Reitverein muss Sozialversicherungsbeiträge zahlen
Ein Reitverein muss für von ihm angebotenen Reitunterricht Sozialversicherungsbeiträge zahlen, wenn der Unterricht im Rahmen einer abhängigen Beschäftigung erbracht wird. Hierfür spricht, wenn die Reitlehrerin die vereinseigenen Pferde sowie die Reithalle unentgeltlich nutzen kann und sie kein unternehmerisches Risiko trägt. Dies entschied in einem heute veröffentlichten Urteil des 1. Senats des Hessischen Landessozialgerichts.
Reitverein klagte gegen Beitragsnachforderung
Eine Reitlehrerin unterrichtete Mitglieder eines gemeinnützigen Reitvereins mit den vereinseigenen Schulpferden auf dem Vereinsgelände zwischen 12 und 20 Stunden wöchentlich. In den Jahren 2015 bis 2018 zahlte ihr der Verein pro Reitstunde 18 €. Die Deutsche Rentenversicherung prüfte den Betrieb des Reitvereins. Sie stellte fest, dass die Reitlehrerin abhängig beschäftigt ist und forderte von dem Verein Rentenversicherungsbeiträge nach. Der Reitverein wandte hiergegen ein, dass die Reitlehrerin selbstständig tätig sei.
Landessozialgericht bestätigt Beitragspflicht des Reitvereins
Das Hessische Landessozialgericht gab der Rentenversicherung Recht. Die Beitragsnachforderung sei rechtmäßig. Eine abhängige Beschäftigung liege vor. Zwar könne ein nebenberuflicher Übungsleiter oder Trainer in Sportvereinen auch selbstständig tätig sein, wie das Vertragsmuster „Freier-Mitarbeiter-Vertrag Übungsleiter Sport“ der Rentenversicherung belege. Ein solcher Vertrag sei jedoch vorliegend zwischen dem Reitverein und der Reitlehrerin nicht geschlossen worden.
Zudem sprächen im konkreten Einzelfall mehr Anhaltspunkte für das Bestehen einer abhängigen Beschäftigung. So habe die Reitlehrerin kein unternehmerisches Risiko getragen. Sie habe keine Rechnungen erstellt und ausschließlich die vereinseigenen Pferde einschließlich Sattel und Zaumzeug genutzt, wofür sie - wie auch für die Nutzung der Reithalle - kein Entgelt gezahlt habe. Die Hallenzeiten habe sie mit dem Reitverein abgestimmt. Der Reitverein habe die Stundenvergütung vorgegeben. Die Jahresvergütung von durchschnittlich über 6.500 € habe die steuerfreie Aufwandspauschale für Übungsleiter (bis 2020: 2.400 € jährlich) weit überschritten. Schließlich habe der Reitverein auf seiner Homepage mit „unsere Reitlehrerin“ geworben und selbst die Verträge über den Reitunterricht mit den Reitschülern geschlossen.
Da die Rentenversicherung nur die über der Aufwandspauschale für Übungsleiter liegenden Einkünfte bei der Beitragsberechnung berücksichtigt habe, sei auch die Höhe der Beitragsforderung zutreffend.
Hinweise zur Rechtslage
§ 7 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV)
(1) Beschäftigung ist die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen
und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers.
§ 2 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI)
Versicherungspflichtig sind selbständig tätige
1. Lehrer und Erzieher, die im Zusammenhang mit ihrer selbständigen Tätigkeit regelmäßig keinen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigen, (...)
§ 14 SGB IV
(1) Arbeitsentgelt sind alle laufenden oder einmaligen Einnahmen aus einer Beschäftigung, gleichgültig, ob ein Rechtsanspruch auf die Einnahmen besteht, unter
welcher Bezeichnung oder in welcher Form sie geleistet werden und ob sie unmittelbar aus der Beschäftigung oder im Zusammenhang mit ihr erzielt werden.
(...)
§ 1 Sozialversicherungsentgeltverordnung
(1) Dem Arbeitsentgelt sind nicht zuzuordnen:
(...)
16. steuerfreie Aufwandsentschädigungen und die in § 3 Nummer 26 Satz (...) Einkommensteuergesetzes genannten steuerfreien Einnahmen. (...)
§ 3 Einkommensteuergesetz (in der bis 2020 gültigen Fassung)
(1) Steuerfrei sind
(...)
26. Einnahmen aus nebenberuflichen Tätigkeiten als Übungsleiter (...) bis zur Höhe von insgesamt 2 400 Euro im Jahr. (...)
Landessozialgericht Darmstadt, Urteil vom 02.05.2024, Az.: L 1 BA 22/23 – Die Revision wurde nicht zugelassen.
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Hessen
Sozialgericht
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