Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 08.08.2022 geändert.
Die Klagen werden abgewiesen.
Die Klägerinnen tragen die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.
Der Streitwert wird in beiden Rechtszügen auf 450.000 € festgesetzt.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerinnen begehren die Erteilung von Erlaubnissen zur Arbeitnehmerüberlassung.
Die Klägerinnen wurden mit notariellen Urkunden vom 12.08.2020 gegründet und zwischen dem 17.08.2020 und dem 21.08.2020 in das Handelsregister des Amtsgerichts K. eingetragen. Gesellschafterin der Klägerinnen ist die B.. Geschäftsführer der Klägerinnen zu 1 bis 15 ist jeweils Frau P., Geschäftsführer der Klägerinnen zu 16 bis 30 ist Herr H.. Diese sind auch die Geschäftsführer der B.. In ihren Führungszeugnissen befinden sich keine Eintragungen. Nach den Gesellschaftsverträgen ist Gegenstand des jeweiligen Unternehmens die „Verwaltung eigenen Vermögens, gewerbsmäßige Arbeitnehmerüberlassung sowie die Personalvermittlung.“ Die Klägerinnen betreiben die Arbeitnehmerüberlassung nicht selbst, sondern sind als „Vorratsgesellschaften“ zum Zweck der Veräußerung an Dritte geründet worden. Bislang ist eine Veräußerung nicht erfolgt. Die Veräußerung der Klägerinnen soll durch die R. erfolgen. Dort sind Herr H. Vorstandsmitglied und Frau P. Prokuristin. Die R. betreibt dieses Geschäftsmodell nach ihren Angaben seit dem Jahr 2004 und hat seither ca. 200 Vorratsgesellschaften mit von der Beklagten erteilten Arbeitnehmerüberlassungserlaubnissen verkauft.
Mit Schreiben vom 05.08.2020 teilte die Beklagte der R. mit, sie werde ihre „künftig eingehenden (ab 17.08.2020) Anträge auf Erteilung einer Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung für Vorratsgesellschaften nicht mehr bewilligen“. Das AÜG setze für die Erteilung der Erlaubnis die Absicht voraus, Arbeitnehmer tatsächlich überlassen zu wollen. Die R. beabsichtige nach ihrem Geschäftsmodell keine Arbeitnehmerüberlassung, sondern die Gründung von Vorratsgesellschaften mit dem Ziel der alsbaldigen Veräußerung. Damit liege „keine wirtschaftliche Tätigkeit als Verleiher“ vor.
Am 13.08.2020 beantragte die R. die Erteilung von Erlaubnissen zur Arbeitnehmerüberlassung für die Klägerinnen in Gründung bei der Beklagten. Den Anträgen fügte sie jeweils die notarielle Gründungsurkunde, den Gesellschaftsvertrag, die Eintragungsnachricht des Amtsgerichts und eine Unbedenklichkeitsbescheinigung der Verwaltungs-Berufsgenossenschaft bei.
Die Beklagte lehnte die Anträge mit Bescheid vom 07.09.2020 gegenüber der R. ab. Die Klägerinnen seien rechtsmissbräuchlich kurzfristig innerhalb der Frist bis zum 16.08.2020 gegründet worden, um noch Erlaubnisse zur Arbeitnehmerüberlassung zu erhalten. Die Fristsetzung habe sich aber nur auf Gesellschaften bezogen, die bereits vor dem 05.08.2020 gegründet worden seien. Die Anträge auf Erteilung von Erlaubnissen zur Arbeitnehmerüberlassung seien treuwidrig. Die Klägerinnen legten am 28.09.2020 Widerspruch ein. Die gesetzte Frist sei willkürlich. Die Antragstellung sei entsprechend den Bestimmungen des AÜG erfolgt und nicht rechtsmissbräuchlich. Versagungsgründe lägen nicht vor. Die Beklagte wies die Widersprüche mit Widerspruchsbescheid vom 28.12.2020 zurück. Die Klägerinnen hätten keinen Anspruch auf die beantragten Erlaubnisse, da sie keine Arbeitnehmerüberlassung beabsichtigten. Das Geschäftsmodell bestehe vielmehr darin, Vorratsgesellschaften mit dem Ziel der alsbaldigen Veräußerung zu gründen. Es liege keine wirtschaftliche Tätigkeit als Verleiher vor.
Die R. und die Klägerinnen haben am 06.01.2021 Klage erhoben. Es bleibe unverständlich, wie der vorgehaltene Missbrauch bzw. Verstoß gegen Treu und Glauben begründet sein solle. Es sei völlig üblich, dass die Arbeitnehmerüberlassung zum Zeitpunkt der Antragstellung noch nicht ausgeübt werden, sondern erst auf der Grundlage der zu erteilenden Genehmigung zu einem späteren Zeitpunkt.
Die Klägerinnen haben beantragt:
„die Beklagte unter Aufhebung der Bescheide vom 07.09.2020 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 28.12.2020 zu verurteilen, den Klägerinnen gemäß ihren Anträgen vom 13.08.2020 die Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung nach § 1 AÜG zu erteilen.“
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat ihren Bescheid für rechtmäßig gehalten. Bei dem Schreiben vom 05.08.2020 handele es sich nicht um eine Zusicherung mit dem Inhalt, alle von Vorratsgesellschaften bis zum 16.08.2020 gestellten Anträge positiv zu bescheiden. Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Erteilung von Erlaubnissen nach dem AÜG lägen nicht vor.
Mit Urteil vom 08.08.2022, das der Beklagten am 26.08.2022 zugestellt worden ist, hat das Sozialgericht der Klage im Hinblick auf die Klägerinnen stattgegeben und sie im Übrigen abgewiesen. Die Klage der R. sei unzulässig, da sie nicht die Adressatin des angefochtenen Bescheides sei. Die weiteren Klagen seien zulässig und begründet. Die Klägerinnen hätten Anspruch auf Erteilung von Erlaubnissen nach dem AÜG. Die Argumentation der Beklagten, dass die Klägerinnen gar keine Arbeitnehmerüberlassung betreiben wollten, verfange nicht. Die Klägerinnen zu 2) bis 31) seien Kapitalgesellschaften, deren Gesellschaftszweck neben der Verwaltung eigenen Vermögens die gewerbsmäßige Arbeitnehmerüberlassung und die Personalvermittlung sei. Sie beabsichtigen, ebenso wie andere zuvor unter Beratung der Klägerin zu 1) gegründete Gesellschaften, gewerbsmäßig als Verleiher aufzutreten. Dass die Aufnahme der gewerblichen Arbeitnehmerüberlassung erst zeitlich verzögert zur Erteilung der Erlaubnis erfolge, sei dem AÜG immanent. Die Erlaubnis sei regelhaft vor Aufnahme des Betriebs zu beantragen und der Betrieb könne erst nach erteilter Erlaubnis aufgenommen werden. Das vor Aufnahme der gewerblichen Arbeitnehmerüberlassung zu durchlaufende Verwaltungsverfahren setze keine aktive Verleihertätigkeit auf dem Arbeitsmarkt voraus.
Die Beklagte hat am 21.09.2022 Berufung eingelegt. Voraussetzung für die Erteilung einer Erlaubnis sei, dass sich die Zuverlässigkeitsprüfung auf die Person beziehen könne, die die Arbeitnehmerüberlassung tatsächlich betreibe, ansonsten liefe die Prüfung ins Leere. Vorratsgesellschaften hätten daher keinen Anspruch auf Erteilung einer Erlaubnis, da der Zweck ihrer Gründung nicht in der Arbeitnehmerüberlassung bestehe, sondern in der Veräußerung an Dritte.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 08.08.2022 zu ändern und die Klagen abzuweisen.
Die Klägerinnen beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Klägerinnen halten das Urteil des Sozialgerichts für zutreffend. Sie haben mitgeteilt, dass ein Verkauf der Gesellschaften noch nicht erfolgt ist.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze und die übrige Gerichtsakte sowie die beigezogene Verwaltungsakte, deren wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung ist begründet. Das Sozialgericht hat den Klagen zu Unrecht stattgegeben. Der Bescheid vom 07.09.2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.12.2020 ist rechtmäßig. Die Klägerinnen haben keinen Anspruch auf Erteilung von Erlaubnissen nach dem AÜG.
Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid vom 07.09.2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.12.2020. Die Klägerinnen machen ihren Anspruch zutreffend mit der kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs. 1 SGG) geltend, da sie mit der Erteilung von Erlaubnissen nach dem AÜG den Erlass von Verwaltungsakten anstreben. Der Ablehnungsbescheid ist den Klägerinnen gegenüber bekannt gegeben und damit wirksam geworden (§ 39 Abs. 1 Satz 1 SGB X). Aufgrund des mit Einverständnis der Klägerinnen erfolgten Auftretens der R. im Antragsverfahren war die R. für den Ablehnungsbescheid empfangsbevollmächtigt. Zutreffend hat das Sozialgericht erkannt, dass die R. hingegen selbst nicht Adressatin des angefochtenen Bescheides ist, weshalb sie im Berufungsverfahren auch nicht mehr als Klägerin auftritt.
Der Bescheid vom 07.09.2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.12.2020 ist formell rechtmäßig. Die Beklagte ist für die Entscheidung über die Erteilung von Erlaubnissen zur Arbeitnehmerüberlassung zuständig (§ 17 Abs. 1 AÜG). Eine Anhörung gem. § 24 SGB X war nicht erforderlich, da nicht in bestehende Rechte der Klägerinnen eingegriffen wurde.
Der Bescheid ist materiell rechtmäßig. Er ist hinreichend bestimmt iSd § 33 Abs. 1 SGB X. Der Umstand, dass die Beklagte den Bescheid an die R. adressiert hat, steht dem nicht entgegen. Aus den Tenor des Bescheides „Ihre Anträge am 13.08.2020 eingegangenen Anträge mit den Firmenbezeichnungen ‚Q.‘ – ‚K.‘ werden hiermit abgelehnt.“ ergibt sich mit hinreichender Deutlichkeit, dass die Ablehnung sich auf die Klägerinnen bezieht.
Die Beklagte hat die beantragten Erlaubnisse zu Recht abgelehnt.
Ein Anspruch auf Erteilung von Erlaubnissen zur Arbeitnehmerüberlassung folgt nicht bereits aus dem Schreiben der Beklagten vom 05.08.2020. Bei diesem Schreiben handelt es sich nicht um eine Zusicherung iSv § 34 SGB X. Eine Zusicherung ist gem. § 34 Abs. 1 Satz 1 SGB X eine von der zuständigen Behörde erteilte Zusage, einen bestimmten Verwaltungsakt später zu erlassen oder zu unterlassen. Dem Adressaten einer Zusicherung wird ein eigenständiger verfahrensrechtlicher Anspruch auf späteren Erlass der zugesagten Regelung erteilt (BSG Urteil vom 29.01.2004 – B 4 RA 29/03 R). Die Klägerinnen sind – anders als bei dem angefochtenen Ablehnungsbescheid – nicht selbst Adressaten des Schreibens, denn sie waren noch nicht gegründet, als das Schreiben verfasst wurde. Darüber hinaus enthält das Schreiben mit der Formulierung „dass wir Ihre künftig eingehenden (ab 17.08.2020) Anträge auf Erteilung einer Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung für Vorratsgesellschaften nicht mehr bewilligen werden“ inhaltlich keine Zusage dahingehend, bis zu diesem Zeitpunkt eingehende Anträge positiv zu bescheiden. Maßgeblich für die Auslegung eines behördlichen Schreibens sind die allgemeinen für Willenserklärungen geltenden Auslegungsregeln. Maßgebend ist, wie der verständige Adressat die behördliche Erklärung nach den Umständen des Einzelfalles verstehen musste (BSG Beschluss vom 23.02.1990 – 4 BA 167/89 mwN). Dies Formulierung des Schreibens vom 05.08.2020 ist auch aus Sicht der R. nicht dahingehend zu verstehen, dass die Beklagte sich verpflichten wollte, Anträge, die bis zum 16.08.2020 eingehen, ohne Prüfung der gesetzlichen Voraussetzungen zu genehmigen.
Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Erteilung einer Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung liegen bei den Klägerinnen nicht vor.
Nach § 1 Abs. 1 AÜG bedürfen Arbeitgeber, die als Verleiher Dritten (Entleihern) Arbeitnehmer (Leiharbeitnehmer) im Rahmen ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit zur Arbeitsleistung überlassen (Arbeitnehmerüberlassung) wollen, der Erlaubnis. Nach § 2 Abs. 1 AÜG wird die Erlaubnis auf schriftlichen Antrag erteilt. Nach § 3 Abs. 1 AÜG ist die Erlaubnis oder ihre Verlängerung zu versagen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Antragsteller 1. die für die Ausübung der Tätigkeit nach § 1 AÜG erforderliche Zuverlässigkeit nicht besitzt, insbesondere weil er die Vorschriften des Sozialversicherungsrechts, über die Einbehaltung und Abführung der Lohnsteuer, über die Arbeitsvermittlung, über die Anwerbung im Ausland oder über die Ausländerbeschäftigung, über die Überlassungshöchstdauer nach § 1 Abs. 1b, die Vorschriften des Arbeitsschutzrechts oder die arbeitsrechtlichen Pflichten nicht einhält; 2. nach der Gestaltung seiner Betriebsorganisation nicht in der Lage ist, die üblichen Arbeitgeberpflichten ordnungsgemäß zu erfüllen; 3. dem Leiharbeitnehmer die ihm nach § 8 AÜG zustehenden Arbeitsbedingungen einschließlich des Arbeitsentgelts nicht gewährt.
Die Klägerinnen erfüllen die Voraussetzungen für die Erteilung einer Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung nicht. Sie können gesellschaftsrechtlich zwar als Vorratsgesellschaften wirksam gegründet werden (dazu BGH Beschluss vom 16.03.1992 – II ZB 17/91), sind als solche Mantelgesellschaften jedoch noch keine Arbeitgeber iSv § 1 Abs. 1 Satz 1 AÜG, denen eine Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung erteilt werden kann.
Zutreffend ist allerdings, dass die Arbeitgebereigenschaft iSd § 1 AÜG nicht voraussetzt, dass aktuell bereits Arbeitnehmer Dritten zur Arbeitsleistung überlassen werden. Dem steht das Wesen des Erlaubnisvorbehalts entgegen. Dieser schließt es gerade aus, dass bereits vor Erteilung der Erlaubnis Arbeitskräfte Dritten überlassen werden. Ein Arbeitgeber, der dem zuwiderhandelt, handelt ordnungswidrig (§ 16 Abs. 1 Nr. 1 AÜG). Für die Arbeitgebereigenschaft reicht es daher aus, dass der angestrebte Geschäftszweck darin besteht, Leiharbeitnehmer Dritten zu überlassen (dazu auch BT-Drs. VI/2303, S. 10).
Wird eine Gesellschaft hingegen mit der Absicht geründet, erst nach einem Verkauf und Wechsel des Geschäftsführers werbend auf dem Markt der Arbeitnehmerüberlassung tätig zu werden, fehlt es an der aktuellen, bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzung genehmigungsfähigen Arbeitgebereigenschaft. Ein personelles Auseinanderfallen von der antragstellenden Vorratsgesellschaft und einer später am Markt werbend tätig werdenden Arbeitgeberin widerspricht dem Gesetzeszweck des AÜG, das dazu dient, bei der Arbeitnehmerüberlassung Verhältnisse herzustellen, die den Anforderungen des sozialen Rechtsstaates entsprechen und eine Ausbeutung der betroffenen Arbeitnehmer ausschließen (BT-Drucks. VI/2303 S. 9). Mit der Gründung von Vorratsgesellschaften werden die Prüfmöglichkeiten der Zuverlässigkeit (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 AÜG) unterlaufen. Bei Kapitalgesellschaften ist auf die Zuverlässigkeit der vertretungsberechtigten Organe abzustellen (LSG Rheinland-Pfalz Urteil vom 19.12.2002 – L 1 AL 4/01; LSG Baden-Württemberg Beschluss vom 11.3.2011 – L 13 AL 3438-10 ER/B; Kock in Thüsing, AÜG, 4. Aufl. 2018, § 3 Rn. 29). Die Prüfung der Zuverlässigkeit setzt daher voraus, dass ein Geschäftsführer einer GmbH im Amt ist, der die Arbeitnehmerüberlassung verantworten wird (so auch SG Frankfurt Beschluss vom 01.09.2022 – S 15 AL 168/22 ER).
Für eine Erlaubnisfähigkeit von Vorratsgesellschaften zur Arbeitnehmerüberlassung streitet nicht, dass ein Geschäftsführer eines bereits Arbeitnehmerüberlassung betreibenden Unternehmens ausgewechselt werden kann und dies lediglich die Meldepflicht des Unternehmens nach § 7 Abs. 1 Satz 2 AÜG auslöst. Diese Anzeigepflicht dient dazu, die Zuverlässigkeit eines Verleihers nach der Erteilung der Verleiherlaubnis zu überwachen (Höpfner in Henssler/Willemsen/Kalb, Arbeitsrecht, Kommentar 11. Aufl. 2024 § 7 AÜG Rn. 6). In von § 7 Abs. 1 Satz 2 AÜG erfassten Konstellationen lagen sowohl bei Antragstellung als auch im weiteren Geltungsverlauf der Erlaubnis eine tatsächliche Arbeitnehmerüberlassung und damit eine Kongruenz zwischen der zur Zuverlässigkeitsprüfung herangezogenen Person sowie der die Einhaltung der verschärften Regeln verantwortenden Person vor (SG Frankfurt Beschluss vom 01.09.2022 – S 15 AL 168/22 ER). Die Erlaubnisbehörde hat bei einem Geschäftsführerwechsel begrenzt nur noch dessen Auswirkungen auf eine im Übrigen erlaubte und bewährte Geschäftstätigkeit zu überprüfen. Dies ist mit der vorliegenden Konstellation, in der die Geschäftstätigkeit noch gar nicht aufgenommen worden ist, nicht vergleichbar.
Die Klägerinnen erfüllen als Vorratsgesellschaften zudem nicht die Anforderungen des § 3 Abs. 1 Nr. 2 AÜG. Nach dieser Vorschrift ist die Erlaubnis zu versagen, wenn der Antragsteller nach der Gestaltung seiner Betriebsorganisation nicht in der Lage ist, die üblichen Arbeitgeberpflichten ordnungsgemäß zu erfüllen. Die betriebliche Organisation des Arbeitsgebers muss bereits ein Stadium erreicht haben, das es möglich macht, dies zu prüfen. Ist - wie hier – noch keine Betriebsorganisation vorhanden, weil diese erst nach dem Verkauf der Gesellschaft aufgebaut werden soll, lässt sich nicht verifizieren, ob der Arbeitgeber in der Lage ist, die üblichen Arbeitgeberpflichten ordnungsgemäß zu erfüllen.
Der Senat lässt offen, ob die Klägerinnen, die die Arbeitnehmerüberlassung noch nicht selbst ausüben, sondern nur zum Verkauf anstehen, durch die Verweigerung der Erlaubniserteilung in ihrer Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) betroffen sind. Jedenfalls sind die Regelungen des AÜG als Berufsausübungsregelungen zum Schutz der Leiharbeitnehmer verfassungsgemäß. Sozialstaatlich motivierte, zum Schutz der abhängig Beschäftigten eines Wirtschaftszweiges vernünftige und zweckmäßig typisierende Regelungen zulässiger Formen unselbständiger Arbeit muss der Einzelne als Grenzen seiner unternehmerischen Tätigkeit grundsätzlich als zumutbar hinnehmen (BVerfG Beschluss vom 29.12.2004 – 1 BvR 2283/03 Rn. 22 f)
Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Abs. 1 SGG iVm § 154 Abs. 1 VwGO. Die Festsetzung des Streitwertes richtet sich nach § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG iVm §§ 52 Abs. 1, 63 Abs. 2 GKG. Danach ist in Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen. In einem Verfahren, das auf die Erteilung oder Verlängerung einer Erlaubnis nach dem AÜG gerichtet ist, bemisst sich die Bedeutung der Sache nach dem erzielten Gewinn aus der Arbeitnehmerüberlassung (Beschluss des Senates vom 21.10.2020 – L 9 AL 10/20 B ER). Dabei ist der durchschnittliche Gewinn der letzten drei Jahre zugrunde zu legen. Wenn noch kein Gewinn erzielt worden ist oder die Arbeitnehmerüberlassung – wie hier – mangels Erlaubnis noch nicht aufgenommen worden ist, sind mindestens 15.000 € für jede Gesellschaft zugrunde zu legen (Beschluss des Senates vom 01.09.2022 – L 9 AL 23/22 B ER; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 28.09.2020 – 4 E 757/20).
Die Revision war wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zuzulassen (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG).