L 1 BA 64/23

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Gießen (HES)
Sachgebiet
Betriebsprüfungen
1. Instanz
SG Gießen (HES)
Aktenzeichen
S 4 BA 21/22
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 1 BA 64/23
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil


Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 28. September 2023 insoweit aufgehoben, als die Beklagte verurteilt wird, den Betrag von 12.832,42 EUR nebst Zinsen an die Klägerin zurückzuzahlen. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen. 

Die Beklagte hat die Kosten des gesamten Verfahrens, mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen, zu tragen.  

Die Revision wird zugelassen. 

Der Streitwert wird auf 12.832,42 € festgesetzt.
 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten im Kern um die Sozialversicherungspflicht der Beigeladenen zu 1) bis 3) sowie der verstorbenen Frau G. für ihre Tätigkeit bei der Klägerin und in der Folge ggf. um die Höhe der Sozialversicherungsbeiträge. 

Die Klägerin ist ein eingetragener gemeinnütziger Verein, der von der Gewerbesteuer befreit ist. Sie betreibt ein Museum in A-Stadt. Die Beigeladenen 1) bis 3) sowie die verstorbene Frau G. (im Folgenden allesamt als betroffene Personen bezeichnet) waren in den Räumen der Klägerin, im Bereich des Einlasses und der Kasse, tätig. 

Die Beklagte führte bei der Klägerin, bezogen auf den Zeitraum vom 01.01.2015 bis 31.12.2018, eine Betriebsprüfung durch, nahm Ermittlungen durch Sichtung von Unterlagen der Klägerin und Befragung der betroffenen Personen sowie von Vorstandsmitgliedern der Klägerin vor. Nach Angaben der Klägerin bzw. der Beigeladenen im Verwaltungsverfahren war während der Öffnungszeiten des Museums (10:00 bis 16:00 Uhr) jeweils eine der betroffenen Personen tätig. Wer jeweils diese Aufgabe wahrnahm, stimmten die betroffenen Personen demnach untereinander ab. Die jeweils betroffene Person öffnete den Angaben zufolge das Museum, nahm von den Besuchern Eintritt und organisierte bei Bedarf Museumsführer, nahm selbst aber keine Führungen vor. Weitere Tätigkeiten für die Klägerin seien lediglich durch einen Hausmeister, eine Reinigungskraft und die Museumsführer wahrgenommen worden. Alle sonstigen anfallenden Aufgaben seien vom Vorstand erledigt worden. Die Tätigkeit zwischen den betroffenen Personen und der Klägerin hatte ihre Grundlage in einer mündlichen Vereinbarung und war unstreitig als ehrenamtliche Tätigkeit vorgesehen. Die betroffenen Personen erhielten eine als „Aufwandsentschädigung" bezeichnete Zuwendung von 5 € pro Stunde und damit 30 € pro Tag. Weisungen durch die Klägerin oder deren Vertreter seien nach Angaben der Klägerin nicht erfolgt. 

Nach entsprechender Anhörung forderte die Beklagte von der Klägerin mit Bescheid vom 28.09.2020 Sozialversicherungsabgaben in Höhe von insgesamt 12.832,42 € nach.

Zur Begründung führte sie aus, den Tätigkeiten der betroffenen Personen hätten abhängige Beschäftigungsverhältnisse zugrunde gelegen. Hierzu führt der Bescheid unter anderem aus, es seien Weisungen erteilt worden, die Angaben der betroffenen Personen seien insofern unzutreffend. Denn die Art der auszuführenden Arbeiten hätte nur einen geringen Spielraum zugelassen. Auch sei der Arbeitsort festgelegt gewesen. Die betroffenen Personen hätten weiterhin im Auftrag und auf Rechnung der Klägerin gehandelt und ihre Arbeiten persönlich ausführen müssen. Die Tätigkeit sei in für Arbeitnehmer typischer Regelmäßigkeit erfolgt. Die rein mündliche Vereinbarung spreche für abhängige Beschäftigung. Typische Merkmale unternehmerischen Handelns fehlten. So seien keine Betriebsmittel oder eigenes Kapital eingesetzt, sondern Arbeitsmittel zur Verfügung gestellt worden. Ein nennenswertes unternehmerisches Risiko habe nicht bestanden, auch Preise hätten nicht selbst gestaltet werden können, der Stundenlohn von 5 € sei vom Auftraggeber vorgegeben gewesen. Es hätten auch keine Gewerbeanmeldungen vorgelegen. Die Möglichkeit, Aufträge anzunehmen und abzulehnen, gelte zwar grundsätzlich als Indiz für das Vorliegen einer selbstständigen Tätigkeit, doch seien auch im Rahmen abhängiger Beschäftigungsverhältnisse Vertragsgestaltungen nicht unüblich, die es weitgehend dem Arbeitnehmer überließen, ob er im Anforderungsfall tätig werden wolle oder ob er ein konkretes Angebot ablehne. 

Hinsichtlich der Nachforderungshöhe wurde für die betroffenen Personen ab Beginn eines Kalenderjahres die ersten 720 € der jeweiligen Vergütungen als Ehrenamtspauschale steuer- und sozialversicherungsfrei bewertet. Ab Überschreiten der vorgenannten Einkommensgrenze könne eine ehrenamtliche Tätigkeit nicht mehr geltend gemacht werden. Insoweit handele es sich um beitragspflichtiges Arbeitsentgelt, für das der jeweils gültige Mindestlohn (bis 31.12.2016 8,50 €, bis 31.12.2018 8,84 € brutto je Zeitstunde) zu berücksichtigen sei. 

Der Bescheid setzt sich mit der Versicherungspflicht in den einzelnen Zweigen der Sozialversicherung in Bezug auf die einzelnen betroffenen Personen auseinander und enthält Berechnungsbögen, in der die einzelnen Beitragsbestandteile aufgeschlüsselt sind. 

Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin am 02.11.2020 Widerspruch ein, den sie dahingehend begründete, dass die betroffenen Personen mit ihrer Tätigkeit altruistische Motive ohne Erwerbsabsicht verfolgt hätten. Die Tätigkeiten seien freiwillig und weisungsunabhängig erbracht worden. Für die Tätigkeit seien lediglich Aufwandsentschädigungen gezahlt worden, deren Höhe für etwaige Auslagen (insb. Fahrt- und Verpflegungsmehrkosten) angemessen gewesen sei. Die geteilte Bewertung ein und derselben Tätigkeit nach einer ehrenamtlichen, nicht sozialversicherungsrechtlichen und einer sozialversicherungspflichtigen Tätigkeit sei fehlerhaft. Die Bewertung einer Tätigkeit habe nach festgelegten Kriterien unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls im Rahmen einer Gesamtwürdigung und damit als einheitliche zu erfolgen. Die Einhaltung der steuerlichen Aufwandspauschale für ehrenamtliche Tätigkeit könne dabei lediglich ein Indiz für das Vorliegen einer ehrenamtlichen Tätigkeit sein, da dann das Fehlen des Erwerbscharakters der Tätigkeit vermutet werde. Zwingende Voraussetzung sei sie nicht. Überdies sei die Bewertung der für und gegen eine abhängige Beschäftigung sprechenden Indizien durch die Beklagte fehlerhaft vorgenommen worden. Die aktuelle Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) bestätige, dass entscheidend sei, ob bei der ausgeübten Tätigkeit keine maßgebliche Erwerbsabsicht im Vordergrund stehe; finanzielle Zuwendungen würden daher die Unentgeltlichkeit des ehrenamtlichen Engagements keineswegs ausschließen. Die im vorliegenden Fall gezahlten Beträge würden keineswegs evident über den tatsächlichen Aufwand für das Ehrenamt hinausgehen, eine verdeckte Entlohnung liege nicht vor. Irrelevant sei, ob der Aufwendungsersatz konkrete oder pauschal berechnete Aufwände abdecke. 

Mit Widerspruchsbescheid vom 13.07.2022 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung wiederholte sie im Wesentlichen die Gründe des Ausgangsbescheids, nun in einer wertenden Gegenüberstellung der jeweiligen Indizien für und gegen abhängige Beschäftigung. Das ehrenamtliche Engagement sei dabei objektiv abzugrenzen. Zu klären sei, was vom ehrenamtlich Tätigen im konkreten Fall normativ oder mangels rechtlicher Regelung nach allgemeiner Verkehrsanschauung - von Aufwandsentschädigung und Aufwendungsersatz abgesehen - ohne Entlohnung und Arbeitskraft habe erwartet werden können. Es müsse objektiv erkennbar die Verrichtung von Tätigkeiten zur Verfolgung eines ideellen Zwecks ohne Erwerbsabsicht vorliegen. Unentgeltlichkeit sei im Hinblick auf ein Ehrenamt Ausdruck dafür, dass keine maßgebliche Erwerbsabsicht im Vordergrund stehe. Sofern finanzielle Zuwendungen erfolgten, schlössen diese die Unentgeltlichkeit des ehrenamtlichen Engagements zwar nicht prinzipiell aus. Vorliegend seien aber alle wesentlichen für einen Arbeitnehmerstatus sprechenden Kriterien erfüllt, sodass sich im Rahmen der Gesamtbetrachtung herausstelle, dass das Gepräge einer abhängigen Beschäftigung vorliege und nicht einer ehrenamtlichen Tätigkeit. 

Dagegen hat die Klägerin am 15.08.2022 Klage vor dem Sozialgericht Gießen erhoben. Zur Begründung hat sie sich auf ihre Ausführungen im Anhörungs- und Widerspruchsverfahren bezogen und die dortige Argumentation verbreitert und vertieft. Insbesondere habe die Beklagte die besonderen Umstände des Einzelfalls nicht berücksichtigt, sondern sinngemäß typisierend eine Wertung der abstrakten Tätigkeit vorgenommen. Die gezahlte pauschale Aufwandsentschädigung habe insbesondere dem Ausgleich von Fahrtkosten und Verpflegung gedient und damit lediglich den durch die Tätigkeit entstandenen persönlichen Aufwand der betroffenen Personen ausgleichen sollen. Es habe sich aber nicht um eine adäquate Gegenleistung für die Tätigkeit gehandelt, sondern sei Ausdruck von Wertschätzung gewesen. Die Personen hätten auch jederzeit ihre Tätigkeit beenden können. Zahlungen in Zeiten der Abwesenheit, auch krankheits- oder urlaubsbedingt, seien nicht erfolgt. Es habe an einer Erwerbsabsicht gefehlt. Die betroffenen Personen hätten sich in ihrer persönlichen freien Lebensgestaltung nicht einschränken wollen. Die Klägerin hat auch die gesellschaftliche Bedeutung des Ehrenamtes hervorgehoben.

Mit Urteil vom 28.09.2023 hat das Sozialgericht den Bescheid vom 28.09.2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13.07.2022 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, den Betrag von 12.832,42 € nebst Zinsen in Höhe von 4% aus einer Summe von 12.832,00 € ab dem 02.12.2020 an die Klägerin zurückzuzahlen. Zur Begründung hat die Kammer in ihren Entscheidungsgründen ausgeführt, der aufgehobene Bescheid sei rechtswidrig und verletze die Klägerin in ihren Rechten. Zu Unrecht habe die Beklagte festgestellt, dass die im Bescheid benannten Personen sozialversicherungspflichtig seien, und die die steuerfreie Aufwandsentschädigung in Höhe von 720,00 € jährlich übersteigenden Beiträge nachgefordert. Die ehrenamtliche Tätigkeit der Betroffenen begründe keine Sozialversicherungspflicht, da diese nicht abhängig - geringfügig - beschäftigt gewesen seien und kein Arbeitsentgelt erhalten hätten. Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt seien, unterlägen grundsätzlich in der Kranken- (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V)), Pflege- (§ 20 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 Elftes Buch Sozialgesetzbuch – Soziale Pflegeversicherung (SGB XI)), Renten- (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Rentenversicherung (SGB VI))  und Arbeitslosenversicherung (§ 25 Abs. 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch – Arbeitsförderung (SGB III)) der Versicherungs- und Beitragspflicht. Im Rahmen einer geringfügigen Beschäftigung nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch – Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung (SGB IV) bestehe allerdings nur Versicherungspflicht in der Rentenversicherung, § 7 Abs. 1 S. 1 SGB V, § 20 Abs. 1 S. 1 SGB XI, § 27 Abs. 2 S. 1 SGB III. Nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV liege eine geringfügige Beschäftigung vor, wenn das Arbeitsentgelt aus dieser Beschäftigung regelmäßig die Geringfügigkeitsgrenze nicht übersteige. Zunächst habe kein Beschäftigungsverhältnis vorgelegen. Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung sei § 7 Abs. 1 SGB IV. Hiernach sei Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis (S. 1). Anhaltspunkte für eine Beschäftigung seien eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers (S. 2). Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setze eine abhängige Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig sei. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb sei dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert sei und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliege. Diese von der Rechtsprechung formulierten Kriterien orientieren sich am Typus des Arbeitnehmers, der in § 7 Abs. 1 S. 1 SGB IV als normativer Regelfall abhängiger Beschäftigung genannt werde. Kennzeichnend für die persönliche Abhängigkeit Beschäftigter sei ebenfalls, dass Beschäftigte ihre Arbeitsleistung auf der Grundlage eines gegenseitigen Vertrages oder Rechtsverhältnisses (insbesondere eines Arbeitsverhältnisses) erbringen, um als Gegenleistung dafür eine Entlohnung zu erhalten, sodass die Arbeitsleistung bei objektiver Betrachtung zu Erwerbszwecken erbracht werde (vgl. BSG, Urteil vom 16.08.2017, B 12 KR 14/16 R). Demgegenüber sei eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet.
Bei der Statusbeurteilung sei regelmäßig vom Inhalt der zwischen den Beteiligten getroffenen Vereinbarungen auszugehen. Lägen schriftliche Vereinbarungen vor, so sei neben deren Vereinbarkeit mit zwingendem Recht auch zu prüfen, ob mündliche oder konkludente Änderungen erfolgt seien. Diese seien ebenfalls nur maßgebend, soweit sie rechtlich zulässig seien. Schließlich sei auch die Ernsthaftigkeit der dokumentierten Vereinbarungen zu prüfen und auszuschließen, dass es sich hierbei um einen bloßen „Etikettenschwindel“ handele, der unter Umständen als Scheingeschäft im Sinne des § 117 BGB zur Nichtigkeit dieser Vereinbarungen und der Notwendigkeit führen könne, gegebenenfalls den Inhalt eines hierdurch verdeckten Rechtsgeschäfts festzustellen. Erst auf der Grundlage der so getroffenen Feststellungen über den (wahren) Inhalt der Vereinbarungen sei eine wertende Zuordnung des Rechtsverhältnisses zum Typus der Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit vorzunehmen und in einem weiteren Schritt zu prüfen, ob besondere Umstände vorlägen, die eine hiervon abweichende Beurteilung notwendig machen (vgl. zum Ganzen bspw. BSG, Urteil vom 14.03.2018,- B 12 KR 3/17 R m.w.N.). 

Zuzugestehen sei der Beklagten, dass die Auftragnehmer dergestalt in den Betrieb der Klägerin eingebunden gewesen seien, als dass die Tätigkeit nur dort und nur zu den grundsätzlichen Öffnungszeiten des Museums zu erbringen gewesen seien. Dies aber sei der Tätigkeit an der Kasse immanent; hieraus folge nicht zwingend eine Arbeitnehmereigenschaft. Weiter sei der Beklagten zuzugestehen, dass die Tätigkeit der betroffenen Personen keine weiteren Merkmale einer selbstständigen Tätigkeit erfüllt habe. Die Auftragnehmer hätten weder ein Unternehmerrisiko getragen, eine Betriebsstätte gehalten oder eigene Arbeitnehmer eingesetzt. Dies sei aber vorliegend irrelevant, da eine Selbstständigkeit der Tätigkeit im konkreten Fall gar nicht zur Diskussion stehe. Streitig sei allein, ob die ehrenamtliche Tätigkeit der betroffenen vier Personen eine Verpflichtung zur Beitragszahlung auslöse oder nicht. Weiter hätten die beteiligten Personen ihr ehrenamtliches Engagement nicht zu Erwerbszwecken oder in Erwartung einer finanziellen Gegenleistung erbracht. Die Kammer sei der Auffassung, dass die betroffenen Personen kein Arbeitsentgelt bezogen hätten, sondern lediglich eine Aufwandsentschädigung für die ehrenamtliche Tätigkeit. Zwar schließe das Vorliegen eines Ehrenamtes nicht zwingend das Vorliegen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses aus. Ehrenamtliche Tätigkeit sei aber nicht auf Repräsentationsaufgaben beschränkt, sondern erhält sein Gepräge durch die Verfolgung ideeller Zwecke und Unentgeltlichkeit. Entgeltlichkeit sei zwar kein absolut zwingendes Kriterium abhängiger Beschäftigung, jedoch sei sie Typus bildend für die abhängige Beschäftigung, denn regelhaft liegt der Ausübung einer Beschäftigung ein Erwerbszweck zugrunde. Sofern finanzielle Zuwendungen erfolgten, schlössen diese die Unentgeltlichkeit des ehrenamtlichen Engagements nicht prinzipiell aus. Sie seien unschädlich, wenn sie in Form von Aufwendungsersatz konkrete oder pauschal berechnete Aufwände abdeckten. Im Rahmen einer Aufwandsentschädigung könne auch ein pauschaler Ausgleich für die übernommene Verpflichtung gewährt werden. Die Beurteilung der Erwerbsmäßigkeit erfolge dabei nicht aus der subjektiven Sicht des Einzelnen; das ehrenamtliche Engagement sei objektiv abzugrenzen. Dazu sei zu klären, was vom ehrenamtlich Tätigen im konkreten Fall normativ oder mangels rechtlicher Regelung nach allgemeiner Verkehrsanschauung – von Aufwandsentschädigung und Aufwendungsersatz abgesehen – ohne Entlohnung seiner Arbeitskraft erwartet werden könne (vgl. BSG, Urteil vom 27.04.2021, B 12 R 8/20 R; Urteil vom 16.08.2017, B 12 KR 14/16 R). Unschädlich sei daher, dass die verstorbene Frau G. nicht mehr zur Erwerbsabsicht befragt werden habe können. Vorliegend seien die betroffenen Personen überwiegend Rentner, so dass sie die Tätigkeit in ihrem Ruhestand und neben dem Bezug einer Rente ausgeübt hätten. Der Beigeladene zu 1) sei im Beurteilungszeitraum zwar kein Rentner, sondern hauptberuflich als freier Übersetzer tätig gewesen; in diesem Rahmen allerdings habe er auch über eine freie Zeiteinteilung und einen gesicherten Lebensunterhalt verfügt. Objektiv betrachtet könne im konkreten Fall nach allgemeiner Verkehrsanschauung von einem Rentner mit gesichertem Lebensunterhalt erwartet werden, dass er zur Zeitausfüllung und Interessensgestaltung sowie zur Teilhabe am öffentlichen Leben fünf Stunden am Tag und dies an mehreren Tagen im Monat eine Tätigkeit ohne Entlohnung seiner Arbeitskraft ausübe. Denn es sei objektiv davon auszugehen, dass der Lebensunterhalt gedeckt sei und die anderweitige Tätigkeit rein „zum Zeitvertreib“ erfolge.

Aus § 2 der Satzung des Vereins ergäben sich seine Aufgaben. Diese seien 1. qualifizierte und allgemeinverständliche Darstellung von Liebigs Lebenswerk, insbesondere seiner Bedeutung für die Entwicklung der modernen Chemie und der menschlichen Gesellschaft, 2. Erhaltung und Pflege des originalen Liebig-Laboratoriums – des heutigen Liebig-Museums – mit seiner historischen Einrichtung und Sammlung, 3. Förderung der chemisch-historischen Forschung durch wissenschaftliche Bearbeitung von Liebigs Schriften und seiner Korrespondenz, 4. Museumsführungen, Vortragsveranstaltungen und Ausstellungen. Zur Überzeugung der Kammer hätten die Beigeladenen den Zweck des Vereins fördern und keine wirtschaftliche Tätigkeit zur Einkommenserzielung ausführen wollen. Die Tätigkeiten an der Kasse und in der Museumsaufsicht gingen auch nicht über die sich aus der Satzung ergebenden mitgliedschaftlichen Pflichten hinaus, da sie allein der Durchführung von Ausstellungen, Führungen und allgemein dem Erhalt des Museums dienten. Hier sei darauf hinzuweisen, dass Justus Liebig in der Stadt A-Stadt eine herausragende Rolle spiele, was sich unter anderen daran zeige, dass auch die ansässige Universität nach ihm benannt sei. Damit sei gerade für Liebhaber der Chemie und Einwohner der Stadt A-Stadt das Museum von Bedeutung. Dass die benannten Personen sehr häufig im Einsatz gewesen seien, da sie nur zu dritt diese Tätigkeit ausgeübt hätten, zeige nach Auffassung der Kammer allein den Einsatz für das Ehrenamt, da ihnen der Erhalt des Museums am Herzen gelegen und andere Ehrenamtliche nicht hätten gefunden werden können.

Die Gewährung der Aufwandspauschale stelle keine Vergütung der Tätigkeit dar. Die Aufwandsentschädigung sei pauschal pro Stunde gezahlt worden, weitere Kosten wie Fahrt- oder Verpflegungskosten seien nicht übernommen worden. Eine verdeckte Vergütung sei nicht ersichtlich. Zwar sei die Aufwandsentschädigung nicht an die konkrete Höhe bestimmter tatsächlich entstandener Sachaufwendungen geknüpft gewesen, wohl aber an den mit der Tätigkeit zu erwartenden Aufwand, nämlich die im Museum verbrachte Zeit. Auch die Höhe der gewährten Aufwandsentschädigung gebe keinen Anlass, eine verdeckte Vergütung anzunehmen. Es seien 5,00 € pro Stunde gezahlt worden, womit sich keine Anhaltspunkte für einen Erwerbszweck ergäben. Dass sich die Höhe der Aufwandsentschädigung nicht an der Höhe der Ehrenamtspauschale im Sinne des § 3 Nr. 26a EStG a.F. angelehnt, sondern diese überstiegen habe, sei nach Ansicht der Kammer unschädlich und mache die Aufwandspauschale vorliegend nicht zu Arbeitsentgelt. Nach § 3 Nr. 26a EStG a.F. seien Aufwandsentschädigungen aus einer ehrenamtlichen Tätigkeit bis zur Höhe von 720,00 € steuer- und beitragsfrei. Soweit kein entlohntes abhängiges Beschäftigungsverhältnis im Sinne des § 7 Abs. 1 SGB IV im Zusammenhang mit der Tätigkeit aus dem Ehrenamt vorliege, bleibt der übersteigende Teil auch beitragsfrei in der Sozialversicherung.

Es habe damit kein Beschäftigungsverhältnis vorgelegen. Eine Einstufung der finanziellen Zuwendungen als Arbeitsentgelt nach § 14 SGB IV scheide daher aus. Die Klage sei damit begründet, der angegriffene Bescheid aufzuheben. In der Folge sei die von der Klägerin schon geleistete Beitragsnachforderung von der Beklagten zurückzuzahlen, § 26 Abs. 2 SGB IV. Der Zinsanspruch ergebe sich aus § 27 Abs. 1 S. 1 SGB IV. Hiernach sei der Erstattungsanspruch nach Ablauf eines Kalendermonats nach Eingang des vollständigen Erstattungsantrags, beim Fehlen eines Antrags nach der Bekanntgabe der Entscheidung über die Erstattung bis zum Ablauf des Kalendermonats vor der Zahlung mit vier vom Hundert zu verzinsen. In einem zulässigen und begründeten Widerspruch gegen einen Beitragsbescheid oder in einer unter Vorbehalt erfolgten rechtswidrigen Beitragszahlung sei ein vollständiger Antrag auf Erstattung der Beiträge in der Regel enthalten (vgl. BeckOGK/Zieglmeier, Stand: 15.2.2023, SGB IV, § 27, Rn. 13). Gründe, vorliegend hiervon abzuweichen, seien nicht ersichtlich. Die Verzinsung sei daher einen Monat nach Eingang des Widerspruchsschreibens am 02.11.2020 und somit ab dem 02.12.2020 zu leisten. Nach § 27 Abs. 1 S. 2 SGB IV würden allerdings nur volle Euro-Beträge verzinst, weshalb auf eine Summe von 12.832,00 € abzustellen ist.

Die Beklagte hat gegen das ihr am 29.11.2023 zugestellte Urteil am 29.12.2023 vor dem Hessischen Landessozialgericht Berufung eingelegt. Zur Begründung hat sie vorgetragen, ob jemand beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richte sich nach dem Gesamtbild der jeweiligen Tätigkeit. Es sei unstreitig, dass die betroffenen Personen mit der Ausführung ihrer Tätigkeiten einen ideellen Zweck verfolgt hätten. Allein durch die ehrenamtliche Ausübung einer dem allgemeinen Erwerbsleben zugänglichen Tätigkeit entfalle aber nicht deren Sozialversicherungspflicht. In der Gesamtbewertung seien die betroffenen Personen weisungsgebunden und in die Arbeitsorganisation der Klägerin eingegliedert gewesen und hätten kein unternehmerisches Risiko getragen, was sie, ähnlich wie im angegriffenen Bescheid näher ausgeführt hat. Bei den Zuwendungen an die Beigeladenen auf der Bemessungsgrundlage eines Stundensatzes i.H.v. 5 € habe es sich beitragsrechtlich weder um einen Aufwendungsersatz noch um eine Aufwandsentschädigung, sondern der Art nach um eine (verdeckte) Entlohnung gehandelt. Der Stundenlohn habe nicht an die konkrete Höhe bestimmter tatsächlich entstandener Sachaufwendungen angeknüpft und keinen Unterschied zu einer Gegenleistung für erbrachte Arbeit erkennen lassen. Schließlich habe die Zahlung die Ehrenamtspauschale überstiegen. Ehrenamtliche Tätigkeit sei aber vor allem durch Unentgeltlichkeit geprägt. 

Die Beklagte beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 28.09.2023 aufzuheben und die Klage abzuweisen. 

Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angegriffene Entscheidung für zutreffend. Sie weist insbesondere noch darauf hin, dass aus einem Mangel an Kräften auch der Kurator oder die Experimentatoren ausgeholfen hätten, um zu verhindern, dass das Museum an einzelnen Tagen habe geschlossen bleiben müssen. Gleichwohl sei es dazu wegen des Ausfalls der Ehrenamtlichen häufiger gekommen. Die Klägerin kritisiert insgesamt die Anlegung der üblichen Maßstäbe auf die hier vorliegende ehrenamtliche Betätigung. Die Unentgeltlichkeit einer Tätigkeit allein an der starren Grenze der Ehrenamtspauschale zu bemessen, sei nicht haltbar und überholt.

Der Berichterstatter hat mit den Beteiligten am 14.11.2024 einen Termin zur Erörterung der Sach- und Rechtslage durchgeführt und dabei den Vorsitzenden der Klägerin sowie die Beigeladene zu 1) und die Beigeladene zu 2) angehört. 

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie die Verwaltungsakte des Beklagten, die Gegenstand der Beratung waren, Bezug genommen.


Entscheidungsgründe

Die Entscheidung konnte ohne mündliche Verhandlung ergehen, da sich die Beteiligten mit dieser Vorgehensweise einverstanden erklärt haben, § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG). 

Die Berufung ist zulässig, aber nur im tenorierten Umfang begründet. 

Das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 28.09.2023 war insoweit aufzuheben, als die Beklagte zur Rückzahlung der Sozialversicherungsbeiträge verurteilt worden war. Die zu Unrecht entrichteten Beiträge werden der Klägerin zwar zu erstatten sein, vgl. insbesondere, jedoch nicht abschließend, § 26 Abs. 1 SGB VI, nicht jedoch durch die Beklagte. Nach § 28h Abs. 1 S. 1 SGB V ist der Gesamtsozialversicherungsbeitrag an die Krankenkassen als Einzugsstellen zu zahlen. Auch die Erstattung erfolgt durch sie (vgl. insbesondere in Bezug auf die Rentenversicherungsträger § 211 S. 1 Nr. 1 SGB VI i.V.m. mit den getroffenen Vereinbarungen). 

Im Übrigen hingegen ist das Urteil nicht zu beanstanden. Der Bescheid der Beklagten vom 28.09.2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13.07.2022 ist nämlich rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten. Seine Aufhebung durch das Sozialgericht ist folgerichtig. Der angefochtene Bescheid ordnet die Tätigkeit der betroffenen Personen zu Unrecht als abhängige Beschäftigung ein. Bei den Tätigkeiten handelte sich um eine die Sozialversicherungspflicht ausschließende ehrenamtliche Betätigung. 

Die Rechtsprechung hat sich in einer Vielzahl von Streitigkeiten mit den sozialversicherungsrechtlichen Konsequenzen ehrenamtlicher Betätigung beschäftigt. Insbesondere das BSG hat in einer Reihe von Urteilen maßgebende Grundsätze entwickelt. Die dortigen Fallkonstellationen unterscheiden sich vom vorliegenden Fall meist dadurch, dass die – jedenfalls „auch“ bestehende – Ehrenamtlichkeit der jeweiligen Funktionen in den vom BSG zu beurteilenden Tätigkeiten Prämisse der Betrachtung war. Denn entweder existierten rechtsverbindliche Vorschriften über die Funktionsträgerschaft, weil es sich um unmittelbar oder mittelbar staatliche Organisationsstrukturen handelte (bspw. ehrenamtlicher Bürgermeister in Urteil vom 27.04.2021, B 12 R 8/20 R, ehrenamtlicher Ortsvorsteher in Urteil vom 27.04.2021, B 12 KR 25/19 R Kreishandwerkermeister in Urteil vom 16.08.2017, B 12 KR 14/16 R; Kreisbrandmeister in Urteil vom 15.07.2009, B 12 KR 1/09 R, siehe ebenso das Urteil des erkennenden Senats vom 17.03.2022, L 1 KR 412/20, Stadtverordnete) oder es lagen privatrechtlich organisierte Institutionen zugrunde, bei denen jedoch die Ehrenamtlichkeit der einzelnen Funktionsausübungen durch entsprechend rechtsverbindliche Grundlagen des Zivilrechts – in der Regel durch die Satzung – festgelegt war (bspw. gemeinnützige Stiftung bürgerlichen Rechts in BSG, Urteil vom 23.02.2021, B 12 R 15/19 R). Im hier zu beurteilenden Fall fehlt es an einer solchen Vorfestlegung, bezogen auf die betroffenen Personen. 

Es handelte sich bei den vorliegenden Tätigkeiten auch unstreitig nicht um Tätigkeiten, die im Rahmen der Vereinsmitgliedschaft bei der Klägerin in Erfüllung mitgliedschaftlicher Vereinspflichten ausgeübt worden sind, was sie der Bewertung als abhängige Beschäftigung nach Auffassung des BSG ohne Weiteres entzöge (BSG, Urteil vom 27.10.2009, B 2 U 26/08 R; näher zu der Abgrenzung BSG, Urteil vom 13.08.2002, B 2 U 29/01 R sowie Urteil vom 27.01.1994, 2 RU 17/93).

Die Frage ehrenamtlicher Tätigkeit ist deshalb vorliegend nicht Ausgangspunkt, sondern Bestandteil der Gesamtbewertung der Tätigkeit unter sozialversicherungsrechtlicher Betrachtung. 

Dabei spricht eine Prüfung nach den allgemeinen Abgrenzungsgrundsätzen zunächst für die Annahme abhängiger Beschäftigung. Beschäftigung ist gemäß § 7 Abs 1 SGB IV die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine abhängige Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann, vornehmlich, aber nicht nur bei Diensten höherer Art, eingeschränkt und zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich danach, welche Umstände das Gesamtbild der Arbeitsleistung prägen und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen. Die Zuordnung einer Tätigkeit nach deren Gesamtbild zum rechtlichen Typus der Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit setzt voraus, dass alle nach Lage des Einzelfalls als Indizien in Betracht kommenden Umstände festgestellt, in ihrer Tragweite zutreffend erkannt und gewichtet, in die Gesamtschau mit diesem Gewicht eingestellt und nachvollziehbar, das heißt den Gesetzen der Logik entsprechend und widerspruchsfrei, gegeneinander abgewogen werden (ständige Rspr., vgl. etwa BSG, Urteil vom 23.02.2021, B 12 R 15/19 R, Rn. 13 f. m.w.N.). Bei der Statusbeurteilung ist regelmäßig vom Inhalt der zwischen den Beteiligten getroffenen Vereinbarungen auszugehen, den die Verwaltung und die Gerichte konkret festzustellen haben. Erst auf der Grundlage der so getroffenen Feststellungen über den Inhalt der Vereinbarungen ist eine wertende Zuordnung des Rechtsverhältnisses zum Typus der Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit vorzunehmen und in einem weiteren Schritt zu prüfen, ob besondere Umstände vorliegen, die eine hiervon abweichende Beurteilung notwendig machen (BSG a.a.O.). 

Die betroffenen Personen waren in die Arbeitsorganisation der Klägerin eingebunden. Der eigene Vortrag der Klägerin, der durch Vortrag der betroffenen Personen bestätigt worden ist, belegt dies. Die Öffnung und damit der Betrieb des Museums hing vom jeweiligen Tätigkeitwerden einer der betroffenen Personen ab. Konnte oder wollte keiner der betroffenen Personen an einem bestimmten Tag die Tätigkeit ausüben, musste das Museum (im Regelfall) geschlossen bleiben. Im Zuge der Wahrnehmung ihrer Tätigkeit nahmen die betroffenen Personen die Eintrittsgelder ein und organisierten Museumsführungen. Nach Angaben der Kläger gab es neben den Vorstandsmitgliedern, dem Hausmeister und einer Reinigungskraft lediglich die betroffenen Personen und die Experimentatoren bzw. Museumsführer als für die Klägerin Tätige. Die Experimentatoren/Museumsführer, die den Museumsbesuch inhaltlich ausfüllten, und die betroffenen Personen, die den organisatorischen Rahmen (Öffnung, Schließung, Organisation der Führung) sowie die betriebswirtschaftliche Seite (Einnahme der Eintrittsgelder) eines Museumsbesuchs abbildeten, gestalteten damit gemeinsam den gesamten operativen Betrieb des Museums als Besuchsstätte. Die betroffenen Personen unterlagen auch der Weisung der Klägerin bzw. ihrer Vorstandsmitglieder. Nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht und dem Erörterungstermin vor dem Landessozialgericht feststehenden und auch von keiner Seite bestrittenen Befund, unterlagen die betroffenen Personen hinsichtlich ihres Einsatzes im Museum keiner Vorgabe durch die Klägerin, etwa in Gestalt eines Dienstplanes oder einer sonstigen organisatorischen Vorgabe. Die Einteilung der Tätigkeitstage erfolgte einvernehmlich unter den jeweils für die Klägerin tätigen betroffenen Personen. Eine grundsätzlich bestehende Ablehnungsmöglichkeit eines Tätigkeitsangebots schließt aber weder eine Weisungsgebundenheit noch eine abhängige Beschäftigung aus. Nimmt nämlich der jeweils Betroffene das Angebot an, übt er die Tätigkeit in persönlicher Abhängigkeit in einem fremden Betrieb und damit im Rahmen einer abhängigen Beschäftigung aus, wenn die dann übernommene Tätigkeit dieses Gepräge aufweise (vgl. LSG Hessen, Urteil vom 24.02.2009, L 1 KR 249/08). In der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht hat die Beigeladene zu 2) ausgeführt, die Schatzmeisterin der Klägerin habe „sporadisch immer mal geschaut“, ob die Tage alle abgedeckt seien, ansonsten habe man sich auf die (seinerzeit) drei betroffenen Personen verlassen. Dies belegt beispielhaft, was bereits die allgemeine Lebenserfahrung besagt, nämlich, dass seitens der Klägerin organisatorische Vorgaben über den Betrieb des Museums existierten, so z.B., dass jeweils einer der betroffenen Personen seine Tätigkeit aufzunehmen hatte. Alles andere wäre lebensfremd, weil der Betrieb eines Museums nicht vom Zufall des Erscheinens oder Nichterscheinens der Kassenkräfte oder deren Verhalten vor Ort abhängen kann. Dass die Tätigkeitsausübung selbst – bei denkbar freier Ausübung durch die betroffenen Personen – einer Weisungsgebundenheit unterlag, steht für den Senat auch außer Frage. Die vom Vorstand der Klägerin vorgesehenen Bedingungen über den Betriebsablauf (Einlass, Einnahme von Eintrittsgeldern in vorgegebener Höhe, Organisation der Führungen etc.) waren von den betroffenen Personen einzuhalten. Dass der Vorstand nach dem unbestrittenen Vortrag der Klägerin selten bis gar nicht von seinem Weisungsrecht Gebrauch gemacht hat, ist zur Überzeugung des Senats unerheblich. Das BSG stellt auf die rechtliche Möglichkeit der Weisungserteilung und die rechtliche Gebundenheit des Angewiesenen ab, nicht aber darauf, ob tatsächlich Weisungen erteilt wurden. Die Relevanz der Weisungsmöglichkeit zeigt sich bei solchen Ausprägungen der Arbeitswelt erst im Konfliktfall. Dass solche während der Tätigkeit der betroffenen Personen möglicherweise selten bis gar nicht aufgetreten sind, ist aber irrelevant. Denn eine Abhängigkeit der Statuszuordnung von rein faktischem, nicht rechtlich gebundenem und daher jederzeit änderbarem Verhalten der Beteiligten ist mit dem Erfordernis der Vorhersehbarkeit sozialversicherungs- und beitragsrechtlicher Tatbestände nicht in Einklang zu bringen (entsprechend prägnant zusammengefasst SG Berlin, Urteil vom 18.04.2024, S 210 BA 196/20). Eine solche Betrachtung käme einer „Schönwetterselbstständigkeit“ gleich, die gerade unerwünscht ist (Engel, ZStV 2024, 194).

An dieser Stelle darf die Prüfung aber nicht stehenbleiben. Deutlich wird dies am gewichtigen Indiz des Unternehmerrisikos, das die Rechtsprechung als prägend für selbstständige Tätigkeit nennt (st. Rspr. des BSG, z.B. Urteil vom 14.03.2018, B 12 KR 3/17 R). Einerseits steht außer Frage, dass die betroffenen Personen im Namen und für Rechnung der Klägerin tätig wurden, für diese nach außen, also gegenüber den Besuchern des Museums, auftraten und keinerlei eigenes Unternehmerrisiko trugen. Andererseits wird deutlich, dass die klassische Abgrenzung der selbstständigen Tätigkeit, als Gegenstück zur abhängigen Beschäftigung, vorliegend nicht zielführend ist. Selbst die Klägerin vertritt nicht die Auffassung, dass die betroffenen Personen Selbstständige gewesen seien. Zu bewerten ist vielmehr, ob eine dritte, außerhalb der herkömmlichen Betrachtung stehende Gattung, die der Ehrenamtlichkeit, vorlag und deren Vorliegen der ausgeübten Tätigkeit eine Unterordnung als abhängige Beschäftigung entzieht. 

Ehrenamtliche Tätigkeit erhält ihr Gepräge durch ihre ideellen Zwecke und durch ihre Unentgeltlichkeit (BSG, Urteil vom 12.06.2024, B 12 BA 8/22 R; Urteil vom 12.12.2023, B 12 R 11/21 R), während abhängige Beschäftigung regelmäßig durch Arbeitsentgelt geprägt ist, vgl. § 2 Abs 2 Nr. 1 SGB IV. Vorliegend ist der Senat zwar zur Überzeugung gelangt, dass bei den betroffenen Personen eine zumindest ganz überwiegend altruistische Motivlage zur Durchführung der zu beurteilenden Tätigkeiten vorlag. Selbst die Beklagte bestreitet eine solche Teilmotivlage nicht. Auf eine subjektive Betrachtung oder Wahrnehmung der Betroffenen kommt es aber nicht an, sondern auf eine allein objektive Einordnung (BSG, Urteil vom 12.06.2024, B 12 BA 8/22 R, BSG, Urteil vom 23.02.2021, B 12 R 15/19 R, Urteil vom 16.8.2017 - B 12 KR 14/16 R). Diese führt nach Auffassung des Senats zur Einordnung der Tätigkeit als unentgeltliche. Bei den durch die Klägerin an die betroffenen Personen geleisteten Zahlungen sollte es sich nach unbestrittener und mit dem Vorbringen der betroffenen Personen übereinstimmender Angabe der Klägerin um eine Aufwandsentschädigung handeln. Abgegolten werden sollten Fahrtkosten sowie Verpflegung. Während ein konkreter Ersatz von entstandenen Aufwänden (z.B. Fahrtkostenauslagen oder Verdienstausfall) für eine Tätigkeit aus Sicht des Senats generell nicht als Entgelt einzuordnen wäre (offenbar ebenso: BSG, Urteil vom 16.08.2017, B 12 KR 14/16 R; BSG, Urteil vom 25.01.2006, B 12 KR 12/05 R), bedarf ein pauschalierender Aufwandsersatz – wie vorliegend – einer differenzierten Einzelfallbetrachtung. Die Kosten der An- und Heimfahrt und die Kosten des Verpflegungsbedarfs wurden im Hinblick auf die unterschiedlichen betroffenen Personen nicht ermittelt, bemessen und sodann individuell ersetzt. Die Zuwendung erfolgte stattdessen in Gestalt einer Pauschalzahlung von 5 € pro Tätigkeitsstunde bzw. – so der Regelfall – 30 € pro Tätigkeitstag (6 Stunden) für jeden der betroffenen Personen. 

Bei pauschalen Aufwandsentschädigungen ist die Berechnungsgrundlage dahingehend zu prüfen, ob sie dem Grundgedanken der Entschädigung für aufgewendete Zeit usw. entspricht. Fehlt es insoweit an nachvollziehbaren Begründungen und geht der geleistete Geldbetrag erkennbar über den getätigten Aufwand hinaus, so kann eine abhängige Beschäftigung angenommen werden (BSG, Urteil vom 16.08.2017, B 12 KR 14/16 R). 

Gegen die Bejahung des Charakters der Leistung als Aufwandsentschädigung und für die Einordnung als verdeckte Entlohnung spricht, dass bei der stundenweise ermittelten und damit zeitlich-linear anwachsenden Zuwendung keine Kongruenz zwischen dem vorgetragenen Aufwand und der Aufwandsentschädigung besteht. Die Fahrtkosten bleiben bei einer sechsstündigen Tätigkeit im Museum gegenüber einer einstündigen gleich. Im Übrigen kann z.B. der Streckenaufwand von der Wohnung des Herrn D. zum Museum (950 m) mit der Strecke von der Wohnung der Frau E. zum Museum (39 km einfache Strecke) nicht über denselben Pauschalansatz adäquat entschädigt werden. Beim Verpflegungsbedarf verhält es sich bei Betrachtung des Zeitansatzes umgekehrt zu den Fahrtkosten. Einen Verpflegungsbedarf bereits bei einer Stunde in gleicher Weise einzupreisen wie sechs Stunden, ist nicht sachgerecht. Dieses Kongruenzargument wird jedoch dadurch teilweise entkräftet, dass der Senat in tatsächlicher Hinsicht überzeugt davon ist, dass der Einsatz der betroffenen Personen nahezu ausschließlich jeweils volle 6 Stunden umfasste und es sich damit nicht um eine stundenweise, sondern eine tagesweise gewährte Zuwendung handelte. Im Übrigen ist es der pauschalen Aufwandsentschädigung immanent, dass es an einer Kongruenz fehlt. Schließlich darf im Hinblick auf die gewählte Art der Bemessung nicht übersehen werden, dass die Klägerin keine eigenen Buchhaltungskräfte beschäftigte und konkret aufwandsbezogene Einzelabrechnungen durch externe Kräfte den Wert der ausgezahlten Zuwendungen überstiegen hätte. 

Im Ergebnis ist jedoch ohnehin von Unentgeltlichkeit auszugehen, weil die Vergütung evident hinter einer adäquaten Gegenleistung für die zu beurteilende Tätigkeit zurückblieb (zu diesem Maßstab für die eingangs erwähnten Fallkonstellationen der Rechtsprechung: BSG, Urteil vom 12.12.2023, B 12 R 11/21 R, und Urteil vom 23.02.2021, B 12 R 15/19 R). Eine Vergütung von 5 € pro Arbeitsstunde entsprach im Jahr 2017 bereits im Hinblick auf den allgemeinen Arbeitsmarkt keinem adäquaten Arbeitsentgelt. Dieser Betrag lag nämlich erheblich unterhalb des gesetzlichen Mindestlohns nach dem Gesetz zur Regelung eines allgemeinen Mindestlohns (MiLoG) in der seinerzeit geltenden Fassung. Der Mindestlohn betrug 8,50 € pro Stunde, bezogen auf den Zeitraum vom 01.01.2015 bis 31.12.2016 € sowie 8,84 €, bezogen auf den Zeitraum vom 01.01.2017 bis 31.12.2018 (vgl. § 1 Abs. 2 MiLoG in der unveränderten Fassung vom 11.08.2014 für den erstgenannten Zeitraum sowie dieselbe Vorschrift i.V.m. mit der (ersten) Verordnung zur Anpassung des Mindestlohns (MiLoV) für den zweitgenannten Zeitraum). Im vorliegenden Fall ist zudem von einer Tätigkeit mit erhöhtem Verantwortungsumfang auszugehen. Die betroffenen Personen verwalteten immerhin die Tageseinnahmen sowie die als Wechselgeld vorhandenen Barmittel und sie trugen die Verantwortung für die Öffnung und Schließung des Museums und damit für seine museal sowie pekuniär wertvolle Ausstattung. 

Dass die Zuwendungen an die betroffenen Personen die steuerrechtliche Ehrenamtspauschale überschritten, führt dabei zu keiner abweichenden Beurteilung. Nach § 1 S. 1 Nr. 16 der Verordnung über die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung von Zuwendungen des Arbeitgebers als Arbeitsentgelt (SvEV) sind dem Arbeitsentgelt steuerfreie Aufwandsentschädigungen und die in § 3 Nummer 26 und 26a des Einkommensteuergesetzes (EStG) genannten steuerfreien Einnahmen nicht zuzurechnen. Damit sagt diese normative Bezugsgrenze aber nichts über die sozialversicherungsrechtliche Einordnung höherer Zuwendungen aus. 

Schließlich hält das gefundene Ergebnis auch einer Prüfung im Hinblick auf den Schutzzweck sozialversicherungsrechtlicher Bestimmungen stand. Die hier vorgenommene, an die Maßstäbe des BSG angelegte Betrachtung, derzufolge eine evident unzureichende Zuwendung im Verhältnis zur erbrachten Arbeitsleistung für die Annahme eines Ehrenamts und damit gegen die Annahme abhängiger Beschäftigung spricht, darf nicht dazu führen, dass prekäre Arbeitsverhältnisse unter dem Deckmantel der Ehrenamtlichkeit gerechtfertigt werden. Dem kann allerdings Rechnung getragen werden, in dem die Schutzbedürftigkeit der jeweils Betroffenen im Einzelfall ausgeschlossen wird. Während es für die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung eines Sachverhalts grundsätzlich nicht von Bedeutung, ob die Tätigkeit als Haupterwerbsquelle oder im Nebenerwerb ausgeübt wird (BSG, Urteil vom 30.06.2009, B 2 U 3/08 R), kommt dieser Frage im Zug der hier vorzunehmenden Kontrollüberlegung entscheidende Bedeutung zu. Das Sozialgericht hat die überzeugende Feststellung getroffen, der sich der Senat zur eigenen Überzeugung anschließt, dass die betroffenen Personen eine anderweitige Lebensunterhaltssicherung hatten, so dass ein Missbrauchsfall ausgeschlossen werden kann.

Nach alledem liegt zur Überzeugung des Senats bei der hier zu beurteilenden Tätigkeit der betroffenen Personen jeweils eine zu ideellen Zwecken ausgeübte, ehrenamtliche Tätigkeit vor, für die kein Arbeitsentgelt geleistet wurde und die nicht mit Sozialversicherungsbeiträgen belegt werden durfte. 

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m. §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Außergerichtliche Kosten der Beigeladenen sind nicht zu erstatten, da die Beigeladenen keine Anträge gestellt haben.

Der Senat lässt die Revision zu, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, vgl. § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG. Im Gegensatz zu den vom BSG hinreichend beurteilten Fallkonstellationen, in denen die Ehrenamtlichkeit der Tätigkeit oder eines Teils der Tätigkeit ohne Weiteres aus dem jeweiligen Status der Betroffenen resultierte, ist die Beurteilung von Fällen wie dem vorliegenden, in denen die grundsätzliche Ehrenamtlichkeit der Tätigkeit Bestandteil der Beurteilung ist, noch nicht durch die höchstrichterliche Rechtsprechung geklärt. Insbesondere die Frage, ob der Evidenzmaßstab des Verhältnisses von Aufwand und Zuwendung auch in solchen Fällen Anwendung finden kann, erscheint klärungsbedürftig.

Gemäß § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG werden, wenn in einem Verfahren weder der Kläger noch der Beklagte zu den in § 183 SGG genannten kostenrechtlich privilegierten Personen gehört, Kosten nach den Vorschriften des Gerichtskostengesetzes (GKG) erhoben. Da der Rechtsstreit eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, war der Streitwert in Höhe der Geldleistung festzusetzen (§§ 47, 52 Abs. 3 GKG).
 

Rechtskraft
Aus
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