Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 18. Mai 2021 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung nach dem Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI).
Die 1973 in Bosnien-Herzegowina geborene Klägerin hat keinen Beruf erlernt und war ab April 1992 in der Bundesrepublik Deutschland versicherungspflichtig beschäftigt, zuletzt bis Dezember 2010. Vom 1. Januar 2011 bis 31. Januar 2013 bezog sie Arbeitslosengeld II. Vom 1. Februar 2013 bis 31. Oktober 2015 bezog sie eine Rente wegen Erwerbsminderung. Vom 23. Januar 1998 bis 25. September 2016 sind Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung im Versicherungsverlauf vermerkt.
Der Antrag auf Weiterbewilligung der Rente über den 31. Oktober 2015 hinaus wurde von der Beklagten mit Bescheid vom 27. Juli 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28. Oktober 2015 abgelehnt, nachdem H1 das Gutachten vom 1. Juli 2015 erstellt hatte (Diagnosen: Dysthymie, Angabe von Wirbelsäulenbeschwerden, geringe Somatisierung mit Tinnitus und Spannungskopfschmerzen, keine posttraumatische Belastungsstörung; die Klägerin sei aus neurologisch-psychiatrischer Sicht als Arbeiterin, Reinigungskraft, Küchenhilfe und für sonstige leichte bis mittelschwere Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich leistungsfähig).
Im anschließenden Klageverfahren beim Sozialgericht Ulm (SG, Az S 6 R 3571/15) wurden die behandelnden Ärzte der Klägerin schriftlich als sachverständige Zeugen vernommen und von Amts wegen das nervenärztliche Gutachten des Arztes D1 vom 20. Oktober 2016 eingeholt (Diagnosen: Dysthymia, Wirbelsäulensyndrom ohne neurologisches Defizit, Karpaltunnelsyndrom rechts, sensible Reizerscheinungen in den Endästen des Nervus saphenus beidseits bei Zustand nach Varizenoperation; außerhalb des neurologisch-psychiatrischen Fachgebiets: Asthma bronchiale, rezidivierende Ovarialzysten, Zustand nach wiederholten Operationen, Zustand nach Stammvarikosis beidseits; die Klägerin könne leichte bis mittelschwere Tätigkeiten unter Berücksichtigung der genannten qualitativen Einschränkungen mindestens sechs Stunden täglich verrichten).
Mit Gerichtsbescheid vom 21. März 2017 hat das SG die Klage abgewiesen. Die anschließende Berufung (L 10 R 1332/17) wurde am 20. Juni 2017 zurückgenommen.
Im Rahmen eines Widerspruchsverfahrens nach Ablehnung von Leistungen zur medizinischen Rehabilitation ließ die Beklagte die Klägerin erneut durch H1 begutachten. Dieser untersuchte die Klägerin am 9. Januar 2018 und gab in seinem Gutachten vom Folgetag an, es bestünden ausgeprägte, nicht authentische Beschwerdeangaben und Verhaltensweisen, ein Hinweis auf Dysthymie, Somatisierung, insbesondere mit somatoformer Schmerzangabe, Angabe von Wirbelsäulenbeschwerden, zum Untersuchungszeitpunkt ohne relevante Reiz- oder Ausfallsymptomatik, keine posttraumatische Belastungsstörung. Aus neurologisch-psychiatrischer Sicht sei die Klägerin als Arbeiterin und Reinigungskraft sowie für leichte bis mittelschwere Tätigkeiten ohne Nachtschicht, ohne erhöhten Zeitdruck, sechs Stunden und mehr leistungsfähig. Es liege keine Veränderung seit 2015 vor. Die Klägerin sei in der Lage, täglich mindestens 5 x 500 Meter in einer angemessenen Zeit zurückzulegen.
Am 11. April 2018 beantragte die Klägerin erneut die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.
Mit Bescheid vom 25. Juli 2018 lehnte die Beklagte den Rentenantrag der Klägerin mit der Begründung ab, die Klägerin erfülle die medizinischen Voraussetzungen nicht, da sie in der Lage sei, mindestens sechs Stunden täglich unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes erwerbstätig zu sein.
Hiergegen legte die Klägerin Widerspruch ein.
Im Widerspruchsverfahren ließ die Beklagte die Klägerin internistisch durch B2 begutachten. Dieser diagnostizierte in seinem Gutachten vom 19. Juli 2018 (aufgrund ambulanter Untersuchung am 18. Juli 2018) Verschleißerscheinungen im Bereich der Halswirbelsäule, Schmerzangabe im Bereich von HWS und LWS ohne höhergradige funktionelle Beeinträchtigungen; chronische Bronchitis (COPD) bei weiterhin betriebenem Nikotinkonsum. Die Klägerin sei in der Lage, bei wechselnder Körperhaltung, leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sechs Stunden und mehr täglich auszuüben.
Mit Widerspruchsbescheid vom 3. Dezember 2018 wies die Beklagte den Widerspruch unter Wiederholung und Vertiefung ihrer bisherigen Ausführungen und unter Hinweis auf die Gutachten von B2 und H1 zurück.
Dagegen hat die Klägerin am 19. Dezember 2018 Klage zum SG erhoben. Sie leide an einem chronischen Schmerzsyndrom, einer Muskelsehnenansatzstörung und einer psychischen Erkrankung. Von den behandelnden Ärzten würden ausgeprägte Einschränkungen der emotionalen Funktionen sowie auch Einschränkungen der kognitiven Funktionen beschrieben. Von diesen werde auch eine Beeinträchtigung zur Planung und Strukturierung von Aufgaben, der Flexibilität, der Umstellungsfähigkeit, der Entscheidungs- und Urteilsfähigkeit sowie insbesondere der Durchhaltefähigkeit erwähnt. Sie sei daher zumindest teilweise erwerbsgemindert und habe Anspruch auf eine volle Erwerbsminderungsrente, da sie keinen Teilzeitarbeitsplatz innehabe.
Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat auf den Widerspruchsbescheid Bezug genommen.
Das SG hat zunächst die behandelnden Ärzte der Klägerin schriftlich als sachverständige Zeugen vernommen.
Der B3 hat mitgeteilt, er habe bei der Klägerin ein Asthma bronchiale, möglicherweise in Kombination mit einer COPD diagnostiziert. Die Klägerin sei im Rahmen des Asthma bronchiale weiterhin in der Lage, leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt über sechs Stunden und mehr täglich zu verrichten.
Die C1 hat als Diagnosen eine posttraumatische Belastungsstörung, eine generalisierte Angststörung, eine Panikstörung und eine anhaltende ängstliche Depression mitgeteilt. Die Klägerin sei zur Zeit nicht in der Lage, leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mindestens sechs Stunden täglich zu verrichten. C1 hat Arztbriefe über die Vorstellungen der Klägerin seit April 2014 vorgelegt.
Der E1 hat mitgeteilt, es liege eine posttraumatische Belastungsstörung, eine generalisierte Angststörung, eine Panikstörung, eine anhaltende ängstliche Depression, ein Karpaltunnelsyndrom, ein hartnäckiges HWS-LWS-Syndrom und ein chronisches Schmerzsyndrom vor. Die Klägerin habe ständig Schmerzen in der Hals- und Lendenwirbelsäule, fühle sich unwohl und habe depressives Gedankengut. Sie sei nicht in der Lage, leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mindestens sechs Stunden täglich zu verrichten.
Der W1 hat als Diagnosen einen Bandscheibenvorfall C 5/6/7, eine Spondylarthrose der LWS, Asthma bronchiale, Beinlängendifferenz, Osteochondrose der HWS, Fehlhaltung der LWS, Skoliose der LWS, Bandscheibenvorfall C 2/3 und Tendinitis calcarea linkes Schultergelenk mitgeteilt. Seit Juli 2018 sei ein Carpaltunnelsyndrom hinzugekommen und es sei eine Überweisung zur Operation ausgestellt worden. Im Hinblick auf die Frage ob die Klägerin in der Lage sei, leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich zu verrichten, hat er angegeben, der aktuelle Befund sei nicht bekannt, der Operationsbericht liege nicht vor.
Anschließend hat das SG von Amts wegen das neurologisch-psychiatrische Gutachten des. W2 vom 2. Dezember 2019 (aufgrund ambulanter Untersuchung der Klägerin am 19. November 2019 eingeholt. Dieser hat eine rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig mittelgradige Episode, eine generalisierte Angststörung; eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung; Karpaltunnelsyndrom beidseits; Mischkopfschmerz (Migräne ohne Aura, Spannungskopfschmerzen) und Hypästhesie linker Unterschenkel bei saphenus Läsion nach Venenoperation diagnostiziert. Zum jetzigen Zeitpunkt sei die depressive und Angststörung so ausgeprägt, dass es nicht vorstellbar erscheine, dass sie irgendwelche Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes drei Stunden und mehr täglich verrichten könne, selbst wenn die genannten Leistungseinschränkungen berücksichtigt würden.
Im Hinblick auf den Zeitpunkt des Eintritts der Leistungseinschränkung hat W2 auf die Begutachtung durch B2 verwiesen. Dieser habe die Klägerin in psychischer Hinsicht durchaus auffällig beschrieben, sie habe fast durchgehend geweint. Unter Berücksichtigung des von B2 erhobenen psychopathologischen Befunds zusammen mit dem Befund der behandelnden C1 könne er keine wesentliche Änderung erkennen, so dass mit einigermaßen ausreichender Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden könne, dass das jetzige Leistungsbild seit dem Gutachten des B2 im Juli 2018 bestehe.
Die Beklagte ist dem Gutachten von W2 entgegengetreten und hat die sozialmedizinische Stellungnahme des L1 vom 2. März 2020 vorgelegt. Hierzu hat sich W2 in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 3. Juli 2020 geäußert und an seiner Einschätzung festgehalten, dass die Klägerin zum jetzigen Zeitpunkt nicht ausreichend belastbar für Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes sei. Dies könne jedoch unter einer konsequenten ausreichenden Therapie in relativ kurzer Zeit erreicht werden.
Unter Verweis auf einen Versicherungsverlauf vom 13. Mai 2019 hat die Beklagte darauf hingewiesen, dass die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen bei einem Leistungsfall der Erwerbsminderung am 25. Juli 2018 (Rentenantragstellung [gemeint 11. April 2018]) und am 15. Oktober 2018 erfüllt wären. Bei einem angenommenen Versicherungsfall im November 2018 seien die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente nicht mehr erfüllt, da im maßgeblichen Zeitraum (1. Februar 2008 bis 14. November 2018) nur 35 Monate mit Pflichtbeiträgen vorhanden seien.
Mit Urteil vom 18. Mai 2021 hat das SG die Klage abgewiesen.
Der Bescheid der Beklagten vom 25. Juli 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. Dezember 2018 sei rechtmäßig und beschwere die Klägerin nicht im Sinne des § 54 Abs. 2 SGG. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung gemäß § 43 SGB VI bzw. einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit nach § 240 SGB VI, weil sie frühestens seit dem 6. Dezember 2018 in ihrer Leistungsfähigkeit eingeschränkt sei und deshalb die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für einen Rentenanspruch nicht erfülle.
Im Rahmen der Begutachtung bei W2 habe die Klägerin angegeben, dass sie Ängste und Schmerzen habe, jedoch nicht genau wisse, wovor sie Angst habe, jedoch nicht mehr alleine in die Stadt gehe. Am schlimmsten sei es, wenn es dunkel sei. Sie sei traurig, da heute vor sieben Jahren ihr Vater gestorben sei. Sie versuche es herunterzuschlucken, breche aber immer wieder in Tränen aus. Zudem leide sie unter Schlafstörungen. Sie könne einschlafen, wache dann aber alle 10-15 Minuten auf. Sie habe keinen Appetit. Ihre Aufmerksamkeit und Konzentration seien schlecht, sie habe auch Selbstmordgedanken. Sie treffe sich alle zehn Tage mit einer Freundin. Zudem habe sie Schmerzen in den Sprunggelenken, der Ferse, den Knien, den Hüften, den Fingern, den Ellbogen und den Schultern. Wenn die Schmerzen ganz schlimm seien, könne man die Hände nicht berühren. Zudem habe sie immer wieder starke Kopfschmerzen. Sie habe einen Bandscheibenvorfall im Nacken, weswegen sie immer wieder Schmerzen habe. Auch habe sie Schmerzen in der Lendenwirbelsäule. Die Klägerin habe von Gewalt- und Missbrauchserfahrungen in ihrer Kindheit berichtet. Im Rahmen des körperlich neurologischen Untersuchungsbefundes habe sich ein flüssiges Gangbild mit normaler Schrittlänge gezeigt, ein Schonhinken sei nicht erkennbar gewesen. Die Klägerin habe während des Gesprächs ruhig ohne schmerzbedingte Ausgleichsbewegungen auf einem Polstersessel gesessen und hierbei regelgerecht diskutiert, ohne Bewegungseinschränkung im Bereich der oberen Extremitäten. Beim An- und Entkleiden habe sie Schmerzen geäußert, Bewegungseinschränkungen seien hierbei jedoch nicht zu erkennen gewesen. Mit Ausnahme einer Sensibilitätsstörung am Unterschenkel links habe der neurologische Untersuchungsbefund keine weiteren Auffälligkeiten ergeben, die technischen Zusatzuntersuchungen hätten mit Ausnahme des Hinweises auf ein beidseitiges Karpaltunnelsyndrom keine Auffälligkeiten ergeben. Im Rahmen des psychischen Untersuchungsbefundes gebe W2 an, dass die Klägerin pünktlich und einigermaßen gepflegt gekleidet zur Untersuchung erschienen sei. Der formale Gedankengang sei etwas verlangsamt, zum Teil stockend, dabei jedoch geordnet, nicht umständlich oder weitschweifig gewesen. Die Auffassungsgabe sei war regelgerecht, Aufmerksamkeit und Konzentration jedoch reduziert gewesen. Die Rekonstruktion der Anamnese sei ohne Schwierigkeiten gelungen, wobei die Klägerin bei der Schilderung der Gewalterlebnisse und des sexuellen Missbrauchs in Tränen ausgebrochen sei. Nach Beantwortung von Zwischenfragen habe sie Mühe gehabt, den verlorenen Gesprächsfaden wieder aufzunehmen. Relevante Störungen der Gedächtnisfunktion hätten sich jedoch nicht gefunden. Die Stimmungslage beschreibe W2 als durchgehend deutlich depressiv, ängstlich herabgestimmt und in der Schwingungsfähigkeit eingeschränkt. Antrieb und Psychomotorik seien geprägt gewesen von einer inneren Unruhe und Anspannung und insgesamt reduziert. Mimik und Gestik seien vermindert moduliert gewesen. Im Rahmen des psychischen Untersuchungsbefundes weise er daraufhin, dass die Klägerin bereitwillig zwar mit gewissen Verdeutlichungstendenzen, jedoch ohne Simulation oder Aggravation über ihre Beschwerden berichtet habe. Zusammenfassend gebe W2 an, dass bei der Klägerin eine ausgeprägte depressive Störung und eine Angststörung im Vordergrund stehen und auch die Schmerzstörung im Zusammenhang mit dieser Depressivität gesehen werden müsse, wodurch ihre psychische Belastbarkeit herabgesetzt sei. Aufgrund der Reduktion von Aufmerksamkeit und Konzentration und der ausgeprägten Antriebsminderung seien der Klägerin lediglich Tätigkeiten unter drei Stunden täglich möglich. Nicht nachvollziehbar sei jedoch die Einschätzung von W2, dass die Leistungseinschränkung bereits seit Juli 2018 bestehe. Er begründe diesen Zeitpunkt mit dem psychopathologischen Untersuchungsbefund bei B2 bei der Begutachtung im Juli 2018 in Zusammenschau mit den Befunden der behandelnden Psychiaterin. Ausgehend von dem Gutachten von H1 im Januar 2018 könne — für die Kammer nachvollziehbar — auch seiner Einschätzung zufolge zumindest für die Zeit davor nicht mit der hier erforderlichen Gewissheit von einem Leistungsfall ausgegangen werden. Entgegen den Ausführungen von W2 lasse sich jedoch dem Gutachten von B2 nicht entnehmen, dass zum Zeitpunkt der Begutachtung durch diesen bereits Einschränkungen im psychischen Bereich vorhanden gewesen seien wie dies dann bei der Begutachtung im Dezember 2019 bei W2 der Fall gewesen sei. Im Rahmen des psychischen Untersuchungsbefundes trage B2 lediglich vor, dass die Klägerin während der Anamnese und der Untersuchung fast durchgängig weinte. In der Anamneseerhebung werde angegeben, dass sie schon lange psychische Probleme habe. Weitere Angaben zu den psychischen Beschwerden erfolgten hierbei nicht. B2 verweise im Rahmen der Epikrise dann im Hinblick auf die von der Klägerin angegebenen lang bestehenden psychischen Probleme auf das Gutachten von H1. Entgegen der Ansicht W2 könnten auch den Befundberichten der behandelnden C1 keine Anhaltspunkte entnommen werden, die für einen Leistungsfall bereits im Juli 2018 sprächen. C1 habe bei einer Vorstellung im Juli 2017 von einem weiterhin erhöhten Leidensdruck. Im Rahmen des psychopathologischen Befundes werde angegeben, dass die Stimmung gedrückt, verzweifelt und auch teils ängstlich gewesen sei. Die affektive Schwingungsfähigkeit sei eingeschränkt gewesen C1 gebe jedoch an, dass der Antrieb nicht reduziert und die Klägerin psychomotorisch ruhig gewesen sei. Die mnestischen Funktionen würden als intakt beschrieben. Am 30. Januar 2018 sei dann eine erneute Vorstellung bei C1 erfolgt, diesmal jedoch zur neurologischen Abklärung von Schulterschmerzen links. Dem weiteren Befundbericht vom Dezember 2018 bezüglich der Vorstellung am 6. Dezember 2018 lasse sich dann erstmals entnehmen, dass eine Einschränkung der kognitiven Funktionen (Konzentration, Gedächtnis und eingeschränkte Anpassungs- und Umstellungsfähigkeit) vorhanden sei. Des Weiteren erwähne C1 in diesem Befundbericht erstmals eine Einschränkung der emotionalen Funktionen im Sinne einer stark reduzierten emotionalen Stressfähigkeit sowie einer reduzierten Frustrationstoleranz. Sie gebe an, dass die Klägerin in ihrer Durchhaltefähigkeit schwer beeinträchtigt sei. Die Reduktion von Aufmerksamkeit und Konzentration lasse sich damit erstmals dem Befundbericht im Dezember 2018 entnehmen. Eine ausgeprägte Antriebsminderung im Zustand der Klägerin, welche von W2 ebenfalls zur Begründung der Minderung der Leistungsfähigkeit der Klägerin herangezogen werde, sei auch diesem Befundbericht nicht zu entnehmen. Vielmehr gebe C1 an, dass der Antrieb nicht gemindert gewesen sei.
Selbst wenn man zugunsten der Klägerin von einem Leistungsfall am 6. Dezember 2018 ausgehe, scheitere ein Anspruch nach § 43 SGB SGB VI an der Erfüllung der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nach § 43 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, Abs. 2 S. 1 Nr. 2 SGB VI. Der Fünf-Jahres-Zeitraum beginne am 6. Dezember 2013 und ende am 5. Dezember 2018. Ausweislich des Versicherungsverlaufs habe die Klägerin letztmalig bis Dezember 2010 Pflichtbeitragszeiten zurückgelegt. Unter Berücksichtigung einer Verlängerung des Fünf-Jahres-Zeitraumes nach § 43 Abs. 4 SGB VI müsse der Zeitraum vom 1. März 2008 bis 5. Dezember 2018 die geforderten drei Jahre Pflichtbeträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit enthalten. In diesem Zeitraum seien jedoch nur 34 Monate mit Pflichtbeiträgen belegt.
Auch unter Zugrundelegung eines Versicherungsfalles am 2. Dezember 2019 (Zeitpunkt der Begutachtung bei. W2) würde ein Anspruch an der Erfüllung der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen scheitern.
Eine volle bzw. teilweise Erwerbsminderung im Sinne des § 43 SGB VI bestehe damit nicht.
Ein Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung gemäß § 240 Abs. 1 SGB VI komme bei der im Jahr 1973 und somit nicht vor dem Stichtag nach § 240 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI (2. Januar 1961) geborenen Klägerin nicht in Betracht.
Gegen das ihrem Prozessbevollmächtigten am 4. Juni 2021 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 11. Juni 2021 Berufung beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) eingelegt.
Entgegen der Rechtsauffassung des SG bestehe nach Einschätzung des W2 eine Leistungseinschränkung, welche zur voll ständigen Erwerbsminderung seit Januar 2018 führe.
Insbesondere seit diesem Zeitpunkt sei davon auszugehen, dass bei der Klägerin eine psychische Beeinträchtigung durch die Depression, die Angststörung sowie die somatoforme Schmerzstörung vorliege mit der Folge, dass sie nicht mehr in der Lage sei, irgendwelche Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes für drei Stunden und mehr werktäglich zu verrichten. Keineswegs liege erst seit 6. Dezember 2018 ein eingeschränktes Leistungsvermögen vor.
Dies werde auch durch die Ausführungen des B2 bestätigt, welcher bereits im Juli 2018 in psychischer Hinsicht Auffälligkeiten dahingehend festgestellt habe, insbesondere im Zusammenspiel mit dem psychopathologischen Befund der behandelnden Psychiaterin, dass das Leistungsbild der Klägerin bereits zu diesem Zeitpunkt vollständig eingeschränkt gewesen sei. Eine derartige Depression wie die weiteren Leistungseinschränkungen träten nicht von heute auf morgen auf, sondern hätten eine längere Leidensgeschichte und einen entsprechenden Krankheitszeit- raum, in welchem sich die schwere Depression ausgebildet habe. Dies sei jedenfalls seit der Antragstellung, wenn nicht sogar Monate zuvor der Fall gewesen. Der gerichtliche Sachverständige bestätige, dass die Einschränkungen in jedem Fall seit Juli 2018 bestanden hätten.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 18. Mai 2021 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids der Beklagten vom 25. Juli 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. Dezember 2018 zu verurteilen, ihr ab 1. April 2018 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hat an ihrem bisherigen Rechtsstandpunkt festgehalten und auf ihre erstinstanzlichen Ausführungen und die Ausführungen im angefochtenen Urteil verwiesen.
Auf Antrag und eigenes Kostenrisiko der Klägerin gemäß § 109 SGG hat der Senat das neurologische Gutachten des R1 vom 25. Oktober 2021 (aufgrund ambulanter Untersuchung vom selben Tag) eingeholt. Dieser hat 1. eine schwere depressive Störung, eine Angststörung, eine Anpassungsstörung, eine posttraumatische Belastungsstörung, eine chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren; 2. Spondylarthritis psoriatica, Fibromyalgiesyndrom, entzündlich-rheumatische Erkrankung der Gelenke, degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, Bandscheibenschaden, Verwachsungsbeschwerden nach multiplen Bauchoperationen, Stress/Insuffizienzfraktur der distalen Tibia, Osteopenie, 3. Nikotinabusus, Bronchialasthma, COPD 4. Zustand nach Virushepatitis A und B, 5. Multiple Operationen bei Z.n. Eierstocktumor, Z.n. Ileus, Z.n. Nasennebenhöhlenoperation, Z.n. Varizenoperation, Z.n. Hysterektomie diagnostiziert. Die Klägerin sei nicht in der Lage, auch leichteste Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes zu verrichten. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit könne die festgestellte Leistungsfähigkeit wegen der Gesundheitsstörungen auf seinem Fachgebiet auf den 22. April 2014 datiert werden, aufgrund erstmals 2014 dokumentierten psychischen Erkrankungen. Die Klägerin sei seit 2014 wahrscheinlich immer wieder für die Dauer von mehr als 6 Monaten arbeitsunfähig gewesen.
Die Beklagte ist dem Gutachten entgegengetreten und hat die sozialmedizinische Stellungnahme der H2 vom 27. Dezember 2021 vorgelegt. In der vorliegenden Aktenlage könne kein sicherer Nachweis für die ab 2014 angenommene Leistungseinschränkung gefunden werden.
In seiner auf Antrag der Klägerin gemäß § 109 SGG abgegebenen ergänzenden Stellungnahme vom 17. Mai 2022 hat R1 an seiner Einschätzung festgehalten. Soweit die über Jahre fehlende Behandlung beanstandet worden sei, sei dies damit zu erklären, dass die Klägerin unter Panikattacken gelitten habe und zum Teil das Haus nicht habe allein verlassen können. Es sei unstrittig, dass eine rückwirkende Beurteilung der seit Jahren vorhandenen Beschwerden und Erkrankungen komplex sei. Seine Schlussfolgerung beziehe sich auf das Schreiben von C1 vom 22. April 2014. In diesem Schreiben sei eine posttraumatische Belastungsstörung, eine generalisierte Angststörung, eine Panikstörung und eine anhaltende ängstliche Depression beschrieben. Es werde ein erhöhter Leidensdruck deutlich, es bestünden Panikattacken und es lägen generalisierte Ängste und Flashbacks vor. Auf die Frage nach dem frühestens dokumentierten Zeitpunkt einer psychischen Erkrankung in den vorhandenen Unterlagen habe er deshalb diesen Zeitpunkt als relevanten Zeitpunkt berücksichtigt und dies mit 'Nachweis' vermerkt. Zur Untermauerung verweise er auf ein weiteres Schreiben der C1 vom 18. Januar 2016, in dem sie ausführten, dass bei der Betroffenen eine schwere komplexe posttraumatische Belastungsstörung vorliege. Diese Diagnose sei in der psychosomatischen Klinik in A1 gestellt worden. Dazu verweise er auf den betreffenden Arztbericht von H3 und Frau E2 vom 9. Dezember 2014. Im Verlauf dieses Berichtes stehe, dass die Betroffene unter massiven Angstzuständen, Albträumen, Panik in der Nacht, optischen Halluzinationen von Bedrohungen in der Wohnung, Suizidgedanken, Appetitstörungen und so weiter leide. Es werde ebenfalls beschrieben, dass ein Suizidversuch durch Erhängen durchgeführt worden sei. Insofern könne er H2 nicht folgen. Es sei aktenkundig, dass bei der Betroffenen eine schwere psychische Störung vorgelegen habe. Mit einer Dysthymie (anhaltende, aber leichte psychische Störung, welche es den Betroffenen in der Regel erlaubt mit den wesentlichen Anforderungen des täglichen Lebens fertig zu werden) sei diese Befundbeschreibung nicht in Einklang zu bringen.
Die Beklagte hat zuletzt den aktuellen Versicherungsverlauf vom 30. März 2023 vorgelegt.
Wegen des weiteren Vorbringens und der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Prozessakten beider Instanzen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die gemäß den §§ 143, 144, 151 SGG zulässige Berufung der Klägerin ist unbegründet.
Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen.
Rechtsgrundlage für die hier begehrte Rente wegen Erwerbsminderung ist § 43 Sechstes Sozialgesetzbuch (SGB VI).
Nach § 43 Abs. 1 Satz 1 SGB VI haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie
teilweise erwerbsgemindert sind,
in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und
vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.
Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI).
Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze nach § 43 Abs. 2 Satz 1 SGB VI, wenn sie
voll erwerbsgemindert sind,
in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und
vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.
Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI).
Voll erwerbsgemindert sind gemäß § 43 Abs. 2 Satz 3 SGB VI auch
Versicherte nach § 1 Satz 1 Nr. 2, die wegen Art oder Schwere der Behinderung nicht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig sein können und
Versicherte, die bereits vor Erfüllung der allgemeinen Wartezeit voll erwerbsgemindert waren, in der Zeit einer nicht erfolgreichen Eingliederung in den allgemeinen Arbeitsmarkt.
Nicht erwerbsgemindert ist gemäß § 43 Abs. 3 SGB VI, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann, wobei die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen ist.
Der Zeitraum von fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung verlängert sich gemäß § 43 Abs. 4 SGB VI um folgende Zeiten, die nicht mit Pflichtbeiträgen für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit belegt sind:
1. Anrechnungszeiten und Zeiten des Bezugs einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit,
2. Berücksichtigungszeiten,
3. Zeiten, die nur deshalb keine Anrechnungszeiten sind, weil durch sie eine versicherte Beschäftigung oder selbstständige Tätigkeit nicht unterbrochen ist, wenn in den letzten sechs Kalendermonaten vor Beginn dieser Zeiten mindestens ein Pflichtbeitrag für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit oder eine Zeit nach Nummer Nr. 1 oder 2 liegt,
4. Zeiten einer schulischen Ausbildung nach Vollendung des 17. Lebensjahres bis zu sieben
Jahren, gemindert um Anrechnungszeiten wegen schulischer Ausbildung.
Eine Pflichtbeitragszeit von drei Jahren für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit ist gemäß § 43 Abs. 5 SGB VI nicht erforderlich, wenn die Erwerbsminderung aufgrund eines Tatbestandes eingetreten ist, durch den die allgemeine Wartezeit vorzeitig erfüllt ist.
Nach § 58 SGB VI sind Anrechnungszeiten u.a. Zeiten, in denen Versicherte wegen Krankheit arbeitsunfähig gewesen sind oder Leistungen zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben erhalten haben (Satz 1 Nr. 1), sowie wegen Arbeitslosigkeit bei einer deutschen Agentur für Arbeit oder einem zugelassenen kommunalen Träger nach § 6a des Zweiten Buches als Arbeitsuchende gemeldet waren und eine öffentlich-rechtliche Leistung bezogen oder nur wegen des zu berücksichtigenden Einkommens oder Vermögens nicht bezogen haben (Satz 1 Nr. 3).
Anrechnungszeiten nach Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 bis 3a liegen nur vor, wenn dadurch eine versicherte Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit oder ein versicherter Wehrdienst oder Zivildienst oder ein versichertes Wehrdienstverhältnis besonderer Art nach § 6 des Einsatz-Weiterverwendungsgesetzes unterbrochen ist; dies gilt nicht für Zeiten nach Vollendung des 17. und vor Vollendung des 25. Lebensjahres (§ 58 Abs. 2 Satz 1 SGB VI).
Das Vorliegen einer rentenberechtigenden Leistungsminderung und auch der weiteren Voraussetzungen für die Gewährung einer Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung muss im Vollbeweis objektiv nachgewiesen sein. Dies erfordert, dass die Tatsachen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit vorliegen müssen (vgl. auch Bayerisches Landessozialgericht, Urteile vom 15. Januar 2009 – L 14 R 111/07 und vom 8. Juli 2010 – L 14 R 112/09). Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit bedeutet, dass bei vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens der volle Beweis für das Vorliegen der genannten Tatsache – hier der vollen oder teilweisen Erwerbsminderung begründenden Einschränkungen des beruflichen Leistungsvermögens – als erbracht angesehen werden kann. Eine bloße gewisse Wahrscheinlichkeit genügt nicht. Kann das Gericht das Vorliegen der den Anspruch begründenden Tatsachen trotz Ausschöpfung aller zur Verfügung stehenden Erkenntnismöglichkeiten nicht feststellen, geht dieser Umstand zu Lasten desjenigen, der aus diesem Sachverhalt Rechte herleiten will, hier also zu Lasten der Klägerin.
Der Senat konnte sich nicht davon überzeugen, dass die Klägerin zu einem Zeitpunkt erwerbsgemindert war, als die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllt waren.
Das SG hat in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils unter Zugrundelegung der vorgenannten Anspruchsvoraussetzungen zutreffend dargelegt, dass die Klägerin frühestens am 6. Dezember 2018 erwerbsgemindert war und zu diesem Zeitpunkt die für die Rentengewährung erforderlichen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nach § 43 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 und 3 bzw. Abs. 2 S. 1 Nr. 2 und 3 SGB VI nicht erfüllen würde. Das SG hat richtig dargelegt, was sich u.a. aus dem aktenkundigen Versicherungsverlauf vom 13. Mai 2019 und dem aktuellen Versicherungsverlauf vom 30. März 2023 ergibt, dass die Klägerin letztmalig bis Dezember 2010 Pflichtbeitragszeiten zurückgelegt hat und unter Berücksichtigung einer Verlängerung des Fünf-Jahres-Zeitraumes nach § 43 Abs. 4 SGB VI im Zeitraum vom 1. März 2008 bis 5. Dezember 2018 nur 34 Monate mit Pflichtbeiträgen belegt sind. Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass auf die Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit vor Eintritt der Erwerbsminderung auch nicht verzichtet werden kann, weil bei der Klägerin die Erwerbsminderung nicht aufgrund eines Tatbestandes eingetreten ist, durch den die allgemeine Wartezeit vorzeitig erfüllt wäre (§§ 43 Abs. 5, 53 SGB VI) und auch die Voraussetzungen des 241 Abs. 2 SGB VI nicht erfüllt sind, weil die Klägerin nicht die allgemeine Wartezeit vor dem 1. Januar 1984 erfüllt hat und jeder Kalendermonat vom 1. Januar 1984 bis zum Kalendermonat vor Eintritt der Erwerbsminderung mit einer der in § 241 Abs. 2 Satz 1 Nrn. 1-6 genannten Zeiten belegt ist oder die Erwerbsminderung vor dem 1. Januar 1984 eingetreten ist.
Das SG hat ausführlich die Angaben der Klägerin im Rahmen der Begutachtung bei W2 zu ihren Beschwerden, die von W2 erhobenen Untersuchungsbefunde und dessen Beobachtungen während der Begutachtung dargestellt und sich dessen Einschätzung zum Leistungsvermögen der Klägerin angeschlossen. Dem von W2 angegebenen Zeitpunkt des Eintritts der Erwerbsminderung ist das SG mit nachvollziehbarer Begründung nicht gefolgt. Hierbei hat das SG richtig ausgeführt, dass sich dem Gutachten des B2 nicht entnehmen lässt, dass zum Zeitpunkt der Begutachtung durch diesen bereits Einschränkungen im psychischen Bereich vorhanden gewesen sind wie dies dann bei der Begutachtung im Dezember 2019 bei W2 der Fall gewesen sei. Das SG hat in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass B2 im Rahmen des psychischen Untersuchungsbefundes lediglich angegeben hat, dass die Klägerin während der Anamnese und der Untersuchung fast durchgängig geweint habe und in der Anamneseerhebung angegeben hat, dass sie schon lange psychische Probleme habe und keine weiteren Angaben zu den psychischen Beschwerden erfolgten sowie B2 im Rahmen der Epikrise im Hinblick auf die von der Klägerin angegebenen lang bestehenden psychischen Probleme auf das Gutachten von H1 verwiesen hat.
Das SG hat sich auch nicht der Ansicht des W2 angeschlossen, dass den Befundberichten der behandelnden C1 Anhaltspunkte entnommen werden können, die für einen Leistungsfall bereits im Juli 2018 sprechen und insoweit auf die von C1 in den entsprechenden Berichten angegebenen Befunde anlässlich der Vorstellungen im Juli 2017, Januar 2018 und Dezember 2018 verwiesen sowie daraus schlüssig abgeleitet, dass sich erstmals aus dem Befundbericht bezüglich der Vorstellung am 6. Dezember 2018 entnehmen lässt, dass eine Einschränkung der kognitiven Funktionen (Konzentration, Gedächtnis und eingeschränkte Anpassungs- und Umstellungsfähigkeit) vorhanden ist und erstmals eine Einschränkung der emotionalen Funktionen im Sinne einer stark reduzierten emotionalen Stressfähigkeit sowie einer reduzierten Frustrationstoleranz geschildert wird, wobei eine ausgeprägte Antriebsminderung, welche von W2 ebenfalls zur Begründung der Minderung der Leistungsfähigkeit der Klägerin herangezogen werde, auch diesem Befundbericht nicht zu entnehmen sei.
Damit hat das SG nachvollziehbar dargelegt, dass jedenfalls vor dem 6. Dezember 2018 keine zeitliche Leistungsminderung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen war.
Der Senat schließt sich dem nach eigener Überprüfung und unter Berücksichtigung des Vorbringens der Klägerin an und weist die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung gemäß § 153 Abs. 2 SGG zurück.
Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass dem (internistischen) Gutachten des B2 – entgegen der von W2 vertretenen Ansicht – kein vergleichbarer psychischer Befund entnommen werden kann wie er von W2 bei seiner Untersuchung erhoben wurde. Denn der von B2 mitgeteilte psychische Befund erschöpft sich darin, dass die Klägerin örtlich und zeitlich voll orientiert gewesen sei, sie während der Untersuchung fast durchgängig geweint habe und die Mitarbeit erschwert gewesen sei. Sonstige Angaben zum psychischen Befund, wie sie ausführlich durch W2 dokumentiert sind, fehlen, was angesichts des von B2 vertretenen internistischen Fachgebiets auch nachvollziehbar ist. Deshalb lässt sich der Befund nicht ohne weiteres vergleichen. Eine zuverlässige Aussage darüber, ob bereits bei der Begutachtung durch B2 im Juli 2018 im Wesentlichen dieselben Einschränkungen vorlagen wie bei der Begutachtung durch W2, lässt sich daher nicht treffen, zumal B2 die Leistungsfähigkeit der Klägerin mit sechs Stunden und mehr täglich eingeschätzt hat.
Neue Erkenntnisse haben sich auch im Berufungsverfahren nicht ergeben. Durch das Gutachten des R1 ist zwar die Leistungsbeurteilung des W2 bestätigt worden, jedoch kommt es auf die Einschätzung im Zeitpunkt der Begutachtung nicht entscheidend an.
Die Angaben des R1 im Gutachten und seiner ergänzenden Stellungnahme zum Zeitpunkt des Eintritts der Leistungsminderung sind dagegen nicht nachvollziehbar. R1 bezieht sich auf die aktenkundigen Unterlagen, u.a. auf das Schreiben von C1 vom 22. April 2014, in welchem er die früheste Dokumentation der psychischen Erkrankung sieht, einen Arztbericht von H3 und Frau E2 vom 9. Dezember 2014 und ein weiteres Schreiben von C1 vom 18. Januar 2016. Jedoch lässt sich diese Auffassung nicht damit in Einklang bringen, dass für die Zeit nach dem Ende der bis 31. Oktober 2015 gewährten befristeten Rente H1 in seinem Gutachten vom 1. Juli 2015, D1 in seinem im Klageverfahren S 6 R 3571/15 erstellten Gutachten vom 20. Oktober 2016. H1 im erneuten Gutachten vom 10. Januar 2018 und B2 im Gutachten vom 19. Juli 2018 die Leistungsfähigkeit der Klägerin mit mindestens sechs Stunden und mehr arbeitstäglich eingeschätzt haben. Soweit sich R1 auf die von C1 und H3/Frau E2 gestellten Diagnosen bezieht, ist darauf hinzuweisen, dass im Kontext der Frage des Vorliegens einer Erwerbsminderung nicht maßgebend ist, ob und welche Gesundheitsstörung vorliegt, entscheidend ist einzig, ob Leistungseinschränkungen bestehen, die der Ausübung einer Tätigkeit in einem zeitlichen Umfang von sechs Stunden täglich entgegenstehen. I.d.S. kommt es (bei Rentenbegutachtungen) weniger auf die Diagnosestellung sondern auf die Leistungseinschränkungen an (vgl. Thüringer Landessozialgericht, Urteil vom 30. Juni 2015 - L 6 R 166/08 ZVW -, juris), ob diese gesichert bestehen und ggf. überwunden werden können. Nachdem H1, D1 und B2 jeweils eine rentenrelevante zeitliche Leistungseinschränkung verneint haben, kann jedenfalls mit der erforderlichen, an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit zu dem von R1 angenommenen Zeitpunkt keine zeitliche Leistungseinschränkung angenommen werden. Soweit R1 ausgeführt hat, die Klägerin sei seit 2014 wahrscheinlich immer wieder für die Dauer von mehr als 6 Monaten arbeitsunfähig gewesen, kann daraus unter Berücksichtigung der gutachterlichen Einschätzungen von H1, D1 und B2 kein konkreter Leistungsfall mit der erforderlichen, an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit abgeleitet werden. Eine persönliche Anhörung des R1, wie von der Klägerin angeregt, war nicht erforderlich, weil die schriftlichen Ausführungen des R1 seine Auffassung ausreichend darlegen und insoweit keine aufklärungsbedürftigen Fragen verblieben sind.
Da das SG somit zu Recht die Klage abgewiesen hat, weist der Senat die Berufung zurück.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Im Rahmen des dem Senat nach § 193 SGG eingeräumten Ermessens war für den Senat maßgeblich, dass die Klägerin mit der Rechtsverfolgung ohne Erfolg geblieben ist und die Beklagte keinen Anlass zur Klageerhebung gegeben hat. Der Senat hält es auch im Falle einer Zurückweisung des Rechtsmittels für erforderlich, nicht nur über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zu entscheiden, sondern auch über die Kosten der vorausgehenden Instanz (so Lüdtke/Berchtold, a.a.O., § 193 Rdnr. 8; erkennender Senat, Urteil vom 19. November 2013, L 13 R 1662/12, veröffentlicht in Juris; a.A. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 12. Auflage, § 193 SGG Rdnr. 2a; Hintz/Lowe, Kommentar zum SGG, § 193 SGG Rdnr. 11; Jansen, Kommentar zum SGG, 4. Auflage, § 193 SGG Rdnr. 4).
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 12 R 4168/18
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 13 R 2020/21
Datum
3. Instanz
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Aktenzeichen
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Datum
-
Kategorie
Urteil
Rechtskraft
Aus
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