Die Klage wird abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Übernahme der Kosten für eine Positronen-Emissions-Tomographie mit Computertomographie (PET-CT) als Leistung nach dem Fünften Buch des Sozialgesetzbuchs – Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V).
Der 1951 geborene Kläger ist Mitglied in der Gesetzlichen Krankenversicherung bei der Beklagten. Er leidet an den Folgen eines Prostatakarzinoms bei radikaler Prostatektomie. Im November 2019 wurde bei ihm ein postoperativer Anstieg des PSA-Werts festgestellt. Unter Vorlage eines Attests seines behandelnden Urologen beantragte er die Kostenübernahme für eine PSMA PET-CT – Untersuchung.
Mit Schreiben vom 21. November 2019 wies die Beklagte den Kläger auf die Rechtslage hin und teilte mit, den Medizinischen Dienst mit einer Begutachtung dahingehend zu beauftragen, im Rahmen einer Einzelfallentscheidung die Kosten übernommen werden könnten, obwohl es sich bei der beantragten Leistung um eine sog. neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode handele, für die eine Befürwortung des Gemeinsamen Bundesausschusses nicht gegeben sei. Hierzu zog die Beklagte weitere medizinische Unterlagen von dem Kläger bei.
Unter dem 10. August 2020 stellte der Medizinische Dienst gutachterlich fest, dass eine Ausnahmeindikation für eine PET-CT nicht vorliege. Als Vertragsleistung sei eine Savage Strahlentherapie anzuwenden. Vorliegend sei noch kein Rezidiv nachzuweisen, weil es nur einen einmaligen Anstieg des PSA-Werte aus dem Nullbereich gegeben habe. In diesem Fall sei die Strahlentherapie aber leitliniengerecht und solle möglichst frühzeitig begonnen werden. Eine akut lebensbedrohliche Situation sei nicht ersichtlich.
Gestützt auf dieses Begutachtungsergebnis lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers mit Bescheid vom 12. August 2020 ab.
Der Kläger legte dagegen am 20. August 2020 Widerspruch ein. Im Widerspruchsverfahren holte die Beklagte ein weiteres Gutachten ein, das unter dem 20. September 2020 erstattet wurde. Darin führt der Gutachter aus, dass zu beachten sei, dass die PET-CT nur der Bestrahlungsplanung zu dienen bestimmt sei. Hierfür sei aber eine konventionelle Bildgebung ausreichend.
Am 29. September 2020 wurde die PET-CT – Untersuchung durchgeführt. Das Universitätsklinikum Frankfurt am Main berechnete hierfür privatärztlich einen Betrag in Höhe von 1.421,86 Euro, der dem Kläger unter dem 3. November 2020 in Rechnung gestellt wurde.
Das Klinikum Darmstadt ging in einer medizinischen Stellungnahme vom 25. November 2020 davon aus, dass das Vorliegen einer akut lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlich verlaufenden Erkrankung anzunehmen sei. Vertragliche Untersuchungsverfahren seien nicht gegeben; ein MRT habe keinen Anhalt für makroskopischen Tumorbefall erbracht. Die PET-CT sei auch geeignet. Dies sei daran zu erkennen, dass der Gemeinsame Bundesausschuss die Untersuchung nunmehr in bestimmten Konstellationen empfehle. Die Untersuchung sei schließlich alternativlos. Aufgrund der PET-Untersuchung sei das Bestrahlungskonzept geändert worden.
Mit Widerspruchsbescheid vom 30. Juni 2021 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Die beantragte Untersuchung sei als neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode grundsätzlich von der Leistungspflicht der Beklagten ausgenommen. Nur in bestimmten Konstellationen habe der Gemeinsame Bundesausschuss die PET-CT als Untersuchungsmethode befürwortet. Eine solche Ausnahmeindikation sei im Fall des Klägers aber nicht gegeben. Die Beklagte sei hieran gebunden. Eine andere Beurteilung ergebe sich auch nicht aufgrund der Schwere der Erkrankung des Klägers. Die Gutachten des Medizinischen Dienstes hätten – entgegen der Einschätzung des Klinikums Darmstadt – bereits keine akute Lebensbedrohlichkeit der Erkrankung des Klägers ergeben. Selbst wenn man diese aber annehme, so habe jedenfalls eine vertragliche Behandlungsalternative bestanden. Es sei nicht herleitbar, dass der Kläger von den Ergebnissen der Untersuchung profitiert habe. Ferner sei die PET-CT zur Bestrahlungsplanung nicht hinreichend validiert.
Dagegen hat der Kläger am 14. Juli 2021 Klage vor dem Sozialgericht Darmstadt erhoben. Zur Klagebegründung bezieht er sich auf sein Vorbringen im Widerspruchsverfahren.
Der Kläger beantragt schriftlich,
den Bescheid der Beklagte vom 12. August 2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. Juni 2021 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm die Kosten für eine PSMA-PET-CT zu übernehmen.
Die Beklagte beantragt schriftlich,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte bezieht sich zur Klageerwiderung auf die Gründe der angefochtenen Verwaltungsentscheidungen.
Das Gericht hat bei den (behandelnden) Ärzten Dr. K. und Dr. P. Befundberichte eingeholt.
Mit Schreiben vom 7. April 2022 hat das Gericht die Beteiligten zu seiner Absicht, den Rechtsstreit durch Gerichtsbescheid ohne mündliche Verhandlung entscheiden zu wollen, angehört.
Zur Ergänzung des Tatbestands wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakte des Beklagten.
Entscheidungsgründe
Das Gericht konnte gem. § 105 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden. Der Sachverhalt ist aufgeklärt und die Rechtslage bietet keine besonderen Schwierigkeiten. Die Beteiligten sind hierzu angehört worden und hatten ausreichend Gelegenheit zu einer Stellungnahme.
Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg.
Der Bescheid der Beklagte vom 12. August 2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. Juni 2021 ist rechtmäßig. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erstattung der Kosten für eine PSMA-PET-CT.
Als Rechtsgrundlage für einen Kostenerstattungsanspruch kommt vorliegend allein § 13 Abs. 3 SGB V in Betracht. Konnte die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen oder hat sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch Versicherten für die selbst beschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war (§ 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V).
Der Kostenerstattungsanspruch gem. § 13 Abs. 3 SGB V reicht allerdings nicht weiter als der Sachleistungsanspruch, den er ersetzt. Nicht als Sachleistung geschuldete Leistungen können also auch auf dem Erstattungswege nicht verlangt werden. Dies ist aber schon deshalb selbstverständlich und nicht erst eine Frage der Rechtsfolge, weil nicht geschuldete Leistungen bereits nicht "zu Unrecht abgelehnt sind" (Müller, in OK-SGB V § 13 Rn. 13).
Gem. § 27 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfasst die ärztliche Behandlung einschließlich Psychotherapie als ärztliche und psychotherapeutische Behandlung, die zahnärztliche Behandlung, die Versorgung mit Zahnersatz einschließlich Zahnkronen und Suprakonstruktionen, die Versorgung mit Arznei-, Verband-, Heil- und Hilfsmitteln, die häusliche Krankenpflege und Haushaltshilfe, die Krankenhausbehandlung und Leistungen zur medizinischen Rehabilitation und ergänzende Leistungen.
Diese Vorschrift findet ihre Grenze allerdings in der Verbotsnorm des § 135 Abs. 1 Satz 1 SGB V. Nach § 135 Abs. 1 Satz 1 SGB V können neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden in der vertragsärztlichen Versorgung zu Lasten der Krankenkassen nur abgerechnet werden, wenn der Gemeinsame Bundesausschuss nach § 91 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 SGB V in Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 SGB V Empfehlungen u.a. über die Anerkennung des diagnostischen und therapeutischen Nutzens der neuen Methode abgegeben hat. Neu ist dabei jede Behandlungsmethode, die bisher noch nicht Gegenstand der vertragsärztlichen Versorgung war. Der Gesetzgeber macht damit den Einsatz neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden von einer vorherigen Anerkennung durch den Bundesausschuss abhängig. Dies dient der Sicherung der Qualität der Leistungserbringung zum Schutz der Versichertengemeinschaft vor Unwirtschaftlichkeit und der Versicherten vor unerprobten Methoden. Neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden sind solange von der Abrechnung zu Lasten der Krankenkassen ausgeschlossen, bis der Bundesausschuss sie als zweckmäßig anerkannt hat. Der Einwand des einzelnen Versicherten, eine nicht empfohlene Behandlungsmethode sei gleichwohl zweckmäßig und in seinem konkreten Fall wirksam bzw. lasse einen Behandlungserfolg als möglich erscheinen, ist nicht beachtlich. Die gegenständliche Untersuchung ist gem. § 135 Abs. 1 SGB V deshalb grundsätzlich ausgeschlossen. Es handelt sich um eine sog. „neue Untersuchungsmethode“, weil sie nicht als abrechnungsfähige ärztliche Leistung im Einheitlichen Bewertungsmaßstab für vertragsärztliche Leistungen (EBM-Ä) enthalten ist.
Ein Anspruch könnte sich nur in den Fällen des § 2 Abs. 1a SGB V. Diese Fallgruppe setzt jedoch eine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödlich verlaufende Erkrankung und das Fehlen einer allgemein anerkannten, dem medizinischen Standard entsprechenden Behandlung voraus, durch die eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht. Das subjektive Empfinden des Versicherten, ggf. gestützt durch die Einschätzung oder Empfehlung behandelnder Ärzte oder deren Behandlungserfahrung im Einzelfall, genügt für sich allein regelmäßig nicht.
Im vorliegenden Fall dürfte es bereits an einer lebensbedrohlichen Erkrankung in diesem Sinne fehlen. Mit seiner als "Nikolausbeschluss" bekannt gewordenen Entscheidung vom 6. Dezember 2005 (1 BvR 347/98) hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) erkannt, dass es aufgrund einer verfassungskonformen Auslegung des krankenversicherungsrechtlichen Leistungsrechts trotz einer fehlenden Empfehlung des Gemeinsamen Bundesausschusses erforderlich ist, im Einzelfall die Eignung der Behandlungsmethode zu prüfen. In § 2 Abs. 1a SGB V ist diese Rechtsprechung des BVerfG seit 1.1.2012 Gesetz geworden.
Die in § 2 Abs. 1a SGB V geregelte medizinische Konstellation meint stets eine notstandsähnliche Lage mit einer sehr begrenzten Lebensdauer. Wertungsmäßig damit vergleichbar ist nach der hierzu ergangenen Rechtsprechung der wahrscheinlich drohende Verlust eines wichtigen Sinnesorgans oder einer herausgehobenen körperlichen Funktion innerhalb eines kürzeren überschaubaren Zeitraums (siehe zur Kasuistik: jurisPK-SGB V/Plagemann, 4. Aufl., § 2 SGB V (Stand: 15.06.2020), Rn. 55). Bei der Auslegung des Begriffs der regelmäßig tödlich verlaufenden Erkrankung ist deshalb insbesondere auf den Faktor Zeit abzustellen, d.h. die notstandsähnliche Situation des § 2 Abs. 1a SGB V ist an einen besonderen Zeitdruck zu knüpfen (BSG v. 16. August 2021 – B 1 KR 29/20 R mAnm. Müller, NZS 2022, 390). Vorliegend spricht der Zeitablauf gegen diesen besonderen Zeitdruck. Der PSA-Wert – Anstieg wurde im November 2019 festgestellt. Die streitgegenständliche Untersuchung erfolgte im September 2020. Die Bestrahlung wurde ab Oktober 2020 vorgenommen. Die streitgegenständliche Untersuchung führte im Übrigen nicht zu einer völlig anderen Bestrahlungstherapie, sondern lediglich zu einer Ergänzung eine „Boosts“ in der Region des kleinen Beckens.
Die Kammer geht im Übrigen gestützt auf das Begutachtungsergebnis des Medizinischen Dienstes davon aus, dass eine vertragliche Behandlungsalternativ bestanden hat. Leitlinienkonform war eben die vorgenommene Strahlentherapie bei Bestrahlungsplanung nach konventioneller Bildgebung. Die Kammer hat keine Anhaltspunkte, dass dies im vorliegenden Fall nicht ausreichend gewesen wäre. Tatsächlich war die Bestrahlung an sich ohnehin beabsichtigt. Lediglich der sog. „Boost“ war aufgrund des Untersuchungsergebnisses ergänzt worden. Mit dem Begutachtungsergebnis des Medizinischen Dienstes geht die Kammer insoweit davon aus, dass insoweit aber nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit – und dies wäre hier der Beweismaßstab – nachträglich feststellbar ist, dass der Kläger von der Bestrahlung mit „Boost“ mehr profitiert hat, als er von einer Bestrahlung ohne „Boost“ profitiert hätte. Die PSMA-PET-CT war zum Zeitpunkt der Untersuchung nicht hinreichend validiert. Ein falsch positiver Befund im Bereich des kleinen Beckens konnte deshalb nicht ausgeschlossen werden. Auch die beigezogenen Befundberichte können insoweit kein anderes Ergebnis begründen, da sie – selbstredend – gerade den Ausschluss eines falsch positiven Befunds nicht erbringen können. Lediglich die Kausalität der Änderung des Bestrahlungsplans kann dagegen den Anspruch des Klägers nicht begründen. Ein Anspruch wäre lediglich denkbar, wenn durch die neue Untersuchungsmethode ein Befund mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu erbringen gewesen wäre, der durch konventionelle Bildgebung nicht hätte erlangt werden können.
Die Kammer musste sich auch nicht zu weiteren medizinischen Ermittlungen gedrängt sehen, da es auf die medizinische Situation des Klägers vor der Bestrahlung ankommt und diese nicht mehr durch eine ambulante Begutachtung aufklärbar ist, sondern lediglich durch die vorhandenen und vollständig beigezogenen medizinischen Befunde.
Die Klage konnte deshalb keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und entspricht dem Ausgang des Verfahrens.