Für den „Nachweis“ des Zusammenhangs zwischen einer Unterschenkelvenenthrombose und einer Impfung mit einem mRNA-Impfstoff gegen Covid-19 genügt zwar der Beweismaßstab der Wahrscheinlichkeit. Fehlende konkurrierende Ursachen reichen aber nicht aus.

Bundesland
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Kategorie
Pressemitteilungen

 

Der Fall:

Der 1968 geborene Kläger wurde am 03.07.2021 mit dem Impfstoff Comirnaty (Biontech/Pfizer)
gegen Covid-19 geimpft. Am 16.07.2021 wurde bei ihm eine Unterschenkelvenenthrombose
rechtsseitig diagnostiziert. Den vom Kläger daraufhin gestellten Antrag auf Anerkennung
und Entschädigung eines Impfschadens lehnte der beklagte Freistaat Bayern mit der
Begründung ab, dass sich nach den Erkenntnissen des Paul-Ehrlich-Instituts für den Impfstoff
Comirnaty keine signifikante Erhöhung an Thromboseereignissen ergebe. Auch der Widerspruch,
den der Kläger im Wesentlichen damit begründet hatte, dass sich die Beschwerden
bereits wenige Tagen nach der Impfung eingestellt hätten, blieb erfolglos. Das Sozialgericht
München wies die Klage ab, nachdem der mit der Erstellung eines Sachverständigengutachtens
beauftragte Internist zu dem Ergebnis gekommen war, dass im direkten Anschluss
an die Impfung keine Gesundheitsstörung dokumentiert worden sei.

Die Entscheidung:

Das LSG hat die Berufung mit Urteil vom 30.04.2024 zurückgewiesen, nachdem auch die
durch den Senat beauftragte Kardiologin in ihrem Sachverständigengutachten zu dem Ergebnis
gekommen war, dass die vom Kläger erlittene Unterschenkelvenenthrombose nach
den Erkenntnissen der evidenzbasierten Medizin nicht in einem kausalen Zusammenhang
mit der Covid-19-Impfung mit dem mRNA-Impfstoff Comirnaty stehe.
Die Anerkennung als Impfschaden gemäß § 2 Nr. 11, 1. Halbsatz Infektionsschutzgesetz
(IfSG) setze voraus, dass die Schutzimpfung zu einer gesundheitlichen Schädigung, also einem
„Primärschaden“ in Form einer Impfkomplikation geführt habe, die wiederum den „Impfschaden“,
d.h. die dauerhafte gesundheitliche Schädigung, also einen „Folgeschaden“ bedinge.
Das Vorliegen dieser Voraussetzungen müsse im Vollbeweis nachgewiesen sein.
Hierfür ausreichend, aber auch erforderlich sei ein so hoher Grad der Wahrscheinlichkeit,
dass bei Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens kein vernünftiger, den Sachverhalt
überschauender Mensch am Vorliegen der Tatsachen zweifele und somit eine an Sicherheit
grenzende Wahrscheinlichkeit vorliege. Für den ursächlichen Zusammenhang zwischen
den drei Gliedern der Kausalkette reiche nach § 61 Satz 1 IfSG der Beweismaßstab
der Wahrscheinlichkeit aus.

Ausgehend von diesen Grundsätzen habe sich der Senat nicht davon überzeugen können,
dass beim Kläger ein Impfschaden vorliege, weil es bereits am Nachweis einer Primärschädigung
fehle. Die Beinvenenthrombose, die beim Kläger bestanden habe und die in einem
gewissen – durchaus relativ engen – zeitlichen Zusammenhang mit der Impfung aufgetreten
sei, sei nicht Folge der Impfung des Klägers gegen Covid-19. Ein wahrscheinlicher Ursachenzusammenhang
im o.g. Sinne sei nicht gegeben. Die Sachverständige habe plausibel
dargelegt, dass es zwar durchaus Hinweise darauf gebe, dass Impfstoffe das generelle
Thromboserisiko erhöhen würden. Die teilweise lebensgefährlichen Thrombosen nach Covid-
19-Impfungen vor allem in hierfür ungewöhnlichen Venen würden auf der Auslösung der
Bildung von Autoantikörpern durch speziell in den Vektorimpfstoffen (Astrazeneca-Vaccephrin)
enthaltenen adenoviralen Antigenen beruhen. Hierdurch könne eine Signalkaskade ausgelöst
werden, die zu einer massiven Thrombozytenaktivierung führe mit einerseits Thrombenbildung
und andererseits Thrombozytenmangel im Blut mit Blutungsneigung (VITT). Eine
derartige Konstellation mit Thrombose, Nachweis von Autoantikörpern gegen den Thrombozytenfaktor
4 und Thrombozytenmangel sei beim Kläger aber nicht festgestellt worden,
vielmehr habe eine normale Thrombozytenzahl bestanden. Vor allem habe die Sachverständige
darüber hinaus überzeugend dargestellt, dass eine solche Konstellation beim Kläger
auch nicht zu erwarten gewesen sei, da er nicht mit einem Vektorimpfstoff, sondern mit dem
mRNA-Impfstoff geimpft worden sei. Die Sachverständige habe nachvollziehbar festgestellt,
dass nach Impfungen mit einem mRNA-Impfstoff eine derartige thrombogene Konstellation
so gut wie nie beobachtet worden sei. Für einen kausalen Zusammenhang zwischen Impfungen
mit einem mRNA-Impfstoff und Thrombosen gebe es keine seriöse wissenschaftliche
Lehrmeinung.

Die Revision wurde nicht zugelassen.

Bayer. Landessozialgericht L 15 VJ 2/23

 

Verantwortliche Herausgeberin:

Anya Simons

Presse- und Medienarbeit

Richterin am Bayer. Landessozialgericht

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