warmwasserversorgung im Bad oder in der Küche, keine Kochmöglichkeit oder Gas-/Elektroherd ohne Backofen, keine Spüle, Küche nicht beheizbar oder Holz-/Kohleheizung, überwiegend Einfachverglasung, unzureichende Elektroinstallation etc. Diese Merkmale zählen sämtlich zur untersten, d.h. grundsicherungsrechtlich unzumutbaren Unterkunftskategorie oder bestimmen den unteren Rand des einfachen Standards. Hinzukommt, dass die Mehrheit der Wohnungen mit den geringen Bruttokaltmieten im Sinne der seinerzeitigen AV-Wohnen in der mittleren und guten Wohnlage in Berlin zu finden sind, die Wohnlage selbst daher kein hinreichendes Abgrenzungskriterium liefert (Senatsurteil vom 02.12.2021, L 32 AS 579/16 ebd.; Rudnik a.a.O. S. 135 m.w.N.). Der Medianwert kennzeichnet daher den einfachen Standard, also eine typische Wohnung der Referenzgruppe (Senatsurteil vom 02.12.2021, L 32 AS 579/16, juris-RdNr. 57). Bilden die Medianwerte mithin gerade den typischen Fall einer einfachen, angemessenen Wohnung ab, können sie nicht zugleich die Grenzwerte zur Unangemessenheit determinieren. Der Rückgriff auf die Mittelwerte des Berliner Mietspiegels ist daher von vornherein ungeeignet, den Grenzwert für die Angemessenheit zu liefern. Schon deswegen ist die AV-Wohnen, auch in den Folgezeiträumen nicht schlüssig im Sinne der Forderung des BSG zu den Mindeststandards der Entwicklung eines schlüssigen Konzepts zur Bestimmung der Angemessenheitsgrenze.
Ein schlüssiges Konzept für derart charakterisierte Wohnungen ist für Berlin im hier relevanten Zeitraum nicht vorhanden. Der Beklagte hat, auf die Bedenken des Senats und dessen Urteil des Senats vom 2. Dezember 2021, L 32 AS 579/16, und die Möglichkeit zur rückwirkenden Korrektur des eigenen schlüssigen Konzepts (Schr. vom 04.04.2019) hingewiesen, trotz großzügig bemessener Zeit zu entsprechender Stellungnahme auch rückwirkend kein Konzept vorgelegt/verbessert. Er hat vielmehr mit Schreiben vom 7. Juli 2022 unter Hinweis auf die Vorgaben durch die SenIAS darauf hingewiesen, dass es für den Streitzeitraum bei der damaligen AV-Wohnen als nach seiner Auffassung schlüssigem Konzept verbleibe.
Der Senat sieht sich nicht in der Lage, eigenständig einen Grenzwert für die Angemessenheit der Unterkunftskosten, der den gesetzlichen Vorgaben entspricht, zu bestimmen. Dies ist im vorliegenden Fall auch entbehrlich, weil sich die Bruttokaltmiete der Klägerin unter Beachtung der normativen Vorprägung des unbestimmten Begriffs der Angemessenheit i.S.v. § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II noch als angemessen erweist.
Die Ausführungsvorschriften zur Gewährung von Leistungen gemäß § 22 SGB II und §§ 29 und 34 SGB XII 16.06.2015 (Amtsblatt für Berlin 2015 Nr. 26, 1345 – AV-Wohnen), bei denen es sich um bloße Verwaltungsvorschriften handelt, die keine unmittelbare Rechtswirkung für die Betroffenen entfalten, sind zur Bewertung angemessener Wohnkosten ungeeignet, weil lediglich die Mittelwerte der einfachen Wohnlage zur Grundlage der Bestimmungen gemacht wurden, ohne die dafür relevanten Gesichtspunkte erkennbar zu machen (dazu unten), und ihnen also kein schlüssiges Konzept i.S. der Rechtsprechung des BSG zugrunde liegt (BSG, Urteil vom 13.04.2011, B 14 AS 32/09 R, RdNr. 22).
Die Angemessenheit der Aufwendungen für die Wohnung ist auch nicht anhand der Verordnung zur Bestimmung der Höhe der angemessenen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach dem Zweiten und Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (WAV) zu messen. Die WAV ist unwirksam. Die Unwirksamkeitserklärung erstreckt sich zwar nur auf den Geltungszeitraum vom 1. Mai 2012 bis 31. Juli 2013 (BSG, Urteil vom 04.06.2014, B 14 AS 53/13 R, RdNr. 15, 16). Jedoch ist die WAV auch für die Folgezeiträume aufgehoben worden (WAV-Aufhebungsverordnung vom 16.06.2015, GVBl Berlin S. 275).
Der Senat sieht sich nicht in der Lage, einen Grenzwert für die grundsicherungs-rechtliche Angemessenheit für Wohnungen von Einpersonenhaushalten für den Zeitraum 2015/2016 zu bestimmen. Es fehlt dafür an überzeugungskräftigen Daten. Insbesondere können die Grundlagendaten des Mietspiegels 2015 dafür nicht herangezogen werden.
Sofern die höchstrichterliche Rechtsprechung für zulässig hält, für städtische Vergleichsräume unter Auswertung qualifizierter Mietspiegel Angemessenheits-grenzwerte zu bestimmen (BSG, Urteile vom 19.10.2010, B 14 AS 65/09 R, RdNr. 29, B 14 AS 50/10 R, RdNr. 27; Urteil vom 30.01.2019, B 14 AS 24/18 R, RdNr. 30), scheidet dies für Berlin aus. Das sogenannte Schifferdecker-Modell, das von einem Teil der Richterschaft des Sozialgerichts Berlin auf der Grundlage der Basisdaten der qualifizierten Mietspiegel für Berlin entwickelt (Schifferdecker/Irgang/Silbermann, Archiv für Wissenschaft und Praxis der sozialen Arbeit 2010, 28) und fortgeschrieben worden ist und auf das sich auch der Beklagte berufen hat, genügt den Anforderungen nicht. Zum einen macht es die Mittelwerte der einfachen Wohnlage zum Angemessenheitsgrenzwert. Dies überzeugt – wie bereits ausgeführt – schon deshalb nicht, weil die Mittelwerte des Mietspiegels am ehesten die typische Bestandswohnung der Referenzgruppe, nicht aber deren Obergrenze markieren (Urteil des Senats vom 2. Dezember 2021, L 32 AS 579/16, juris-RdNr. 63; Rudnik a.a.O. S. 135). Zudem hat das BSG wiederholt klargestellt, dass wenn der Grundsicherungsträger seiner Datenerhebung nur die Wohnungen der einfachen Wohnlage bzw. des einfachen Standards zu Grunde legt, er nachvollziehbar offen legen muss, nach welchen Gesichtspunkten er dabei die Auswahl getroffen hat (BSG, Urteile vom 22.09.2009, B 4 AS 18/09 R, RdNr. 21; vom 23.08.2011, B 14 AS 91/10 R - Cuxhaven, RdNr. 24; vom 20.12.2011, B 4 AS 19/11 R - Duisburg, RdNr. 33). Dies lässt sich weder für das richterliche Angemessenheitsmodell noch für die auf gleicher Grundlage vorgehende WAV und AV-Wohnen vor 2018 feststellen. Schließlich liefern die für den hier relevanten Zeitraum vorhandenen Berliner Mietspiegeldaten keine geeignete Grundlage für eine Bestimmung der Angemessenheitsgrenze.
Soweit zur Bestimmung der angemessenen Referenzmiete ein Mietspiegel herangezogen wird, ist zu beachten, dass sich aus der Funktion von einfachen und qualifizierten Mietspiegeln im Anwendungsbereich des Mieterhöhungsverfahrens nach §§ 558 ff. BGB einige Vorgaben ergeben, die für die Ermittlung der grundsicherungsrelevanten Vergleichsmiete nicht in gleichem Maße Bedeutung haben. Vor allem dürfen bei der Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete nach § 558 Abs. 2 BGB, zu deren Darstellung Mietspiegel dienen, nur diejenigen Wohnungen berücksichtigt werden, bei denen die Miete in den letzten vier Jahren neu vereinbart oder, von Veränderungen der Betriebskosten nach § 560 BGB abgesehen, geändert worden ist. Zudem darf bei der Erstellung eines Mietspiegels Wohnraum nicht berücksichtigt werden, bei dem die Miethöhe durch Gesetz oder im Zusammenhang mit einer Förderzusage festgelegt worden ist, denn §§ 558 ff. BGB finden nur auf frei vermieteten Wohnraum Anwendung.
Liegt ein qualifizierter Mietspiegel i.S. des § 558d Abs. 1 und 2 BGB vor, so wird vermutet, dass die im qualifizierten Mietspiegel bezeichneten Entgelte die ortsübliche Vergleichsmiete wiedergeben (§ 558d Abs. 3 BGB). Die Rechtsprechung des BSG berücksichtigt dies, denn es kann, wenn ein qualifizierter Mietspiegel, der in einem wissenschaftlich gesicherten Verfahren aufgestellt wurde, der Bestimmung des angemessenen Quadratmeterpreises für die Kaltmiete zugrunde liegt und entweder der Durchschnittswert dieses Mietspiegels angewandt wird oder dem Mietspiegel Aussagen zur Häufigkeit von Wohnungen mit dem angemessenen Quadratmeterpreis entnommen werden können, davon ausgegangen werden, dass es in ausreichendem Maße Wohnungen zu der abstrakt angemessenen Leistung für die Unterkunft gibt (BSG, Urteil vom 13.04.2011, B 14 AS 106/10 R, RdNr. 30; BSG, Urteil vom 10.09.2013, B 4 AS 77/12 R, RdNr. 38). Für die grundsicherungsrechtliche Wertung bleibt indes zu beachten, dass die Funktion des Mietspiegels, qualifiziert oder einfach, zivilrechtlich in der Begrenzung der Mietkostenentwicklung liegt und dass in erheblichem Umfang die Mietpreise von Bestandswohnungen wiedergegeben werden. Der Mietspiegel gibt keine Auskunft darüber, inwieweit jeweils aktuell Wohnungen zur Neuvermietung zur Verfügung stehen, also tatsächlich verfügbar sind. Einen relevanten Beweiswert insofern hat ein Mietspiegel schon angesichts der Methode der Datenerhebung nicht. Sofern aus den Grundlagendaten Daten für diejenigen Wohnungen extrahiert werden könnten, denen ein Neuvertrag zugrunde lag, müssten für diese Daten statistische Aussagekraft, Validität und Repräsentativität geprüft werden. Dies ist auch mit dem bisherigen Vortrag des Beklagten und der SenIAS nicht im Ansatz möglich. Dem Senat wurden die konkreten Daten nicht zur Verfügung gestellt, was für die Entscheidung des vorliegenden Falls im Ergebnis auch nicht unverzichtbar war.
Lediglich für die Situation eines ausgeglichenen oder (aus Mietersicht) entspannten Wohnungsmarktes ohne erkennbaren starken Mietanstieg kann aus Mietspiegelwerten ein Rückschluss auf jeweils aktuelle Angemessenheitsgrenzen geschlossen werden. Dies wird durch die Rechtsprechung des BSG bestätigt, die für den Fall von unvorhersehbaren Preissprüngen auf dem Wohnungsmarkt eine entsprechende Anpassung der Ausgangsdaten für die Bestimmung der Grenzwerte durch die Gerichte erwartet (BSG, Urteil vom 19.10.2010, B 14 AS 2/10 R, RdNr. 21). Daraus folgt zugleich, dass vorhersehbare Preisentwicklungen in das jeweilige Konzept einzustellen sind.
Einem Mietspiegel i.S. des § 558c Abs. 1 BGB, der die Voraussetzungen des § 558d Abs. 1 BGB nicht erfüllt (einfacher Mietspiegel), kommt zwar nicht die in § 558d Abs. 3 BGB dem qualifizierten Mietspiegel vorbehaltene Vermutungswirkung zu. Er stellt jedoch ein Indiz dafür dar, dass die dort angegebenen Entgelte die ortsübliche Vergleichsmiete zutreffend wiedergeben. Wie weit diese Indizwirkung reicht, hängt von den konkreten Umständen des jeweiligen Einzelfalls, insbesondere der Qualität des Mietspiegels ab. Voraussetzung für die Berücksichtigung des Mietspiegels als Indiz oder als Vermutung im Rahmen der Überzeugungsbildung des Tatrichters ist jedoch, dass der Mietspiegel die Tatbestandsmerkmale des § 558c Abs. 1 BGB beziehungsweise des § 558d Abs. 1 BGB erfüllt (BGH, Urteil vom 21.11.2012, VIII ZR 46/12, RdNr. 16, 17).
Die Rechtsprechung des BSG basiert, soweit sie am qualifizierten Mietspiegel anknüpft, damit auf einer doppelten Tatsachenvermutung (Senatsurteil vom 31.01.2018, L 32 AS 1223/15, juris-RdNr. 80). Die erste Tatsachenvermutung hat ihre Grundlage in § 558d BGB. Danach wird vermutet, dass die im qualifizierten Mietspiegel bezeichneten Entgelte die ortsübliche Vergleichsmiete wiedergeben, wenn die Vorschrift des § 558d Abs. 2 BGB eingehalten ist, also ein qualifizierter Mietspiegel, mithin ein Mietspiegel, der nach anerkannten wissenschaftlichen Grundsätzen erstellt und von der Gemeinde oder von Interessenvertretern der Vermieter und der Mieter anerkannt worden ist (§ 558d Abs. 1 BGB), vorhanden ist, der im Abstand von zwei Jahren aufgrund einer Stichprobe oder der Entwicklung des vom Statistischen Bundesamt ermittelten Preisindexes für die Lebenshaltung aller privaten Haushalte in Deutschland der Marktentwicklung angepasst und nach vier Jahren neu erstellt wurde. Grundsicherungsrechtlich hat dies Bedeutung nur insofern, als die Vergleichsmiete im Sinne einer tatsächlich realisierbaren Miete gelten kann.
Die zweite Tatsachenvermutung hat ihre Grundlage im Beweis des ersten Anscheins. Wenn ein qualifizierter Mietspiegel, der in einem wissenschaftlich gesicherten Verfahren aufgestellt wurde, der Bestimmung des angemessenen Quadratmeterpreises für die Kaltmiete zugrunde liegt und entweder der Durchschnittswert dieses Mietspiegels angewandt wird oder dem Mietspiegel Aussagen zur Häufigkeit von Wohnungen mit dem angemessenen Quadratmeterpreis entnommen werden können, so kann davon ausgegangen werden, dass es in ausreichendem Maße Wohnungen zu der abstrakt angemessenen Leistung für die Unterkunft gibt (so ausdrücklich im Sinne des Anscheinsbeweises: BSG, Urteil vom 13. April 2011, B 14 AS 106/10 R, RdNr. 30 und 32; Senatsurteil vom 02.12.2021, L 32 AS 579/16, juris-RdNr. 68).
Beide Tatsachenvermutungen sind bezogen auf den Berliner Mietspiegel 2015 (dem Datenerhebungen des hier relevanten Jahres 2014 zur Grundlage hatte) bei grundsicherungsrechtlichem Blickwinkel erschüttert. Dies gilt insbesondere im Hinblick darauf, dass die überwiegend aus Mieten für Bestandswohnungen abgeleiteten Mietspiegeldaten keinen ausreichenden Bezug zu den tatsächlich am Wohnungsmarkt bei Neuabschlüssen zu verzeichnenden Mietpreisen aufweisen und dass es in ausreichendem Maße Wohnungen zu aus den Mietspiegeldaten abgeleiteten Mieten geben soll.
Der Senat bleibt bei seiner Einschätzung, dass hinreichende objektive Umstände erkennbar sind, die für Berlin auf eine Abkoppelung des Marktgeschehens vom Mietspiegel hindeuten (Senatsurteile vom 31.01.2018, L 32 AS 1223/15, juris-RdNr. 109 und vom 02.12.2021, L 32 AS 579/16, juris-RdNr. 70). Dies beeinträchtigt seine zivilrechtliche Funktion im kollabierenden Berliner Wohnungsmarkt nicht. Mietspiegeldaten sind grundsicherungsrechtlich indes nur dann als Rohdaten verwertbar, wenn sie die Marktverhältnisse im maßgebenden Beobachtungszeitraum realistisch widerspiegeln („getreues Abbild des Wohnungsmarktes“). Bleibt der Mietspiegel hinter der tatsächlichen Marktentwicklung deutlich zurück (sog. verzögerte Marktabbildung), beschreibt er nicht (mehr) die realen Marktverhältnisse. Die Gewichtung von Mietspiegeldaten kann die verzögerten Marktabbildung bei Bezugnahme auf einen Mietspiegel, d. h. auf Neuvertragsmieten nicht preisgebundenen Wohnraums aus den letzten vier Jahren, nicht ausgleichen. Ausgehend von der aufgezeigten Vermutung als Beweis des ersten Anscheins, dass es in ausreichendem Maße Wohnungen zu der abstrakt angemessenen Leistung für die Unterkunft gibt, bedarf es somit nicht des Nachweises des Betroffenen, dass es (objektiv) keine Wohnungen zum Richtwert gibt; vielmehr genügt, dass die vom BSG aufgezeigte Vermutung erschüttert wird (Senatsurteile vom 31.01.2018, L 32 AS 1223/15, juris-RdNr. 109 und vom 02.12.2021, L 32 AS 579/16, juris-RdNr. 70).
Dies kann für den Berliner Wohnungsmarkt, der nach BSG-Rechtsprechung einen einheitlichen Vergleichsraum bildet, eindeutig festgestellt werden: Schon die im Zusammenhang mit dem Mietnovellierungsgesetz (Mietpreisbremse) ausgewerteten Daten zu angespannten Wohnungsmärkten weisen ganz Berlin als einen angespannten Wohnungsmarkt aus (BR-Drucksache 447/14, S. 7 ff). In Berlin beträgt die Abweichung der Angebotsmiete von 7,02 Euro/m2 (Quelle: BBSR-Wohnungsmarktbeobachtung, IDN Immodaten GmbH: Wiedervermietungsmieten, 50-80 m² Wohnfläche, mittlere Ausstattung) zur Vergleichsmiete des Mietspiegels 2013 von 5,90 Euro/m2 (Quelle: F+B-Mietspiegelindex: Musterwohnung 65 m2, normale Ausstattung und Lage) 1,12 Euro und 19 Prozent (a.a.O., S. 7).
In der Begründung der Berliner Verordnung zur zulässigen Miethöhe bei Mietbeginn gemäß § 556d Absatz 2 BGB (Mietenbegrenzungsverordnung) vom 28. April 2015 (GVBl Nr. 9, 101) wird ausgeführt, dass 1. die Mieten in Berlin deutlich stärker steigen als im bundesweiten Durchschnitt, 2. die durchschnittliche Mietbelastung der Haushalte den bundesweiten Durchschnitt deutlich übersteigt, 3. die Wohnbevölkerung wächst, ohne dass durch Neubautätigkeit insoweit erforderlicher Wohnraum geschaffen wird, und dass 4. geringer Leerstand bei großer Nachfrage besteht. Auf diese Umstände verweist zutreffend auch der Sachverständige Dr. von Malottki (S. 5 des Gutachtens). Nach der Begründung zur Mietenbegrenzungsverordnung (Ziffer 4.1.1, S. 6) sind im Zeitraum 2010 bis 2014 die Nettokaltmieten im Land Berlin um rund 43 % schneller gestiegen als im Bundesdurchschnitt. Die Angebotsmieten haben sich im Zeitraum IV. Quartal 2009 bis IV. Quartal 2014 in Deutschland von 6,00 Euro/m2 um 0,90 Euro/m2 auf 6,90 Euro/m2, d.h. um 15,0 Prozent, und in Berlin von 6,00 Euro/m2 um 2,59 Euro/m2 auf 8,59 Euro/m2, d.h. um 43,2 Prozent erhöht (Begründung zur Mietenbegrenzungsverordnung Ziff. 4.1.2, S. 7). Im Zeitraum 2011 bis 2013 wuchs die Bevölkerung in Berlin um 129.038 Personen. Bei einer durchschnittlichen Haushaltsgröße von 1,74 Personen entspricht dies einer Anzahl von 74.026 Haushalten. Dagegen betrug die Zahl der fertig gestellten Wohnungen (einschließlich der fertig gestellten Wohnungen durch Baumaßnahmen an bestehenden Gebäuden) lediglich 16.549 Wohnungen. Die Zahl der neugebauten Wohnungen lag dagegen sogar nur bei 12.369.
Dieser Prozess bestand schon seit einigen Jahren. Nach der Anlage zur Begründung der Kappungsgrenzen-Verordnung 7. Mai 2013 (https://www.parlament-berlin.de/ados/17/BauVerk/vorgang/bv17-0131-v.pdf) standen im Jahr 2010 1.898.807 Wohnungen 1.988.400 Haushalte und im Jahr 2011 1.903.231 Wohnungen 1.995.200 Haushalte gegenüber. Die Wohnungsversorgungsquote betrug mithin in beiden Jahren bereits ohne Berücksichtigung der Fluktuationsreserve deutlich weniger als 100 % und dokumentierte damit nach der Begründung der Verordnung (Ziff. 4.1) eine nicht ausreichende Versorgung mit Wohnraum. Die im Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen (BBU) organisierten städtischen, genossenschaftlichen und sonstigen Wohnungsunternehmen, deren Bestand knapp 40 % aller Berliner Mietwohnungen umfasst, wiesen im Jahr 2011 eine Leerstandsquote von 2,6 % aus. Auch der CBRE-empirica-Leerstandsindex, der sich auf moderne vollausgestattete Neubauwohnungen bezieht, weist für Berlin eine seit 2011 weiter sinkende Leerstandsquote aus. Lag sie für das Jahr 2011 noch bei 2,3 %, sank sie für das Jahr 2013 auf nur noch 1,8 % bzw. 29.500 Wohnungen in Mehrfamilienhäusern. Der Beklagte hat zutreffend (wenn auch in anderem Zusammenhang) für den hier streitigen Zeitraum auf eine noch niedrigere Leerstandsquote hingewiesen. Ein Leerstand in der vorgenannten Größenordnung liegt zudem unterhalb der als notwendig erachteten Fluktuationsreserve für einen funktionierenden Wohnungsmarkt, welche mit 3 Prozent anzunehmen ist (BSG, Urteil vom 18.11.2014, B 4 AS 9/14 R - Dresden, RdNr. 28; FB Unterkunftsbedarfe S. 77; IBB Wohnungsmarktbericht 2015, S.70). Die verstärkte Nachfrage nach Wohnungen aufgrund der Bevölkerungszunahme bzw. der Zunahme der Haushalte (Begründung zur Mietenbegrenzungsverordnung Ziff. 4.3) kann durch den Wohnungsleerstand nicht mehr befriedigt werden (Begründung zur Mietenbegrenzungsverordnung Ziff. 4.4, S. 9). Aus dem Leerstand kann entgegen der Auffassung des Beklagten auch nicht auf die Verfügbarkeit der Wohnungen geschlossen werden, weil diese häufig durch Modernisierungs-/Sanierungsmaßnahmen, der Vorbereitung und Durchführung von Umzügen etc. ausgeschlossen ist (SG Berlin, Urteil vom 06.07.2021, S 179 AS 1083/19, juris-RdNr. 45 – 47; Senatsurteil vom 02.12.2021, L 32 AS 579/16, juris-RdNr. 73).
Sowohl die Wohnungsversorgungsquote wie auch die niedrige und weiter abnehmende Fluktuationsreserve belegen, dass in Berlin jedenfalls ab dem Jahr 2011 der Wohnungsmarkt sehr angespannt ist. 2014 lag die Wohnungsversorgungsquote (inkl. Fluktuationsreserve unter 94 Prozent (Wohnraumbedarfsbericht 2019, S. 42). Dies führte zu einer deutlichen Erhöhung der Neuvertrags- bzw. Angebotsmieten im Vergleich zu den Bestandsmieten.
Zudem fehlen in Berlin in erheblicher Zahl über erhebliche Zeiträume bereits vor dem streitbefangenen Zeitraum und danach Wohnungen gerade für Ein- und Zweipersonenhaushalte. So fehlten nach dem Wohnraumbedarfsbericht 2019, der die Daten des Mietspiegels 2017, mithin die Daten von 2016 auswertet (Wohnraumbedarfsbericht 2019, S. 68) ca. 345.000 leistbare Wohnungen insbesondere für die Einpersonenhaushalte (ebd. S. 68, S. 74: für Ein- und Zweipersonenhaushalte insgesamt ca. 375.000). Dies kann angesichts geringer Bautätigkeit bei Bevölkerungswachstum auch auf das Jahr 2015 zurückgerechnet werden (Wohnraumbedarfsbericht 2019, S. 16: durchgehend deutlich wachsende Bevölkerung zwischen 2011 und 2017, von 2015 zu 2016 stieg die Bevölkerung in Berlin um 54.799 (Wohnraumbedarfsbericht 2019, S. 16), fertiggestellte Wohnungen 2015: 10.722, 2016: 13.659). Bei durchschnittlich 1,8 Personen pro Haushalt (2016) bedeutete dies einen Zuwachs an Haushalten von ca. 30.000, während ggü. 2015 im Jahr 2016 nur 13.659 hinzukamen, mithin ca. weitere 16.400 Wohnungen 2015 fehlten. Selbst wenn dieses hinzugekommene Defizit nur die Einpersonenhaushalte betroffen hätte, fehlten auch 2015 mindestens 328.000 Wohnungen für diese Personengruppe. In den Folgejahren hat sich die Situation weiter verschärft, weil der Bevölkerungszuwachs angehalten hat, während die Bautätigkeit nicht zugenommen hat und vielmehr weitere Wohnungen aus der Sozialpreisbindung entfallen sind, für die weniger leistungsfähigen Haushalte also eine weitere Verschärfung der Situation eingetreten ist (vgl. die entsprechenden IBB-Wohnungsmarktberichte).
In der Gesamtbetrachtung der Indikatoren zeigt sich (so die Begründung zur Mietenbegrenzungsverordnung Ziff. 4.6., S. 10), dass die Mieten in den letzten Jahren in Berlin deutlich schneller gestiegen sind als im Bundesdurchschnitt. Auch im Vergleich der Entwicklungen zwischen der durchschnittlichen ortsüblichen Vergleichsmiete und der durchschnittlichen Angebotsmiete zeigt sich im Zeitverlauf ein immer stärkeres Auseinanderdriften der Entwicklungen. Der Abstand zwischen der durchschnittlichen ortsüblichen Vergleichsmiete und der durchschnittlichen Angebotsmiete in Berlin wird immer größer. Das ist insbesondere ein Indiz für einen angespannten Wohnungsmarkt, da für die immer knapper werden freien Wohnungen höhere Mieten gefordert werden können. Dies bestätigt der Sachverständige Dr. von Malottki (S. 9 des Gutachtens).
Nach dem Bericht über die Wohnungs- und Immobilienwirtschaft in Deutschland (BT-Drucksache 17/11200 vom 22. Oktober 2012, S. 18) ist zur Entwicklung der Mieten ausgeführt: „Die Neu- und Wiedervermietungsmieten vermitteln ein realistischeres Bild des aktuellen Marktgeschehens, da sie die aktuellen Angebote von Wohnungen bei Mieterwechsel oder Neuvermietung wiedergeben. Diese Mieten steigen seit 2006 in immer mehr Kreisen in Deutschland, während die Zahl der Kreise mit sinkenden Mieten abnimmt. Diese Entwicklung hat sich seit 2010 beschleunigt. Dennoch bestehen weiterhin deutliche regionale Unterschiede. In einigen Landkreisen in den neuen Ländern und auch in strukturschwachen Regionen in den alten Ländern gehen die Mieten weiter zurück. Nachdem einige Metropolen (Berlin, Frankfurt, Hamburg) und ostdeutsche Städte (Jena, Weimar) bereits ab 2008/2009 deutliche Steigerungen der Neu- und Wiedervermietungsmieten verzeichneten, schlug sich 2011 die steigende Nachfrage erstmals deutschlandweit nieder – mit einem Plus von 2,9 Prozent. Die höchsten Mietpreissteigerungen gab es 2011 vor allem in den Großstädten und Metropolkernen (Berlin + 7,4 Prozent, Bremen + 8,8 Prozent, Hamburg + 7,5 Prozent, Freiburg + 8,1 Prozent, Greifswald + 10,4 Prozent).“
Die aufgezeigte Entwicklung hat sich danach fortgesetzt, wie dem Wohngeld- und Mietenbericht 2014 (Bundestag-Drucksache 18/6540 vom 29. Oktober 2015, S. 12) zu entnehmen ist. Darin ist dargelegt: Die bereits im Wohngeld- und Mietenbericht 2010 festgestellten Verknappungserscheinungen auf den Wohnungsmärkten haben sich weiter verschärft. Die seit 2009 zu verzeichnende zunehmende Dynamik auf den Wohnungsmärkten der wirtschaftsstarken Zuzugsräume und vieler Groß- und Universitätsstädte hält weiter an. In vielen Ballungsräumen, Groß- und Universitätsstädten sind weiterhin deutliche Mietsteigerungen und vielerorts spürbare Wohnungsmarktengpässe zu verzeichnen. Die höchsten Steigerungen der Angebotsmieten gab es 2014 vor allem in Ballungsregionen und Universitätsstädten. Beispielsweise stiegen die Angebotsmieten 2014 gegenüber dem Vorjahr in Berlin um 9,1 Prozent, in Stuttgart um 6,8 Prozent, in Wolfsburg um 19,1 Prozent und in Braunschweig um 10,0 Prozent. Vor allem einkommensschwächere Haushalte, aber auch zunehmend Haushalte mit mittleren Einkommen haben nach diesem Bericht Schwierigkeiten, eine bezahlbare Wohnung zu finden.
In ihrer Antwort auf eine kleine Anfrage von Mitgliedern des Abgeordnetenhauses vom 13. Februar 2012 führte die Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales (Abgeordnetenhaus-Drs. 17/10149) aus: Im Jahr 2010 ergingen von den Jobcentern 71.187 Aufforderungen, die Kosten für Unterkunft und Heizung zu senken. Im Jahr 2011 seien 65.511 Kostensenkungsaufforderungen ergangen. Im Jahr 2010 seien 1.195 Bedarfsgemeinschaften umgezogen, im Jahr 2011 seien es 1.313 gewesen. 1.797 Bedarfsgemeinschaften hätten durch andere Maßnahmen (Untervermietung oder Kostensenkung durch den Vermieter) oder durch Kostentragung aus den Einkommensfreibeträgen gesenkt; im Jahr 2011 seien dies 1.036 Haushalte gewesen. Daraus ergibt sich, dass die Anzahl der preisgünstigen Wohnungsangebote nicht ausreichend war, die durch die Kostensenkungsaufforderungen begründete Nachfrage allein durch Leistungsberechtigte in Wohnungen mit Kosten oberhalb der vorgegebenen Grenzwerte zu decken. Dass es jeweils über 1.000 Haushalten gelungen ist, eine günstige Wohnung zu erlangen, bedeutet angesichts der um ein Vielfaches höheren Zahl an Kostensenkungsaufforderungen ausgesetzten Haushalten, dass hinreichend Wohnraum tatsächlich verfügbar war. Finden 1.313 Haushalte von 65.511 Haushalten in einem Jahr eine Wohnung, bedeutet dies, dass statistisch für die Versorgung aller Haushalte ein Zeitraum von ca. 50 Jahren anzusetzen ist. Dabei ist überdies zu berücksichtigen, dass die Grundsicherungsberechtigen mit einer Vielzahl anderer Bewerber konkurrieren: Nach dem IBB Wohnungsmarktbericht 2012 waren 2011 rund 1,14 Mio. Berliner Haushalte (57 %) berechtigt, eine Sozialwohnung zu beziehen (S. 42). Zudem ist zu bedenken, dass Haushalte, denen Kostensenkungsaufforderungen in einem Jahr zugehen, diesen Aufforderungen auch in den Folgejahren ausgesetzt sind, sofern sie keine Kostensenkung erreichen können, wofür der Fall der Klägerin mit einer in das Jahr 2015 fortwirkenden Kostensenkungsaufforderung aus dem Jahr 2013 ein Beleg ist.
Nach der Antwort der Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales vom 19. Juli 2017 auf eine schriftliche Anfrage von Mitgliedern des Abgeordnetenhauses (Abgeordnetenhaus-Drs. 18/11700) hatten im Dezember 2014 von 306.461 Bedarfsgemeinschaften, davon 293.472 Bedarfsgemeinschaften mit laufenden KdU-Bedarf, 71.644 Unterkunftskosten über den Richtwertobergrenzen. Demgegenüber sanken zum Dezember 2015 die Anzahl der Bedarfsgemeinschaften auf 299.868 und die Anzahl der Bedarfsgemeinschaften mit laufenden KdU-Bedarf auf 285.952, während die Anzahl der Bedarfsgemeinschaften mit Unterkunftskosten über dem Richtwert der AV-Wohnen auf 121.371 stieg. Über 120.000 Haushalte über den Richtwerten der Sozialverwaltung (Ende 2015) entsprechen einem gesamten Stadtteil wie Kreuzberg, der auf die Wohnungssuche geschickt wird. Vor dem Hintergrund dieser amtlichen Zahlen, erscheinen die vom Beklagten mitgeteilten Angaben über Kostensenkungen 2015 und 2016 (zu denen jegliche Quellenangaben fehlen) nicht nachvollziehbar.
Der Mietspiegel 2015 berücksichtigte nur zu 20,3 Prozent Mietverträge bis zu einem Alter von 2 Jahren, während das Durchschnittsalter der Mietverträge 12,1 Jahre betrug (Grundlagendaten für den empirischen Mietspiegel und Aktualisierung des Wohnlagenverzeichnisses zum Berliner Mietspiegel 2015 – Methodenbericht, S. 47). Er ist eine Fortschreibung auf Basis der Stichproben-Erhebung 2013, erweitert um eine Zusatzstichprobe zur Ergänzung um die neu hinzugekommenen mietspiegelrelevanten Wohnungsbestände (Endbericht zum Mietspiegel 2015, S. 14). Die Neuvertragsmieten werden in beiden Methodenberichten nicht ihrer Höhe nach ausgewiesen. Da sie nur zu ca. einem Fünftel in die Bewertung eingehen, ca. vier Fünftel jedoch Bestandsmieten die von den Mietspiegeln berechneten Mittelwerte (d.h. Medianwerte, nicht Durchschnittswerte) prägen, lässt sich feststellen, dass die Neuvertragsmieten keinen bestimmenden Einfluss auf die Mietspiegelwerte haben (Senatsurteil vom 2. Dezember 2021, L 32 AS 579/16, juris-RdNr. 80). Der Methodenbericht zum Mietspiegel 2015 weist für eine Stichprobe von 99.000 Wohnungen Rückläufe für rund 8.403 Wohnungen (Methodenbericht S. 17 f.) aus. Im Hinblick auf diese Gesamtzahl der berücksichtigten Datensätze ergibt sich mithin ein Anteil von 1.686 Datensätzen mit Mietverträgen von bis zu 2 Jahren, was für den Mietspiegel 2015 wegen der Datenerhebung im Herbst 2014 bedeutet, dass die erhobenen Mietpreise bis in das Jahr 2012 zurückreichen. Hinreichende Validität und Repräsentativität für Wohnungen der Einpersonenhaushalte bezogen auf das Jahr 2015 bei den zu berücksichtigenden massiven Mietpreissteigerungen gerade bei Neuvermietungen lässt sich unter diesen Umständen nicht annehmen. Vergleichbar ist die Situation mit den Mietspiegeldaten des Mietspiegels 2017 (Quote der höchstens 2 Jahre alten berücksichtigten Mietverträge: 20, 4 %, Endbericht zum Mietspiegel 2017, S. 50). Zur Anzahl der im Jahr 2015 erfolgten Mietvertragsabschlüsse lassen sich daher keine hinreichend sicheren Aussagen treffen, wenn man zugleich die Anzahl der Kostensenkungsaufforderungen in den letzten Jahren bis einschließlich 2015 berücksichtigt.
Insgesamt wird ersichtlich, dass spätestens seit 2010 ein hoher Nachfragedruck auf dem Berliner Wohnungsmarkt bestand, so dass eine hohe Dynamik in der Entwicklung der Mietpreise mit einem sich zunehmend vergrößerndem Abstand zwischen Bestands- und Neuvertragsmieten zu verzeichnen war, die in den Mietspiegel- und Grundlagendaten nicht hinreichend erfasst wurden. Eine Abkopplung der Mietspiegelwerte vom realen Wohnungsmarktgeschehen erfolgte in einem erheblichen Ausmaß. Wohnungssuchende konnten in der 2015/2016 bestehenden angespannten sich deutlich verschärfenden Wohnmarktlage in der Regel keine Neuvertragsmiete in Höhe der Vergleichsmiete des Berliner Mietspiegels aushandeln. Vielmehr sprechen die vorliegenden Daten dafür, dass die Neuvertragsmieten regelmäßig auf dem Niveau der Angebotsmieten lagen, weil bei hohem Nachfragedruck der Spielraum für Mieter zu Mietpreisverhandlungen denkbar gering war.
Die Vermutung, dass es in ausreichendem Maße Wohnungen zu einem aus den durch Mieten von Bestandswohnungen geprägten Mietspiegeldaten ableitbaren abstrakt angemessenen Mietpreis für die Unterkunft gab, ist damit bezogen auf den Berliner Mietspiegel 2015 erschüttert. Hinzu kommt, dass diese Daten sich auf die vom Mietspiegel insgesamt erfassten Wohnungen beziehen, während sich gerade eine besonders angespannte Marktsituation für die Wohnungen für Einpersonenhaushalte zeigte (s.o.). Sofern der Beklagte aus der aus den Mietspiegeldaten zur Neuvermietung eine Hochrechnung der neuvermieteten Wohnungen vornehmen will und damit eine ausreichende Verfügbarkeit ableiten will, überzeugt dies schon im Vergleich mit der Nachfragesituation von über 120.000 Haushalten im nach Auffassung der SenIAS unangemessenen Mietenbereich (ohne die Konkurrenznachfragehaushalte) und der hochgerechneten Angebotszahl von 80.000 Wohnungen, also nach dem vom Beklagten selbst präsentierten Zahlenwerk nicht. Darüber hinaus stellt der Vortrag der Beklagten die Situation für die Einpersonenhaushalte nicht annähernd dar: es kommt gerade nicht darauf an, ob die Klägerin eine für einen Vierpersonenhaushalt angemessene Wohnung von 90 m2 anmieten könnte, die sie ja schon hat.
Andere Daten, aus denen eine Angemessenheitsgrenze mit einer vollen gerichtlichen Überzeugung gewonnen werden könnte, stehen nicht zur Verfügung, so dass es an einer Tatsachengrundlage mangelt, die Ausgangspunkt für die gerichtliche Bestimmung der Angemessenheitsgrenze sein könnte. Das vom Sozialgericht Berlin herangezogene Sachverständigengutachten der empirica AG zur Beweisanordnung im Verfahren des SG Berlin vom 28.06.2021 (S 150 AS 7397/17 WA) liefert kein Datenmaterial, das für die Bestimmung einer Angemessenheitsgrenze geeignet wäre (a.A. SG Berlin, Urteile vom 19.07.2021, S 155 AS 14941/16, RdNr. 40 und vom 06.07.2021, S 179 AS 1083/19, RdNr. 40 in anderen Haushaltskonstellationen aber mit vergleichbarem Herangehen der dort verwerteten Gutachten derselben Sachverständigen). Anders, als in den genannten Entscheidungen des Sozialgerichts angenommen, kann zumindest die Größenordnung der wohnraumsuchenden Grundsicherungshaushalte ermittelt werden. Dazu kann auf die Zahlen der Kostensenkungsaufforderungen zurückgegriffen werden. Die Zahl der tatsächlich Wohnungssuchenden für das relevante Preissegment ist dann in beträchtlichem Umfange darüber anzunehmen, weil geringverdienende Haushalte, Studierende etc. ebenfalls zum im Preissegment wohnungssuchenden Personenkreis gehören.
Zwischen 2010 (Zahlen siehe oben) und 2018 (Wohnraumbedarfsbericht 2019 S. 52, s.a. Abgeordnetenhaus-Drs. 18/11700) waren erkennbar durchgehend mindestens 60.000 Haushalte im Leistungsbezug der Berliner Jobcenter Kostensenkungsaufforderungen ausgesetzt, von denen ca. die Hälfte Einpersonenhaushalte ausmachten. Diese Zahl übersteigt um ein Vielfaches die im Gutachten der empirica AG für den hier relevanten Zeitraum von Juni bis November 2014 im Gutachten ausdrücklich angegebenen 7.247 Wohnungsangebote. Der von der SenIAS herausgegebene Wohnraumbedarfsbericht 2019 weist für das Jahr 2015 Neuvermietungen an Einpersonenhaushalte im nach der AV-Wohnen angemessenen Bereich von lediglich 1.669 und für das Jahr 2016 von nur 1.141 aus (S. 53), wobei die Zählung nicht nur Grundsicherungshaushalte erfasst, so dass bei diesen Werten der tatsächlich an Grundsicherungshaushalte erfolgte Vermietungen erfolgte Anteil spekulativ bleibt. Selbst bei zurückhaltender Rechnung muss man bei entsprechenden Kostensenkungsbemühungen von ca. 30 Bewerbern auf jede Wohnung ausgehen, wobei die ebenfalls wohnungssuchenden Geringverdiener und Studierenden noch nicht berücksichtigt wären. An dieser Stelle ist nochmals daran zu erinnern, dass ca. die Hälfte der Berliner Haushalte sozialwohnungsberechtigt war (51,1 % - IBB Wohnungsmarktbericht 2016 S. 45). Leistungsberechtigte, die zur Kostensenkung aufgefordert sind und sich eine günstigere Wohnung suchen müssen, können diese nur zu den stark erhöhten Angebots-/Neuvertragsmieten erlangen, weshalb diese auch auf die Bestimmung der Angemessenheitsgrenze wesentlich durchschlagen müssen.
Bezogen auf die Berliner Situation erscheint auch der Ansatz verfehlt, unter Hinweis auf das RBEG auf die unteren 20 Prozent der verfügbaren Wohnungen abzustellen oder den gegriffenen Wert von 33 Prozent heranzuziehen. Wollte man die Referenzgruppe wie nach dem RBEG bestimmen, müsste die Referenzgruppe unter Ausgliederung der Grundsicherungsempfänger bereinigt werden, um Zirkelschlüsse zu vermeiden (vgl. BVerfG, Urteil vom 09.02.2010, 1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09, RdNr. 168; BVerfG, Beschluss vom 23.07.2014, 1 BvL 10/12, 1 BvL 12/12, 1 BvR 1691/13, RdNr. 102). In Berlin hatten 2014 von 1.963.000 Haushalten 293.472 Haushalte in SGB II-Bedarfsgemeinschaften einen KdUH-Bedarf (s.o.), also 15,0 Prozent. Am 31.12.2014 erhielten 21.705 Haushalte in Berlin Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem 3. Kapitel SGB XII (Senatsverwaltung für Arbeit, Integration und Soziales: Leistungen der Grundsicherung nach dem 3. Kapitel SGB XII, in Berlin Datenüberblick, Stand 31.12.2017, S. 18) und 70.684 Haushalte Leistungen der Grundsicherung nach dem 4. Kapital des SGB XII (Senatsverwaltung für Arbeit, Integration und Soziales: Leistungen der Grundsicherung nach dem 4. Kapitel SGB XII, in Berlin Datenüberblick, Stand 31.12.2017, S. 19), insgesamt 92.389 Haushalte mit Sozialhilfeleistungen (ohne Eingliederungshilfe, Hilfe zur Pflege etc.) sowie 24.541 nach dem AsylbLG (Senatsverwaltung für Arbeit, Integration und Soziales: (Leistungen nach dem AsylbLG in Berlin, Datenüberblick, Stand 31.12.2016, Stand 31.12.2016, S. 5), also insgesamt weitere 6,0 Prozent der Haushalte. Mithin bezogen in Berlin 21 Prozent der Haushalte Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II oder SGB XII/ AsylbLG. Die unteren 20 Prozent wären praktisch durch Grundsicherungshaushalte belegt. Wollte man mit dem Gedanken des RBEG die Referenzgruppe bestimmen, wären mithin für Single-Haushalte (obwohl gerade für diese erwiesenermaßen massiv Wohnungen fehlen) 21 plus 15 Prozent, also 36 Prozent der Haushalte zu berücksichtigen, bei Haushalten mit Kindern, mindestens 41 Prozent (21 + 20). Dies würde bedeuten, dass als angemessen mindestens die Wohnungen anzusehen wären, die 2015 von den untersten 36 Prozent bzw. 41 Prozent der Haushalte angemietet wurden und zwar jeweils die von dieser Personengruppe angemieteten teuersten Wohnungen, weil diese - als von der Referenzgruppe angemietet - noch als angemessen anzusehen wären, wobei sodann die Anmietungen durch Grundsicherungsempfänger wieder herauszunehmen wären. Dazu liefert das Gutachten der empirica AG jedoch keine Daten. Es erscheint schon unklar, wie für die weit zurückliegenden Zeiträume die Haushalte an der Obergrenze der 36 Prozent bzw. 41 Prozent identifiziert werden sollen, erst recht, wie dann weitergehend ein Bezug zu den relevanten Angebots- bzw. Neuvertragsmieten hergestellt werden könnte. Schließlich wäre dann immer noch die Frage offen, ob in einem Zeitraum von sechs Monaten (§ 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II) zu den so ermittelten Mietpreisen eine Wohnung für die nachfragenden Grundsicherungsempfänger neben den Nachfrage-Konkurrenten realistisch verfügbar sein konnte.
Eine reale Verfügbarkeit innerhalb des durch § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II vorgegebenen Sechsmonatszeitraums kann daher nicht angenommen werden, ohne dass die Suchkriterien den Wohnungsmarktverhältnissen angepasst werden (also insbesondere größere und teurere Wohnungen angesichts des massiven Wohnungsmangels für Ein- und Zweipersonenhaushalte). Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, dass auch die Rechtsprechung des BSG bislang keine Maßstäbe dafür aufzeigt, wie Verfügbarkeit in einem hoch angespannten Wohnungsmarkt wie dem von Berlin oder anderer Universitätsstädte bestimmt werden soll.
Auch wenn sich der Senat nicht in der Lage sieht, für die Jahre 2015/2016 für Einpersonenhaushalte eine Angemessenheitsgrenze zu bestimmen, lässt sich feststellen, dass im Falle der Klägerin die Bruttokaltmiete der von ihr gemieteten Wohnung noch angemessen war.
Bei der Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs der Angemessenheit sind, wie ausgeführt, die normativen Vorprägungen dieses Begriffs zu berücksichtigen. Insofern sind die gesetzgeberischen Entscheidungen zur Sicherung angemessenen Wohnraums für Hilfebedürftige zu beachten, um sicherzustellen, dass der Vergleich mit der Referenzgruppe gelingt. Dazu gehört in angespannten Wohnungsmärkten der Vergleich mit den Angemessenheitsgrenzen nach dem Wohngeldrecht und auch der Vergleich mit den Mieten im sozialen Wohnungsbau, weil beide Systeme normative gesetzgeberische Vorprägungen für den hier betroffenen Bereich der grundsicherungsrechtlichen Angemessenheitsprüfung liefern. Beide Systeme zielen unmittelbar gesetzlich auf die Sicherstellung angemessenen Wohnraums ab (Senatsurteil vom 2. Dezember 2021, L 32 AS 579/16, juris-RdNr. 89; Rudnik a.a.O. 139 f.). Nach § 1 Abs. 2 Sätze 1 und 2 Nr. 1 WoFG sind ausdrücklich Zielgruppe der sozialen Wohnraumförderung Haushalte, die sich am Markt nicht angemessen mit Wohnraum versorgen können und auf Unterstützung angewiesen sind. Unter diesen Voraussetzungen unterstützt die Förderung von Mietwohnraum insbesondere Haushalte mit geringem Einkommen sowie Familien und andere Haushalte mit Kindern, Alleinerziehende, Schwangere, ältere Menschen, behinderte Menschen, Wohnungslose und sonstige hilfebedürftige Personen. Insbesondere aus dem Recht des sozialen Wohnungsbaus ergeben sich mithin im Rahmen der Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs der grundsicherungsrechtlichen Angemessenheit systematisch zu berücksichtigende Wertungen. Sozialwohnungen wurden und werden gerade für Grundsicherungshaushalte geschaffen. Es geht dem WoFG ausdrücklich um die Versorgung mit angemessenem Wohnraum. Gerade wegen dieser normativen Vorprägung greift das BSG für die Bestimmung der angemessenen Wohnfläche auf die regionalen Vorgaben des sozialen Wohnungsbaus zurück, auch wenn diese, wie im Falle von Berlin auf einer äußerst schwach legitimierten Grundlage beruhen (in Berlin reine verwaltungsinterne Arbeitshinweise der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung).
Gleiches gilt für das Wohngeldrecht. Nach § 1 Abs. 1 WoGG dient das Wohngeld der wirtschaftlichen Sicherung angemessenen und familiengerechten Wohnens. Zielgruppe sind die einkommensschwachen Haushalte, die gerade nicht mehr grundsicherungsberechtigt sind. Die Eignung der systematischen Beachtung der Vorgaben des WoGG im Rahmen der normativen Vorprägung des grundsicherungsrechtlichen Angemessenheitsbegriffs ergibt sich insbesondere aus den Regelungen der §§ 1 Abs. 1, 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 8 und Satz 3, Abs. 2, 8 Abs. 2, 28 Abs. 3, 40 WoGG und dem ausdrücklichen Verweis in § 22c Abs. 1 Satz 2 SGB II sowie aus der Gewährung von Teilhabeleistungen für Kinder von Berechtigten nach dem WoGG im selben Leistungsumfang wie nach §§ 28, 29 SGB II (§ 6b Abs.1 Satz 1 Nr. 2 und Satz 2 BKGG), was den Teilhabeaspekt des Wohnens unterstreicht. Zudem war bis 2004 die Gewährung pauschalierten Wohngelds Sozialhilfeleistung. Auf die historischen Aspekte bei der Auslegung des Angemessenheitsbegriffs hatte gerade das BVerfG hingewiesen (Beschluss vom 06.10.2017, 1 BvL 2/15, 1 BvL 5/15, RdNr. 17). Die hilfsweise Heranziehung der Wohngeldtabelle durch das BSG zur Bestimmung einer Angemessenheitsgrenze (BSG, Urteil vom 30.01.2019, B 14 AS 24/18 R, RdNr. 30 m.w.N.) beinhaltet ebenfalls die hier beachtete normative Wertung.
Wohnraum, der nach den Vorgaben des sozialen Wohnungsbaus und des WoGG angemessen ist, kann jedenfalls in angespannten Wohnungsmärkten nicht grundsicherungsrechtlich unangemessen sein (Senatsurteil vom 02.12 2021, L 32 AS 579/16, juris-RdNr. 89; Rudnik a.a.O. S. 139 f.). Dabei kommt die weitere Überlegung zum Tragen, dass die insofern vorhandenen Daten stets nur bzw. ganz überwiegend auf Bestandswohnungen im jeweiligen Regelungssystem zurückgreifen und im angespannten Wohnungsmarkt die Verteuerung durch das ungünstige Nachfrage-Angebot-Verhältnis nicht aktuell widerspiegeln (Senatsurteil vom 02.12 2021, L 32 AS 579/16, juris-RdNr. 89). Allein, dass die AV-Wohnen in Ziff. 3.2. Abs. 3 bestimmt, dass bei Wohnungen des Sozialen Wohnungsbaus eine Überschreitung der Richtwerte um bis zu 10% zulässig, zweigt zweierlei. Erstens wird der normative Zusammenhang tatsächlich auch gesehen. Zweitens wird klar, dass die Festsetzung der Richtwerte diesen normativen Zusammenhang gerade nicht berücksichtigen, weil man sonst die Ausnahmeregel nicht bräuchte. Schon vom eigenen Normgefüge her erweist sich die AV-Wohnen nicht als schlüssig. Dies gilt selbst für die aktuelle AV-Wohnen vom 13. Dezember 2022 noch immer, wo sich die gleiche Regelung in Ziff. 3.3 Abs. 3 findet.
Nach diesen Maßstäben erweist sich die Bruttokaltmiete der Klägerin im angespannten Wohnungsmarkt von Berlin im Zeitraum 2015/2016 noch als angemessen. Die vom Senat eingeholten Auskünfte der IBB vom 11. November 2022 und die ergänzende Stellungnahme vom 13. Januar 2023 haben ergeben, dass von den Sozialwohnungen in Berlin das Maximum der Nettomiete 8,84 Euro/m2 (WmA) bzw. 12,27 Euro/m2 (WoA), das Maximum der Bruttokaltmiete 10,85 Euro/m2 (WmA) bzw. 14,56 Euro/m2 (WoA) betrug, wobei die preisrechtlich zulässigen Mieten (Soll-Mieten) bei WmA 6,73 Euro/m2 und bei den WoA 13,21 Euro/m2 jeweils im Durchschnitt und nettokalt betrugen. Die IBB hat überzeugend im Hinblick auf das im Bereich des sozialen Wohnungsbaus geltende Prinzip der Kostenmiete und der dafür erforderlichen objektbezogenen Wirtschaftlichkeitsberechnungen darauf hingewiesen, dass statt der teureren kostendeckenden Soll-Miete eine günstigere Ist-Miete verlangt werde und die IBB diese Ist-Mieten-Werte mitgeteilt hat. Die Angaben für die tatsächlichen Ist-Mieten 2015 wurden aus 81.112 WmA mit Mietenangaben und 15.572 WoA mit Mietenangaben ermittelt. Perzentile oder Durchschnitte der oberen 10 % hätten wegen der Datenerhebungen nicht mitgeteilt werden können. Ebenfalls nachvollziehbar hat die IBB auf die Gründe für eine stetige, wenn auch langsamere Steigerung der Mietkosten auch im sozialen Wohnungsbau hingewiesen.
Die Bruttokaltmiete der Klägerin beträgt 551,36 Euro, mithin 6,13 Euro/m2, bezogen auf die 90 m2, berechnet auf eine Standard-Wohnfläche für einen Einpersonenhaushalt im sozialen Wohnungsbau von 50 m2 wären das 11,03 Euro/m2. Berücksichtigt man, dass nach der gesetzgeberischen Intention alle Sozialwohnungen gerade für die Zielgruppe der Hilfebedürftigen errichtet und vorgehalten werden sollen, liegt der Quadratmeterpreis der Wohnung der Klägerin, bezogen auf eine grundsätzlich angemessene Wohnung von 50 m2, deutlich unterhalb des Durchschnitts der (zulässigen) Soll-Mieten von 13,21 Euro/m2 nettokalt (WoA) oder gar der der Obergrenze von 14,56 Euro/m2 für Ist-Mieten von Sozialwohnungen ohne Anschlussförderung liegt. Dabei handelt es sich bei den WmA um den eher älteren Wohnungsbestand, weil seit 1990 ausschließlich Sozialwohnungen ohne Anschlussförderung errichtet wurden (IBB Wohnungsmarktbericht 2019, S. 72). Diese Sozialwohnungen ohne Anschlussförderung machen auch keinen völlig unwesentlichen Bereich des Wohnungsmarktes aus, allein die Erhebungen der IBB betreffen einen Wohnungsbestand der über die für den Mietspiegel 2015 erhobenen Daten hinausgeht. Kann einem hilfebedürftigen Mieter einer Sozialwohnung, die den Vorgaben des sozialen Wohnungsbaus in Berlin entspricht und für die eine Bruttokaltmiete von 14,50 Euro/m2 anfällt, schlecht vorgehalten werden, seine Wohnung sei unangemessen, obwohl sie als angemessene Unterkunft gerade für ihn bereit gestellt wurde, kann der Klägerin mit einer deutlich günstigeren Wohnung Unangemessenheit der Unterkunftskosten nicht entgegengehalten werden. Dabei ist zudem zu berücksichtigen, dass Hilfebedürftigen wegen des gerade für Einpersonenhaushalte in besonderem Maße fehlenden Wohnungsangebots ein Ausweichen auf teurere, weil größere Wohnungen schlecht verwehrt werden kann. Der Grenzwert von 50 m2 für eine angemessene Fläche erweist sich nicht als realistische Grenze im einfachen Marktsegment für Einpersonenhaushalte. Aus dem bereits Ausgeführten ergibt sich, dass eine durchschnittliche Wohnung in Berlin nach ihrer Ausstattung grundsicherungsrechtlich angemessen ist. Die Mehrheit der Haushalte in Berlin sind Einpersonenhaushalte (55 %, IBB Wohnungsmarktbericht 2016, S. 21). Einpersonenhaushalte nutzten 2018 durchschnittlich eine Wohnfläche von 55,2 m2; 2014 war es noch ein Quadratmeter mehr (IBB Wohnungsmarktbericht 2019 S. 79). Dies spricht dafür, dass auch eine Wohnung von 56 m2 im hier streitigen Zeitraum für einen Einpersonenhaushalt nicht zwingend als unangemessen zu betrachten sein dürfte. Dies zugrunde gelegt, wäre bei der Bruttokaltmiete der Klägerin ein Quadratmeterpreis von 9,84 Euro (bezogen auf 56 m2) mit den Mieten der Sozialwohnungen zu vergleichen. Damit liegt die Wohnung der Klägerin deutlich auch unter den Höchstwerten der Ist-Mieten der WmA (10,85 Euro/m2). Soweit die berücksichtigten Werte für 2015 gelten, lässt sich für 2016 nichts Abweichendes feststellen, weil der Wohnungsmarkt und die Preisentwicklung nicht günstiger wurden. Dies ergibt sich insbesondere aus der weiteren Kostensteigerung auch der durchschnittlichen Bruttokaltmieten im sozialen Wohnungsbau, wie auch aus den durch den Mietspiegel 2017 belegten weiteren Mietsteigerungen.
Die Heranziehung der wohngeldrechtlichen Bewertungen führt im Falle der Klägerin zu keiner für diese günstigeren Bestimmung der Angemessenheitsgrenze. Vielmehr hält der Senat einen Rückgriff auf die um den Faktor 1,1 erhöhten Werte der Wohngeldtabelle im Hinblick auf das verfassungsrechtliche Realitätsgebot für die hier zu beurteilende Situation im Land Berlin 2015/2016 nicht für sachgerecht. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG (z.B. Urteil vom 17.12.2009, B 4 AS 50/09 R – Flensburg, RdNr. 27; Urteil vom 30.01.2019, B 14 AS 24/18 R, RdNr. 30 m.w.N.) ist ein Rückgriff auf die Werte des WoGG - zur Festlegung ausschließlich der abstrakt angemessenen Kosten der Unterkunft im Sinne einer Obergrenze – ausnahmsweise dann zulässig, wenn nach den Feststellungen der Tatsacheninstanzen Erkenntnismöglichkeiten und -mittel zur Festlegung der von dem SGB II-Träger zu tragenden angemessenen Aufwendungen der Unterkunft nach einem schlüssigen Konzept nicht mehr vorhanden sind. Dies begründet das BSG damit, dass durch diese "Angemessenheitsobergrenze" die Finanzierung extrem hoher und per se unangemessener Mieten verhindert werden soll (BSG ebd.). Zwar dürften die Wohngeldberechtigten zur Referenzgruppe bei der Bestimmung der Angemessenheitsgrenze zählen, jedoch erscheint der Rückgriff auf die Werte der Wohngeldtabelle nach § 12 WoGG über die normative Wertung hinaus, dass es sich dabei um angemessene Werte handelt, problematisch. Dies folgt zum einen aus dem für grundsicherungsrechtliche Belange zweifelhaften, weil methodisch unzureichenden Verfahren zur Abklärung des Grundsicherungsbedarfs, der bis 2020 nur sporadischen Anpassung der WoGG-Werte und zum anderen aus der Ableitung der Werte lediglich aus Bestandsmieten.
Die Tabelle des § 12 Abs. 1 WoGG in der Fassung des Gesetzes vom 9. Dezember 2010 (BGBl I 2010, 1885; gültig vom 1. Januar 2011 bis 31. Dezember 2015) i.V.m. § 38 Nr. 2 WoGG i.V.m. der Anlage (in der Fassung des Gesetzes vom 24.09.2008, BGBl I 2008, 1856; gültig vom 1. Januar 2009 bis 31. Dezember 2015) zu § 1 Abs. 3 Wohngeldverordnung (WoGV) weist für Berlin, das der Mietstufe IV zugeordnet wird, für einen Einpersonenhaushalt einen Betrag von 358 Euro aus. Dies ergibt für den Haushalt der Klägerin für das Jahr 2015 einen Angemessenheitswert für die Kaltmiete plus Betriebskosten unter Berücksichtigung des Sicherheitszuschlages von 10% von 358 Euro + 35,80 Euro = 393,80 Euro. Die tatsächliche Bruttokaltmiete lag über diesem Grenzwert der höchstrichterlichen Rechtsprechung. Dies gilt auch für den Grenzwert, der ab 1. Januar 2016 maßgeblich war: 434,00 + 43,40 0 = 477,40 Euro.
Dieses Ergebnis erscheint unter zwei Gesichtspunkten wenig überzeugend. Zum einen mutet der „Sicherheitszuschlag“ des BSG recht willkürlich an und wurde unter Außerachtlassung der Funktion des Wohngeldes als Referenzmerkmal festgesetzt. Das BSG hat dabei an eine verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung anknüpfen wollen, mit der die unregelmäßigen Anpassungen der Wohngeldgrenzwerte überbrückt werden sollten (Berlit, info also 2017, 195, 196). Schon dieses Anliegen kann der Sicherheitszuschlag nicht realisieren, weil die Mietspiegelwerte über erhebliche Zeiträume nicht dynamisiert wurden. Durch das Gesetz vom 2. Oktober 2015 wurde mit Wirkung ab 1. Januar 2016 der maßgebliche Tabellenwert auf 434,00 Euro erhöht. Er blieb von 2008 (Gesetz vom 24.09.2008 mit Wirkung ab 01.10.2008) bis 2015 also über einen Zeitraum von mehr als sieben Jahren unverändert. Es erfolgte eine Steigerung von 21,2 Prozent. Dass ein Zuschlag von 10 Prozent im Jahr vor dem Gesetzesbeschluss zur Erhöhung unter diesen Umständen keine „Sicherheitsfunktion“ erfüllte, liegt auf der Hand. Auch der Vergleich mit den Kosten der Sozialwohnungen offenbart, dass jedenfalls für Berliner Verhältnisse die Wohngeldwerte, selbst wenn sie um 10 Prozent erhöht werden, teilweise noch nicht einmal eine typische angemessene Wohnung erfassen. Die Grenzwerte des WoGG lagen überwiegend unter den Durchschnittswerten von Sozialwohnungsmieten in Berlin. Die 10-prozentige Erhöhung erfasst dann ebenfalls nicht die Referenzgruppe zielgenau, weil die Spanne der Mieten der Sozialwohnungen nach oben deutlich weiter reicht. Der für 2016 geltende Betrag des 1,1-Fachen des WoGG-Tabellenwerts von 477,40 Euro (s.o.) lag nur wenig oberhalb der Durchschnittsmiete einer WoA mit 439,50 Euro bezogen auf 50 m2 (IBB-Wohnungsmarktbericht 2019, S. 71: durchschnittliche Nettokaltmiete 6,96 Euro/m2 + kalte Betriebskosten von 1,83 Euro/m2 = 8,79 Euro/m2). Die Spanne der tatsächlich gezahlten Ist-Mieten pro Quadratmeter reichte selbst für die WmA nach den Auskünften der IBB noch deutlich höher (s.o.). Eine annähernd durchschnittliche Sozialwohnung kann jedoch nicht bei normativer Betrachtung als unangemessen gelten.
Weil sich feststellen lässt, dass die Bruttokaltmiete der Klägerin jedenfalls nicht unangemessen war, kommt es nicht darauf an, wie hoch im streitbefangenen Zeitraum die Angemessenheitsgrenze war.
Der Anspruch auf Leistungen für die Heizung besteht grundsätzlich in Höhe der konkret-individuell geltend gemachten Aufwendungen, soweit sie angemessen sind. Von unangemessen hohen Heizkosten ist auszugehen, wenn bestimmte Grenzwerte überschritten werden, die den von der co2online gGmbH in Kooperation mit dem Deutschen Mieterbund erstellten und durch das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit geförderten "Kommunalen Heizspiegeln" bzw. dem "Bundesweiten Heizspiegel" zu entnehmen sind. Solange der jeweils örtlich zuständige Träger der Grundsicherung keine differenzierte Datenermittlung für den konkreten Vergleichsraum durchgeführt hat, die zuverlässige Schlüsse auf einen Wert für grundsicherungsrechtlich angemessene Heizkosten in seinem Zuständigkeitsbereich zulassen, ist die Heranziehung eines Grenzwertes aus Gründen der Praktikabilität geboten. Es ist zwar nicht zu verkennen, dass der hohe Grenzwert der energiepolitischen Zielsetzung eines Heizspiegels zuwiderläuft. Solche Zielsetzungen sind im Anwendungsbereich des SGB II aber nach den gesetzgeberischen Vorgaben unbeachtlich (BSG, Urteil vom 12.06.2013, B 14 AS 60/12 R, RdNr. 22, m.w.N.).
Dem Grenzwert aus einem (bundesweiten oder kommunalen) Heizkostenspiegel kommt nicht die Funktion einer Quadratmeterhöchstgrenze zu mit der Folge, dass bei unangemessen hohen Heizkosten die Aufwendungen für Heizung bis zu dieser Höhe, aber nur diese übernommen werden müssten. Auch diesem Wert liegt keine Auswertung von Daten zugrunde, die den Schluss zuließe, es handele sich insoweit um angemessene Kosten. Der Grenzwert markiert nicht angemessene Heizkosten, sondern gibt einen Hinweis darauf, dass von unangemessenen Heizkosten auszugehen ist; das Überschreiten des Grenzwertes kann lediglich als Indiz für die fehlende Angemessenheit angesehen werden ("im Regelfall"). Dies hat im Streitfall zur Folge, dass es dem Leistungsberechtigten obliegt vorzutragen, warum seine Aufwendungen gleichwohl als angemessen anzusehen sind. Insofern führt das Überschreiten des Grenzwertes zu einem Anscheinsbeweis zu Lasten des Leistungsberechtigten dahin, dass von unangemessen hohen Kosten auszugehen ist. Lässt sich nicht feststellen, dass im Einzelfall höhere Aufwendungen gleichwohl angemessen sind, treffen ihn die Folgen im Sinne der materiellen Beweislast (BSG, Urteil vom 12.06.2013, B 14 AS 60/12 R, RdNr. 23, m.w.N.).
Der Grenzwert errechnet sich aus der abstrakt angemessenen Wohnfläche (und nicht aus der Wohnfläche der konkret innegehabten Wohnung) und, wenn ein kommunaler Heizspiegel - wie vorliegend für Berlin - nicht existiert, den entsprechenden Werten der Spalte "zu hoch" für Heizöl, Erdgas bzw. Fernwärme des "Bundesweiten Heizspiegels", der zum Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung veröffentlicht war.
Maßgebend ist vorliegend der Bundesweite Heizspiegel 2015. Dieser Heizspiegel war bei Erlass der letzten Verwaltungsentscheidung (Widerspruchsbescheid vom 16.12.2015) bereits veröffentlicht (Veröffentlichung am 08.10.2015) und bezog auch die Warmwassererzeugung mit ein (S. 7). Es ergibt sich bei einer Erdgasheizung ein Betrag von 16,60 Euro/ m2 bei Gebäuden über 1000 m2 im Jahr, also bei 50 m2 insgesamt 830,00 Euro für das Jahr, mithin 69,17 Euro je Monat. Auch wenn diese Werte nur Indizcharakter haben, ergeben sich im Falle der Klägerin keine Anhaltspunkte, die zu einer Abweichung Anlass geben. Die höheren Kosten folgen ausweislich der letzten vor dem Streitzeitraum erteilten Abrechnung insbesondere aus der hohen zugrunde gelegten Wohnfläche, nicht aus schlechter Isolierung oder ungeschicktem Heizverhalten.
Als angemessene Heiz- und Warmwasserkosten der Klägerin können im hier maßgeblichen Zeitraum deshalb nur 69,17 Euro angesehen werden.
Angemessene Leistungen für KdUH und für Warmwasser im Falle der Klägerin sind mithin insgesamt 551,36 Euro + 69,17 Euro = 620,53 Euro monatlich.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG und berücksichtigt den überwiegenden Erfolg der Rechtsverfolgung.
Der Senat lässt die Revision im Hinblick auf die grundsätzliche Bedeutung der Sache zu.