1. Gebühren, die durch die Berliner Feuerwehr nach Maßgabe von § 1 Abs. 1 Satz 1 FwBenGebO i. V. m. dem Gebührenverzeichnis „B“ für den Transport eines Neugeborenen erhoben werden, sind gemäß § 60 Abs. 1 Satz 1 SGB V i. V. m. § 133 SGB V von der Feuerwehr gegenüber der Krankenversicherung abzurechnen.
2. Soweit ein Krankenhaus auf die Rechnung der Feuerwehr die Kosten eines Krankentransports bezahlt, kann sie mangels Ermächtigungsgrundlage die Erstattung der Kosten nicht von der Krankenversicherung verlangen.
3. Bei Krankentransporten handelt es sich nicht um einen Bestandteil der Fallpauschalen (Anschluss an Landessozialgericht Baden-Württemberg im Urteil vom 27. Juli 2022 – L 5 KR 522/22 –, Rn. 33, juris).
Sozialgericht Berlin |
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Im Namen des Volkes
Urteil
In dem Rechtsstreit
…
in Sachen: …
- Kläger -
Proz.-Bev.:
Rechtsanwälte …
gegen
BARMER,
Juristischer Dienstsitz
Axel-Springer-Str. 44, 10969 Berlin,
…
- Beklagte -
hat die 221. Kammer des Sozialgerichts Berlin ohne mündliche Verhandlung am 14. Juni 2023 durch die Richterin am Sozialgericht … sowie die ehrenamtlichen Richter … und … für Recht erkannt:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Tragung von Kosten des Krankentransports eines Neugeborenen.
Die Klägerin ist Trägerin des im Krankhausplan des Landes Berlin aufgenommenen Kranken-hauses C. … . Die Beklagte ist gesetzlicher Krankenversicherer der P., die in dem Krankenhaus der Klägerin am 12.01.2017 einen Neugeborenen zur Welt gebracht hat (Aufnahmenummer: …). Das Neugeborene musste aufgrund seiner gesundheitlichen Situation am 13.01.2017 in ein Krankenhaus mit einer Neonatologie verlegt werden. Die Klägerin gab den Krankentransport eines Neugeborenen bei der Berliner Feuerwehr, die die Krankentransporte in Berlin durchführt, in Auftrag. Für den Krankentransport des Neugeborenen war aus medizinischen Gründen erforderlich, dass in dem Krankentransportfahrzeug ein Inkubator vorhanden war. Da die Berliner Feuerwehr regelhaft keine Inkubatoren in den Krankentransportfahrzeugen mitführt, holte sie diesen in einem Depot, setzte ihn in den für den Transport des Neugeborenen vorgesehenen Rettungswagen ein und fuhr sodann mit dem Inkubator an Bord das Krankenhaus der Klägerin an, um dort den Neugeborenen zu übernehmen und in die Klinik mit einer Neonatologie zu verbringen. Für die Fahrt zu dem Depot und anschließend zum Krankenhaus der Klägerin berechnet die Berliner Feuerwehr gegenüber der Klägerin unter dem 30.01.2017 einen Betrag von 319,10 € (Anfahrt Depot-KH M.). Die Klägerin stellte diese Kosten der Beklagten in Rechnung, da sie die gesetzliche Krankenversicherung der Mutter des Neugeborenen ist.
Mir ihrer am 30.12.2021 erhobenen Klage begehrt die Klägerin die Zahlung des Rechnungsbetrags zuzüglich Zinsen von der Beklagten. Nach ihrer Ansicht habe die Beklagte diesen Teil der Kosten des Krankentransports zu tragen, auch wenn während der Abholung des Inkubators und der Anfahrt zum Krankenhaus der Klägerin der Neugeborene – unstreitig – noch nicht in dem Rettungswagen gewesen sei. Diese Abholung des Inkubators und die dann folgende Anfahrt zu dem Krankenhaus, um den Neugeborenen dort aufzunehmen und in ein Krankenhaus mit einer Neonatologie zu transportieren, sei Teil des Krankentransports des Neugeborenen und daher von der Beklagten zu zahlen. Die Beklagte sei durch die erfolgte Zahlung an die Feuerwehr von einer Schuld befreit, so dass die Beklagte nunmehr um diesen Betrag ungerechtfertigt bereichert sei. Es sei auch lediglich von dogmatischem Interesse, ob der Anspruch in einem Aufwendungsersatzanspruch, einem Bereicherungsanspruch oder einem Erstattungsanspruch gesehen werde. Wenn die Verlegung eines Neugeborenen nach der Berliner FeuerwehrbenutzungsgebührenO einen Kostentatbestand für die Anfahrt einschließlich der Abholung eines Inkubators und einen weiteren Kostentatbestand für die Verlegung des Neugeborenen in dem dann den medizinischen Anforderungen entsprechenden Rettungswagen auslöse, so führe das nicht dazu, das beide Gebührentatbestände nicht zu den von der Beklagten zu tragenden Transportkosten für die eine Notfallverlegung zählten.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie einen Betrag von 319,10 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung trägt sie vor, dass sie den stationären Aufenthalt der Versicherten mit der Klägerin abgerechnet habe, was zwischen den Beteiligten auch nicht streitig ist. Nach ihrer Auffassung handele es sich um eine vom Krankenhaus veranlasste Leistung Dritter, die nach dem KHEntgG (bzw. BpflV) als allgemeine Krankenhausleistung anzusehen und mit der Krankenhausvergütung abgegolten sei. Sofern man der Auffassung der Klägerin folge, dass die Fahrt zum Depot „Teil des Krankentransports“ sei, fehle es bereits an einer Anspruchsgrundlage für das Begehren der Klägerin. Es ginge dann um eine andere, eigenständige Leistung, nämlich die Übernahme der Fahrtkosten (vgl. § 60 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB V). Vor diesem Hintergrund könne nur der Versicherte oder das Transportunternehmen die Kosten für einen Krankentransport mit der Krankenkasse abrechnen, nicht hingegen ein Krankenhaus. Rein vorsorglich werde noch darauf hingewiesen, dass hier auch der Versicherte keinen Anspruch gemäß § 60 SGB V auf die Kostenübernahme gehabt hätte, da diese Norm den tatsächlichen Transport voraussetze.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung der Kammer ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte verwiesen.
Entscheidungsgründe
Das Gericht konnte nach § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil die Beteiligten hiermit ihr Einverständnis erklärt haben.
Die zulässige Leistungsklage ist unbegründet.
Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Erstattung der begehrten Fahrtkosten.
Ermächtigungsgrundlage für Fahrtkosten ist § 60 Abs. 1 Satz 1 SGB V i. V. m. § 133 SGB V. Gemäß § 60 Abs. 1 Satz 1 SGB V übernimmt die Krankenkasse nach den Absätzen 2 und 3 die Kosten für Fahrten einschließlich der Transporte nach § 133 (Fahrkosten), wenn sie im Zusammenhang mit einer Leistung der Krankenkasse aus zwingenden medizinischen Gründen notwendig sind. Welches Fahrzeug benutzt werden kann, richtet sich nach der medizinischen Notwendigkeit im Einzelfall. § 133 SGB V regelt die Versorgung mit Krankentransportleistungen, die in Berlin als „Entgelte für die Inanspruchnahme von Leistungen des Rettungsdienstes durch landesrechtliche oder kommunalrechtliche Bestimmungen festgelegt“ sind. In Berlin sind die Entgelte in der Feuerwehrbenutzungsgebührenordnung (Fw BenGebO) festgelegt. Gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 FwBenGebO werden für die besondere Benutzung von Einrichtungen der Berliner Feuerwehr und die damit im Zusammenhang stehende Inanspruchnahme von Leistungen Benutzungsgebühren nach dieser Gebührenordnung und dem für diesen Absatz anliegenden Gebührenverzeichnis „B“ - Besondere Benutzungen - erhoben. Für den hier vorliegenden Fall ist in der – im Jahr 2017 geltenden – Tarifstelle B 1.1 bzw. dessen Fußnote des Gebührenverzeichnisses „B“ bestimmt:
„B 1.1
Rettungswagens zum Transport und zur Behandlung von
Notfallpatientinnen und -patienten sowie zur Behandlung von
Notfallpatientinnen und -patienten ohne Transport¹
je Person 319,10“
Fußnote 1 lautet: „Gilt auch für Einsätze von Rettungswagen für Transporte von Ärzten, Frischblutspendern, Organen, Blutkonserven und Medikamenten, Transporte und Bereitstellungen von Inkubatoren innerhalb Berlins je Transport (Bereitstellung), Notfalltransporte gemäß § 2 Absatz 2a des Rettungsdienstgesetzes sowie Krankentransporte gemäß § 5 Absatz 2 Satz 2 des Rettungsdienstgesetzes.“
Kostengläubigerin ist damit die Berliner Feuerwehr, die dem entsprechend die Rechnung vom 30.01.2017 erstellt hat. Kostenschuldnerin ist nach § 60 Abs. 1 Satz 1 SGB V i. V. m. § 133 SGB V die Beklagte. Folglich hat die Berliner Feuerwehr mit der vorgenannten Rechnung den falschen Kostenschuldner für die streitgegenständlichen Fahrtkosten in Anspruch genommen. Die Klägerin kann ihren Anspruch gegen die Beklagte ersichtlich nicht auf § 60 Abs. 1 Satz 1 SGB V i. V. m. § 133 SGB V stützen und hat dies auch nicht behauptet.
Soweit die Klägerin gegen die Beklagte die Erstattung der von ihr an die Berliner Feuerwehr gezahlten Fahrtkosten begehrt, steht ihr hierfür keine Ermächtigungsgrundlage zur Verfügung.
Bei den Krankentransportkosten handelt es sich nicht um einen Bestandteil der Fallpauschalen. Zutreffend führt das Landessozialgericht Baden-Württemberg im Urteil vom 27. Juli 2022 – L 5 KR 522/22 –, Rn. 33, juris, hierzu aus (Anmerkung: In diesem Verfahren war die Beklagte die Krankenversicherung, die Klägerin der Rettungsdienst und die Beigeladene das Krankenhaus.):
„Der (mögliche) Einwand der Beklagten, sie habe über die Leistung der Fallpauschalen für die stationären Krankenhausbehandlungen ihrer Versicherten bereits für den Krankentransport gezahlt, wäre im Verhältnis zur Beigeladenen geltend zu machen; im Verhältnis zur Klägerin kommt dieser Einwand nicht zum Tragen. Es braucht deshalb vorliegend nicht entschieden werden, ob der Krankentransport eine von der Beigeladenen „veranlasste Leistung Dritter“ im Sinne von § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG) darstellt und deshalb zu den allgemeinen Krankenhausleistungen zählt. Es ist allerdings nicht ersichtlich, dass Krankentransportleistungen bislang von den Fallpauschalen erfasst sind. Vielmehr dürften, wie schon der Gesetzgeber des GMG feststellte (BT-Drs. 15/1525, S. 94 f.), die Aufwendungen für Fahrkosten und die Übernahme durch die Krankenkassen in keinem unmittelbaren Zusammenhang zu der Abrechnung der stationären Leistungen der beteiligten Krankenhäuser über eine oder mehrere Fallpauschalen stehen, weshalb auch Verlegungsfahrten gesondert zu vergüten sind. Dass für sonstige Fahrten im Zusammenhang mit stationären Behandlungen etwas anderes gelten soll, ist nicht ersichtlich.“
Die Klägerseite hat daher zurecht den Anspruch auch nicht auf das System der Fallpauschalen gestützt.
Soweit die Klägerin meint, dass ein Aufwendungsersatzanspruch, ein Bereicherungsanspruch oder ein Erstattungsanspruch bestehe, ist die Beklagte die falsche Anspruchsgegnerin. Bereichert durch die rechtsgrundlose Zahlung des streitgegenständlichen Betrags ist allein die Berliner Feuerwehr. Ihr gegenüber wäre der Anspruch geltend zu machen (so auch im Ergebnis LSG Baden-Württemberg, a. a. O.). Denn es besteht ein Vorrang der Leistungskondiktion innerhalb der jeweiligen Kausalverhältnisse. Die Rückabwicklung quasi „über Eck“, also ein Durchgriff auf den eigentlichen Kostenschuldner, hier die Beklagte, findet nicht statt.
Da der Klägerin für ihr Begehren keine Ermächtigungsgrundlage zur Verfügung steht, kann dahinstehen, ob die Rechtsauffassung der Beklagten, dass die Berliner Feuerwehr den Inkubatorentransport nicht nach § 60 SGB V abrechnen könne, zutreffend ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 VwGO und folgt dem Ergebnis in der Hauptsache.
Die Berufung ist nicht statthaft, weil der Beschwerdewert, der vorliegend 319,10 Euro beträgt, die Berufungssumme von 750,- Euro nicht erreicht und ein Zulassungsgrund nicht besteht, § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 2 SGG.