Verstirbt der Rechtsvorgänger im Widerspruchsverfahren und erhebt ein sonstiger Rechtsnachfolger Klage, ist dieser nicht kostenprivilegiert i.S.v. § 183 Satz 2 SGG.
Die Beschwerde der Beschwerdeführerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Mannheim vom 25.06.2024 wird zurückgewiesen.
Das Verfahren ist gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
I.
Die Beschwerdeführerin wendet sich gegen die Anforderung von Gerichtsgebühren in einem kostenpflichtigen Klageverfahren.
Im Ausgangsverfahren vor dem Sozialgericht Mannheim (SG) hat die Beschwerdeführerin am 08.04.2024 Klage erhoben gegen den gegen ihre Mutter K1 von der dortigen Beklagten erlassenen Leistungsbescheid zum Zwecke der Zwangsvollstreckung vom 02.03.2023 wegen Beiträgen, Säumniszuschlägen sowie Kosten und Gebühren von insgesamt 46.949,18 €. Nach dem Tod der Mutter der Beschwerdeführerin während des Widerspruchsverfahrens am 09.04.2023 führte die Beschwerdeführerin den Widerspruch als Erbin (zu 1/3 neben zwei weiteren Personen) fort. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 04.03.2024 sowohl gegenüber der Beschwerdeführerin als auch den weiteren Erben gesondert zurück. Gegenüber den Erben könnten offene Beiträge oder Zuzahlungen in gleicher Form geltend gemacht werden wie gegenüber dem ursprünglich Verpflichteten.
Die Kostenbeamtin hat anschließend - ausgehend von einem vorläufigen Streitwert i.H.v. 46.949,18 € - mit Datum vom 10.04.2024 Gerichtskosten i.H.v. 1.803 € bei der Klägerin angefordert. Die Gerichtskostenrechnung ist durch die Landesoberkasse M1 unter dem 19.04.2024 versandt worden. Hierauf hat die Beschwerdeführerin am 06.06.2024 anwaltlich vertreten gegen die Kostenrechnung der Landesoberkasse M1 vom 19.04.2024 Erinnerung zum SG eingelegt. Sie sei an dem Rechtsstreit als Privatperson beteiligt und zähle deswegen zum Kreis der Personen, für die das Verfahren in erster Instanz gerichtskostenfrei sei.
Mit Beschluss vom 25.06.2024 hat das SG die Erinnerung zurückgewiesen. Die Beschwerdeführerin schulde als Kostenschuldnerin eines Rechtsstreites im Sinne des § 197a Sozialgerichtsgesetz (SGG), in dem sich die Kosten nach dem Gerichtskostengesetz (GKG) richteten, für das Verfahren im ersten Rechtszug vor den Sozialgerichten gemäß § 3 Abs. 2 GKG i.V.m. Nr. 7110 Anlage 1 (Kostenverzeichnis - KV -) grundsätzlich eine 3,0-fache Gebühr, deren Höhe sich nach dem Streitwert bemesse. Die Voraussetzungen für eine ausnahmsweise Nichterhebung von Gerichtskosten aufgrund unrichtiger Sachbehandlung gemäß § 21 Abs. 1 Satz 1 GKG seien nicht gegeben. Eine Nichterhebung komme danach nur dann in Betracht, wenn ein offenkundiger und eindeutiger, einen schweren Mangel begründender Verstoß des Gerichts gegen gesetzliche Vorschriften vorliege und diese unrichtige Sachbehandlung für das Entstehen von (Mehr-) Kosten ursächlich geworden sei. Ein solcher Fall liege hier nicht vor. Die Beschwerdeführerin sei nicht Sonderrechtsnachfolgerin nach § 56 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I), da nicht um laufende Geldleistungen an ihre Mutter, sondern Beitragsforderungen der Beklagten dieser gegenüber gestritten werde. Eine Gerichtskostenfreiheit nach § 183 Abs. 1 Satz 1 SGG scheide daher aus. Mangels Vorliegens einer Sonderrechtsnachfolge kommt eine Kostenfreiheit der Klägerin nur als sonstige Rechtsnachfolgerin nach § 183 Satz 2 SGG in Betracht. Die Kostenfreiheit gelte allerdings nur für den Rechtszug, in dem das Verfahren aufgenommen werde. Die Beschwerdeführerin habe das Verfahren in der Verwaltungsinstanz, nämlich im Widerspruchsverfahren, übernommen. Die Kostenfreiheit in dem dortigen Verfahren setze sich daher in der nächsten Instanz, dem erstinstanzlichen gerichtlichen Verfahren vor dem SG, nicht fort (ebenso im Ergebnis Landessozialgericht - LSG - Sachsen-Anhalt 17.05.2018, L 3 R 8/17). Dies entspreche auch dem Sinn der Regelung des § 183 Satz 2 SGG. Denn der Gesetzgeber wolle es den sonstigen Rechtsnachfolgern ermöglichen, ein schon vom Berechtigten selbst eingeleitetes sozialgerichtliches Verfahren gerichtskostenfrei zu Ende zu führen. Die eigene Entscheidung des sonstigen Rechtsnachfolgers, ein Rechtsmittel einzulegen, solle hingegen kostenmäßig nicht mehr privilegiert sein. Erst recht könne dann die (eigene) Entscheidung des sonstigen Rechtsnachfolgers, nach Abschluss des von ihm aufgenommenen Widerspruchsverfahrens erstmals den Klageweg zu beschreiten, nicht die Kostenfreiheit nach § 183 Satz 2 SGG begründen.
Gegen den ihrem Bevollmächtigten am 02.07.2024 zugestellten Beschluss richtet sich die am 03.07.2024 beim SG eingelegte Beschwerde. Zur Begründung wird ausgeführt, der Rechtszug im Sinne von SGG und GKG meine eindeutig die Instanzen, die vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit beschritten werden könnten. Eindeutig nicht zum Rechtszug zähle das verwaltungsrechtliche Vorverfahren; in Selbigem würden selbstverständlich auch keine Gerichtskosten erhoben. In der zitierten Vorschrift des § 183 SGG sei von Gerichts- und nicht von Verwaltungsverfahrenskosten die Rede. Der Wille des Gesetzgebers gehe dahin, dass dem Rechtsnachfolger wenigstens ein gerichtlicher Instanzenzug zur Verfügung stehen müsse, der für ihn kostenfrei sei. Der Fall der Übernahme des Verfahrens durch den Rechtsnachfolger im Widerspruchsverfahren liege insofern nicht anders als der einer Übernahme durch den Rechtsnachfolger in dem bereits in erster Instanz vor den Sozialgerichten anhängigen Prozess. Die Argumentation des SG überzeuge deswegen nicht.
Das SG hat der Beschwerde nicht abgeholfen und sie dem LSG Baden-Württemberg vorgelegt.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Senatsakte und die beigezogenen Akten S 6 KR 693/24 und S 6 SF 1069/24 E Bezug genommen.
II.
Über Beschwerden des Kostenschuldners gegen die Entscheidung über die Erinnerung entscheidet der nach dem Geschäftsverteilungsplan für solche Kostensachen allein zuständige 10. Senat durch die Einzelrichterin, weil die Entscheidung von der Kammervorsitzenden erlassen worden ist (§ 66 Abs. 6 Satz 1 GKG). Gründe für eine Übertragung auf den Senat liegen nicht vor.
Die Beschwerde ist statthaft, da der Wert des Beschwerdegegenstands 200 € übersteigt (§ 66 Abs. 2 Satz 1 GKG), und auch ansonsten zulässig, jedoch nicht begründet. Das SG hat zu Recht die Erinnerung zurückgewiesen, denn die Gerichtskosten sind in zutreffender Höhe von der Beschwerdeführerin angefordert worden.
Der Kostenansatz ist rechtmäßig. Nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GKG werden die Kosten des ersten Rechtszugs - hier der beim SG anhängigen Klage (S 6 KR 693/24) - bei diesem Gericht angesetzt. Gegenstand des Kostenansatzes ist u.a. die Berechnung der Gerichtskosten und die Feststellung des Kostenschuldners (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Kostenverfügung).
Die Erinnerungsführerin ist Kostenschuldnerin. Gemäß § 22 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 GKG schuldet in gerichtskostenpflichtigen Rechtsstreitigkeiten nach dem SGG die Kosten, wer das Verfahren des Rechtszuges beantragt hat. Da die Beschwerdeführerin Klage erhoben hat, ist sie Kostenschuldnerin.
Es handelt sich vorliegend um ein gerichtskostenpflichtiges Verfahren i.S.v. § 197a SGG, denn die Beschwerdeführerin gehört nicht zum kostenprivilegierten Personenkreis des § 183 SGG. Sie ist weder als Versicherte, noch Leistungsempfängerin einschließlich Hinterbliebenenleistungsempfängerin, behinderter Mensch oder deren Sonderrechtsnachfolgerin nach § 56 SGB I kostenfrei (§ 183 Satz 1 SGG), was von der Beschwerdeführerin selbst auch nicht in Zweifel gezogen wird. Anders als sie meint, greift jedoch auch nicht die Vorschrift des § 183 Satz 2 SGG. Danach bleibt das Verfahren in dem Rechtszug kostenfrei, wenn ein sonstiger Rechtsnachfolger - wie eine Erbin - das Verfahren aufnimmt. Soweit die Beschwerdeführerin darauf hinweist, dass mit „Rechtszug“ ausschließlich das gerichtliche Verfahren gemeint ist, trifft dies zu. Die Sozialgerichtsbarkeit kennt mit den Verfahren vor den Sozialgerichten, Landessozialgerichten und dem Bundessozialgericht (BSG) drei Rechtszüge (Schmidt in Meyer-Ladewig/Keller/Schmidt, SGG, 14. Aufl., § 197a Rn. 3), das Verwaltungsverfahren als Vorverfahren zählt nicht dazu. Daraus folgt indes mitnichten, dass die Klageerhebung bei Eintritt der Rechtsnachfolge im Verwaltungsverfahren für einen sonstigen Rechtsnachfolger kostenfrei sein müsste oder dies gar vom Gesetzgeber so gewollt sei; das Gegenteil ist der Fall (BT-Drs. 14/5943 S. 28: „Für sonstige Rechtsnachfolger soll die Kostenfreiheit nur für die laufende Instanz gelten.“). Schon der Wortlaut des § 183 Satz 2 SGG regelt klar, dass das Verfahren nur in dem jeweiligen Rechtszug kostenfrei bleibt, in dem es aufgenommen wird. Ist noch gar kein gerichtliches Verfahren durch die kostenprivilegierte Person anhängig gemacht worden, kann es auch nicht kostenfrei bleiben. Wird ein gerichtliches Verfahren erst durch den sonstigen Rechtsnachfolger eingeleitet, ist dieses nach völlig einhelliger Auffassung kostenpflichtig (vgl. BSG 17.03.2022, B 9 SB 64/21 B; LSG Sachsen-Anhalt 17.05.2018, L 3 R 8/17; Hessisches LSG 13.10.2017, L 5 R 272/14; LSG Nordrhein-Westfalen 21.04.2006, L 14 B 3/06 R, alle in juris; Lange in jurisPK-SGG, 2. Aufl., § 183 Rn. 80; Krauß in BeckOGK SGG, Stand 01.08.2024, § 183 Rn. 51; Groß in Berchtold, SGG, 6. Aufl., § 183 Rn. 8).
Die Gebühren sind nach § 6 Abs. 1 Nr. 5 GKG mit Einreichung der Klageschrift fällig geworden.
Auch die Höhe der geforderten Gebühr ist nicht zu beanstanden. Insoweit wird auf die zutreffenden Gründe des angefochtenen Beschlusses Bezug genommen. Die Gebührenfestsetzung ist somit korrekt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 66 Abs. 8 GKG.
Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).